Choose the experimental features you want to try

This document is an excerpt from the EUR-Lex website

Document 52021AE2010

Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zu der „Mitteilung der Kommission an das Europäische Parlament, den Rat, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss und den Ausschuss der Regionen — EU-Taxonomie, Nachhaltigkeitsberichterstattung von Unternehmen, Nachhaltigkeitspräferenzen und treuhänderische Pflichten: Finanzielle Mittel in Richtung des europäischen Grünen Deals lenken“ (COM(2021) 188 final)

EESC 2021/02010

ABl. C 517 vom 22.12.2021, p. 72–77 (BG, ES, CS, DA, DE, ET, EL, EN, FR, HR, IT, LV, LT, HU, MT, NL, PL, PT, RO, SK, SL, FI, SV)

22.12.2021   

DE

Amtsblatt der Europäischen Union

C 517/72


Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zu der „Mitteilung der Kommission an das Europäische Parlament, den Rat, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss und den Ausschuss der Regionen — EU-Taxonomie, Nachhaltigkeitsberichterstattung von Unternehmen, Nachhaltigkeitspräferenzen und treuhänderische Pflichten: Finanzielle Mittel in Richtung des europäischen Grünen Deals lenken“

(COM(2021) 188 final)

(2021/C 517/11)

Berichterstatter:

Stefan BACK

Befassung

Europäische Kommission, 31.5.2021

Rechtsgrundlage

Artikel 304 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union

Zuständige Fachgruppe

Fachgruppe Wirtschafts- und Währungsunion, wirtschaftlicher und sozialer Zusammenhalt

Annahme in der Fachgruppe

8.9.2021

Verabschiedung im Plenum

22.9.2021

Plenartagung Nr.

563

Ergebnis der Abstimmung

(Ja-Stimmen/Nein-Stimmen/Enthaltungen)

191/1/10

1.   Schlussfolgerungen und Empfehlungen

1.1.

Der Europäische Wirtschafts- und Sozialausschuss (EWSA) begrüßt das Paket für ein nachhaltiges Finanzwesen und unterstreicht, dass die Delegierte Verordnung der Kommission (im Folgenden: „Delegierte Verordnung“) (1) eine Schlüsselrolle dabei spielen kann, einen klaren, kohärenten und umfassenden Rahmen zu schaffen, mit dem die ehrgeizige Entwicklung einer umweltfreundlicheren Wirtschaft angestrebt wird, ohne Knebeleffekte und mit technischen Kriterien, die die direkt zu den europäischen Klimazielen beitragenden grünen Investitionen eindeutig definieren und an denen die Praktiken der betroffenen Wirtschaftszweige und des Finanzsektors ausgerichtet werden können.

1.2.

Der EWSA unterstreicht die Dringlichkeit effizienter Maßnahmen zur Anpassung an den Klimawandel und zur Verringerung von Emissionen, wie sie im EU-Klimagesetz vorgesehen und angesichts des sechsten Berichts des Weltklimarats (2) (Intergovernmental Panel on Climate Change, IPCC) geboten sind. Aus eben diesem Grund ist es unerlässlich, effiziente, leicht anwendbare, innovative und produktive Instrumente zu nutzen, damit rasch spürbare Ergebnisse erzielt werden. Die Bewertung der Delegierten Verordnung sollte in diesem Geist erfolgen.

1.3.

Der EWSA erkennt die entscheidende Rolle der Delegierten Verordnung bei der Schaffung von Transparenz mittels klarer Kriterien in Bezug auf nachhaltige Investitionen an, um diejenigen zu unterstützen, die in solche Projekte investieren wollen. Damit sollen Grünfärberei verhindert, das Bewusstsein für nachhaltige Projekte geschärft und Investitionen für solche Projekte mobilisiert werden. Auf diese Weise können faire und transparente Wettbewerbsbedingungen für grüne Finanzierungen in der EU geschaffen werden.

1.4.

Eine klare und präzise Definition der in der Delegierten Verordnung festgelegten technischen Kriterien, die dem Ziel einer CO2-armen Wirtschaft in Europa gerecht werden, ist daher die grundlegende Voraussetzung für ein vernünftiges, realistisches und akzeptables Engagement ohne die Gefahr von Grünfärberei. Angesichts der zentralen Bedeutung der Delegierten Verordnung für die Glaubwürdigkeit der Taxonomie — ein entscheidender Erfolgsfaktor für dieses im Wesentlichen freiwillige System — besteht die große Herausforderung darin, dieses Engagement zu erreichen.

1.5.

Der EWSA ist daher der Auffassung, dass Wirtschaftstätigkeiten und Projekte, die in der Delegierten Verordnung als „nachhaltig“ eingestuft werden, für Investoren in der Realwirtschaft attraktiv sein müssen, und geht davon aus, dass Investoren von einem nachhaltigen Projekt erwarten, dass es realistisch, realisierbar, einigermaßen rentabel und für die Marktteilnehmer vorhersehbar ist. Mit anderen Worten: Sie müssen attraktiv sein, ohne die Gefahr von Grünfärberei entstehen zu lassen.

1.6.

Generell können sich sehr ehrgeizige Klimaschutzmaßnahmen oder sehr umfangreiche Informationsanforderungen mit langfristigen Zukunftsprognosen in Bezug auf die Anpassung an den Klimawandel in einer Marktwirtschaft, vor allem aber für KMU, als eine komplexe und kostspielige Herausforderung erweisen. Dies wirft auch die Frage nach einer breiteren Anerkennung von Übergangslösungen als einem grünen Weg für die Gewährleistung eines reibungslosen Übergangs auf. Knebeleffekte müssen jedoch unbedingt verhindert werden.

1.7.

Der EWSA nimmt die Bedenken der Akteure der Realwirtschaft hinsichtlich der negativen Auswirkungen der Delegierten Verordnung auf Finanzierungsmöglichkeiten und Kosten zur Kenntnis. Der Ausschuss betont daher, wie wichtig eine angemessene Überwachung durch die Aufsichtsbehörden ist, um wettbewerbsverzerrende Auswirkungen auf die Finanzmärkte zu verhindern, insbesondere mit Blick auf die Ausweitung des Anwendungsbereichs der Taxonomiekriterien bspw. auf die nichtfinanzielle Berichterstattung und den vorgeschlagenen EU-Standard für grüne Anleihen.

1.8.

Darüber hinaus weist der EWSA auf die Gefahr hin, dass die Umsetzung der Taxonomiekriterien entsprechend der Delegierten Verordnung zu kostspielig sein könnte. Daher hält der EWSA es für notwendig, grüne Versicherungen für KMU zu entwickeln, um dieses Kostenrisiko zu verringern.

1.9.

In der Delegierten Verordnung werden Umweltstandards festgelegt, die häufig ehrgeiziger sind als diejenigen der sektorspezifischen EU-Rechtsvorschriften. Unter Berücksichtigung des vorstehend erwähnten Erfordernisses der Klarheit und Attraktivität kann dies zu Verwirrung führen und Finanzierungsprobleme für die Akteure verursachen, die die höchsten Umweltnormen gemäß den sektorspezifischen Rechtsvorschriften der EU einhalten. Der EWSA stimmt zu, dass ein hohes Maß an Ehrgeiz erforderlich ist, empfiehlt jedoch aus praktischen Gründen und um Verwirrung zu vermeiden, die höchsten auf Stufe 1 der EU-Gesetzgebung festgelegten Umweltstandards für die Zwecke der Taxonomie anzuwenden. Darüber hinaus enthält die Delegierte Verordnung (Stufe 2 der EU-Gesetzgebung) offenbar einige Bestimmungen, die inkohärent und unklar sind und nicht vollständig bewertet wurden. Zusammen mit den vorstehenden, insbesondere in den Ziffern 1.5–1.10, dargelegten Gründen lässt dies den EWSA daran zweifeln, dass die Delegierte Verordnung in ihrer jetzigen Form trotz ihres lobenswerten Ziels zweckmäßig ist. Der EWSA empfiehlt der Kommission nachdrücklich, Vorschläge zur Anhebung der Standards in den EU-Umweltvorschriften vorzulegen.

1.10.

Der EWSA würde Initiativen zur Verbesserung des Taxonomiesystems im Sinne der oben dargelegten Ausführungen begrüßen, um den Geltungsbereich dieses Systems zu erweitern und es als Mittel zur Unterstützung der vereinbarten klimapolitischen Ziele der EU durch eine effiziente Umsetzung der EU-Umweltvorschriften zu optimieren. Gleichzeitig fordert er die Kommission auf, weitere Initiativen in dieser Richtung zu ergreifen. Der Ausschuss nimmt zur Kenntnis, dass die wichtige Frage der EU-Taxonomie für klima- und umweltschädliche Tätigkeiten nach wie vor offen ist. Diese sollte dringend geklärt werden.

2.   Hintergrund

2.1.

Am 21. April 2021 veröffentlichte die Europäische Kommission ein Paket für nachhaltiges Finanzwesen (das „Paket“) mit den folgenden Bestandteilen:

Mitteilung „EU-Taxonomie, Nachhaltigkeitsberichterstattung von Unternehmen, Nachhaltigkeitspräferenzen und treuhänderische Pflichten: Finanzielle Mittel in Richtung des europäischen Grünen Deals lenken“ (3);

Delegierte Verordnung der Kommission zur Ergänzung von zwei der sechs Umweltziele gemäß den Artikeln 10 und 11 der Verordnung (EU) 2020/852 des Europäischen Parlaments und des Rates (4) („EU-Taxonomie-Verordnung“) mit technischen Bewertungskriterien zur Bestimmung, unter welchen Bedingungen eine bestimmte Wirtschaftstätigkeit einen wesentlichen Beitrag zum Klimaschutz (Artikel 10) bzw. zur Anpassung an den Klimawandel leistet (Artikel 11) sowie mit Kriterien zur Bestimmung, ob eine Wirtschaftstätigkeit die Umweltziele erheblich beeinträchtigt (Artikel 17). Die Delegierte Verordnung wurde am 4. Juni 2021 förmlich angenommen;

Vorschlag für eine neue Richtlinie über die Nachhaltigkeitsberichterstattung von Unternehmen;

geänderte delegierte Rechtsakte im Rahmen der Richtlinie über Märkte für Finanzinstrumente (MiFID II) und der Versicherungsvertriebsrichtlinie (IDD), mit denen Nachhaltigkeit als Teil der Informationen eingeführt wird, die Kunden vor Investitionsentscheidungen zur Verfügung gestellt werden müssen;

weitere Änderungen delegierter Rechtsakte in Bezug auf treuhänderische Pflichten und über Vermögensverwaltung, Versicherung, Rückversicherung und Investitionen, durch die die Vorschriften auch auf Nachhaltigkeitsrisiken und ihre Auswirkungen auf den Wert von Anlagen ausgeweitet werden sollen.

3.   Allgemeine Bemerkungen

3.1.

Gemäß der Mitteilung sollen mit dem Paket Anreize für private Investitionen in nachhaltige Projekte geschaffen werden, um über die zur Unterstützung der europäischen Wirtschaft bei der Erholung von der COVID-19-Krise bereitgestellten Gelder hinaus die enormen Finanzmittel zu mobilisieren, die für die Verwirklichung des im Grünen Deal festgelegten Ziels der Klimaneutralität erforderlich sind.

3.2.

In der Mitteilung wird die Bedeutung der Delegierten Verordnung zur Festlegung der Kriterien betont, anhand derer bewertet wird, welche ökologischen Wirtschaftstätigkeiten einen wesentlichen Beitrag zu den Zielen des Grünen Deals leisten.

3.3.

Der EWSA begrüßt das Paket und unterstreicht, dass die Delegierte Verordnung eine Schlüsselrolle dabei spielen könnte, einen klaren, kohärenten und umfassenden Rahmen zu schaffen, mit dem ohne Knebeleffekte die ehrgeizige Entwicklung einer umweltfreundlicheren Wirtschaft ermöglicht wird, mit eindeutigen und transparenten technischen Kriterien für die grünen Investitionen, die direkt zu den europäischen Klimazielen beitragen und an denen die Praktiken der betroffenen Wirtschaftszweige und des Finanzsektors ausgerichtet werden können.

3.4.

Der EWSA unterstreicht die Dringlichkeit effizienter Maßnahmen zur Anpassung an den Klimawandel und zur Verringerung von Emissionen, wie sie im EU-Klimagesetz vorgesehen und angesichts des sechsten Berichts des Weltklimarats (5) geboten sind. Aus eben diesem Grund ist es unerlässlich, effiziente, leicht anwendbare, innovative und produktive Instrumente zu nutzen, damit rasch spürbare Ergebnisse erzielt werden. Die Bewertung der Delegierten Verordnung sollte in diesem Geist erfolgen.

3.5.

Eine klare und präzise Definition der in der Delegierten Verordnung festgelegten technischen Kriterien, die dem Ziel einer CO2-armen Wirtschaft in Europa gerecht werden, ist daher die grundlegende Voraussetzung für ein vernünftiges, realistisches und akzeptables Engagement ohne die Gefahr von Grünfärberei. Angesichts der zentralen Bedeutung der Delegierten Verordnung für die Glaubwürdigkeit der Taxonomie — ein entscheidender Erfolgsfaktor für dieses im Wesentlichen freiwillige System — besteht die große Herausforderung darin, dieses Engagement zu erreichen.

3.6.

Der EWSA begrüßt jedoch den in der Delegierten Verordnung zum Ausdruck kommende Ehrgeiz zur Festlegung eines einheitlichen EU-Standards für Tätigkeiten, die wesentlich zum Klimaschutz oder zur Anpassung an den Klimawandel beitragen. Technische Kriterien sollten einen klaren Rahmen für grüne Investitionen bieten mit dem Ziel, auf den Finanzmärkten gleiche Wettbewerbsbedingungen zu schaffen und Projekte zu vermeiden, mit denen ausschließlich Grünfärberei betrieben wird. Bezüglich des Anwendungsbereichs und des Nutzens von Übergangsoptionen gehen die Meinungen auseinander. Der EWSA ist der Auffassung, dass die technischen Kriterien umfassendere Möglichkeiten zur Anerkennung von Übergangslösungen als Weg für einen reibungslosen Wandel bieten sollten. Knebeleffekte müssen unbedingt verhindert werden.

3.7.

Der EWSA nimmt die in der Mitteilung enthaltene Aussage zur Kenntnis, dass die Delegierte Verordnung nicht als starres Dokument zu sehen ist, sondern im Laufe der Zeit in Bezug auf den Anwendungsbereich und das Anspruchsniveau erweitert wird.

3.8.

Der EWSA erkennt daher die wichtige Rolle der Delegierten Verordnung bei der Schaffung von Transparenz in Bezug auf die Tätigkeiten an, die die festgelegten Kriterien erfüllen und Investoren anziehen, die in nachhaltige Projekte investieren möchten. Die Delegierte Verordnung bildet damit die Grundlage für die Definition einer Wirtschaftstätigkeit als ökologisch nachhaltig sowie für die Anwendung der verbindlichen Transparenz- und Offenlegungsbestimmungen der Taxonomieverordnung. Sie könnte erheblich zur Sensibilisierung für nachhaltige Projekte und zur Gewinnung von Investoren für solche Projekte sowie zur Vermeidung von Grünfärberei beitragen.

3.9.

Die Delegierte Verordnung wird als Transparenzinstrument beschrieben und ist Teil eines freiwilligen Systems in dem Sinne, dass die Marktteilnehmer weder verpflichtet sind, die darin festgelegten Standards einzuhalten, noch Investoren verpflichtet sind, in wirtschaftliche Tätigkeiten oder Projekte zu investieren, die diese Standards erfüllen.

3.10.

Daher ist es wie gesagt erforderlich, dass die Wirtschaftstätigkeiten und Projekte, die gemäß der Delegierten Verordnung als nachhaltig gelten, für Investoren in der Realwirtschaft eindeutig attraktiv sein müssen. Es kann auch davon ausgegangen werden, dass Investoren in realistische, rentable und vorhersehbare nachhaltige grüne Projekte investieren werden. Die Rentabilitätserwartungen können variieren und werden bei Finanzierungen über Genossenschaftsbanken oder Kommunal- und Regionalbanken häufig niedriger sein und 5–6 % statt wie allgemein erwartet 11–15 % betragen. Eine höhere Rentabilität wird in der Regel große Kapitalströme mobilisieren, während bei kleineren Projekten die Wahl typischerweise auf Genossenschafts- oder Regionalbanken fallen dürfte.

3.11.

Ebenso wichtig ist es, dass die in der Delegierten Verordnung festgelegten Kriterien für die Einstufung einer Wirtschaftstätigkeit oder eines Projekts als ökologisch nachhaltig mit vertretbarem finanziellen Aufwand und unter Wahrung der Rentabilität und Vorhersehbarkeit erfüllt werden können, kurz, dass sie für die Marktteilnehmer wirtschaftlich attraktiv erscheinen. In diesem Zusammenhang darf nicht vergessen werden, dass insbesondere KMU häufig Unterstützung benötigen könnten, um in der Lage zu sein, den ökologischen Wandel zu bewältigen. Die Taxonomie als solche sollte jedoch auf technische Kriterien beschränkt werden.

3.12.

Erfüllt die Taxonomie nicht die in den beiden vorstehenden Absätzen genannten Kriterien, stehen möglicherweise die Erfolgsaussichten für das gesamte Projekt in Frage. Ein freiwilliges System muss attraktiv sein, um den angestrebten Wandel herbeizuführen.

3.13.

Auf der Grundlage der vorstehend skizzierten Schlüsselelemente erscheinen einige Bestimmungen der Delegierten Verordnung fragwürdig. Sehr ehrgeizige Klimaschutzmaßnahmen oder sehr umfangreiche Informationsanforderungen mit langfristigen Zukunftsprognosen in Bezug auf die Anpassung an den Klimawandel könnten sich in einer Marktwirtschaft grundsätzlich — außer für einige wenige sehr große Akteure — als zu schwierig, zu komplex, zu kostspielig oder als zu wenig gewinnversprechend erweisen und würden die praktischen Auswirkungen, insbesondere für KMU, sträflich vernachlässigen. Damit würde die natürlich angestrebte breite Akzeptanz verlorengehen, während Unternehmen, die sich an die geltenden EU-Umweltvorschriften, aber nicht an die Delegierte Verordnung halten, immer noch mit finanziellen Schwierigkeiten konfrontiert werden. Daher hält der EWSA es für notwendig, grüne Versicherungen für KMU zu entwickeln, um dieses Kostenrisiko zu verringern. Einige Beispiele hierfür sind im Abschnitt „Besondere Bemerkungen“ aufgeführt.

3.14.

Die Akteure der Realwirtschaft haben Bedenken geäußert, dass die in der Delegierten Verordnung festgelegten technischen Kriterien zu Finanzierungsschwierigkeiten bei Tätigkeiten führen könnten, die nicht mit der Verordnung in Einklang stehen. Der EWSA teilt die Auffassung, dass ein derartiges Risiko bestehen könnte, da der Anwendungsbereich der Taxonomie auf die nichtfinanzielle Berichterstattung gemäß Artikel 8 der Taxonomieverordnung sowie den vorgeschlagenen EU-Standard für grüne Anleihen (6) ausgeweitet wird.

3.15.

Der EWSA betont daher, wie wichtig es ist, dass die Aufsichtsbehörden die Anwendung der Delegierten Verordnung überwachen, um zu vermeiden, dass Unternehmen, die die Taxonomiekriterien nicht erfüllen, mit Blick auf Kreditmöglichkeiten und Kreditkosten diskriminiert werden. Diese Akteure sollten bei der Werbung um die notwendigen finanziellen Mittel weiterhin fair behandelt werden.

3.16.

In diesem Zusammenhang verweist der EWSA auf ein Gutachten des Wissenschaftlichen Beirats beim Bundesministerium der Finanzen, wonach es äußerst schwierig ist und weitreichende, detaillierte und möglichst vollständige Rechtsvorschriften erfordern würde, die Verwendung von Kapitalströmen in der Realwirtschaft über Finanzregelungen zu steuern. Zudem könnte eine derartige Taxonomie zu großer Komplexität und übermäßigem Verwaltungsaufwand führen (7).

3.17.

Die einzigen für diese Stellungnahme relevanten verbindlichen Elemente des Pakets sind die Transparenzbestimmungen in den Artikeln 4 bis 7 der Taxonomieverordnung und die geänderten delegierten Rechtsakte über Märkte für Finanzinstrumente, den Versicherungsvertrieb und verschiedene treuhänderische Pflichten, die darauf abzielen, das Bewusstsein für die Möglichkeiten und Risiken nachhaltiger Investitionen zu schärfen und sicherzustellen, dass Kunden und potenzielle Kunden in dieser Hinsicht ausreichend informiert werden.

3.18.

Die delegierten Rechtsakte für den Finanzmarkt erscheinen insgesamt zweckmäßig und stellen daher angemessene Instrumente dar, um das Bewusstsein für nachhaltige Investitionen zu schärfen und so dringend benötigte Ressourcen in solche Investitionen zu lenken.

3.19.

In der Delegierten Verordnung werden Umweltstandards festgelegt, die häufig ehrgeiziger sind als diejenigen der sektorspezifischen EU-Rechtsvorschriften. Unter Berücksichtigung des in Ziffer 3.6 erwähnten Erfordernisses der Klarheit kann dieser doppelte Standard zu Verwirrung führen und Finanzierungsprobleme für die Akteure verursachen, die die höchsten Umweltnormen gemäß den sektorspezifischen Rechtsvorschriften der EU einhalten. Der EWSA stimmt zu, dass ein hohes Maß an Ehrgeiz erforderlich ist, empfiehlt jedoch aus praktischen Gründen und um Verwirrung zu vermeiden, die höchsten auf Stufe 1 der EU Gesetzgebung festgelegten Umweltstandards auch für die Zwecke der Taxonomie anzuwenden, damit diese ihren Zweck der Gewährleistung der Transparenz von Finanzprodukten und der Verhinderung von Grünfärberei wirksam erfüllen kann. Daher und aufgrund der in den Ziffern 3.6 und 3.13–3.16 dargelegten Gründe bezweifelt der EWSA, dass die Delegierte Verordnung (Stufe 2 der EU-Gesetzgebung) in ihrer jetzigen Form trotz ihres lobenswerten Ziels zweckmäßig (8) ist. Der EWSA empfiehlt der Kommission nachdrücklich, Vorschläge zur Anhebung der Standards in den EU-Umweltvorschriften vorzulegen.

3.20.

Es ist bekannt, dass grüne Finanzprodukte für die Finanzmärkte attraktiv sind. Der EWSA begrüßt daher den grundsätzlichen Zweck der Taxonomie, Transparenz zu schaffen, Grünfärberei zu verhindern und auf grüne Finanzprodukte aufmerksam zu machen, warnt jedoch vor der Gefahr, dass auf den Finanzmärkten Blasen entstehen könnten.

3.21.

Der EWSA würde Initiativen zur Verbesserung des Taxonomiesystems im Sinne der oben dargelegten Ausführungen begrüßen, um den Geltungsbereich dieses Systems zu erweitern und es als wichtiges Mittel zur Unterstützung der vereinbarten klimapolitischen Ziele der EU durch eine effiziente Umsetzung der EU-Umweltvorschriften zu optimieren. Gleichzeitig fordert er die Kommission auf, weitere Initiativen in dieser Richtung zu ergreifen.

3.22.

Der Ausschuss nimmt zur Kenntnis, dass die wichtige Frage der EU-Taxonomie für klima- und umweltschädliche Tätigkeiten nach wie vor offen ist. Diese sollte dringend geklärt werden.

4.   Besondere Bemerkungen

Delegierte Verordnung

4.1.

Der EWSA unterstreicht die zentrale Rolle der erneuerbaren Energien bei der Nachhaltigkeitswende und weist darauf hin, dass geeignete Übergangslösungen gefunden werden müssen, um unter anderem das ordnungsgemäße Funktionieren der Logistik-Wertschöpfungsketten zu gewährleisten und gleichzeitig Knebeleffekte unbedingt vermeiden zu können.

4.2.

In Ziffer 6.3 von Anhang 1 der Delegierten Verordnung ist offenbar festgelegt, dass Busse ohne Auspuffemissionen nur dann als nachhaltig gelten, wenn sie im Stadt- und Vorortverkehr eingesetzt werden, während andere Busverkehrsdienste nur dann als sogenannte Übergangstätigkeiten bis zum 31. Dezember 2025 in Frage kommen, wenn sie der höchsten Abgasnorm (EURO VI) entsprechen. Auf diese Fahrzeuge findet das Kriterium „ohne Auspuffemissionen“ keine Anwendung, doch aus dem Text geht hervor, dass sie nur als Übergangstätigkeit gelten, die gemäß Artikel 19 der Taxonomieverordnung mindestens alle drei Jahre neu bewertet werden muss. Offenbar fehlt ein Verweis auf die in der Richtlinie über saubere Fahrzeuge festgelegten Normen. Wer würde angesichts dieser Ungewissheit über die Situation nach dem 31. Dezember 2025 in ein Busunternehmen investieren? Die Einstufung des Verkehrs mit Fahrzeugen der höchsten Umweltanforderung in den EU-Rechtsvorschriften — EURO VI — als Übergangstätigkeit erscheint seltsam und könnte Verwirrung stiften.

4.2.1.

Schwere Nutzfahrzeuge, d. h. Lkw der Klasse N2 und N3 im Güterkraftverkehr (Abschnitt 6.6), gelten als nachhaltig, wenn sie als emissionsfreie Fahrzeuge im Sinne von Artikel 3 Absatz 11 der Verordnung (EU) 2019/1242 des Europäischen Parlaments und des Rates (9) mit Emissionen unter 1 g CO2/km eingestuft werden können. Fahrzeuge über 7,5 Tonnen erfüllen, sofern die Emissionsfreiheit „technisch und wirtschaftlich nicht machbar“ ist, die Vorgaben für emissionsarme Fahrzeuge als Übergangstätigkeit gemäß Artikel 3 Absatz 12. Leichte Nutzfahrzeuge, d. h. Lkw mit einem maximalen Gesamtgewicht von bis zu 3,5 Tonnen (N1), gelten als emissionsfreie Fahrzeuge. Bei allen anderen Güterverkehrsdiensten auf der Straße handelt es sich um Übergangstätigkeiten.

4.2.2.

Die Behandlung von Lkw zeigt einen pragmatischen Ansatz, der in der Delegierten Verordnung häufiger hätte angewandt werden sollen. Die Anforderung der Emissionsfreiheit für leichte Nutzfahrzeuge (N1) in Abschnitt 6.6 scheint nicht mit Abschnitt 6.5 über die Beförderung mit Motorrädern, Pkw und leichten Nutzfahrzeugen vereinbar zu sein, für die aus nicht ersichtlichen Gründen weniger strenge Bestimmungen gelten.

4.2.3.

Insgesamt gesehen erscheint die unterschiedliche Behandlung von Straßenfahrzeugen bei verschiedenen Tätigkeiten inkohärent und chaotisch, ohne dass erläutert wird, warum in unterschiedlichen Kontexten so unterschiedliche Ansätze gewählt werden.

4.3.

Eine wiederkehrende Bestimmung in Anhang 1 Abschnitt 6 (Verkehr) der Verordnung schließt Fahrzeuge oder Schiffe, die für den Transport fossiler Brennstoffe bestimmt sind, aus, da der Zugang zu diesen Brennstoffen nicht erleichtert werden soll. Allerdings sollte diese Anforderung gemäß Erwägungsgrund 35 auf ihre „Anwendbarkeit“ hin geprüft werden. Es ist nicht nachvollziehbar, wieso eine Anforderung eingefügt wird, wenn Zweifel an deren Zweckmäßigkeit bestehen. Außerdem ist die Anforderung nicht eindeutig. Ein Fahrzeug kann häufig sowohl fossile als auch alternative Kraftstoffe transportieren. Es ist nicht klar, ob sich die Anforderung auf den Bau oder die Nutzung von Fahrzeugen bzw. Schiffen bezieht, sodass weder deren Auslegung noch Auswirkungen klar sind.

4.4.

Weitere Beispiele sind die Bestimmungen über die Klimafolgenanalysen in Anhang 1 Abschnitt 1.1, 1.2 und 1.3, die zu den Aufforstungs-, Waldwiederherstellungs- und Waldbewirtschaftungsplänen hinzukommen und auch für Kleinbetriebe ab 13 ha gelten. Die Anforderungen erscheinen recht komplex, und der Hinweis, dass dafür Online-Tools der Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen zur Verfügung stehen, dürfte für kleine Betriebe nur ein schwacher Trost sein. Er verdeutlicht vielmehr die nachteilige Situation für kleinere Unternehmen, die durch den in der Delegierten Verordnung verwendeten Top-Down-Ansatz entsteht.

4.5.

Sicherlich ist die Erhaltung der Wälder, einschließlich Kohlenstoffsenken, ein wesentliches Element der Umweltpolitik der EU, aber die administrativen Verpflichtungen müssen in einem angemessenen Verhältnis zu den Ressourcen der Zielgruppen stehen. Die vom Forest Stewardship Council angewandten Grundsätze sind ein Beispiel für klare und vernünftige Grundsätze für die Nutzung und Bewirtschaftung von Wäldern (10).

4.6.

In Bezug auf die Anpassung an den Klimawandel lassen sich die Bestimmungen in Anhang 2 Ziffer 1.3 über die Waldbewirtschaftung und in Ziffer 6.3 über die Personenbeförderung im Stadt-, Vorort- und Überlandkraftverkehr anführen, in denen eine Analyse der Klimaauswirkungen von Großinvestitionen für einen Zeitraum von 10 bis 30 Jahren vorgesehen ist.

4.7.

Die in der Mitteilung enthaltene Aussage, dass die Taxonomie Tätigkeiten, die das aktuelle Niveau der Umweltleistung verbessern, aber nicht das Niveau eines wesentlichen Beitrags erreichen, nicht akzeptiert, steht im Widerspruch zu Artikel 10 Absatz 2 der Taxonomieverordnung. Dementsprechend sollte, wie bereits vorgeschlagen, Übergangslösungen mehr Raum eingeräumt werden.

Brüssel, den 22. September 2021

Die Präsidentin des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses

Christa SCHWENG


(1)  Delegierte Verordnung der Kommission zur Ergänzung der Verordnung (EU) 2020/852 des Europäischen Parlaments und des Rates durch Festlegung der technischen Bewertungskriterien, anhand deren bestimmt wird, unter welchen Bedingungen davon auszugehen ist, dass eine Wirtschaftstätigkeit einen wesentlichen Beitrag zum Klimaschutz oder zur Anpassung an den Klimawandel leistet, und anhand deren bestimmt wird, ob diese Wirtschaftstätigkeit erhebliche Beeinträchtigungen eines der übrigen Umweltziele vermeidet (C(2021) 2800 final).

(2)  Climate Change 2021 — The Physical Science Basis, 2021.

(3)  COM(2021) 188 final.

(4)  Verordnung (EU) 2020/852 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 18. Juni 2020 über die Einrichtung eines Rahmens zur Erleichterung nachhaltiger Investitionen und zur Änderung der Verordnung (EU) 2019/2088 (ABl. L 198 vom 22.6.2020, S. 13).

(5)  Climate Change 2021 — The Physical Science Basis, 2021.

(6)  Kommissionsvorschlag für eine Verordnung über europäische grüne Anleihen (COM(2021) 391 final — 2021/0191 (COD)).

(7)  Grüne Finanzierung und Grüne Staatsanleihen — Geeignete Instrumente für eine wirksame Umweltpolitik? — Wissenschaftlicher Beirat beim Bundesministerium der Finanzen — Gutachten 02/2021.

(8)  Sustainable finance — Eine kritische Würdigung der deutschen und europäischen Vorhaben, IHK München und Oberbayern, Leibnitz-Institut für Wirtschaftsforschung an der Universität München e.V. 2020.

(9)  Verordnung (EU) 2019/1242 des europäischen parlaments und des rates vom 20. Juni 2019 zur Festlegung von CO2-Emissionsnormen für neue schwere Nutzfahrzeuge und zur Änderung der Verordnungen (EG) Nr. 595/2009 und (EU) 2018/956 des Europäischen Parlaments und des Rates sowie der Richtlinie 96/53/EG des Rates (ABl. L 198 vom 25.7.2019, S. 202).

(10)  www.fsc.org.


Top