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Document 52020IR1265

    Stellungnahme des Europäischen Ausschusses der Regionen — Neuer Aktionsplan für die Kreislaufwirtschaft

    COR 2020/01265

    ABl. C 440 vom 18.12.2020, p. 107–113 (BG, ES, CS, DA, DE, ET, EL, EN, FR, HR, IT, LV, LT, HU, MT, NL, PL, PT, RO, SK, SL, FI, SV)

    18.12.2020   

    DE

    Amtsblatt der Europäischen Union

    C 440/107


    Stellungnahme des Europäischen Ausschusses der Regionen — Neuer Aktionsplan für die Kreislaufwirtschaft

    (2020/C 440/18)

    Berichterstatter:

    Tjisse STELPSTRA (NL/EKR)‚ Mitglied der Deputiertenstaaten der Provinz Drenthe

    Referenzdokument:

    Mitteilung der Europäischen Kommission an das Europäische Parlament, den Rat, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss und den Ausschuss der Regionen — Ein neuer Aktionsplan für die Kreislaufwirtschaft — Für ein saubereres und wettbewerbsfähigeres Europa

    COM(2020) 98 final

    POLITISCHE EMPFEHLUNGEN

    DER EUROPÄISCHE AUSSCHUSS DER REGIONEN

    A.   Allgemeine Bemerkungen

    Unsere Verantwortung

    1.

    äußert sich besorgt über das gegenwärtige Tempo der Übernutzung der Erde, sieht das menschliche Verhalten als Ursache für diese katastrophale Entwicklung an, für die wir alle Verantwortung tragen, und stimmt der Schlussfolgerung im neuen Aktionsplan für die Kreislaufwirtschaft zu, dass der Übergang zu einer klimaneutralen Kreislaufwirtschaft die Zusammenarbeit aller Interessenträger auf allen Ebenen von Regierung, Verwaltung und Gesellschaft erfordert;

    2.

    hebt die dringende Notwendigkeit hervor, den Übergang zu einem Modell des regenerativen Wachstums zu beschleunigen, um den Ressourcenverbrauch innerhalb der Belastungsgrenzen des Planeten zu halten und unseren Fußabdruck zu verkleinern;

    3.

    begrüßt den neuen Aktionsplan für die Kreislaufwirtschaft der Europäischen Kommission als strategische Ausgestaltung des mit dem europäischen Grünen Deal verfolgten Ansatzes und als konstruktive Fortsetzung des Aktionsplans von 2015;

    4.

    bedauert, dass den lokalen und regionalen Gebietskörperschaften (LRG) im neuen Aktionsplan lediglich ein ausgesprochen knappes Kapitel gewidmet wird, obwohl sie als Akteure beim Übergang zur Kreislaufwirtschaft maßgebend zum Anstoß und Ausbau dringend benötigter Innovationen beitragen — die Regionen setzen sich dafür ein, dass sich das Alltagshandeln der Menschen, Gemeinschaften und Regionen an den Grundsätzen der Kreislaufwirtschaft orientiert und diese verinnerlicht werden; unterstreicht das beschäftigungsfördernde Potenzial der Kreislaufwirtschaft sowie die notwendige Förderung der Investitionen in neue Infrastrukturen für die tatsächliche Sammlung und Rückführung von Stoffen sowie für die Nutzung von Sekundärrohstoffströmen;

    5.

    nimmt beeindruckt die zahlreichen sachkundigen Beiträge von Interessenträgern zur Kenntnis und fordert die Europäische Kommission auf, Peer-Learning und Kapazitätsaufbau über bestehende Plattformen wie die Partnerschaften der EU-Städteagenda, die Europäische Plattform der Interessenträger für die Kreislaufwirtschaft und Netze der lokalen und regionalen Gebietskörperschaften zu fördern;

    6.

    begrüßt die Initiative „Kreislauforientierte Städte und Regionen“ zur Unterstützung der Interessenträger bei der Planung und Umsetzung territorialer Kreislaufwirtschaftskonzepte; weist jedoch gleichzeitig darauf hin, dass die Kreislaufwirtschaft nicht losgelöst von anderen Initiativen zum Schutz unseres Planeten betrachtet werden kann, sondern als eine Handlungsmaxime in die Bemühungen der Städtenetze um den Klima- und Umweltschutz sowie die nachhaltige Entwicklung integriert werden muss;

    7.

    betont, dass die laufende Debatte über die Grundsätze der Kreislaufwirtschaft Gelegenheit bietet, entschieden die immer wiederkehrende Frage einer Ergänzung des traditionellen BIP durch weitere Indikatoren (1) zu klären, d. h. neue, über die wirtschaftliche Leistung hinausgehende Aspekte in die Messung des Fortschritts einzubeziehen, z. B.: Schaffung solidarischer Systeme für eine inklusive Gesellschaft, Leben innerhalb der Belastungsgrenzen unseres Planeten und gerechte Ressourcenverteilung;

    COVID-19

    8.

    weist darauf hin, dass die Vorlage des neuen Aktionsplans mit dem Ausbruch der COVID-19-Pandemie zusammenfiel, die uns unsere Abhängigkeit von Primärrohstoffen vor Augen geführt hat, und sieht die Krise in mehrfacher Hinsicht als Weckruf;

    9.

    fordert die Europäische Kommission und die Mitgliedstaaten auf, durch eine bessere Organisation der Bewirtschaftung von — vor allem knappen und kritischen — Ressourcen die Abhängigkeit von Dritten sowie von Primärrohstoffen zu verringern und die Versorgungssicherheit zu stärken, und empfiehlt die Entwicklung einer EU-Plattform für Ressourcenpolitik;

    10.

    begrüßt, dass die Europäische Kommission einen Schwerpunkt auf den Ausbau des Marktes für Sekundärrohstoffe legt und dazu insbesondere Investitionen in Recycling vorsieht;

    11.

    ist beeindruckt von den positiven Nebenwirkungen des Lockdowns auf die Umwelt (d. h. sauberere Luft, weniger Wasserverschmutzung, weniger schädliche Emissionen); ist der Auffassung, dass die seit Anbeginn der Krise von den Bürgerinnen und Bürgern, öffentlichen Akteuren, Unternehmen und Wirtschaftsakteuren an den Tag gelegte Resilienz, Kreativität und Innovationskraft genutzt werden sollte, um einen tiefgreifenden ökologischen Wandel der Produktionsprozesse zu unterstützen und hinsichtlich der Umweltzerstörung einen „Aufholeffekt“ nach der Krise abzuwenden;

    12.

    fordert die Europäische Kommission, die Mitgliedstaaten und die LRG auf, über Investitionslenkung im Rahmen des EU-Aufbauplans den langfristigen wirtschaftlichen, sozialen und ökologischen Fortschritt sicherzustellen und gleichzeitig den Ressourcenaufwand zu verringern, die Nutzung gefährlicher Substanzen zu vermeiden oder einzustellen und die Kreislauffähigkeit von Materialien und Systemen zu verbessern; betont, dass das Aufbauinstrument „Next Generation EU“ durch die Bereitstellung der erforderlichen Mittel zu diesem Ziel beitragen muss und durch Eigenmittel ergänzt werden sollte, durch die kein EU-Mitgliedstaat gegenüber anderen Ländern benachteiligt wird;

    Klimaschutzziele, Grüner Deal und Nachhaltigkeitsziele

    13.

    fordert die Europäische Kommission, die Mitgliedstaaten und die LRG auf, für eine fristgerechte Umsetzung des europäischen Grünen Deals zu sorgen und sicherzustellen, dass er als eine solide Grundlage für einen mit den Energie-, Klima- und Umweltzielen der EU im Einklang stehenden Wiederaufbau der EU-Wirtschaft herangezogen wird;

    14.

    unterstreicht mit Nachdruck den entscheidenden Beitrag der Grundsätze der Kreislaufwirtschaft zur Verwirklichung der Nachhaltigkeitsziele, insbesondere des SDG 12 „Nachhaltige Konsum- und Produktionsmuster“, und vertritt die Ansicht, dass die Anwendung dieser Grundsätze dazu beitragen wird, übergeordnete Ziele in Maßnahmen umzusetzen und den gesellschaftlichen Wandel konkret voranzubringen;

    15.

    betont, dass der Übergang zur Kreislaufwirtschaft die Bemühungen der EU zur Eindämmung des Klimawandels in hohem Maße unterstützen wird, und fordert die Europäische Kommission auf, sämtliche Vorhaben in Verbindung mit dem Grünen Deal enger zu vernetzen, um den unbedingt notwendigen Gesamtüberblick zu ermöglichen und das Synergiepotenzial durch Forschung und Indikatoren sowie im politischen Gestaltungsprozesses, beispielsweise im Rahmen des Klimagesetzes, auszuschöpfen; erachtet es als ebenso wichtig, Kreislaufwirtschaftskonzepte mit Strategien zur Bewältigung anderer Umweltprobleme zu verknüpfen, bspw. Maßnahmen für Biodiversitätsschutz oder für die Verbesserung der Luft- und Wasserqualität; macht deutlich, dass die Anwendung der Grundsätze der Kreislaufwirtschaft zu einem gemeinsamen Ausgangspunkt in allen Bereichen werden muss, vom Agrar- und Lebensmittelsektor über die Baubranche bis hin zu Hochtechnologielösungen usw.;

    16.

    macht auf bereichsübergreifende Abhängigkeiten zwischen Kreislauforientierung und Klimaschutz aufmerksam; hebt hervor, dass der Ansatz der Kreislaufwirtschaft in Verbindung mit Design- und Rücknahmesystemen umfassend und unmittelbar zur Senkung des Klimagasausstoßes beitragen kann;

    Ziele und Überwachung

    17.

    hebt hervor, dass es unbedingt notwendig ist, Wachstum und Ressourcennutzung zu entkoppeln, um die Belastungsgrenzen unseres Planeten nicht zu überschreiten, und bedauert, dass der neue Aktionsplan kein Gesamtziel für die Verringerung des Ressourcenverbrauchs vorsieht; gibt zu bedenken, dass es mit den bisherigen EU-Maßnahmen nicht gelungen ist, den Gesamtverbrauch an natürlichen Ressourcen und Rohstoffen in Europa zu senken. Es wäre sinnvoll, andere Messgrößen als das BIP als Grundlage für die Berechnung von Entwicklungen heranzuziehen, die den Grundsätzen der Kreislaufwirtschaft besser entsprechen;

    18.

    vertritt die Auffassung, dass die Verringerung von CO2 in den Ökobilanzen zu den Zielen gehören sollte, um entsprechende Investitionen und Ergebnisse zu fördern, und befürwortet daher vorrangige einschlägige Maßnahmen;

    19.

    weist darauf hin, dass konkrete Maßnahmen zu konkreten Ergebnissen führen, und fordert die Europäische Kommission auf, jede Schlüsselmaßnahme mit einer Ergebniserwartung und einem ehrgeizigen Zeitplan zu verknüpfen;

    20.

    betont, dass ehrgeizige und an den Fortschritt anzupassende Ziele gesetzt werden müssen, um Innovationen zu fördern, und dass deshalb ein System benötigt wird, bei dem alle fünf Jahre anhand der jeweils besten verfügbaren Lösung oder am besten bewährten Praxis das neue Ziel für die nächsten fünf Jahre vorgegeben wird;

    21.

    hebt die Notwendigkeit hervor, lokale und regionale Indikatoren zu entwickeln und anzuwenden, um Fortschritte zu bewerten und Probleme einzuschätzen und die LRG bei der Umsetzung von Kreislaufwirtschaftsstrategien zu unterstützen;

    Wirtschaftssystem

    22.

    erachtet es als gerecht, die durch Verschmutzung, Abfälle und Emissionen verursachten Kosten in die Bepreisung nicht kreislauforientierter Produkte zu integrieren, um für vergleichbare Ausgangsbedingungen und Wettbewerbsfähigkeit einer nachhaltigen Produktion gegenüber nicht kreislauforientierten Produktionsmethoden zu sorgen;

    23.

    hält rechtliche und wirtschaftliche Lenkungsinstrumente, mit denen kreislauforientierte Tätigkeiten erleichtert und nicht kreislauffähige Tätigkeiten erschwert werden, für sinnvoll und fordert die Kommission auf, bewährte Verfahren darzulegen, wie die Mitgliedstaaten auf die Kreislaufwirtschaft hinarbeiten und gemeinsame Lösungen finden können, die über nationale Grenzen hinweg funktionieren; hält eine niedrigere Besteuerung von kreislauforientierten Tätigkeiten und eine höhere Besteuerung von nicht kreislauffähigen Tätigkeiten für sinnvoll und befürwortet die anvisierte Anwendung von Mehrwertsteuersätzen (MwSt.) als wirksames Instrument; empfiehlt, bei den Folgemaßnahmen die Leitlinien zur Aufteilung der Zuständigkeiten in der Steuerpolitik zu berücksichtigen;

    24.

    bedauert in diesem Zusammenhang, dass die Einstimmigkeit in der Steuerpolitik verhindert, dass die Mitgliedstaaten über mehr Spielraum bei der Anwendung von MwSt.- und anderen Steuersätzen verfügen, um einen echten Wandel der Produktions- und Verbrauchsmuster (über reine Reparaturarbeiten hinaus) zu unterstützen;

    B.   Die lokalen und regionalen Gebietskörperschaften

    Zuständigkeiten

    25.

    betont, dass viele Kompetenzen der LRG die Bewirtschaftung von Ressourcen und die Kreislaufwirtschaft berühren und die LRG somit über vielfältige Möglichkeiten verfügen, den die Umstellung auf eine Kreislaufwirtschaft zu fördern; gibt gleichzeitig zu bedenken, dass dies umfangreiches Fachwissen voraussetzt und allerhand Investitionen erfordert; betont, dass das Aufbauinstrument „Next Generation EU“ und andere Finanzierungsquellen durch die Bereitstellung der erforderlichen Mittel zu diesem Ziel beitragen müssen;

    26.

    weist darauf hin, dass die Nutzung von Wasser (eine der wichtigsten Ressourcen) in Haushalten und in der Industrie große Mengen von Abwasser verursacht und dass dort, wo es zweckmäßig ist, verstärkt auf die Wiederverwendung von Wasser gesetzt werden sollte; macht darauf aufmerksam, dass Abwasser auch viele wertvolle Nährstoffe enthält, die zurückgewonnen werden können, weshalb neben Forschung, Innovation und Finanzierung auch klare Ziele für Nährstoffrückgewinnung gebraucht werden;

    27.

    hebt hervor, dass bei der Art und Weise, wie die Zielvorgaben für Abfälle umgesetzt werden sollen, das Wissen und die Interessen der LRG berücksichtigt werden müssen, zumal wenn die Abfallsammlung und die Abfallsortierung weiter spezialisiert werden;

    28.

    fordert die Europäische Kommission auf, eine innovative Strategie zur Entwicklung unterschiedlicher Verfahren der Abfallsammlung zu konzipieren und dabei eher auf eine Zusammenarbeit der Regionen und Städte zu setzen als auf eine von oben vorgegebene Harmonisierung der Getrenntsammlungssysteme;

    29.

    ist der Meinung, dass öffentlich-private Partnerschaften durch die Einbeziehung großer Wirtschaftsakteure wesentlich zur Ausweitung der Kreislaufwirtschaft beitragen und dass sich die LRG hierfür als geeignete Partner anbieten; fordert die Europäische Kommission auf, diese Zusammenarbeit in ihren Programmen zu fördern;

    30.

    betont, dass lokale und regionale Leitlinien und die Förderung bewährter Verfahrensweisen, bspw. in den Bereichen Raumplanung, Bauwesen und Gebäudepolitik, den Übergang zur Kreislaufwirtschaft beschleunigen können;

    31.

    fordert die Europäische Kommission auf, ein Programm aufzulegen, mit dem genaue Daten über die Materialströme auf lokaler, regionaler, nationaler und europäischer Ebene gesammelt werden, was es den Akteuren ermöglicht, mehr über die Lage und die Tätigkeiten anderer Regionen zu erfahren; betont, dass das Programm als offenes digitales System konzipiert werden und dazu dienen sollte, die Lage auf regionaler, nationaler und europäischer Ebene zu untersuchen, und darüber hinaus Mittel für den Ausbau dieser Tätigkeit auf allen Ebenen bereitstellen sollte;

    32.

    unterstreicht, dass Informationen über regionale Innovationstätigkeiten, vorhandene Kapazitäten (Infrastruktur, Fachwissen) und das Kreislaufwirtschaftspotenzial von entscheidender Bedeutung sind, und bedauert, dass diese Daten häufig verstreut und bruchstückhaft vorliegen und für die Regionen deshalb nur begrenzt nützlich sind; empfiehlt der Europäischen Kommission daher, eine umfassende Datenerhebung unter Berücksichtigung der EU-Industriestrategie aus der lokalen und regionalen Perspektive durchzuführen;

    Öffentliche Auftragsvergabe

    33.

    erachtet die öffentliche Auftragsvergabe als ein wirkungsvolles Instrument, mit dem die LRG Standards setzen und den Markt auf nachhaltigere Produkte und Dienste ausrichten können, gibt indes zu bedenken, dass die Komplexität der Vorschriften häufig die Risikobereitschaft der LRG dämpft; weist darauf hin, dass auf diese Weise die Entwicklung beim Einkauf in Richtung der Berücksichtigung der Gesamtbetriebskosten (d. h. der Gesamtökobilanz, also aller Kosten über den gesamten Lebenszyklus hinweg, die sozialen und ökologischen Kosten inbegriffen) gesteuert werden kann, wodurch eventuell positive Effekte für die Region erzielt werden können;

    34.

    befürwortet die weitere Ausarbeitung der Kriterien und Zielvorgaben für die umweltorientierte öffentliche Beschaffung auf der Grundlage einer Überprüfung der im geltenden EU-Vergaberecht (2) vorgesehenen Mindestumweltkriterien (MUK); empfiehlt die Entwicklung einer Reihe konkreter einschlägiger Innovationsziele und fordert die Europäische Kommission auf, sie so zu formulieren, dass sie einer echten kreislauforientierten öffentlichen Beschaffung gerecht werden; weist darauf hin, dass zur Schaffung von Rechtssicherheit und zur Verringerung des Aufwands bei der öffentlichen Beschaffung in den LRG zuverlässige und transparente EU-Zertifikate und -Kennzeichnungen entwickelt werden sollten, um insbesondere die ökologische Nachhaltigkeit auszuweisen; hält es im Rahmen der öffentlichen Beschaffung für angezeigt, dass die Produzenten berichten können, was sie unternommen haben, um in erster Linie Sekundärrohstoffe zur Herstellung ihrer Produkte einzusetzen, bzw. begründen, warum dies nicht möglich ist; erachtet entsprechende Leitlinien für die Überprüfung des Rezyklat- und/oder Wiederverwertungsanteils und/oder des Anteils an Nebenprodukten in den Mindestumweltkriterien unterliegenden Produkten als diesbezüglich hilfreich; weist darauf hin, dass hierzu transparente Bewertungssysteme und die Entwicklung einschlägiger Kenntnisse bei den Auftragnehmern erforderlich sein werden;

    C.   Ressourcen und Abfall

    Abfall und Grundsatz „Es gibt keinen Abfall“

    35.

    stellt fest, dass sich in Europa hinter der Bezeichnung „Abfall“ viele wertvolle Ressourcen verbergen, und betont, dass sich gleichzeitig mit dem Übergang zu einer echten Kreislaufwirtschaft auch der Grundgedanke der Abfallvermeidung verbreiten muss; hebt die Bedeutung der Erfassung von Rohstoffen hervor, um ihre Wiederverwendung zu ermöglichen und ihnen eine Identität zu geben;

    36.

    hält es für einen wichtigen Grundsatz, in der Kreislaufwirtschaft alle Materialien so zu gestalten, dass sie entweder in Nährstoffe für die Biosphäre oder in neue Materialien für den nächsten Nutzungskreislauf umgewandelt werden können;

    37.

    unterstreicht den Vorschlag der Europäischen Kommission, das EU-Abfallrecht zu modernisieren und die EU-Fördermittel zu überprüfen; hält es für wesentlich, im Zuge dieser Modernisierung rasch eine neue, straffere und vereinfachte Rechtsgrundlage für die Kriterien für das Ende der Abfalleigenschaft und für Nebenprodukte zu schaffen;

    38.

    fordert die Europäische Kommission auf, Ziele für das absolute Pro-Kopf-Abfallaufkommen und für die Abfallvermeidung in Gewerbe und Industrie vorzuschlagen; unterstreicht diesbezüglich die Bedeutung (und die Wirkung) der angekündigten Rechtsvorschriften für Verpackungen sowie der angekündigten Maßnahmen zu kompostierbaren Kunststoffen;

    39.

    betont, dass während des Übergangs von der Abfall- zur Stoffwirtschaft grenzübergreifende Vereinbarungen wesentlich sein können, um kurzfristige Lösungen mit negativen Umweltauswirkungen zu vermeiden;

    40.

    vertritt die Ansicht, dass Regionen oder Städte, die sich erst noch von der Deponierung auf andere Methoden umstellen müssen, für die Abfallbehandlung in der Übergangsphase europaweit zunächst auf bestehenden Infrastrukturen aufbauen sollten (z. B. sollten keine neuen Verbrennungsanlagen gebaut, sondern bereits bestehende genutzt werden), und hebt den Finanzierungs- und Koordinierungsbedarf während dieser Übergangsphase hervor. Die wirksame energetische Verwertung unter Rückgewinnung von Metallen und Salzen sollte gefördert werden, wenn Abfälle aufgrund von Kontamination, Materialermüdung und schwieriger Trennung komplexer Werkstoffe nicht recycelt werden können;

    41.

    weist darauf hin, dass die Abfallwirtschaft in Regionen in äußerster Randlage aufgrund der begrenzten bestehenden Infrastruktur für die Abfallbehandlung sowie fehlender Skalenerträge für Abfallsammlung, -behandlung und -recycling besonders schwierig ist. Daher dürfte die Beschleunigung des Übergangs zu einer Kreislaufwirtschaft (in Europa) hier direkt messbare Auswirkungen zeigen. Der aktuelle Stand der Abfallbewirtschaftung und -behandlung in diesen Regionen kann als Praxistest im Hinblick auf eine solche Beschleunigung dienen. Ferner können davon ausgehend bestehende Instrumente bewertet und neue entwickelt werden;

    42.

    gibt mit Nachdruck zu bedenken, dass eine Verpflichtung zur Verwendung recycelter Materialien unerlässlich ist, um den Grundsatz „es gibt keine Abfälle“ verbindlich zu machen und die Nutzung von Primärrohstoffen zu verhindern; drängt die Europäische Kommission, Kriterien vorzugeben, wonach neue Produkte einen erheblichen Rezyklatanteil enthalten sollten, und empfiehlt, diese Kriterien in den Ansatz für die zentralen Produktwertschöpfungsketten zu übernehmen;

    Kostenvermeidung, Materialsicherheit und erweiterte Herstellerverantwortung

    43.

    bedauert, dass die LRG häufig die negativen Auswirkungen von Produkten bewältigen müssen, die das Ende ihrer Nutzungsdauer erreicht haben und nicht von einem Hersteller zurückgenommen werden müssen, denn diese Produkte bzw. Bestandteile davon verursachen oft Boden- oder Luftverschmutzung und letztlich müssen die LRG die Entsorgungskosten tragen;

    44.

    hält es für unerlässlich, diese Kosten unmittelbar auf der Herstellerebene zu vermeiden bzw. zu regeln, und unterstützt in diesem Sinn den im neuen Aktionsplan entworfenen Rahmen für eine nachhaltige Produktpolitik;

    45.

    betont, dass den Herstellern eine wichtige Rolle beim Übergang zu einer Kreislaufwirtschaft zukommt, denn sie müssen Produkte entwickeln, die für unseren Planeten so schonend wie möglich sind und einen möglichst geringen Einsatz von fossilen Primärrohstoffen erfordern; weist darauf hin, dass gleichzeitig auch der Staat gewisse Aufgaben hat, z. B. muss er Anreize setzen und die Rahmenbedingungen sowie entsprechende rechtliche Regelungen schaffen;

    46.

    unterstreicht, dass die Bodenverschmutzung in der EU zunehmend Anlass zur Sorge gibt; begrüßt deshalb den Vorschlag der Kommission, Initiativen zur Verringerung der Bodenversiegelung‚ zur Sanierung stillgelegter oder kontaminierter Brachflächen und zur Verbesserung der sicheren, nachhaltigen und kreislauforientierten Nutzung von ausgehobenen Böden zu fördern; fordert die Kommission auf, in diese Initiative eine obligatorische Untersuchung und Rückverfolgung der ausgehobenen Böden aufzunehmen;

    47.

    begrüßt die Initiative der Europäischen Kommission einer Umstellung auf nach dem „Safe-by-Design-Konzept“ entwickelte Chemikalien, denn durch die Vermeidung oder Einschränkung der Nutzung giftiger Stoffe kann eine Freisetzung derartiger Chemikalien relativ einfach verhindert werden und den LRG entstehen somit keine hohen Kosten infolge der Sanierung oder Entsorgung (z. B. PFAS-)kontaminierter Böden; stellt indes fest, dass eine Beschränkung giftiger Stoffe nicht ausreicht und Materialien vielmehr nur bei vollständiger Transparenz der Inhaltsstoffe angemessen recycelt oder upcycelt werden können;

    48.

    weist darauf hin, dass die erweiterte Herstellerverantwortung an Bedeutung gewinnen und konsequent umgesetzt werden muss, wobei allerdings die verschiedenen Aspekte der Kreislaufwirtschaft zu berücksichtigen sind; gibt zu bedenken, dass bspw. die Fragmentierung der Abfallverantwortung die Entwicklung der Abfallbewirtschaftung im Ganzen behindert; plädiert dafür, Geschäftsmodelle zu etablieren, bei denen die Hersteller auch die Folgen des Konzepts „Sicherheit und Kreislauffähigkeit als Designkriterien“ berücksichtigen;

    49.

    fordert, dass nicht jeder Hersteller ein eigenes Rücknahmesystem einrichtet, was zu einem riesigen Logistik-Fußabdruck führen könnte; befürwortet deshalb die Festlegung intelligenter Spezifikationen für Materialien und Komponenten sowie intelligenter Rücknahmelogistikkonzepte;

    50.

    fordert, dass das besondere Problem der Abfälle im Meer im neuen Aktionsplan für die Kreislaufwirtschaft berücksichtigt wird; gibt zu bedenken, dass es sich bei diesen Abfällen um ein grenzüberschreitendes Problem handelt, das die Zusammenarbeit der Regierungen aller Meeresgebiete erfordert, um die Nachhaltigkeit der gemeinsam genutzten Ressourcen sicherzustellen, sowie eine regionale und internationale Zusammenarbeit zur Entwicklung gemeinsamer Lösungen;

    D.   Eine funktionierende Kreislaufwirtschaft

    Bewusstseinsbildung und Maßnahmen

    51.

    betont, dass die Kreislaufwirtschaft ein Umdenken beim Konsum erfordert und dass Sensibilisierungsmaßnahmen wichtig sind; macht darauf aufmerksam, dass die LRG aufgrund ihrer Bürgernähe den Aufbruch zu einer neuen Normalität maßgeblich unterstützen können; fordert die Europäische Kommission daher auf, Projekte auf lokaler und regionaler Ebene zu unterstützen, die zu greifbaren Ergebnissen führen;

    Kompetenzen und Bildung

    52.

    betont, dass Bildung vom Kindergarten bis zur Hochschule ebenso wie berufliche Fortbildung eine wichtige Voraussetzung für Bewusstseinsbildung ist; hält es deshalb für erforderlich, die Vermittlung der kreislauforientierten Lebensweise über die Lehrpläne sämtlicher Bildungseinrichtungen sowie über digitale Bildung durch kohäsionspolitische Mittel zu fördern;

    53.

    betont, dass aufgeklärte Kaufentscheidungen transparente Informationen über den Anteil an rezykliertem Material in Produkten voraussetzen;

    54.

    bekräftigt die Anmerkungen zur Förderung von Kompetenzen und Schaffung von Arbeitsplätzen im neuen Aktionsplan, gibt allerdings zu bedenken, dass Arbeitsplätze in der Kreislaufwirtschaft zunächst keine besonderen Qualifikationen erfordern und mittel- bis langfristig automatisiert und robotisiert werden könnten; weist indes darauf hin, dass auch Möglichkeiten für hochqualifizierte Arbeitsplätze bestehen und dass bei der Aktualisierung der Kompetenzagenda beide Aspekte gebührend berücksichtigt werden sollten;

    55.

    empfiehlt, dass Regionen, die sich rasch auf eine Kreislaufwirtschaft mit relativ gering qualifizierten Arbeitsplätzen (u. a. aufgrund niedriger Arbeitskosten) umstellen, vorrangig Unterstützung für Bildungsmaßnahmen und Kapazitätsaufbau erhalten sollten, um höher qualifizierte Arbeitsplätze und damit technische und soziale Innovationen zu fördern und die LRG beim Übergang zu einer vielseitigen und widerstandsfähigen Wirtschaft zu unterstützen; hält es ferner für erforderlich, im Rahmen der Aktualisierung der Kompetenzagenda bei der Entwicklung von Bildungs- und Kompetenzstrategien sowie Umschulungs- und Weiterbildungsmaßnahmen die regionalen Unterschiede zu berücksichtigen und das Augenmerk insbesondere auf die weniger entwickelten Regionen zu richten;

    56.

    ermutigt die lokalen und regionalen Gebietskörperschaften, ihre Verwaltungs- und ihre Organisationsstrukturen entsprechend zu gestalten und anzupassen, um die Förderung der Kreislaufwirtschaft etwa durch die Schaffung neuer Tätigkeitsfelder im öffentlichen Dienst, wie etwa Smart-City-Management oder Kreislaufwirtschafts-Management, zu unterstützen, da die Kreislaufwirtschaft ein ganzheitliches, bereichsübergreifendes und langfristiges Denken und Handeln erfordert;

    57.

    fordert die Europäische Kommission auf, Programme für eine direkte Finanzierung der LRG und KMU aufzulegen, um sie durch die Förderung von Bildungs-, Umschulungs- sowie Weiterbildungsmaßnahmen, Investitionen und Resilienzaufbau bei der Umstellung auf eine Kreislaufwirtschaft zu unterstützen;

    58.

    stellt fest, dass es im Bereich nachhaltige und recyclingfähige Materialien noch weiterer Forschung und Regulierung bedarf; merkt an, dass, wenn Recycling nicht Downcycling bzw. die Wiederverwertung von Stoffen in minderwertigen Produkten bedeuten soll, anspruchsvollere Anforderungen für die Trennung und Wiederverwendung von Materialien gelten, damit sie in möglichst vielen Zyklen weiterverwendet werden können; verweist auf das Cradle-to-Cradle-Konzept, das Aufschluss darüber gibt, wie durch ein differenziertes Produktdesign eine Aufbereitung und Wiederverwendung ohne Qualitätsverlust (Recycling) anstatt Downcycling ermöglicht werden kann;

    Eine kreislauforientierte Gesellschaft

    59.

    erachtet es als notwendig, die Ziele der Kreislaufwirtschaft als bereichsübergreifende Verpflichtung in der Kohäsionspolitik nach 2020 und im Kohäsionsfonds zu verankern, um den erforderlichen Anstoß für den Übergang zur Kreislaufwirtschaft auf lokaler und regionaler Ebene zu geben;

    60.

    stimmt der Schlussfolgerung im neuen Aktionsplan zu, dass der Übergang zur Kreislaufwirtschaft systemisch, tief greifend und transformativ sein wird; betont, dass die Reindustrialisierung Europas auf der Kreislaufwirtschaft aufbauen und sie durch die praktische Anwendung ihrer Grundsätze und Instrumente ausweiten und fördern muss;

    61.

    betont, dass der Übergang gerecht gestaltet werden muss, da er nicht nur die Wirtschaft, sondern vor allem auch die Gesellschaft betrifft, der die lokalen und regionalen Mandatsträger eng verbunden sind; unterstreicht deshalb abschließend, dass die Regionen und Städte die wichtigste Ebene für den Übergang zur Kreislaufwirtschaft sind.

    62.

    möchte abschließend darauf hinweisen, dass die Kommission neben der Schaffung einer Plattform und eines Regulierungsrahmens für die Kreislaufwirtschaft in der EU auch strenge Anforderungen an Ein- und Ausfuhren in die und aus der EU stellen muss, damit die Grundsätze der Kreislaufwirtschaft auch auf Drittstaaten ausstrahlen.

    Brüssel, den 14. Oktober 2020

    Der Präsident des Europäischen Ausschusses der Regionen

    Apostolos TZITZIKOSTAS


    (1)  European System of National and Regional Accounts (ESA 2010): https://ec.europa.eu/eurostat/documents/3859598/5925693/KS-02-13-269-EN.PDF/44cd9d01-bc64-40e5-bd40-d17df0c69334.

    (2)  Richtlinien 2014/23/EU (ABl. L 94 vom 28.3.2014, S. 1), 2014/24/EU (ABl. L 94 vom 28.3.2014, S. 65) und 2014/25/EU (ABl. L 94 vom 28.3.2014, S. 243) des Europäischen Parlaments und des Rates.


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