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Document 52018AE2861

    Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zu der „Mitteilung der Kommission an das Europäische Parlament, den Rat, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss und den Ausschuss der Regionen — Ein den Anforderungen des 21. Jahrhunderts gewachsener europäischer Einzelhandel“ (COM(2018) 219 final)

    EESC 2018/02861

    ABl. C 110 vom 22.3.2019, p. 41–45 (BG, ES, CS, DA, DE, ET, EL, EN, FR, HR, IT, LV, LT, HU, MT, NL, PL, PT, RO, SK, SL, FI, SV)

    22.3.2019   

    DE

    Amtsblatt der Europäischen Union

    C 110/41


    Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zu der „Mitteilung der Kommission an das Europäische Parlament, den Rat, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss und den Ausschuss der Regionen — Ein den Anforderungen des 21. Jahrhunderts gewachsener europäischer Einzelhandel“

    (COM(2018) 219 final)

    (2019/C 110/07)

    Berichterstatter:

    Ronny LANNOO

    Mitberichterstatter:

    Gerardo LARGHI

    Befassung

    Europäische Kommission, 18.6.2018

    Rechtsgrundlage

    Artikel 304 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union

    Zuständige Fachgruppe

    Fachgruppe Binnenmarkt, Produktion, Verbrauch

    Annahme in der Fachgruppe

    21.11.2018

    Verabschiedung auf der Plenartagung

    12.12.2018

    Plenartagung Nr.

    539

    Ergebnis der Abstimmung

    (Ja-Stimmen/Nein-Stimmen/Enthaltungen)

    171/3/2

    1.   Schlussfolgerungen und Empfehlungen

    1.1.

    Der Europäische Wirtschafts- und Sozialausschuss (EWSA) begrüßt die Mitteilung der Kommission zur Modernisierung des Einzelhandels. Der Ausschuss betont erneut die wirtschaftliche und soziale Bedeutung des Einzelhandels für alle Interessenträger und für die Gesellschaft als Ganzes (1). Der EWSA weist darauf hin, dass er bereits in früheren Stellungnahmen den Aufbau eines offenen wirtschaftlichen Umfelds mit dem Ziel empfohlen hat, den fairen Wettbewerb zu gewährleisten, um die Bedingungen für die positive Koexistenz und die Zusammenarbeit unter großen, mittelständischen, kleinen Unternehmen und Kleinstunternehmen im Einzelhandel zu schaffen.

    1.2.

    Der Schutz und die Förderung der Vielfalt im Einzelhandel ist von entscheidender Bedeutung, um die Bedürfnisse der Verbraucher zu erfüllen und das europäische Produktionssystem zu bewahren und zu fördern. Daher ist der EWSA der Ansicht, dass ein in der Mitteilung deutlich darzulegendes Gleichgewicht hergestellt werden muss zwischen Maßnahmen zugunsten großer Einzelhandelsunternehmen und entsprechenden Maßnahmen, die die Anforderungen der Kleinst- und Kleinunternehmen im Einzelhandel erfüllen.

    1.3.

    Der EWSA stellt fest, dass der Vorschlag der Kommission den „Preis“ als interessanteste Komponente für Verbraucher zu sehr in den Fokus rückt. Dies geht zu Lasten anderer wichtiger Aspekte wie Information, Produktqualität und Personalisierung, Nähe, Mobilität, Kreislaufwirtschaft und Nachhaltigkeit, Preis-Leistungsverhältnis und Kundenservice vor oder nach dem Kauf. Die Vielfalt der Produkte sollte im Interesse aller Beteiligten durch die Kommission angemessen geschützt werden.

    1.4.

    Der Ausschuss ist der Auffassung, dass das Recht auf Niederlassung im Einklang mit dem Subsidiaritätsprinzip gehandhabt werden sollte, und dass die Konzertierung auf nationaler, regionaler und lokaler Ebene der beste Weg zur Berücksichtigung der Anforderungen aller beteiligter Interessenträger ist.

    1.5.

    Nach Ansicht des EWSA wirken sich insbesondere manche Hindernisse für die Niederlassungsfreiheit und manche Beschränkungen für den Betrieb, wie sie derzeit in einigen Mitgliedstaaten vorhanden sind, als Hindernis für die Niederlassung neuer Unternehmen aus. Allerdings würde eine vollständige Liberalisierung nicht das erforderliche Gleichgewicht zwischen Großunternehmen sowie Klein- und Familienunternehmen gewährleisten.

    1.6.

    Der EWSA ist der Meinung, dass nationale Vorschriften über Ladenöffnungszeiten und Arbeitszeiten für die Sicherstellung gleicher Wettbewerbsbedingungen für Unternehmen unterschiedlicher Größenordnung und vor allem für die Gewährleistung eines angemessenen sozialen Schutzes sowohl für abhängig Beschäftigte als auch für Selbstständige — auch unter Berücksichtigung veränderter Verbrauchergewohnheiten — von zentraler Bedeutung ist.

    1.7.

    Der EWSA bekräftigt, dass die Konzertierung auf nationaler oder subnationaler Ebene der beste Weg ist, um Öffnungszeiten und -tage zu etablieren, um den Bedarf der Verbraucher an bestimmten Produkten und Dienstleistungen und den Wunsch einiger Unternehmen hinsichtlich Öffnung an Sonn- und Feiertagen aufeinander abzustimmen. Gleichzeitig wird die Vereinbarkeit von Beruf und Familie für Unternehmer und Beschäftigte sichergestellt und Zeit für Schulungen vorgesehen.

    1.8.

    Der EWSA weist im Sinne der sozialen Säule auf die Notwendigkeit hin, eine faire Entlohnung und die Qualität der Arbeit für alle Arbeitnehmer in diesem Sektor sicherzustellen, unabhängig davon, ob sie im Online- oder Offline-Handel tätig sind. Der Ausschuss bezieht sich vor allem auf Fälle von Arbeitsverträgen Tausender Beschäftigter für Online-Unternehmen, die immer noch nicht Gegenstand von Tarifverhandlungen sind, sowie auf die Verträge in großen Einzelhandelsunternehmen, die nur auf die Bewältigung größerer Kundenströme an Wochenenden ausgelegt sind (und zu einem Anstieg von Gelegenheitsarbeit führen) oder laut denen Wochenenden oder Nächte nicht als Überstunden gelten. Schließlich würde laut Auffassung des EWSA der Aufbau eines effektiven Mechanismus für den sozialen Dialog, der auch Klein- und Kleinstunternehmen einbindet, den Unternehmen bessere Entwicklungsmöglichkeiten und den Arbeitnehmern ein besseres Schutzsystem bieten.

    1.9.

    Der Ausschuss stimmt mit der Kommission überein, dass Innovationen im Einzelhandel, lebenslanges Lernen für Arbeitgeber und Arbeitnehmer sowie Produktförderung langfristig angeregt und unterstützt werden müssen. Er ist jedoch der Ansicht, dass der Kommissionsvorschlag durch einen Umsetzungsplan flankiert werden sollte, um diesen Prozess vor dem Hintergrund des digitalen Übergangs zu begleiten. Dafür sollten angemessene Mittel zur Verfügung stehen und ein besonderer Schwerpunkt auf Klein- und Kleinstunternehmen in Zusammenarbeit mit KMU-Verbänden gelegt werden.

    1.10.

    Der EWSA fordert die Behörden auf allen Ebenen auf, bei der Erstellung eines konkreten Aktionsplans für die Zukunft des europäischen Einzelhandels im 21. Jahrhundert mit allen Akteuren eng zusammenzuarbeiten (d. h. bezüglich Information, Schulung, Finanzierung und bewährte Verfahren).

    2.   Wesentlicher Inhalt des Kommissionsdokuments

    2.1.

    Die Mitteilung soll einen Beitrag zur Entfaltung des Potenzials der Einzelhandelsbranche für die Wirtschaft der EU leisten, indem bewährte Verfahren ermittelt werden. Deshalb sind Anstrengungen auf Seiten der EU-Organe und der Mitgliedstaaten notwendig, um die Wettbewerbsfähigkeit des Sektors zu einem Zeitpunkt zu stärken, an dem der Einzelhandel durch die rasante Zunahme des elektronischen Handels und die Veränderung der Verbrauchergewohnheiten vor einem Wandel steht.

    2.2.

    Damit der Binnenmarkt sein Potenzial voll entfalten kann, müssen geeignete Maßnahmen auf allen Ebenen ergriffen werden. Die Produktivität der Einzelhandelsbranche der EU ist niedriger als die anderer Branchen. Dies ist auf eine Vielzahl von Steuervorschriften auf allen Ebenen sowie auf Verzögerungen beim digitalen Wandel des Marktes zurückzuführen.

    2.3.

    Einzelhändler stehen in Bezug auf Geschäftsniederlassungen und Betrieb vor zahlreichen Beschränkungen. Viele dieser Beschränkungen sind aufgrund legitimer Gemeinwohlziele gerechtfertigt. Diese können ebenfalls Hindernisse für Start-ups sowie für die Produktivität darstellen.

    2.4.

    Die Eröffnung neuer Einzelhandelsgeschäfte ist ein Schlüsselelement für die Tragfähigkeit des Sektors. Es ist wichtig, Strategien verfolgen zu können, die Online- und Offline-Präsenz im Hinblick auf den Marktzugang kombinieren. Durch einfache, transparente und effiziente Niederlassungsverfahren werden der Einzelhandelsbranche Chancen geboten, ihre Produktivität zu steigern.

    2.5.

    Die Kommission empfiehlt, dass Mitgliedstaaten ihre Regelungsrahmen prüfen und gegebenenfalls modernisieren. Dabei sollten sie sich, soweit dies relevant ist, von bewährten Verfahren inspirieren lassen, die bereits in anderen Mitgliedstaaten entwickelt wurden.

    2.6.

    Beschränkungen für den Betrieb wirken sich besonders stark auf Einzelhändler mit physischen Verkaufsstätten aus. Behörden sollten die Ausgewogenheit, die Verhältnismäßigkeit und die Effizienz solcher Beschränkungen bewerten, damit gleiche Ausgangsbedingungen gegenüber dem elektronischen Handel gewährleistet sind.

    2.7.

    Die Kosten für die Einhaltung der Vorschriften liegen zwischen 0,4 % und 6 % des Jahresumsatzes von Einzelhändlern. Insbesondere für Kleinstunternehmen stellt dies eine erhebliche Belastung dar. Für die — letztlich dem Verbraucher zugutekommende — Förderung der Entwicklung des Einzelhandels bedarf es eines breit angelegten Ansatzes: Vereinfachung der Rechtsrahmen, sicherstellen, dass sie für eine Multi-Channel-Umgebung tauglich sind sowie die übermäßig aufwendigen und kostspieligen Maßnahmen sowie die den Einzelhändlern auferlegten Verfahren zur Einhaltung dieser Vorschriften abbauen.

    3.   Allgemeine Bemerkungen

    3.1.

    Der EWSA begrüßt das Bestreben der Kommission, den Einzelhandel zu modernisieren, um die neuen Herausforderungen im Zusammenhang mit der Digitalisierung und dem elektronischen Handel zu bewältigen.

    3.2.

    In früheren Stellungnahmen, vor allem in INT/682 zum Thema „Ein europäischer Aktionsplan für den Einzelhandel“ (2), hat der Ausschuss bereits die Schaffung eines offenen wirtschaftlichen Umfelds mit dem Ziel empfohlen, den fairen Wettbewerb zwischen Unternehmen gleicher Größenordnung abzusichern. Die EU sollte insbesondere die Bedingungen für Vielfalt, positive Koexistenz und Zusammenarbeit unter im (Online- und Offline-) Einzelhandel tätigen großen, mittleren, kleinen und Kleinstunternehmen schaffen. Die Förderung der Vielfalt im Einzelhandel der EU ist ein hervorragendes Mittel, um auf die unterschiedlichen Bedürfnisse von Verbrauchern zu reagieren, aber auch, um das europäische Produktionssystem zu schützen und zu fördern.

    3.3.

    Der EWSA weist darauf hin, dass die Kommission den „Preis“ als interessanteste Komponente für Verbraucher zu sehr in den Fokus rückt, wohingegen das Hauptziel lauten sollte, für Verbraucher genaue Informationen bereitzustellen (Verbraucherbewusstsein). Verbrauchern sollte es freistehen, andere Aspekte beim Kauf eines Produkts in Betracht zu ziehen, wie z. B. Qualität, Produktpersonalisierung, Nachhaltigkeit, Verbrauchermobilität, Nähe, Preis-Leistungsverhältnis, Service vor und nach dem Kauf, Auswirkung auf die Kreislaufwirtschaft und Umweltkriterien. Die höhere Produktvielfalt bietet dem Produktionssektor und dem Einzelhandel in der EU einen Mehrwert und sollte daher von der Kommission angemessen geschützt werden (3).

    3.4.

    Der EWSA betrachtet den Ansatz der Kommission als unausgewogen zum Vorteil von großen Einzelhändlern und hält es für wichtig, diesen Ansatz mit den Bedürfnissen von Klein- und Kleinstunternehmen abzuwägen. Insbesondere ist der Ausschuss davon überzeugt, dass eine Koexistenz von großen Unternehmen und Kleinstunternehmen sowie familiengeführten Geschäften gewährleistet werden muss.

    3.5.

    Der EWSA stimmt zu, dass einige Beschränkungen im Niederlassungsrecht und betriebliche Beschränkungen in manchen Mitgliedstaaten ein Hindernis für die Niederlassung von neuen Unternehmen und für deren Wachstum darstellen könnten. Gleichwohl ist der Ausschuss der Ansicht, dass eine vollständige Liberalisierung des Niederlassungsrechts kein Allheilmittel ist. Außerdem sollten in diesem Zusammenhang das Subsidiaritätsprinzip gewahrt und Konzertierungen auf nationaler, regionaler und lokaler Ebene durchgeführt werden, um geeignete Lösungen für den Bedarf vor Ort und die Bedürfnisse aller Interessenträger zu finden.

    3.6.

    Der EWSA teilt die negative Auslegung der Kommission des Visser-Urteils nicht. Für den EWSA bestätigt dieser Fall die Aufgabe des Gesetzgebers in Bezug auf die Dienstleistungsrichtlinie: sie kodifiziert die Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union zur Niederlassungsfreiheit und untersagt lediglich bestimmte Auflagen wie z. B. die wirtschaftliche Bedarfsprüfung. Gleichzeitig wird anerkannt, dass „[das] Ziel des Schutzes der städtischen Umwelt […] ein zwingender Grund des Allgemeininteresses sein [kann], der eine territoriale Beschränkung […] zu rechtfertigen vermag“. Solche Bedürfnisse müssen gemäß den Grundsätzen der Verhältnismäßigkeit und der Subsidiarität ausgewogen berücksichtigt werden.

    3.7.

    In diesem Zusammenhang kann viel getan werden im Prozess der Gestaltung eines europäischen Binnenmarkts, um die Verfahren für Unternehmensgründungen zu vereinfachen und um diese Verfahren transparent und einheitlich zu gestalten. Dabei müssen die auf territorialer Ebene bestehenden legitimen Einschränkungen, die im Einklang mit dem Subsidiaritätsprinzip festgelegt wurden, respektiert werden.

    3.8.

    Der EWSA hält es für überaus wichtig, einige spezifische wirtschaftliche Rahmenbedingungen zu bewahren und zu schützen, insbesondere wenn diese mit der Erhaltung des nationalen historischen und künstlerischen Erbes und mit sozialpolitischen und kulturpolitischen Zielen verbunden sind. Ein anderer Ansatz könnte sich nachteilig auf die lokale Bevölkerung und die Verbraucher auswirken (4).

    3.9.

    Insgesamt ist der EWSA der Ansicht, dass grenzüberschreitende Expansion, Größenwachstum und elektronischer Handel als ernstzunehmende Option gesehen und Unternehmen in Abstimmung mit ihren Verbänden bei diesem Prozess unterstützt werden sollten. In Übereinstimmung mit dem vorrangigen Interesse der Verbraucher (Multi-Channel-Vertrieb und Dienstleistungen) kann dies jedoch nicht als eine Verpflichtung oder als der einzige Weg zum Wachstum für alle Unternehmen betrachtet werden. Aus diesem Grund ist es unerlässlich, Innovationsprozesse, Schulung und Produktförderung langfristig zu fördern und zu erhalten, u. a. durch die angemessene finanzielle Unterstützung von Klein- und Kleinstunternehmen und ihrer Verbände.

    3.10.

    Eine wirksame Einzelhandelspolitik muss ein ausgewogenes Gleichgewicht zwischen Rentabilität und Effizienz mit Blick auf den Standort finden. (Mittel-) bis langfristige Überlegungen müssen speziell im Zusammenhang mit physischen Geschäftsniederlassungen und deren Verbindung zu bestehenden und möglichen zukünftigen Entwicklungen (Wohnungswesen, verfügbare Dienstleistungen usw. und damit verbundene bestehende Stadtzentren und -viertel) berücksichtigt werden. Der EWSA vertritt die Auffassung, dass die Kommission ihren Vorschlag in Zusammenarbeit mit den einschlägigen nationalen und regionalen Organisationen vervollständigen und strukturelle Maßnahmen mit dem Ziel einführen sollte, territoriale Entwicklungsfaktoren für die lokale Bevölkerung und Stadtzentren aufzunehmen (touristische Gebiete, lokale Raumplanung, Bauvorschriften, Bedingungen usw.).

    3.11.

    Der EWSA stellt fest, dass nationale Vorschriften über Ladenöffnungszeiten und Arbeitszeiten, zusammen mit den neuen technischen Lösungen, bei der Gewährleistung gleicher Wettbewerbsbedingungen unter verschieden großen Unternehmen eine zentrale Rolle spielen und für einen adäquaten sozialen Schutz sowohl für die Beschäftigten als auch die Selbständigen sorgen. Vor allem stellen sie aber ein ganz wichtiges Instrument für den sozialen Schutz von Selbstständigen und abhängig Beschäftigten dar.

    3.12.

    Der EWSA unterstreicht erneut, dass die Konzertierung auf nationaler und subnationaler Ebene der beste Weg ist, um Öffnungszeiten und -tage festzulegen. Tatsächlich ist es von größter Bedeutung, die Bedürfnisse von Verbrauchern nach bestimmten Produkten und Dienstleistungen und den Wunsch bestimmter Unternehmen in Bezug auf die Öffnung an Sonn- und Feiertagen oder am Abend aufeinander abzustimmen, und die Erholungsbedürfnisse der Eigentümer von Kleinstunternehmen und deren Beschäftigten zu schützen. Dadurch wird auch die Vereinbarkeit von Arbeits- und Familienleben gewährleistet und die für Schulungen erforderliche Zeit verfügbar gemacht.

    3.13.

    Der EWSA weist im Sinne der sozialen Säule auf die Notwendigkeit hin, eine faire Entlohnung und die Qualität der Arbeit für alle Arbeitnehmer in diesem Sektor zu sichern, unabhängig davon, ob sie im Online- oder Offline-Handel tätig sind. Der Ausschuss bezieht sich vor allem auf Fälle von Arbeitsverträgen Tausender Beschäftigter für Online-Unternehmen, die immer noch nicht Gegenstand von Tarifverhandlungen sind, sowie auf die Verträge in großen Einzelhandelsunternehmen, die nur auf die Bewältigung größerer Kundenströme an Wochenenden ausgelegt sind (und zu einem Anstieg von Gelegenheitsarbeit führen) oder laut denen Wochenenden oder Nächte nicht als Überstunden gelten. Schließlich würde laut Auffassung des EWSA der Aufbau eines effektiven Mechanismus für den sozialen Dialog, der auch Klein- und Kleinstunternehmen einbindet, den Unternehmen bessere Entwicklungsmöglichkeiten und den Arbeitnehmern ein besseres Schutzsystem bieten.

    3.14.

    Der EWSA begrüßt die Empfehlung, dass Behörden kleinen Einzelhandelsbetrieben die Umstellung auf digitale Technologien erleichtern sollten. Allerdings kann dies nicht die einzige Option sein. Herkömmliche Geschäfte bleiben weiterhin sowohl für das Wachstum in der EU als auch im Hinblick auf den sozialen Zusammenhalt von zentraler Bedeutung, vor allem für die lokale Bevölkerung und für diejenigen Verbraucher, die nicht zur digitalen Generation zählen. Deshalb sollten Online- und Offline-Handel nebeneinander bestehen. In diesem Zusammenhang ist der EWSA der Auffassung, dass die Kommission die Schwierigkeiten unterschätzt, vor denen Klein- und Kleinstunternehmen stehen, wenn es darum geht, am elektronischen Handel teilzuhaben und davon zu profitieren.

    3.15.

    Der EWSA stimmt der Kommission zu, dass eine qualifizierte Schulung für Arbeitgeber, die sich am elektronischen Handel beteiligen wollen, notwendig ist. Der Ausschuss hält die Situation jedoch für komplexer: KMU, besonders kleine und Kleinstunternehmen, stehen vor vielfältigen Herausforderungen wie zum Beispiel: a) Veränderung und Anpassung ihrer internen Organisation, b) Fremdsprachenkenntnisse, c) Beschaffung von und Kenntnis der rechtlichen und administrativen Informationen, d) Aufbau eines effizienten und wettbewerbsfähigen Liefersystems, e) Überwindung von Steuer- und Sozialdumping auf EU-Ebene (Mehrwertsteuerbetrug, Fälschungen usw.). Daher fordert der EWSA die Kommission und die Mitgliedstaaten dringend dazu auf, KMU und ihre Verbände während ihrer Umstellung auf den elektronischen Handel mit einem breiten Ansatz, der alle Voraussetzungen für die Schaffung erfolgreich online operierender Unternehmen berücksichtigt, zu unterstützen.

    3.16.

    Der EWSA ist der Auffassung, dass der elektronische Handel für viele KMU große Chancen bieten kann. Darüber hinaus weist der Ausschuss darauf hin, dass die Kommission erst kürzlich den ersten Vorschlag mit dem Ziel veröffentlicht hat, die Beziehungen zwischen Plattformen und Unternehmen im digitalen Markt zu regulieren. Bei dieser Maßnahme liegt der Fokus auf Transparenz, aber sie befasst sich nicht mit einigen der häufigen missbräuchlichen Praktiken (z. B. Paritätspreisklausel, Steuerdumping, unterschiedliche Besteuerung usw.), die den fairen Wettbewerb zwischen den gewerblichen Nutzern und großen Online-Plattformen erschweren (5). Aus diesem Grund empfiehlt der Ausschuss, dass die Kommission im Hinblick auf einen fairen Wettbewerb im digitalen Markt gleiche Wettbewerbsbedingungen schafft.

    3.17.

    Nach Ansicht des EWSA sind verschiedene Maßnahmen erforderlich, um die notwendigen Bedingungen für den Einzelhandel und insbesondere für KMU und Kleinstunternehmen — in denen am meisten Nettobeschäftigung entsteht — zu schaffen und das Missverhältnis zwischen Kompetenzangebot und -nachfrage zu beseitigen: Ermittlung und Antizipation des Kompetenzbedarfs stärken, einschließlich Führungskompetenz; Ausbildungs- und Schulungsergebnisse gemäß den Arbeitsmarktanforderungen verbessern, einschließlich Förderung der beruflichen Bildung; Rahmenkonditionen verbessern, um Angebot und Nachfrage besser abzustimmen; verbesserte Unterstützung für den Schulungsbedarf von KMU und Kleinstunternehmen bereitstellen.

    3.18.

    Der EWSA begrüßt das Augenmerk, das die Kommission den Kosten der Einhaltung der Vorschriften, vor allem für Kleinunternehmen, zumisst, und dass die Kommission auf das mangelnde Bewusstsein für die Besonderheiten dieses Sektors hinweist.

    4.   Besondere Bemerkungen

    4.1.

    Der EWSA fordert die Kommission auf, sich mit dem immer größeren Problem der Verödung von Stadtzentren und den daraus resultierenden sozialen und ökologischen Folgen zu befassen. Wie lebenswert große und kleine Städte sind, hängt nicht zuletzt vom Überleben der zahlreichen Klein- und Kleinstunternehmen (lokale Geschäfte) ab, die die Bedürfnisse von vielen Verbrauchern erfüllen, aber durch die Konzentration der großen Einzelhandelsgruppen in ihrer Existenz bedroht sind.

    4.2.

    Der EWSA bedauert das Fehlen jeglicher Verweise auf einen nachhaltigen Einzelhandel und die Rolle, die Klein- und Kleinstunternehmen dabei spielen können. Günstigere Rahmenbedingungen sind jedoch erforderlich, um ihnen die Verbindung zwischen nachhaltigen Entscheidungen und Wettbewerbsfähigkeit bewusst zu machen, und um maßgeschneiderte Informationen und technische Unterstützung sowie die notwendigen Kreditsysteme bereitzustellen, damit Optimierungspotenziale ausgeschöpft werden. Angesichts ihrer schwachen Position und ihres geringen Einflusses auf Verbraucher und Erzeuger sollten Klein- und Kleinstunternehmen keine Entscheidungen aufgezwungen werden.

    4.3.

    In der Mitteilung wird den Spannungen, z. B. unausgewogene Franchiseverträge, Zahlungsverzüge und unfaire Handelspraktiken, die in den vertraglichen Beziehungen zwischen Unternehmen vorhanden sind, keine Beachtung geschenkt. Insbesondere stellt die zunehmende Machtkonzentration in den Händen großer Handelsketten in Europa eine ernsthafte Herausforderung dar (6). Diese beiden Problemfelder hätten in der Mitteilung angesprochen werden müssen, um Wettbewerbsverzerrungen zu bekämpfen und die Wettbewerbsfähigkeit zu erhalten.

    4.4.

    Der EWSA empfiehlt der Kommission, wie bereits in der Stellungnahme zum Thema „Neugestaltung der Rahmenbedingungen für die Verbraucher“ unterstrichen, ein wirkungsvolles Streitbeilegungsverfahren zu konzipieren und umzusetzen, um Missbrauch wirtschaftlicher Macht und wettbewerbsverzerrende Maßnahmen in den Griff bekommen zu können.

    Brüssel, den 12. Dezember 2018

    Der Präsident des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses

    Luca JAHIER


    (1)  Umsatz im Jahr 2016: 9 864 468,4 Mio. EUR; Zahl der Unternehmen (2015): 6 205 080; Wert der Erzeugung (2015): 2 687 115 Mio. EUR. Im Jahr 2016 waren 33 399 447 Personen in diesem Sektor beschäftigt, davon 27 892 082 Angestellte.

    (2)  ABl. C 327 vom 12.11.2013, S. 20.

    (3)  ABl. C 440 vom 6.12.2018, S. 165.

    (4)  Siehe Fußnote 2.

    (5)  ABl. C 440 vom 6.12.2018, S. 177.

    (6)  Siehe Fußnote 3.


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