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Document 52018AE0505

    Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zu der „Mitteilung der Kommission an das Europäische Parlament, den Rat, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss und den Ausschuss der Regionen — Aktionsplan der EU für einen besseren Vollzug des Umweltrechts und eine bessere Umweltordnungspolitik“ (COM(2018) 10 final)

    EESC 2018/00505

    ABl. C 283 vom 10.8.2018, p. 83–88 (BG, ES, CS, DA, DE, ET, EL, EN, FR, HR, IT, LV, LT, HU, MT, NL, PL, PT, RO, SK, SL, FI, SV)

    10.8.2018   

    DE

    Amtsblatt der Europäischen Union

    C 283/83


    Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zu der „Mitteilung der Kommission an das Europäische Parlament, den Rat, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss und den Ausschuss der Regionen — Aktionsplan der EU für einen besseren Vollzug des Umweltrechts und eine bessere Umweltordnungspolitik“

    (COM(2018) 10 final)

    (2018/C 283/11)

    Berichterstatter:

    Arnaud SCHWARTZ

    Befassung

    Europäische Kommission, 12.2.2018

    Rechtsgrundlage

    Artikel 304 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union

     

     

    Beschluss des Plenums

    16.1.2018

     

     

    Zuständige Fachgruppe

    Fachgruppe Landwirtschaft, ländliche Entwicklung, Umwelt

    Annahme in der Fachgruppe

    3.5.2018

    Verabschiedung auf der Plenartagung

    23.5.2018

    Plenartagung Nr.

    535

    Ergebnis der Abstimmung

    (Ja-Stimmen/Nein-Stimmen/Enthaltungen)

    192/02/05

    1.   Schlussfolgerungen und Empfehlungen

    1.1.

    Der Europäische Wirtschafts- und Sozialausschuss (EWSA) begrüßt diese Mitteilung, allerdings mit einigen Vorbehalten. Er ist der Auffassung, dass der von der Europäischen Kommission vorgelegte Aktionsplan für einen besseren Vollzug des Umweltrechts und eine bessere Umweltordnungspolitik in Anbetracht der gegenwärtigen Umweltprobleme ganz erheblich Ehrgeiz und Mittel vermissen lässt.

    1.2.

    Der EWSA ist umso skeptischer, als er, ganz wie auch die Europäische Kommission, sich darüber im Klaren ist, dass die unzulängliche Anwendung der Mechanismen zur Sicherung des Vollzugs des Umweltrechts und einer wirksamen Umweltordnungspolitik bedauerlicherweise unlauterem Wettbewerb und wirtschaftlichen Schäden Vorschub leisten.

    1.3.

    Der EWSA schließt sich ferner der Meinung der Europäischen Kommission an, dass die gegenwärtigen Missstände das Vertrauen der Öffentlichkeit in die Wirksamkeit des EU-Rechts untergraben, und fordert die Mitgliedstaaten und die Europäische Kommission auf, umfangreiche Finanzmittel zu mobilisieren, um zusätzliches Personal zur Überwachung der Durchführung der Umweltordnungspolitik und des Umweltrechts einzustellen.

    1.4.

    In ihrer Mitteilung EU-Recht: Bessere Ergebnisse durch bessere Anwendung (1) stellte die Europäische Kommission fest, dass „Verstöße gegen das EU-Recht […] keine Routineangelegenheiten [sind]“. Nach Meinung des EWSA sollten Verstöße gegen EU-Recht auf angemessen hoher Ebene und zeitnah behandelt werden, was in dieser Mitteilung so nicht vorgesehen ist (2).

    1.5.

    In der Mitteilung werden lediglich der Aufbau von Kapazität und Unterstützung auf Ebene der Mitgliedstaaten angesprochen. Keine der Maßnahmen bezieht sich auf die Überwachung und Durchsetzung auf EU-Ebene durch die Europäische Kommission als „Hüterin der Verträge“. Im Aktionsplan wird den Gründen für Rechtsverstöße, abgesehen von Unklarheit und Mangel an Kapazitäten, nicht Rechnung getragen, beispielsweise Opportunismus oder fehlendem politischem Willen. Ungeachtet der notwendigen Unterstützung seitens der Mitgliedstaaten kann dieser Aktionsplan nicht nur auf „weiche“ Maßnahmen setzen, um die Rechtskonformität im Umweltbereich zu verbessern.

    1.6.

    Des Weiteren fordert der EWSA die Europäische Kommission unter Bezugnahme auf seine einschlägige Stellungnahme (3) gezielt auf, in ihren Aktionsplan den grundlegend wichtigen Aspekt des Zugangs zu Gerichten aufzunehmen. Er spricht sich ferner dafür aus, die Frage der Kosten des Zugangs zu Gerichten für die Zivilgesellschaft zu erörtern.

    1.7.

    Der EWSA betont ferner, dass mehr Anstrengungen notwendig sind, um Umweltprobleme von vornherein zu verhindern, und dass stets Vorbeugungsmaßnahmen der Vorzug vor Abhilfemaßnahmen gegeben werden sollte. Grundlegende Heraufsetzung hierfür ist eine konsequente und strenge Durchsetzung der Umweltrechtsvorschriften seitens der Mitgliedstaaten und der Europäischen Kommission zur wirkungsvollen Abschreckung gegen zukünftige Umweltverstöße. Ergänzend wären an die Interessenträger und die Öffentlichkeit gerichtete Informationskampagnen sinnvoll, um zur Sensibilisierung beizutragen und die Wächterrolle der Öffentlichkeit zu fördern. Damit die Bürger diese Rolle wahrnehmen können, ist ein wirksamer Zugang zu Gerichten in Umweltangelegenheiten unerlässlich.

    1.8.

    Schließlich begrüßt der EWSA, dass Vertreter des EWSA an dem Forum für den Vollzug des Umweltrechts und Umweltordnungspolitik teilnehmen können. Er empfiehlt in diesem Zusammenhang, dass drei seiner Mitglieder (jeweils ein Vertreter je Gruppe) in diesem Forum Stimmrecht und nicht lediglich Beobachterstatus erhalten.

    1.9.

    Der EWSA fordert die Europäische Kommission auf, sicherzustellen, dass im Rahmen des Forums für den Vollzug des Umweltrechts und Umweltordnungspolitik ein aussagekräftiger und wirksamer Dialog mit den zivilgesellschaftlichen Organisationen stattfindet, die Gehör finden müssen. Im Zusammenhang mit dem Vollzug des Umweltrechts betont er den wichtigen Beitrag der Organisationen der Zivilgesellschaft, insbesondere ihre Wächterrolle, die der Sicherung der Rechtsstaatlichkeit, der Förderung des Gemeinwohls und dem Schutz der Bürger dient.

    2.   Allgemeine Bemerkungen

    2.1.

    In seinen beiden Stellungnahmen zu den Themen „Überprüfung der Umsetzung der EU-Umweltpolitik“ (4) und „Zugang zu Gerichten in Umweltangelegenheiten“ (5) hat der EWSA hervorgehoben, dass die unzulängliche, fragmentierte und uneinheitliche Umsetzung des europäischen Umweltrechts ein ernsthaftes Problem in vielen Mitgliedstaaten der EU ist.

    2.2.

    In ihrer Mitteilung COM(2018) 10 final stellt die Europäische Kommission einen Aktionsplan für einen besseren Vollzug des Umweltrechts und eine bessere Umweltordnungspolitik vor.

    2.3.

    In dem Plan ist eine enge Zusammenarbeit zwischen der Europäischen Kommission, den Mitgliedstaaten und den Angehörigen der einschlägigen Berufsgruppen (Inspekteuren, Umweltprüfern, Polizeibeamten und Staatsanwälten) vorgesehen, um eine intelligente und partizipative Kultur der Rechtstreue in Bezug auf die EU-Umweltvorschriften zu schaffen; doch dies ist nur ein Bruchteil dessen, was für die Gewährleistung der Umweltrechtsdurchsetzung benötigt wird.

    2.4.

    Die Umsetzung der Umweltvorschriften wird jedoch durch große anhaltende Umweltprobleme (z. B. diffuse Wasserverunreinigung, schlechte Luftqualität, unzulängliche Abfallbehandlung, rückläufige Arten und Lebensräume) erschwert.

    2.5.

    Laut Europäischer Kommission belaufen sich die Kosten der unzureichenden Umsetzung auf 50 Mrd. EUR jährlich.

    2.6.

    Abgesehen von dem bereits erwähnten wirtschaftlichen Nutzen würde eine wirksamere Umsetzung der Umweltrechtsvorschriften viele weitere Vorteile bringen (u. a. für die öffentliche Gesundheit und die für die langfristige Versorgung der Gesellschaft erforderlichen Ressourcen).

    2.7.

    Den Umsetzungsdefiziten liegen außerdem unzulängliche Mechanismen zur Gewährleistung der Einhaltung dieser Rechtsvorschriften und einer wirksamen Ordnungspolitik und u. a. auch unzureichende Kontrollen auf europäischer, nationaler, regionaler und lokaler Ebene zugrunde.

    2.8.

    Diese tragen auch zu unlauterem Wettbewerb zwischen Unternehmen und zu wirtschaftlichen Schäden (z. B. weniger Steuereinnahmen) bei und untergraben somit das Vertrauen der Öffentlichkeit in die Wirksamkeit des EU-Rechts.

    2.9.

    Um dem abzuhelfen, schlägt die Europäische Kommission einen neun Maßnahmen umfassenden Aktionsplan vor und richtet die Sachverständigengruppe „Forum für den Vollzug des Umweltrechts und Umweltordnungspolitik“ (6) ein.

    2.10.

    Die vorgeschlagenen neun Maßnahmen des Aktionsplans werden in Anhang 1 der Arbeitsunterlage der Kommissionsdienststellen im Einzelnen erläutert (7).

    3.   Besondere Bemerkungen

    3.1.   Verwirklichung eines beispielgebenden Europas und Schutz der Bürger

    3.1.1.

    Im globalen Kontext sollte die EU eine Vorreiterrolle beim wirksamen Schutz der Umwelt und der Bürger anstreben und sich für eine vorrangige Behandlung dieser Thematik einsetzen. Die EU hat durch die unzulängliche Sicherstellung von Rechtskonformität eine Chance vertan, ihren Werten gerecht zu werden und etwas zu bewegen, zumal es bereits einschlägige Rechtsvorschriften gibt und bedeutende Schritte unternommen worden sind.

    3.1.2.

    Der EWSA warnt die Europäische Kommission, dass die Bürger u. U. kaum geschützt sind. Es ist wichtig, dass in allen Mitgliedstaaten für EU-Rechtskonformität gesorgt wird, da abweichende einzelstaatliche Rechtsvorschriften systematisch die Möglichkeiten der Bürger einschränken, ihre Rechte geltend zu machen und umfassend die Vorteile der EU-Rechtsvorschriften wahrzunehmen. Besonders relevant ist dies im Zusammenhang mit Umweltrechtsvorschriften, da die Nichteinhaltung von bspw. Luftqualitätsnormen die menschliche Gesundheit beeinträchtigt.

    3.1.3.

    Der EWSA ruft der Europäischen Kommission seine Stellungnahme zur Überprüfung der Umsetzung der Umweltpolitik (8) in Erinnerung und hofft, dass diese im Aktionsplan berücksichtigt wird. Ferner wünscht er sich, dass der Aktionsplan neben Abfall- und Artenschutzkriminalität u. a. auch auf die Regulierung und Governance von Nanomaterialien und endokrinen Disruptoren eingeht.

    3.1.4.

    Indes begrüßt der EWSA die Bereitschaft der Europäischen Kommission, beispielsweise den Einsatz von Drohnen und die Nutzung von Smartphone-Anwendungen für die Erkennung oder Meldung von Umweltschäden zu fördern und die Mitgliedstaaten und lokalen und regionalen Behörden (nach dem Vorbild Irlands) dazu anzuhalten, diese selbst einzusetzen oder aber öffentliche Initiativen zu unterstützen, die die Umsetzung von Umweltrechtsvorschriften mithilfe dieser Art Instrumente verbessern können.

    3.2.   Binnenmarkt und wirtschaftliche Aspekte

    3.2.1.

    Die einheitliche Anwendung des Umweltrechts ist eine grundlegende Voraussetzung für das Funktionieren des Binnenmarkts. Eine uneinheitliche Anwendung der Umweltrechtsvorschriften verschafft Unternehmen in Mitgliedstaaten mit unzulänglicher Rechtskonformität unfaire Vorteile, führt zu unfairen Marktverhältnissen und gibt den Unternehmen in der EU die falschen Anreize.

    3.2.2.

    In allen Mitgliedstaaten muss für eine einheitliche und zuverlässige Anwendung gesorgt werden, um sicherzustellen, dass Nichteinhaltung in der gesamten EU in gleicher Weise bestraft wird. Dadurch wird für Rechtsstaatlichkeit gesorgt, die Unternehmen können sich auf EU-Rechtsvorschriften verlassen und finden in allen Mitgliedstaaten gleiche Ausgangsbedingungen vor.

    3.2.3.

    In ihrer Mitteilung veranschlagt die Europäische Kommission die Kosten der unzureichenden Umsetzung auf 50 Mrd. EUR jährlich. Auch aus einer einschlägigen, für die Europäische Kommission erstellten Studie (Study to assess the benefits delivered through the enforcement of EU environmental legislation (9)) werden die enormen wirtschaftlichen Vorteile des Umweltrechtsvollzugs deutlich. Neben den positiven Auswirkungen auf die Umwelt, Gesundheit und Rechtsstaatlichkeit sollte auch der wirtschaftliche Nutzen der Verhinderung weiterer Schäden durch wirksame Kontrollen und eine ordnungsgemäße Durchsetzung des bestehenden Umweltrechts ganz klar herausgestellt werden.

    3.2.4.

    Wie schon zuvor in seiner Stellungnahme zum Thema „Ein Aktionsplan für Menschen, Natur und Wirtschaft“ weist der EWSA die Europäische Kommission darauf hin, dass die personellen und finanziellen Mittel für die Überprüfung des Vollzugs des Umweltrechts und der Umweltordnungspolitik aufgestockt werden müssen (10). Insgesamt sind keine ausreichenden Finanzmittel für die Verwirklichung der vereinbarten Zielsetzungen, bspw. im Bereich der Biodiversität, sichergestellt.

    3.2.5.

    Der EWSA würde ferner befürworten, dass die EU sich im Rahmen bilateraler oder multilateraler Handelsverhandlungen systematisch die Gleichwertigkeit ihres Sozial- und Umweltrechts für importierte Produkte ausbedingt.

    3.3.   Rechtsdurchsetzungsverfahren der Europäischen Kommission

    3.3.1.

    In erster Linie sind die Mitgliedstaaten für die korrekte Umsetzung und Anwendung des EU-Rechts zuständig, doch die Europäische Kommission ist die Hüterin der Verträge (11). Sie hat deshalb dafür zu sorgen, dass Umwelt-Rechtsvorschriften eingehalten werden und die Mitgliedstaaten alle Maßnahmen unterlassen, die die Verwirklichung der Ziele der Union im Umweltbereich gefährden könnten (12). Dazu kann sie Rechtsdurchsetzungsverfahren gemäß Artikel 258 AEUV einleiten.

    3.3.2.

    Aufgrund der grenzüberschreitenden Auswirkungen von Umweltschäden liegt die Rechtskonformität in den einzelnen Mitgliedstaaten im Interesse aller anderen Mitgliedstaaten, die bestrebt sind, ihre Bürger zu schützen und Umweltschäden in ihrem eigenen Hoheitsgebiet zu verhindern. Der Europäischen Kommission fällt daher die wichtige Aufgabe zu, dieses gemeinsame EU-Interesse zu schützen und bei grenzüberschreitenden Streitigkeiten den Zugang zu Gerichten sicherzustellen.

    3.3.3.

    Das Europäische Parlament und der Rat der Europäischen Union erklärten 2013, dass „die bessere Anwendung des Umweltrechts der Union in den Mitgliedstaaten […] in den kommenden Jahren oberste Priorität [erhält]“ (13). In ihrer Mitteilung „EU-Recht: Bessere Ergebnisse durch bessere Anwendung“ (14) betonte die Europäische Kommission die Notwendigkeit, ihren Ermessensspielraum strategisch zu nutzen und in erster Linie die schwerwiegendsten Verstöße gegen das EU-Recht zu verfolgen, die die Interessen der Bürger und der Wirtschaft beeinträchtigen. Die Umweltrechtskonformität, die sich unmittelbar auf den Binnenmarkt und die Gesundheit der EU-Bürger auswirkt, ist von entscheidender Bedeutung für die EU und sollte im Rahmen der von der Europäischen Kommission angestrengten Rechtsdurchsetzungsverfahren klare Priorität haben.

    3.3.4.

    Der EWSA weist auf die positiven Auswirkungen von Vertragsverletzungsverfahren über ihren unmittelbaren Anwendungsfall hinaus hin (15). Wirksame Vertragsverletzungsverfahren haben eine klare Signalwirkung für die Mitgliedstaaten, dass die EU dem Schutz ihrer Bürger und ihrer Umwelt hohe Bedeutung beimisst.

    3.3.5.

    Eine systemische Verfolgung von Verstößen trägt auch zur wirksamen Abschreckung und zu einer allgemeinen besseren Regelkonformität bei. Durch positive Ausstrahlungseffekte auf andere EU-Rechtsbereiche könnte das Vertrauen in das EU-Recht über den Umweltbereich hinaus gestärkt werden.

    3.4.   Rechtswirksamkeit

    3.4.1.

    In vielen Ländern stellen zivilgesellschaftliche Organisationen eine zunehmende Aushöhlung des Umweltstrafrechts sowie eine Behinderung des Zugangs der Öffentlichkeit zu Gerichten in Umweltfragen und eine Erschwerung der Umweltordnungspolitik fest. Ursache hierfür könnte eine Fehlinterpretation bestimmter politischer Leitlinien der EU sein (bspw. eine Strategie für bessere Rechtsetzung, die über Vereinfachung und experimentelle Maßnahmen der Nichteinhaltung von Vorschriften Vorschub leistet).

    3.4.2.

    Ferner sollten die Mitgliedstaaten bei einer Reihe EU-Umweltmaßnahmen die bislang unzulängliche Umsetzung der Rechtsvorschriften beheben, anstatt den Eindruck der Überregulierung zu erwecken. Die angebliche Überregulierung auf nationaler Ebene kann zu der fälschlichen Annahme verleiten, dass Mitgliedstaaten übertrieben ehrgeizig sind, obwohl sie in Wirklichkeit ihren Auftrag verfehlen und die EU-Umweltrechtsvorschriften unzureichend umsetzen, was zu Nichteinhaltung führt.

    3.4.3.

    In der Mitteilung werden drei Bereiche für Maßnahmen zur Vollzugssicherung genannt, aber keine konkreten, alle drei Bereiche übergreifenden Maßnahmen vorgeschlagen. Die vorgeschlagenen Maßnahmen heben alle auf die Unterstützung des Vollzugs und den Aufbau von Kapazitäten auf Ebene der Mitgliedstaaten ab. Keine der angeregten Maßnahmen bezieht sich auf die Überwachung und Durchsetzung durch die Europäische Kommission selbst, sodass der Aktionsplan letztlich sehr unverbindlich ist und kaum zu einem besseren Vollzug des Umweltrechts führen dürfte.

    3.4.4.

    Die Europäische Kommission geht somit in ihrem Aktionsplan nicht auf Überwachungs- und Durchsetzungsmaßnahmen auf EU-Ebene ein. Ungeachtet der vorgeschlagenen Unterstützungsmechanismen hat sie die Chance verpasst, für jede Maßnahme klare Ziele vorzugeben, an denen ihre Wirksamkeit gemessen werden kann. Finanzielle Unterstützung wird nicht von Änderungen der Verfahrenspraxis in den Mitgliedstaaten abhängig gemacht, sodass der Ausgang offen ist und deshalb die Wirksamkeit und Eignung der vorgeschlagenen Maßnahmen infrage zu stellen sind.

    3.4.5.

    Der EWSA stellt enttäuscht fest, dass Beschwerdeverfahren und Inspektionen zur Prüfung der nationalen Umsetzung von EU-Recht nicht angesprochen werden. Er ist ernstlich besorgt, dass es innerhalb der Europäischen Kommission an politischem Willen mangelt, was dazu führt, dass Beschwerden nicht weiterverfolgt werden. Die Unverbindlichkeit der vorgeschlagenen Maßnahmen verstärkt seine Bedenken.

    3.4.6.

    Nach Meinung des EWSA sollten Überlegungen nicht nur zur korrekten Anwendung von Umweltrechtsvorschriften und einer guten Umweltordnungspolitik angestellt werden, sondern auch zu einem grundsätzlichen Rückschrittsverbot im Umweltrecht zur Sicherstellung einer nachhaltigen Entwicklung.

    3.4.7.

    Laut der Mitteilung können Rechtsverstöße verschiedene Gründe haben, darunter Unklarheit, mangelndes Verständnis oder mangelnde Akzeptanz von Vorschriften, Mangel an Investitionen, Opportunismus und Kriminalität. Leider geht die Europäische Kommission nicht auf alle diese Gründe angemessen ein und schlägt lediglich Abhilfemaßnahmen für Unklarheit und mangelndes Verständnis vor. Zwar benötigen die Mitgliedstaaten Unterstützung, doch darf eine Strategie zur Verbesserung der Umweltrechtskonformität nicht nur auf Abhilfe für Unklarheit und mangelnde Kapazität aufbauen, ohne auf die meisten anderen Ursachen einzugehen.

    3.5.   Zugang zu Gerichten auf nationaler und europäischer Ebene

    3.5.1.

    Der EWSA weist die Europäische Kommission erneut darauf hin, dass die systemische Nichteinhaltung von EU-Recht in den Mitgliedstaaten und die fehlende angemessene Durchsetzung durch einzelstaatliche Gerichte ein offenkundiges Problem des Zugangs zu den Gerichten auf nationaler Ebene deutlich macht.

    3.5.2.

    Der EWSA fordert die Europäische Kommission nachdrücklich auf, den in seiner Stellungnahme zum Thema „Zugang zu Gerichten“ (16) ausgesprochenen Empfehlungen zur Überwachung der Vorabentscheidungsverfahren Folge zu leisten. Der EWSA betont die Bedeutung des Vorabentscheidungsverfahrens für die einheitliche Anwendung des EU-Rechts und drängt die Europäische Kommission, die Anwendung und Einhaltung dieses Instruments durch die nationalen Gerichte zu prüfen und darüber zu berichten.

    3.5.3.

    Der EWSA bekräftigt (17), dass ein freier Zugang zu Umweltinformationen wesentliche Voraussetzung ist, damit die Bürger und die zivilgesellschaftlichen Organisationen ihre öffentliche Wächterfunktion wahrnehmen können.

    3.5.4.

    Der EWSA ist sich zwar über die Unterschiede zwischen den einzelstaatlichen Rechtsystemen im Klaren, ist aber dennoch enttäuscht, dass weder die Frage der Klagebefugnis (locus standi) angesprochen wird noch die Kosten, um ein Verfahren auf nationaler Ebene anzustrengen. Klagebefugnis und Kosten schränken erheblich die Möglichkeiten der Organisationen ein, die die Bürger und Verbraucher vertreten oder soziale und Umweltinteressen verfechten, ihre Regierungen und große Unternehmen vor nationalen Gerichten zur Rechenschaft zu ziehen.

    3.5.5.

    Selbst wenn ihnen eine Klagebefugnis zugebilligt wird, sind doch die finanziellen Mittel der zivilgesellschaftlichen Organisationen sehr begrenzt, wodurch den Betroffenen häufig der Zugang zu Gerichten verwehrt bleibt. Der EWSA hat darauf bereits in seiner Stellungnahme zum Thema „Zugang zu Gerichten“ (18) aufmerksam gemacht. Außerdem erschweren diese Hürden das Engagement der zivilgesellschaftlichen Organisationen für die korrekte Umsetzung der bestehenden Rechtsvorschriften, das eine entscheidende Voraussetzung für den Schutz der Rechtsstaatlichkeit ist.

    3.5.6.

    Der EWSA gibt ferner zu bedenken, dass geeignete Mechanismen vorgesehen werden müssen, um einem Missbrauch der Gerichte vorzubeugen. Dies sollte berücksichtigt werden, wenn Organisationen der Zivilgesellschaft freier Zugang zu Gerichten gewährt wird. Der EWSA hebt jedoch den gesamtgesellschaftlichen Nutzen des Zugangs zu Gerichten für diese Organisationen, die sich für den Schutz der Verbraucher, der Gesundheit und der Umwelt einsetzen, hervor. Deshalb müssen konkrete und zielgenaue Bestimmungen zur Missbrauchsvermeidung festgelegt werden, die den maßgebenden Beitrag der Organisationen der Zivilgesellschaft zur Durchsetzung von Rechtsvorschriften nicht behindern dürfen.

    3.5.7.

    Das Versäumnis der Europäischen Kommission und der europäischen Gerichte, EU-Rechtskonformität sicherzustellen, gefährdet die Rechtsstaatlichkeit und untergräbt das Vertrauen der Bürger, der Mitgliedstaaten und der Unternehmen in das EU-Recht. Außerdem wird dadurch der Zugang der Bürger, Organisationen der Zivilgesellschaft und Unternehmen zu Gerichten erschwert, was wiederum das Vertrauen in die Effizienz der Europäischen Kommission und der Gerichte sowie in die EU als solche aushöhlt.

    3.5.8.

    Zudem werden in der Mitteilung zwei auf europäischer Ebene sensible Aspekte in Verbindung mit dem Zugang zu den europäischen Gerichten außer Acht gelassen:

    der Zugang zu EU-Gerichten, der auf der sechsten Tagung der Vertragsparteien des Übereinkommens von Aarhus erörtert wurde und sich auf interne Abläufe in den EU-Institutionen bezieht (bspw. entscheidet die Europäische Kommission vorschnell, Beschwerden nicht weiterzuverfolgen);

    die Gepflogenheit bestimmter einzelstaatlicher Gerichte, nicht den Gerichtshof um Vorabentscheidung zu ersuchen, sondern selbst EU-Recht auslegen, was gegen die Verträge verstößt und teilweise zu befremdlichen Entscheidungen führt (bspw. argumentierte ein Rapporteur public vor dem Conseil d’État (Staatsrat, Frankreich), dass ein Ersuchen um Vorabentscheidung des EuGH sinnlos sei, da dieser sich noch nie mit dem betreffenden Thema befasst habe).

    3.5.9.

    Der EWSA fordert daher die Europäische Kommission auf, die Bemerkungen zum Zugang zu den einzelstaatlichen und den EU-Gerichten ausdrücklich in einem ganzheitlichen Ansatz zu berücksichtigen, der dem Schutz der öffentlichen Gesundheit sowie des aktuellen und künftigen Lebensraums und damit dem Wohl der Allgemeinheit dient.

    Brüssel, den 23. Mai 2018

    Der Präsident des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses

    Luca JAHIER


    (1)  ABl. C 18 vom 19.1.2017, S. 10.

    (2)  COM(2018) 10 final.

    (3)  ABl. C 129 vom 11.4.2018, S. 65.

    (4)  ABl. C 345 vom 13.10.2017, S. 114.

    (5)  ABl. C 129 vom 11.4.2018, S. 65.

    (6)  ABl. C 19 vom 19.1.2018, S. 3.

    (7)  SWD(2018) 10 final.

    (8)  ABl. C 345 vom 13.10.2017, S. 114.

    (9)  https://publications.europa.eu/en/publication-detail/-/publication/219e8506-9adf-11e6-868c-01aa75ed71a1.

    (10)  ABl. C 129 vom 11.4.2018, S. 90.

    (11)  Artikel 17 EUV.

    (12)  Artikel 4 Absatz 3 EUV.

    (13)  Beschluss Nr. 1386/2013/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. November 2013 über ein allgemeines Umweltaktionsprogramm der Union für die Zeit bis 2020 „Gut leben innerhalb der Belastbarkeitsgrenzen unseres Planeten“ (ABl. L 354 vom 28.12.2013, S. 171).

    (14)  ABl. C 18 vom 19.1.2017, S. 10.

    (15)  ABl. C 81 vom 2.3.2018, S. 88.

    (16)  ABl. C 129 vom 11.4.2018, S. 65.

    (17)  ABl. C 345 vom 13.10.2017, S. 114.

    (18)  ABl. C 129 vom 11.4.2018, S. 65.


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