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Document 52017XG0629(01)

Schlussfolgerungen des Rates zum Beitrag zur Eindämmung des Anstiegs von Übergewicht und Adipositas im Kindesalter

ABl. C 205 vom 29.6.2017, p. 46–52 (BG, ES, CS, DA, DE, ET, EL, EN, FR, HR, IT, LV, LT, HU, MT, NL, PL, PT, RO, SK, SL, FI, SV)

29.6.2017   

DE

Amtsblatt der Europäischen Union

C 205/46


Schlussfolgerungen des Rates zum Beitrag zur Eindämmung des Anstiegs von Übergewicht und Adipositas im Kindesalter (1)

(2017/C 205/03)

DER RAT DER EUROPÄISCHEN UNION

VERWEIST AUF

1.

Artikel 168 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) (2), wonach „bei der Festlegung und Durchführung aller Unionspolitiken und -maßnahmen […] ein hohes Gesundheitsschutzniveau sichergestellt“ wird und „die Union die Zusammenarbeit zwischen den Mitgliedstaaten [im Bereich des Gesundheitswesens] [fördert] und […] erforderlichenfalls deren Tätigkeit [unterstützt]“;

2.

die Bedeutung, die der Förderung einer gesunden Lebensweise, vor allem durch Ernährung und körperliche Aktivität zukommt, wie der Rat der Europäischen Union seit dem Jahr 2000 insbesondere in der folgenden Entschließung und den folgenden Schlussfolgerungen wiederholt betont hat: (3)

Entschließung des Rates vom 14. Dezember 2000 über Gesundheit und Ernährung (4);

Schlussfolgerungen des Rates vom 3. Juni 2005 zu Übergewicht, Ernährung und körperlicher Bewegung (5);

Schlussfolgerungen des Rates vom 30. November 2006 zu Gesundheitsfragen in allen Politikbereichen (6);

Schlussfolgerungen des Rates vom 6. Dezember 2007 zur Umsetzung einer EU-Strategie für mit Ernährung, Übergewicht und Adipositas zusammenhängenden Gesundheitsfragen (7);

Schlussfolgerungen des Rates vom 8. Juni 2010 zu Gleichbehandlung und Gesundheit in allen Politikbereichen: Solidarität im Gesundheitswesen (8);

Schlussfolgerungen des Rates und der im Rat vereinigten Vertreter der Regierungen der Mitgliedstaaten vom 27. November 2012 zur Unterstützung gesundheitsfördernder körperlicher Aktivität (9);

Schlussfolgerungen des Rates vom 20. Juni 2014 zu Ernährung und körperlicher Bewegung (10); und

Schlussfolgerungen des Rates vom 17. Juni 2016 zur Produktverbesserung von Lebensmitteln (11);

3.

den Aktionsplan der EU zu Adipositas im Kindesalter 2014-2020 (12), in dem anerkannt wird, dass Maßnahmen zur Gesundheitsförderung und Prävention von Krankheiten positive Auswirkungen auf sowohl die Menschen als auch die Gesundheitssysteme haben, dass gesunde Ernährung (13) und körperliche Betätigung wichtig sind, um das Erkrankungsrisiko für chronische und nichtübertragbare Krankheiten zu verringern, und in dem die Mitgliedstaaten aufgefordert werden, auch weiterhin der Förderung gesunder Ernährung und körperlicher Aktivität oberste Priorität einzuräumen und so zu einer besseren Gesundheit und Lebensqualität der Bürgerinnen und Bürger in der EU und zur Nachhaltigkeit der Gesundheitssysteme beizutragen, sowie den Europäischen Aktionsplan Nahrung und Ernährung 2015-2020 (14);

4.

den Globalen Aktionsplan der WHO zur Prävention und Bekämpfung nichtübertragbarer Krankheiten (2013-2020) vom 27. Mai 2013 (15) und dessen neun freiwillige globale Ziele; die Strategie der Europäischen Region der WHO zur Bewegungsförderung (2016-2025) (16); den WHO-Bericht der Kommission für die Beseitigung der Adipositas im Kindesalter (2016) (17), der ein umfassendes integriertes Bündel von Empfehlungen zur Bekämpfung von Adipositas im Kindesalter enthält;

5.

die Resolution der Vereinten Nationen vom 25. September 2015 mit dem Titel „Transformation unserer Welt: die Agenda 2030 für nachhaltige Entwicklung“ in der anerkannt wird, dass die Bekämpfung von Ungleichheiten einen sektorenübergreifenden Ansatz unter Einbeziehung aller Beteiligten erfordert, und sichergestellt werden muss, dass niemand zurückgelassen wird (18);

6.

die Erklärung von Wien vom 5. Juli 2013 über Ernährung und nichtübertragbare Krankheiten im Kontext von Gesundheit 2020 (19), mit der vereinbart wurde, das Problem der Adipositas anzugehen und der Arbeit für eine gesunde Ernährung von Kindern Vorrang einzuräumen, insbesondere durch die Schaffung gesundheitsförderlicher Umfelder für Essen und Trinken;

7.

den Technischen Bericht zum schulischen Umfeld 2017 über die öffentliche Versorgung mit gesunden Lebensmitteln, erstellt vom maltesischen Ratsvorsitz zusammen mit der Europäischen Kommission, der WHO, der GFS und den Mitgliedern der Hochrangigen Gruppe für Ernährung und Bewegung (20);

8.

den Entwurf des Berichts zur Halbzeitbewertung des EU-Aktionsplans zu Adipositas im Kindesalter, vorgelegt von der Europäischen Kommission am 22. Februar 2017 (21);

ERKENNT FOLGENDES AN:

1.

Gesundheit ist ein Wert, eine Chance und eine Investition in die wirtschaftliche und soziale Entwicklung des jeweiligen Landes.

2.

Die starke Verbreitung von Übergewicht und Adipositas bei Kindern in vielen Mitgliedstaaten ist eine große gesundheitspolitische Herausforderung, die zur Verschärfung der gesundheitlichen Ungleichheit beiträgt, wobei Kinder als am stärksten gefährdete Gruppe besonders stark betroffen sind; Adipositas im Kindesalter ist ein starker Prädiktor für Adipositas im Erwachsenenalter mit bekannten gesundheitlichen und wirtschaftlichen Folgen, da mehr als 60 % der übergewichtigen Kinder mit großer Wahrscheinlichkeit übergewichtige Erwachsene werden (22).

3.

Übergewicht und Adipositas im Kindesalter korrelieren sowohl kurz- als auch längerfristig mit schweren gesundheitlichen Folgen, wozu auch ein erhöhtes Risiko für u. a. Typ-2-Diabetes, Asthma, Bluthochdruck und Herz-Kreislauf-Erkrankungen zählt; wenn diese Krankheiten dann auftreten, ist Adipositas ein Faktor, der die Wirksamkeit der Behandlung erheblich verringert.

4.

Adipositas beeinträchtigt die Lebensqualität und geht u. a. mit einem geringen Selbstwertgefühl einher.

5.

Die Ursachen von Übergewicht und Adipositas im Kindesalter sind komplex und auf verschiedene Faktoren zurückzuführen, hauptsächlich auf ein adipogenes (23) Umfeld.

6.

Unzureichende körperliche Aktivität und unausgewogene Ernährung führen zu Übergewicht, Adipositas und verschiedenen chronischen Krankheiten. Daher sollten beide Bereiche angemessen angegangen werden.

7.

Neue experimentelle Erkenntnisse deuten auf die Existenz epigenetischer Veränderungen hin, die in einigen Fällen dazu beitragen können, dass Menschen übergewichtig oder fettleibig werden; einige Studien legen nahe, dass Risikofaktoren, wie etwa ein erhöhter Body-Mass-Index der Mutter vor der Schwangerschaft, pränatale Tabakrauchbelastung, eine übermäßige Gewichtszunahme der Mutter in der Schwangerschaft und eine beschleunigte Gewichtszunahme des Kleinkinds während der ersten 1 000 Tage mit dem Auftreten von Adipositas im Kindesalter verbunden sind (24).

8.

Adipositas bei europäischen Kindern steht in engem Zusammenhang mit dem sozioökonomischen Status ihrer Eltern: Eltern aus sozial und wirtschaftlich benachteiligten Schichten sind häufiger übergewichtig. Kinder adipöser Eltern oder von Eltern mit einem niedrigeren sozioökonomischem Status haben mit höherer Wahrscheinlichkeit schlechte Ernährungsgewohnheiten und werden häufiger übergewichtig. Außerdem werden in einigen Mitgliedstaaten Kinder aus sozial und wirtschaftlich benachteiligten Schichten, insbesondere wenn sie zu früh geboren wurden, weniger gestillt (25).

9.

Die bestehenden politischen Maßnahmen zur Förderung der Gesundheit, Prävention von Übergewicht und Adipositas mit dem Ziel der Eindämmung des Anstiegs von Adipositas im Kindesalter waren nicht effizient genug. Einzelne Maßnahmen zur Bekämpfung von Adipositas bei Kindern sind nicht ausreichend. Außerdem können sektorale Maßnahmen auch erhebliche unerwünschte Auswirkungen auf gesunde Ernährung und körperliche Aktivität haben. Daher sollte Adipositas bei Kindern weit oben auf der Tagesordnung der einzelnen Mitgliedstaaten und der Europäischen Union stehen und muss vorrangig sowie über verschiedene koordinierte Maßnahmen verschiedener Sektoren in Angriff genommen werden.

10.

Es sind weitere Forschungsarbeiten, auch im Bereich der Epigenetik, erforderlich, um ein besseres Verständnis für die auslösenden Faktoren von Übergewicht und Adipositas im Kindesalter zu gewinnen und um evidenzbasierte Ansätze zu einer gesunden Ernährung und mehr körperlicher Aktivität während des gesamten Lebens eingehender zu prüfen. Darüber hinaus ist eine weitergehende Forschung im Bereich der öffentlichen Gesundheit notwendig, um die wirtschaftlichen Folgen und Ursachen in allen sozioökonomischen Schichten zu beleuchten und um für wirksame staatliche gesundheitspolitische Strategien, Maßnahmen und Präventionsprogramme zu sorgen.

11.

Im Einklang mit der Erkenntnis, dass ein ausgewogen ernährtes Kind gesünder ist, ermöglicht der Zugang zu einer gesunden Ernährung und körperlicher Aktivität in einem frühen Alter Kindern, gesund aufzuwachsen und sich zu gesunden Erwachsenen zu entwickeln. Gesunde Kinder haben bessere Voraussetzungen für Lernen und Entwicklung in der Schule, wodurch eine bessere Ausgangslage für die persönliche Entwicklung und mehr Produktivität im späteren Leben entsteht.

12.

Nach Angaben der WHO sollten sich Kinder und Jugendliche im Alter von 5 bis 17 Jahren jeden Tag insgesamt mindestens 60 Minuten gemäßigt bis intensiv körperlich bewegen. In diesem Rahmen sollten mindestens 3 Mal pro Woche intensive körperliche Aktivitäten und Aktivitäten zur Stärkung der Muskeln und Knochen stattfinden (26). Vorhandene nationale Empfehlungen sollten berücksichtigt werden.

13.

Ein kooperativer sektorübergreifender Ansatz sollte in allen Bereichen des Staates und der Gesellschaft als Ganzes angewandt werden, um für ein gesundes Umfeld auch in den Bereichen Gesundheit, Bildung, Lebensmittelproduktion, Landwirtschaft und Fischerei, Handel und Industrie, Finanzen, Sport, Kultur, Kommunikation, Umwelt und Stadtplanung, Verkehr, Soziales und Forschung zu sorgen.

14.

Angesichts der Tatsache, dass in den meisten europäischen Ländern Kinder nahezu ein Drittel ihres täglichen Lebens im schulischen Umfeld verbringen, ist es wichtig, dass gesunde Ernährung und körperliche Aktivität in den Bildungs- und Kinderbetreuungseinrichtungen in Zusammenarbeit mit den Eltern gefördert werden. Um eine gesunde Lebensweise zu unterstützen, sollte die Schaffung eines förderlichen Umfelds in den Bildungseinrichtungen angestrebt werden.

15.

Schulmahlzeiten bieten eine gute Gelegenheit zur Förderung gesunder Ernährungsgewohnheiten und zur Gesundheitsförderung; zu diesem Zweck sollte der Ansatz „gesunde Lebensmittel“ in Bildungseinrichtungen gefördert werden.

16.

Regierungen und öffentliche Einrichtungen haben die Möglichkeit, die Nachfrage nach gesunden Mahlzeiten und somit einer besseren Ernährung durch öffentliche Aufträge anzukurbeln und können so möglicherweise den Markt beeinflussen und die Innovation im Hinblick auf die Bereitstellung ernährungsphysiologisch ausgewogenerer Nahrungsmittel auf faire und transparente Weise fördern.

17.

Umfangreiche Erkenntnisse rechtfertigen effizientere Maßnahmen im Bereich der Vermarktung von Lebensmitteln, die energiereich sind und einen hohen Anteil an gesättigten Fettsäuren, Transfettsäuren, Zucker und Salz enthalten. Erfahrungen und Erkenntnisse zeigen, dass unter Umständen Regulierungsmaßnahmen erforderlich sind, damit freiwillige Maßnahmen eine größere Wirksamkeit entfalten können.

18.

Das ausschließliche Stillen in den ersten sechs Monaten wirkt sich vorteilhaft auf optimales Wachstum, Entwicklung und Gesundheit aus. Danach sollten Säuglinge angesichts ihrer sich entwickelnden Ernährungsbedürfnisse eine ernährungsphysiologisch angemessene und sichere Beikost erhalten und bis zum Alter von zwei Jahren oder darüber hinaus weiter gestillt werden. Stillen und die Verwendung sicherer Beikost sollten sich nach den Empfehlungen der WHO (27) oder gegebenenfalls nationalen Empfehlungen richten.

ERSUCHT DIE MITGLIEDSTAATEN,

1.

in ihre nationalen Aktionspläne, Strategien und Aktivitäten zum Thema Ernährung und körperliche Aktivität bereichsübergreifende Maßnahmen zur Bekämpfung der Adipositas im Kindesalter aufzunehmen, wobei der Schwerpunkt nicht nur auf Gesundheitsförderung und Prävention von Krankheiten, sondern auch auf jenen Kindern und Jugendlichen liegen sollte, die bereits übergewichtig oder adipös sind; vor allem folgende Maßnahmen sollten aufgenommen werden:

bereichsübergreifende Maßnahmen und Maßnahmen im gesamten Lebensverlauf zur Verringerung der sozioökonomischen Ungleichheiten und besonders Maßnahmen zur Unterstützung gefährdeter Kinder und Jugendlichen in sozial benachteiligten Gemeinschaften, beispielsweise durch einen besseren Zugang zu gesunder Ernährung und körperlicher Aktivität;

eine transparente und wirksame politische Steuerung zur Bewältigung der Ursachen für Übergewicht und Adipositas;

Maßnahmen zur Optimierung der Schutzfaktoren, die durch gesunde Ernährung und gesundheitsfördernde körperliche Betätigung aktiviert werden, und zur Minimierung der verschiedenen Risikofaktoren, die zu Übergewicht und Adipositas beitragen;

Maßnahmen, die in Bildungseinrichtungen für Kinder und Kinderbetreuungseinrichtungen ein günstiges Umfeld zur Förderung einer gesunden Ernährung und angemessener gesundheitsfördernder körperlicher Aktivität auf der Grundlage von nationalen oder internationalen Empfehlungen schaffen;

Maßnahmen, die im Rahmen eines familienbezogenen Ansatzes bei Kindern, Eltern, Erzieherinnen und Erziehern den Erwerb von Kompetenzen in Bezug auf Ernährung, körperliche Aktivität und sitzende Tätigkeiten fördern;

Maßnahmen zur Förderung der körperlichen Aktivität in Freizeiteinrichtungen, um eine Verringerung der sitzenden Tätigkeiten zu begünstigen, zur Förderung der Entwicklung und Bereitstellung von zugänglichen Diensten für körperliche Freizeitaktivitäten sowie zur Förderung eines günstigen Umfelds für tägliche Bewegung und aktive Fortbewegung (28);

Maßnahmen, um sicherzustellen, dass Bildungseinrichtungen für Kinder ein geschütztes Umfeld bieten und frei von allen Formen der Vermarktung sind, die der Förderung eines gesünderen Lebensstils zuwiderlaufen;

Maßnahmen, die gesunde Ernährungs- und Konsumgewohnheiten nachhaltig unterstützen und zur Verringerung gesundheitlicher und sozialer Ungleichheiten beitragen;

Maßnahmen zur Förderung und Überwachung der Verbesserung der Produktqualität von Lebensmitteln, die vor allem von Kindern verzehrt werden, als ein wichtiges Instrument, um in jedem Umfeld und jeder Bevölkerungsgruppe die Wahl gesunder Lebensmittel leicht zu machen, im Einklang mit den Schlussfolgerungen des Rates zur Produktverbesserung von Lebensmitteln;

Maßnahmen, um Familien zu stärken und in die Lage zu versetzen, eine gesündere Lebensweise anzunehmen, einschließlich gesunder Ernährungsoptionen und der Förderung körperlicher Aktivität unter gebührender Berücksichtigung zeitlicher Zwänge und sozioökonomischer Faktoren;

Maßnahmen zur Förderung eines frühzeitigen Eingreifens in verschiedenen Umfeldern durch ausschließliches Stillen während der ersten sechs Monate und die Einführung einer ernährungsphysiologisch angemessenen Beikost im Alter von sechs Monaten, während die Kinder bis zum Alter von zwei Jahren oder darüber hinaus oder unter Berücksichtigung der verfügbaren nationalen Empfehlungen weiter gestillt werden;

Maßnahmen zur Förderung der Erforschung der Ursachen von Adipositas im Kindesalter und verbesserter Lösungen für dieses Problem;

Maßnahmen zur Verbesserung des Zugangs zu angemessener professioneller Beratung und Überwachung im Hinblick auf eine gesunde Ernährung und gesundheitsfördernde körperliche Aktivitäten im gesamten Lebensverlauf, einschließlich bei Kinderwunsch und in der Schwangerschaft;

Maßnahmen zur Weiterbildung von Angehörigen der Gesundheitsberufe, die in Kontakt mit Schwangeren, Säuglingen und Kleinkindern, Kindern, Jugendlichen, Eltern und Familien kommen, auf der Grundlage der neuesten verfügbaren wissenschaftlichen Empfehlungen zu Ernährung, gesundheitsfördernder körperlicher Aktivität, Prävention und Management von Übergewicht und Adipositas;

Durchführung von Screenings zur Ermittlung von Kindern, bei denen die Gefahr von Übergewicht oder Adipositas besteht, und Behandlung und Betreuung übergewichtiger und adipöser und insbesondere stark adipöser Kinder;

Maßnahmen zur Optimierung der zentralen Rolle der medizinischen Grundversorgung in den Bereichen Prävention, Früherkennung und Management von Übergewicht und Adipositas;

Maßnahmen zur stärkeren Abschirmung von Kindern und Jugendlichen gegen die Vermarktung, Werbung in allen Medien (einschließlich auf Online-Plattformen und in sozialen Medien) und das Sponsoring von Lebensmitteln, die energiereich sind und/oder einen hohen Anteil an Salz, Zucker, gesättigten Fettsäuren und Transfettsäuren enthalten, sowie Überwachung und Berichterstattung über die Wirkung dieser Maßnahmen;

2.

spezifische Leitlinien für die Ernährung von Kindern und Jugendlichen zu entwickeln, die sich sowohl an Personen mit gesundem Körpergewicht als auch an übergewichtige oder adipöse Personen richten. Diese Leitlinien müssen Eltern, Betreuern und Verpflegungsanbietern in Bildungseinrichtungen Orientierung unter anderem zu angemessenen Portionsgrößen und Informationen zur Wahl nährstoffreicher, erschwinglicher und geeigneter Lebensmittel bieten;

3.

spezielle nationale Leitlinien zur Förderung täglicher körperlicher Aktivität zu entwickeln;

4.

sicherzustellen, dass die von den nationalen Behörden geförderten Mitteilungen und Beratungsaktivitäten in den Bereichen Ernährung, körperliche Aktivität und Gesundheit frei von jeder ungebührlichen Einflussnahme der Wirtschaft ausgearbeitet und durchgeführt werden;

5.

die konzertierten Bemühungen zu verstärken, um den Umfang und die Überzeugungskraft der an Kinder und Jugendliche gerichteten Lebensmittelwerbung, die der Förderung einer gesunden Lebensweise zuwiderläuft, zu verringern;

6.

in Zusammenarbeit mit Lebensmittelherstellern, dem Einzelhandel und der Gastronomie im Einklang mit Leitlinien des Gesundheitswesens die Verbesserung der Produktqualität von Lebensmitteln und die Förderung gesunder Alternativen zu unterstützen, damit die gesunde Wahl leicht gemacht wird;

7.

Maßnahmen einzuführen oder die Ausarbeitung von Verhaltenskodizes zu fördern, gegebenenfalls in Zusammenarbeit mit Interessenträgern, einschließlich Nichtregierungsorganisationen, die sich für die Belange von Kindern und Verbrauchern einsetzen. Auf diese Weise soll sichergestellt werden, dass an Kinder und Jugendliche gerichtete kommerzielle Botschaften nicht für Lebensmittel mit einem hohen Energiegehalt und/oder hohen Anteil an Zucker, Salz, gesättigten Fettsäuren oder Transfettsäuren werben oder auf andere Weise gegen nationale oder internationale Ernährungsleitlinien verstoßen und dass die Bemühungen der Industrie zur Verbesserung der Produktqualität von Lebensmitteln und ihre Vermarktungs- und Werbemaßnahmen zunehmend kohärent sind;

8.

gegebenenfalls Legislativmaßnahmen zur Förderung körperlicher Aktivität, einer gesunden Ernährung und der Gewährleistung eines günstigen Umfelds zu erwägen;

9.

ein Konzept zur Berücksichtigung von Gesundheitsfragen in allen Politikbereichen umzusetzen, das eine Infrastruktur und günstige Rahmenbedingungen für eine intensivere körperliche Betätigung in Alltag und Freizeit schafft und die Entscheidung für gesündere Lebensmittel erleichtert;

10.

die laufenden Programme zur Überwachung des Gesundheitsstatus im gesamten Lebensverlauf in die Praxis umzusetzen, mit besonderem Augenmerk auf Ernährung und körperliche Aktivität bei Schwangeren, Kindern und Jugendlichen, um zielgerichtete Maßnahmen zu entwickeln und zu steuern. Diese Programme müssen in der Lage sein, verschiedene Indikatoren wie z. B. soziale Ungleichheiten zu überwachen;

11.

eine Analyse der wirtschaftlichen Folgen von Übergewicht und Adipositas bei Kindern und Erwachsenen zu erwägen, insbesondere der Gesundheits- und sozialen Kosten sowie der Belastung der öffentlichen Haushalte und der Familienbudgets quer durch alle sozioökonomischen Schichten;

RUFT DIE MITGLIEDSTAATEN UND DIE KOMMISSION AUF,

1.

die Bekämpfung von Übergewicht und Adipositas im Kindesalter zu einer Priorität der Europäischen Union zu machen, die in allen Politikbereichen und im Arbeitsprogramm der Kommission Berücksichtigung findet, wobei die Zuständigkeiten der Mitgliedstaaten uneingeschränkt zu achten sind;

2.

soweit relevant, in Zusammenarbeit mit allen Beteiligten, einschließlich Nichtregierungsorganisationen, die sich für die Belange von Kindern und Verbrauchern einsetzen, unter Federführung der Gesundheitsbehörden Initiativen auf lokaler, nationaler und europäischer Ebene zu konzipieren, zu verstärken und zu überprüfen. Dies sollte mit Blick auf die Einschränkung der an Kinder und Jugendliche gerichteten Vermarktung von Lebensmitteln, die energiereich sind und/oder einen hohen Anteil an Salz, Zucker, gesättigten Fettsäuren und Transfettsäuren enthalten oder auf andere Weise gegen nationale oder internationale Ernährungsleitlinien verstoßen, sowie im Interesse der Bekämpfung von Bewegungsmangel mithilfe evidenzbasierter Instrumente erfolgen, da es Belege für einen engen Zusammenhang zwischen der Vermarktung und der vor dem Bildschirm verbrachten Zeit einerseits und Adipositas bei Kindern und Jugendlichen andererseits gibt;

3.

insbesondere zur Kenntnis zu nehmen, dass die Vermarktung und Werbung über Online-Plattformen und soziale Medien mit Kommunikationsbotschaften, die häufig in stärkerem Maße auf einzelne Kinder abzielen und schwieriger zu überwachen sind, eine neue Herausforderung darstellen, auf die dringend reagiert werden muss;

4.

eine freiwillige Kennzeichnung von Lebensmitteln im Einklang mit den Grundregeln der Verordnung (EU) Nr. 1169/2011, insbesondere des Artikels 35 Absatz 1, zu fördern, um alle Verbraucher, insbesondere diejenigen aus sozial und wirtschaftlich benachteiligten Schichten, bei der Wahl gesunder Lebensmittel zu unterstützen, und Kampagnen zur Aufklärung und Information der Verbraucher zur Verbesserung der Verständlichkeit von Informationen über Lebensmittel, einschließlich der Nährwertkennzeichnung, zu fördern;

5.

im Rahmen der Hochrangigen Gruppe für Ernährung und Bewegung geeignete Mechanismen zur Verbesserung der bestehenden Erhebung von Daten zu Gesundheitsindikatoren, sowie Daten über Maßnahmen und Aktionen, insbesondere in Bezug auf Verhalten, Schutzfaktoren und Risikofaktoren, Übergewicht, Adipositas und ihre Folgen für die Gesundheit zu ermitteln, um aktuelle, zuverlässige und vergleichbare Daten zu erhalten;

6.

die Überwachung der körperlichen Aktivität und der ernährungsphysiologischen Qualität der Lebensmittel in Bildungseinrichtungen für Kinder und die Erfassung der sozialen Ungleichheit im Hinblick auf Adipositas und Übergewicht bei Kindern und Jugendlichen und ihre Auswirkungen als vorrangige Bereiche festzulegen;

7.

die „Childhood Obesity Surveillance Initiative“ (Initiative zur Überwachung von Adipositas im Kindesalter) der WHO (29) mit dem Ziel einer routinemäßigen Messung der Trends bei Übergewicht und Adipositas bei Grundschulkindern, und die „Health Behaviour Study in School-aged Children“ (Studie über gesundheitsbewusstes Verhalten von Schulkindern) der WHO (30), die auf Jugendliche abzielt, zu unterstützen, um die epidemieartige Ausbreitung der Adipositas in dieser Bevölkerungsgruppe besser zu verstehen und um Ländervergleiche innerhalb Europas zu ermöglichen;

8.

weiterhin unter uneingeschränkter Wahrung der Zuständigkeiten der Mitgliedstaaten den EU-Aktionsplan zu Adipositas im Kindesalter 2014-2020 zu unterstützen und umzusetzen, insbesondere grenzüberschreitende Aktivitäten wie die Verbesserung der Produktqualität von Lebensmitteln und an Kinder gerichtete Vermarktung und deren Auswirkungen;

9.

auf gesicherten Erkenntnissen beruhende Programme und Leitlinien für die Gesundheitsförderung und Prävention, Diagnose und Behandlungsmöglichkeiten für gefährdete, übergewichtige und adipöse Kinder und Jugendliche zu entwickeln und auszuwerten; sowie darüber hinaus Schulungen und Anweisungen für Angehörige der Gesundheitsberufe im Einklang mit den Leitlinien und Empfehlungen der WHO bereitzustellen;

10.

bewährte Verfahren in den Mitgliedstaaten zu ermitteln, die evidenzbasierten Auswahlkriterien entsprechen, und diese unter den Mitgliedstaaten unter Berücksichtigung der institutionellen Rahmenbedingungen zu verbreiten;

RUFT DIE KOMMISSION AUF,

1.

weiterhin Unterstützung und Ressourcen für Forschungsprojekte und Überwachungsinitiativen bereitzustellen, die auf die Beobachtung und Bekämpfung von Übergewicht und Adipositas im Kindesalter abzielen, einschließlich der Verbreitung von Beispielen für bewährte Verfahren und von anhand strenger Kriterien ausgewählten Erfolgsgeschichten;

2.

einen wirksamen Ansatz zur Berücksichtigung von Gesundheitsfragen in allen Politikbereichen zu verfolgen, durch den die Einbeziehung von Gesundheits-, Präventions- und Ernährungsfaktoren in allen Sektoren und Initiativen gefördert wird;

3.

weiterhin die Interessenträger auf EU-Ebene einzubeziehen, insbesondere im Hinblick auf die Verbesserung der Produktqualität, unter Nutzung geeigneter Systeme für die Evaluierung und Rechenschaftspflicht, und regelmäßig über die Entwicklungen zu berichten;

4.

die Ausarbeitung von Verhaltenskodizes im Bereich der insbesondere an Kinder und Jugendliche gerichteten Vermarktung und kommerziellen Kommunikation über Lebensmittel zu unterstützen und dabei in geeigneter Weise die Interessenträger einzubeziehen;

5.

die gemeinsame Arbeit der Mitgliedstaaten zu unterstützen, die bereit sind, weiterhin einschlägige koordinierte Initiativen zu entwickeln und möglichst großflächig umzusetzen, insbesondere in den Bereichen Verbesserung der Produktqualität von Lebensmitteln, Analyse der wirtschaftlichen Folgen von Adipositas, Vermarktung und die öffentliche Beschaffung von Lebensmitteln.


(1)  Nach dem Übereinkommen der Vereinten Nationen über die Rechte des Kindes ist ein Kind „jeder Mensch, der das achtzehnte Lebensjahr noch nicht vollendet hat, soweit die Volljährigkeit nach dem auf das Kind anzuwendenden Recht nicht früher eintritt“.

(2)  ABl. C 326 vom 26.10.2012, S. 47 (konsolidierte Fassung).

(3)  Weitere einschlägige Schlussfolgerungen und Empfehlungen des Rates: Schlussfolgerungen des Rates vom 2. Dezember 2002 zur Fettleibigkeit; Schlussfolgerungen des Rates vom 2. Dezember 2003 zu gesunder Lebensführung: Bildung, Information und Kommunikation; Schlussfolgerungen des Rates vom 31. Mai 2007 zur Förderung der Gesundheit durch Ernährung und körperliche Bewegung; Entschließung des Rates und der im Rat vereinigten Vertreter der Regierungen der Mitgliedstaaten vom 20. November 2008 zur Gesundheit und zum Wohlbefinden junger Menschen; Schlussfolgerungen des Rates vom 2. Dezember 2011 zur Behebung des Gesundheitsgefälles innerhalb der EU durch ein abgestimmtes Vorgehen im Hinblick auf die Förderung von gesunden Lebensweisen; Empfehlung des Rates vom 26. November 2013 zur sektorübergreifender Unterstützung gesundheitsfördernder körperlicher Aktivität.

(4)  ABl. C 20 vom 23.1.2001, S. 1.

(5)  Dok. 9181/05 SAN 67

(6)  Dok. 16167/06 SAN 261

(7)  Dok. 15612/07 SAN 227 DENLEG 118

(8)  Dok. 9947/10 SAN 120 SOC 355.

(9)  ABl. C 393 vom 19.12.2012, S. 22.

(10)  ABl. C 213 vom 8.7.2014, S. 1.

(11)  ABl. C 269 vom 23.7.2016, S. 21.

(12)  http://ec.europa.eu/health//sites/health/files/nutrition_physical_activity/docs/childhoodobesity_actionplan_2014_2020_en.pdf

(13)  Der Begriff „gesunde Ernährung“ ist gleichbedeutend mit dem im Aktionsplan der EU zu Adipositas im Kindesalter 2014-2020 verwendeten Begriff http://ec.europa.eu/health//sites/health/files/nutrition_physical_activity/docs/childhoodobesity_actionplan_2014_2020_en.pdf;

und mit dem im WHO-Bericht der Kommission für die Beseitigung der Adipositas im Kindesalter verwendeten Begriff http://apps.who.int/iris/bitstream/10665/204176/1/9789241510066_eng.pdf

(14)  http://www.euro.who.int/__data/assets/pdf_file/0008/253727/64wd14e_FoodNutAP_140426.pdf

(15)  http://www.who.int/nmh/events/ncd_action_plan/en/

(16)  http://www.euro.who.int/__data/assets/pdf_file/0010/282961/65wd09e_PhysicalActivityStrategy_150474.pdf?ua=1

(17)  http://apps.who.int/iris/bitstream/10665/204176/1/9789241510066_eng.pdf

(18)  http://www.un.org/ga/search/view_doc.asp?symbol=A/RES/70/1&Lang=E

(19)  http://www.euro.who.int/__data/assets/pdf_file/0003/234381/Vienna-Declaration-on-Nutrition-and-Noncommunicable-Diseases-in-the-Context-of-Health-2020-Eng.pdf?ua=1

(20)  https://ec.europa.eu/jrc/sites/jrcsh/files/public-procurement-food-health-technical-report.pdf

(21)  Studie über die Umsetzung des EU-Aktionsplans zu Adipositas im Kindesalter (2014-2020) https://www.eu2017.mt/Documents/Reports/mid-term%20evaluation%20APCO%20report%20Draft.pdf

(22)  WHO-Statistiken über Adipositas.

http://www.euro.who.int/en/health-topics/noncommunicable-diseases/obesity/data-and-statistics

(23)  Der Begriff „adipogen“ bezieht sich auf die Summe der Einflüsse der Umgebung, der Möglichkeiten oder der Lebensbedingungen, die dem Entstehen von Adipositas bei Einzelpersonen oder Bevölkerungsgruppen Vorschub leisten. Gemäß dem Analyse-System für adipogene Umfelder (Analysis Grid for Environments Linked to Obesity — ANGELO) werden für Maßnahmen im Zusammenhang mit Adipositas (z. B. Ernährungsverhalten, körperliche Aktivität oder Gewicht) zwei Dimensionen unterschieden: Größe (Mikro- und Makroumfeld) und Art (physikalisch, ökonomisch, politisch und soziokulturell). Siehe: Swinburn B., Egger G., Raza F. — Dissecting Obesogenic Environments: The Development and Application of a Framework for Identifying and Prioritizing Environmental Interventions for Obesity. Prev Med, 1999 12;29(6):563-570).

(24)  Woo Baidal JA, Locks LM, Cheng ER, Blake-Lamb TL, Perkins ME, Taveras EM. Risk Factors for Childhood Obesity in the First 1,000 Days: a Systematic Review. AJPM. 2016;50(6):761-779.

(25)  Siehe: Flacking, R., Hedberg Nyqvist, K., Ewald, U.; Effects of socioeconomic status on breastfeeding duration in mothers of preterm and term infants. (Auswirkungen des sozioökonomischen Status auf die Stilldauer bei Müttern von Frühgeborenen und Neugeborenen.) Eur J Public Health 2007; 17 (6): 579-584. doi: 10.1093/eurpub/ckm019.

(26)  Global Recommendations on Physical Activity for Health (Weltweite Empfehlungen für gesundheitsfördernde körperliche Aktivität) http://www.who.int/dietphysicalactivity/factsheet_recommendations/en/

(27)  Diese Empfehlung stützt sich auf die Schlussfolgerungen und Empfehlungen der Expertenanhörung (Genf, 28.-30. März 2001) zum Abschluss der systematischen Überprüfung der optimalen Dauer des ausschließlichen Stillens (siehe Dokument A54/INF.DOC./4).

(28)  Aktive Fortbewegung steht für jede Form der Fortbewegung unter Nutzung von Muskelkraft — Zufußgehen, Radfahren, Fortbewegung im Rollstuhl, Inline-Skating oder Skateboarden. Siehe http://www.phac-aspc.gc.ca/hp-ps/hl-mvs/pa-ap/at-ta-eng.php

(29)  http://www.euro.who.int/en/health-topics/disease-prevention/nutrition/activities/monitoring-and-surveillance/who-european-childhood-obesity-surveillance-initiative-cosi

(30)  http://www.euro.who.int/en/health-topics/Life-stages/child-and-adolescent-health/health-behaviour-in-school-aged-children-hbsc


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