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Document 52015IE2021

    Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zum Thema „Bewertung der Konsultation der Interessenträger durch die Europäische Kommission“ (Initiativstellungnahme)

    ABl. C 383 vom 17.11.2015, p. 57–63 (BG, ES, CS, DA, DE, ET, EL, EN, FR, HR, IT, LV, LT, HU, MT, NL, PL, PT, RO, SK, SL, FI, SV)

    17.11.2015   

    DE

    Amtsblatt der Europäischen Union

    C 383/57


    Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zum Thema „Bewertung der Konsultation der Interessenträger durch die Europäische Kommission“

    (Initiativstellungnahme)

    (2015/C 383/09)

    Berichterstatter:

    Ronny LANNOO

    Der Europäische Wirtschafts- und Sozialausschuss beschloss am 20. Januar 2015, gemäß Artikel 29 Absatz 2 seiner Geschäftsordnung eine Initiativstellungnahme zu folgendem Thema zu erarbeiten:

    Bewertung der Konsultation der Interessenträger durch die Europäische Kommission.

    Der mit den Vorarbeiten beauftragte Unterausschuss „Bewertung der Konsultation der Interessenträger durch die Europäische Kommission“ nahm seine Stellungnahme am 9. Juni 2015 an.

    Der Ausschuss verabschiedete auf seiner 509. Plenartagung am 1./2. Juli 2015 (Sitzung vom 2. Juli) mit 179 Stimmen bei 1 Gegenstimme und 4 Enthaltungen folgende Stellungnahme:

    Einleitende Bemerkungen

    In dieser Initiativstellungnahme sollen die bestehenden Vorgehensweisen bei der Konsultation der Interessenträger durch die Europäische Kommission gemäß Artikel 11 Absatz 3 des Vertrags analysiert werden. Auf der Grundlage dieser Analyse sollen konstruktive und realistische Vorschläge formuliert werden, wie der Konsultationsprozess im Interesse aller Parteien strukturell verbessert und weiterverfolgt werden kann.

    1.   Schlussfolgerungen und Empfehlungen

    1.1.

    In dieser Stellungnahme formuliert der Europäische Wirtschafts- und Sozialausschuss (EWSA) Empfehlungen zu der in den Verträgen vorgesehenen Konsultation der Interessenträger, um die Qualität dieser Konsultationen zu erhöhen und die Kluft zwischen den Bürgerinnen und Bürgern und der EU zu schließen. Diesem Anliegen diente auch die von der Europäischen Kommission durchgeführte umfassende Konsultation der Interessenträger über die Konsultationsverfahren, die sich im Paket „Bessere Rechtsetzung“ von Vizepräsident Timmermans niedergeschlagen hat. Der EWSA wird später auf Ersuchen der Kommission eine Stellungnahme zu dem Paket „Bessere Rechtsetzung“ insgesamt abgeben.

    1.2.

    Der EWSA ist besorgt über die Art und Weise, wie die Konsultationen der Interessenträger derzeit eingeleitet werden, und somit auch über die Qualität der Ergebnisse dieser Konsultationen. Daher fordert der EWSA absehbare und repräsentative Konsultationen mit einem Mehrwert für die betroffenen Organisationen und Interessengruppen.

    1.3.

    Aufgrund einer stichprobenartigen Untersuchung der in der ersten Hälfte des Jahres 2014 durchgeführten Konsultationen kommt der EWSA zu dem Schluss, dass der qualitative Ansatz je nach der betroffenen Generaldirektion unterschiedlich ausfällt und dass ausreichender Rücklauf und damit die Repräsentativität fehlen, die Sprache und Terminologie nicht an die Zielgruppen angepasst sind und über die Ergebnisse und Folgemaßnahmen nicht berichtet wird. Daher kann insgesamt der Schluss gezogen werden, dass die geltenden Leitlinien unzureichend umgesetzt werden.

    1.4.

    Der EWSA ist sich bewusst, dass es schwierig ist, die Bürgerinnen und Bürger und die Organisationen in den EU-Mitgliedstaaten in ihrer Vielfalt in geeigneter Weise zu konsultieren, daher unterbreitet der EWSA nachstehend eine Reihe struktureller, konkreter und realistischer Vorschläge und fordert die Europäische Kommission zu einer konstruktiven Zusammenarbeit bei der weiteren Ausgestaltung und Umsetzung der neuen Maßnahmen auf.

    1.5.

    Der EWSA ersucht die Kommission, ihren Generaldirektionen die bestehenden Leitlinien und Qualitätsstandards für die Anhörung der Interessenträger verbindlich vorzuschreiben. Um die Anwendung dieser Leitlinien zu gewährleisten, schlägt der EWSA die Bildung einer Koordinierungsstelle im Generalsekretariat vor, die die Generaldirektionen bei der Konsultation der Interessenträger unterstützen kann.

    1.6.

    Durch einen stärker strategisch angelegten Konsultationsprozess, von der Vorbereitung bis zur Evaluierung, mit einer strukturierten Einbeziehung der bestehenden einschlägigen Strukturen (repräsentative Organisationen der Zielgruppen und Beratungs- und Konzertierungsgremien) sollten eine höhere Qualität und Menge der Antworten garantiert werden können. Eine klare Planung der Konsultationen und die Bekanntgabe ihrer Zielsetzungen würde den Interessenträgern die Teilnahme an einer konkreten Konsultation erleichtern.

    1.7.

    Der EWSA weist darauf hin, dass die korrekte Kartierung der Interessenträger von entscheidender Bedeutung ist für eine hohe Qualität des Anhörungsverfahrens. Der EWSA empfiehlt der Kommission, dazu bereits existierende Gremien zu nutzen, wie den EWSA und die repräsentativen Verbände, und sich auf das Transparenzregister zu stützen. Daher ist die Schaffung neuer Strukturen nicht erforderlich.

    1.8.

    Die für die Konsultation der Interessengruppen eingesetzten Methoden und Instrumente müssen nach Ansicht des EWSA erneut gestrafft werden. Grundsätzlich bestehen zwei Möglichkeiten der Konsultation: schriftlich/online oder mündlich/interaktiv. In Abhängigkeit von dem Zweck, der Zielgruppe usw. müssen — im Rahmen des allgemeinen strategischen Konzepts des Konsultationsverfahrens — geeignete Methoden und Instrumente gewählt werden. Darüber hinaus ist es angezeigt, auf effiziente Weise neue Technologien einzuführen, vor allem, um bestimmte Zielgruppen wie junge Menschen besser zu erreichen.

    1.9.

    Bei diesem Konzept ist zu unterscheiden zwischen der Konsultation der Organisationen der Zivilgesellschaft und der breiten Öffentlichkeit. Die beiden Konsultationen unterscheiden sich jedoch nicht nur in ihrer Art und Weise, sondern auch in Bezug auf das angestrebte Ziel, denn für die Erstere geht es um die Sicherstellung der Repräsentativität, während es für Letztere um die Förderung der Inklusion und Teilhabe geht.

    1.10.

    Wird ein schriftlicher Fragebogen gewählt, sollte er in allen Amtssprachen der EU bereitgestellt werden. Darüber hinaus spricht sich der EWSA dafür aus, den Fragebogen vorher den Verbänden zu übermitteln, die die betreffenden Zielgruppen vertreten, um zu vermeiden, dass Fachjargon den Fragebogen für die Zielgruppe schwer verständlich macht.

    1.11.

    Der EWSA fordert, dass bei der Verwertung der Ergebnisse eine quantitative und qualitative Gewichtung vorgesehen wird, je nachdem, ob eine Reaktion von einer Einzelperson oder einer repräsentativen Organisation der Zivilgesellschaft stammt. Die Rückmeldungen aus einer Organisation sollten ein höheres Gewicht erhalten.

    1.12.

    Im Hinblick auf eine stärkere Beteiligung an den Konsultationen fordert der EWSA, dass für jede Konsultation ein zusammenfassender Bericht mit den eingegangenen Antworten erstellt und darin zudem aufgezeigt wird, warum bestimmte Antworten bei der weiteren Ausgestaltung des Vorschlags sehr wohl, andere aber nicht berücksichtigt werden.

    1.13.

    Angesichts seiner in den Verträgen verankerten Rolle schlägt der EWSA vor, als Mittler zu fungieren, um sicherzustellen, dass die Anhörungen der Interessenträger erfolgreich durchgeführt werden. Er kann mitwirken und einen Beitrag zu allen wichtigen Phasen des Prozesses leisten (Ermittlung der Interessenträger, Ausarbeitung der Fragebögen, Zusammenfassung und Weiterverfolgung der Ergebnisse). Im Sinne einer Strukturierung, Stabilität und Repräsentativität des Verfahrens kann der EWSA, wie bereits in der Vergangenheit, Anhörungen und Konferenzen veranstalten sowie Plattformen und Foren für den Dialog einrichten.

    1.14.

    Im Rahmen der Konsultation der Interessenträger sollte die Europäische Kommission das Potenzial einer verstärkten Zusammenarbeit mit dem EWSA noch umfangreicher nutzen, wie dies in dem am 22. Februar 2012 vom EWSA und der Kommission unterzeichneten Protokoll über die Zusammenarbeit empfohlen wird (1). Dadurch könnten im Bemühen um eine Optimierung der Ressourcen und im Sinne einer interinstitutionellen Zusammenarbeit sowohl die Fähigkeiten und Fachkenntnisse der Interessenträger als auch ihr Sachverstand, ihre Erfahrungen und ihre Sachkenntnis in der konkreten Durchführung von Konsultationen optimal genutzt werden.

    1.15.

    Für die interaktiven Debatten kann der EWSA in Zusammenarbeit mit der Kommission der Veranstalter sein — so wie er regelmäßig Plattformen im Rahmen des strukturierten Dialogs ausrichtet (z. B. über die Migration, den Verbrauch usw.).

    1.16.

    Schließlich spricht sich der EWSA für eine kontinuierliche Informationskampagne über den Konsultationsprozess und die Konsultationen aus. Der EWSA möchte sich hieran mit den von ihm vertretenen Organisationen aktiv beteiligen.

    1.17.

    Im Übrigen fördert der EWSA den strukturierten Dialog mit der Zivilgesellschaft als grundlegendes Instrument der partizipativen Demokratie und schlägt der Kommission vor, die Plattformen des strukturierten Dialogs verstärkt in Anspruch zu nehmen. Dadurch könnten die beteiligten Akteure fortlaufend an allen Phasen des politischen Prozesses mitwirken, was sich wiederum positiv auf den Kosten- und Zeitaufwand auswirken würde.

    2.   Aktueller Stand bei der Konsultation der Interessenträger

    2.1.    Geltende Bestimmungen

    2.1.1.

    In Artikel 11 Absatz 3 des Vertrags über die Europäische Union heißt es: „Um die Kohärenz und Transparenz des Handelns der Union zu gewährleisten, führt die Europäische Kommission umfangreiche Anhörungen der Betroffenen durch.“

    Der Zweck dieser Konsultationen ist, die aktive Beteiligung der Akteure der Zivilgesellschaft und der Bürgerinnen und Bürger bei den Bemühungen um die Wahrung des europäischen Gemeinwohls in der Politikgestaltung sicherzustellen, um so deren Zweckdienlichkeit für die Demokratie und eine möglichst breite Unterstützung durch die Öffentlichkeit zu gewährleisten.

    2.1.2.

    Eine Anhörung („Konsultation“) ist ein Prozess, bei dem die Kommission die Stellungnahmen und Standpunkte der Bürgerinnen und Bürger und der Interessenträger einholt. Dieser ergänzende Prozess erfolgt unbeschadet des strukturierten zivilen Dialogs (Artikel 11 Absatz 2 AEUV) und der in bestimmten Rahmen stattfindenden Konsultationen, wie die Anhörung der Sozialpartner im Rahmen des sozialen Dialogs (Arbeitgeberverbände und Gewerkschaften, Artikel 154 AEUV) und die Anhörung beratender Einrichtungen wie des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses (Artikel 304 AEUV) (2), die er auf keinen Fall ersetzen kann.

    2.1.3.

    Die Sozialpartner, sprich Gewerkschaften und Arbeitgeberverbände, beteiligen sich zusätzlich zu den Konsultationen im Rahmen des Artikels 154 AEUV im vollen Umfang an den in den Ziffern 2.1.1 und 2.1.2 genannten Konsultationen, u. a. in den Bereichen Verbraucherrecht, Umweltrecht, Handelspolitik usw.

    Die Verträge weisen dem Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss eine beratende Funktion gegenüber dem Europäischen Parlament, dem Rat und der Kommission zu. Im Übrigen sind in dem Protokoll über die Zusammenarbeit (3) die konkreten Modalitäten der Zusammenarbeit zwischen dem EWSA und der Kommission beschrieben.

    2.2.    Leitlinien für die Konsultation der Interessenträger

    2.2.1.

    Die Europäische Kommission hatte im Jahr 2002 für die Konsultation der Interessenträger zu allen Legislativvorschlägen und sonstigen Vorschlägen Mindestqualitätsstandards (4) aufgestellt. Im Rahmen von REFIT hatte die Kommission im Übrigen angekündigt, dass im Zusammenhang mit Evaluierungen, Eignungstests sowie bei der Ausarbeitung delegierter Rechtsakte und von Umsetzungsmaßnahmen Konsultationen stattfinden werden (5).

    2.2.2.

    Die europäische Kommission hat in ihren Leitlinien von 2002 für ihre Generaldirektionen zur Durchführung von Konsultationen u. a. die Veröffentlichung von Erläuterungen zu Gegenstand, Inhalt und Ziel der Konsultation vorgesehen. Ferner ist nach Ablauf der Antwortfrist bekannt zu geben, wie viele Antworten von welcher Art von Befragten eingegangen sind; zudem wird eine inhaltliche Zusammenfassung der Ergebnisse verlangt.

    2.2.3.

    In Bezug auf die Mehrsprachigkeit gibt es bislang keine förmliche Regelung.

    2.2.4.

    Die Leitlinien von 2002 mit Mindeststandards für die Konsultation von Interessenträgern enthalten zehn Schritte im Konsultationsprozess, unterteilt in drei Phasen: Festlegung der Strategie (6), Konsultation (7), Ergebnisanalyse (8).

    2.2.5.

    Die Europäische Kommission hatte je nach den angestrebten Zielen und Zielgruppen zwölf verschiedene Methoden für ihre Konsultationen vorgesehen. Und zwar: öffentliche offene Online-Konsultation; Studien; Eurobarometer; Konferenzen; Sitzungen, Workshops und Seminare mit unmittelbar Betroffenen; Fokusgruppen; persönliche Gespräche; Expertengruppen der Europäischen Kommission; KMU-Panels; Konsultation lokaler und regionaler Gebietskörperschaften; Fragebögen; Online-Diskussionsforen.

    2.3.    Anwendung der Leitlinien in der Praxis

    2.3.1.

    Trotz dieser Leitlinien und einer Vielzahl möglicher Instrumente hegen zahlreiche Akteure Zweifel an der Wirksamkeit des derzeitigen Konsultationssystems. Spezifische Hindernisse sind unter anderem die Schwierigkeit, Kenntnis von einer laufenden Konsultation (sie muss auf den angegebenen EU-Internetportalen schnell auffindbar und bekannt gemacht worden sein) zu erlangen, die Sprache und Terminologie, Informationen über die Ergebnisse und schließlich auch die Folgemaßnahmen.

    2.3.2.

    Darüber hinaus variieren die Qualität und das Konzept der Konsultationen erheblich je nach der zuständigen GD, es mangelt an Koordinierung, und es fehlt eine einheitliche Methodik.

    2.3.3.

    Der EWSA hat stichprobenartig die Anwendung der Leitlinien auf die ersten 25 im Jahr 2014 durchgeführten Konsultationen geprüft. Auf der Grundlage der Stichprobe können folgende Feststellungen getroffen werden:

    Die Teilnahme an Online-Konsultationen ist sehr uneinheitlich (9).

    Gehen wenige Antworten ein, ist die Repräsentativität de facto gering, sowohl geografisch als auch bezüglich der Art der Befragten. Bei einer höheren Rücklaufquote ist die geografische Repräsentativität offenbar besser, aber die Qualität der Antworten ist häufig nach wie vor sehr unausgewogen. Allerdings ist ein eindeutiger Trend zu einem Vorherrschen der Antworten aus den großen Mitgliedstaaten zu beobachten. Die Antworten der in Brüssel ansässigen Organisationen werden im Übrigen als Beiträge aus Belgien angesehen, während es sich in vielen Fällen um europäische Dachverbände bzw. Organisationen handelt, die in keinerlei Verbindung mit Belgien als Mitgliedstaat stehen;

    In Bezug auf Transparenz und Rückmeldungen über die Ergebnisse wird aus der Stichprobe von 25 Konsultationen ersichtlich, dass bei lediglich sechs dieser Konsultationen eine Zusammenfassung der Ergebnisse veröffentlicht wurde — das ist weniger als ein Viertel. Bei weniger als der Hälfte der Konsultationen werden die Reaktionen auch tatsächlich veröffentlicht. Weitere Informationen über die Weiterverfolgung der Dossiers sind nirgendwo verfügbar.

    Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass es allgemein an Repräsentativität, Qualität und Informationen über die Ergebnisse und die Weiterverfolgung mangelt.

    3.   Die amtierende Kommission: neue Arbeitsmethoden und Ausblick

    3.1.

    In den politischen Leitlinien der neuen Europäischen Kommission ist die Forderung nach mehr Demokratie in der Europäischen Union eine der zehn Prioritäten. Das Ziel der Schaffung eines verbindlichen Registers für alle Organisationen und Personen, die bei der Europäischen Kommission und beim Europäischen Parlament Lobbyarbeit betreiben, ist dabei einer der Handlungsschwerpunkte.

    3.2.

    Die Kommission hat am 19. Mai 2015 ein Paket mit Maßnahmen zur Verbesserung der Rechtsetzung, das Paket „Bessere Rechtsetzung“ (10), veröffentlicht, zu dem sich der EWSA auf Ersuchen der Kommission äußern wird. Die geplanten Maßnahmen sind vier Schwerpunktbereichen zugeordnet: Konzept der Transparenz und Konsultation, ständige Überprüfung der geltenden Rechtsvorschriften, bessere Folgenabschätzungen und Qualitätskontrolle sowie eine neue interinstitutionelle Vereinbarung.

    3.3.

    In diesem Zusammenhang sollen auch überarbeitete Leitlinien für die Konsultation von Interessenträgern vorgeschlagen werden. In Vorbereitung auf diese Konsultation (11) wurde eine Konsultation zu den „Leitlinien der Kommission für Konsultationen der Interessenträger“ durchgeführt. Die Ergebnisse dieser Konsultation (12) sind in die vorliegende Stellungnahme eingeflossen.

    4.   Konsultationen mit größerer Wirksamkeit: Empfehlungen

    Der EWSA ist der Auffassung, dass die Konsultationen eines der Mittel zur Überbrückung der Kluft zwischen den Bürgerinnen und Bürgern der EU sein können, sofern die Verfahren strukturiert und kontinuierlich sind und eine angemessene Repräsentativität der Akteure gewährleisten. Nur so werden die Konsultationen zur wirksamen Einbindung der Bürger und der Zivilgesellschaft in das Projekt Europa beitragen.

    Der EWSA hat dazu bereits konkrete Vorschläge gemacht, unter anderem in den Stellungnahmen zur Konsultation im Rahmen des Programms „Bessere Rechtssetzung“, zum Artikel 11 AEUV und zum Programm REFIT (13).

    4.1.    Wesentliche Elemente der Konsultation

    4.1.1.

    Der EWSA fordert die Europäische Kommission auf, die bestehenden internen Leitlinien ihren Generaldirektionen verbindlich vorzuschreiben und bei Verstößen Sanktionen zu verhängen (etwa, wenn die Antworten oder ein Folgenabschätzungsbericht nicht transparent sind), so wie auch eine mangelhafte Qualität der Folgenabschätzungen durch den „Ausschuss für Folgenabschätzung“ geahndet wird.

    4.1.2.

    Aus diesem Grund empfiehlt der EWSA die Bildung einer Koordinierungsstelle im Generalsekretariat der Kommission unter der unmittelbaren Aufsicht des zuständigen Vizepräsidenten der Kommission. Diese Stelle hätte gleichermaßen Unterstützungsfunktion gegenüber allen Generaldirektionen für das allgemeine Konzept und die Strategie für die Konsultationen, die Ausarbeitung und Umsetzung der Qualitätsanforderungen und -verfahren, die Überwachung der Qualität, Informationen und die Folgemaßnahmen.

    4.1.3.

    Die Koordinierungsstelle sollte von einer Sachverständigengruppe unterstützt werden, die jeweils um Vertreter der Zielgruppen zu ergänzen ist, an die sich die betreffende Umfrage richtet. Der EWSA fordert die Kommission auf, dabei den Sachverstand der Mitglieder des EWSA zu nutzen, insbesondere bei der Auswahl der Zielgruppen, der Validierung der Fragebögen, der Zusammenfassung und der Weiterverfolgung der Ergebnisse.

    4.1.4.

    Ein systematischeres Konzept für Konsultationen mit klarem Zeitplan und vorheriger Ankündigung soll es den Interessenträgern erleichtern, ihre Teilnahme vorzubereiten. In diesem Zusammenhang bedarf es unbedingt eines vorläufigen Zeitplans für die Konsultationen, der zuverlässig ist und regelmäßig aktualisiert wird. Generell schlägt der EWSA der Kommission vor, die Konsultationen insbesondere auf institutioneller und repräsentativer Grundlage besser zu strukturieren und dazu die Ressourcen der beratenden Einrichtungen bzw. entsprechender Gremien in den Mitgliedstaaten, den Regionen sowie auf kommunaler Ebene zu nutzen.

    4.1.5.

    Der EWSA fordert von der Kommission, jährlich eine Bewertung ihres Konsultationskonzepts und die erzielten Ergebnisse zu veröffentlichen.

    Der EWSA empfiehlt der Kommission, als Orientierungshilfe ein Register der bewährten Praktiken in den Mitgliedstaaten anzulegen. Hierfür können einschlägigen Studien der OECD äußerst nützlich sein (14). Zudem empfiehlt der Ausschuss, alle sonstigen Formen des Engagements und der Einbeziehung von Interessenträgern zu fördern. Der „Verhaltenskodex für die Bürgerbeteiligung im Entscheidungsprozess“ des Europarates kann als gutes Beispiel dienen (15).

    4.2.    Kartierung der Interessenträger

    4.2.1.

    Die richtige Zielgruppenwahl für eine bestimmte Konsultation ist von grundlegender Bedeutung, um die notwendigen Informationen zu erhalten. Dazu braucht es professionelle Instrumente mit nachgewiesener Zuverlässigkeit. Ferner bedarf es einer wirksamen Zusammenarbeit mit bestehenden Strukturen, dem EWSA und den repräsentativen und legitimen Organisationen der Zivilgesellschaft. Der EWSA kann im Rahmen seiner Zuständigkeiten und in enger Zusammenarbeit mit allen einschlägigen Organisationen und mit der Kommission seinen Beitrag zur Identifizierung der repräsentativen Organisationen innerhalb der Zielgruppen leisten.

    4.2.2.

    Die Arbeiten des EWSA (16) zur Definition von Repräsentativitätskriterien für die Organisationen der organisierten Zivilgesellschaft könnten bei der vorstehend genannten Kartierung der repräsentativen Organisationen als Referenz genutzt werden. Der EWSA möchte die Resonanz der Tätigkeit dieser Organisationen und die Zusammenarbeit mit ihnen im Rahmen der Konsultationen noch verstärken.

    4.2.3.

    Dabei muss systematisch auf die richtige geografische und zielgruppenmäßige Streuung geachtet werden. Es muss dafür gesorgt werden, dass unterrepräsentierte Gruppen bzw. Gruppen mit weniger Ressourcen in der „Kartierung der Interessenträger“ ganz besondere Aufmerksamkeit erhalten.

    4.2.4.

    Der EWSA unterstreicht die Wichtigkeit der Einführung eines Mechanismus zur begründeten Gewichtung bei der Analyse der Antworten auf die Konsultationen, damit den repräsentativen und unmittelbar betroffenen Organisationen Vorrang eingeräumt wird.

    4.2.5.

    Für eine höhere Beteiligung der Interessenträger an den Konsultationen kommt es vor allem auf den Inhalt der Rückmeldungen nach der Konsultation an. Die Interessenträger müssen ein Ergebnis ihres Engagements sehen und folglich einen Einfluss auf den Inhalt der Vorschläge für Maßnahmen verspüren bzw. eine Begründung erhalten, warum bestimmte Elemente nicht berücksichtigt wurden.

    4.3.    Methodik und Instrumente

    4.3.1.

    Der EWSA kann als ein „Netz der Netze“ fungieren, um schriftliche (Online-)Konsultationen an verschiedene Interessenträger weiterzuleiten (wie es auch der Ausschuss der Regionen in Bezug auf die lokalen Behörden praktiziert). Im Falle der interaktiven Debatten kann der EWSA gestützt auf seine Kontakte und sein einschlägiges Fachwissen als Veranstalter auftreten.

    4.3.2.

    Der Fragebogen für die (Online-)Konsultation sollte den zivilgesellschaftlichen Organisationen der betreffenden Zielgruppen und in der Sprache der jeweils anzusprechenden Zielgruppe zur Einreichung ihrer Bemerkungen vorgelegt werden. Ferner empfiehlt es sich, den Fragebogen vorher an einer Testgruppe von Interessenträgern zu erproben. Zu diesem Zweck könnten eine vorherige Kartierung der betroffenen Akteure sowie das Transparenzregister als Instrumente eingesetzt werden, um diese Organisationen gezielt anzusprechen (siehe 4.2). Dabei kann der EWSA eine unterstützende Rolle spielen.

    4.4.    Bestimmung von Zeitplan und Dauer

    4.4.1.

    In den Leitlinien ist vorgesehen, dass für eine Online-Konsultation mindestens zwölf Wochen anzusetzen und für die interaktive Sitzung 20 Arbeitstage vorzusehen sind. Der EWSA empfiehlt, keine Anhörung während der Sommerferienzeit einzuleiten. Zudem muss ein vorläufiger Zeitplan (siehe Ziffer 4.1.4) bestmöglich eingehalten werden.

    Damit die Interessenträger sich auf die Teilnahme an Konsultationen vorbereiten können, sollten sie nach Ansicht des EWSA genügend Informationen über die gesamte Vorbereitungsphase und die Planung der (verschiedenen) Konsultationen erhalten. Alle zielführenden Mittel für eine Förderung der Beteiligung der Interessenträger müssen zum Einsatz kommen.

    4.5.    Bekanntmachung der Konsultation: Zugänglichkeit und Sichtbarkeit

    4.5.1.

    Der EWSA fordert die Kommission auf, auch im Zusammenwirken mit ihren Vertretungen in den Mitgliedstaaten eine wirksame und kontinuierliche Informationskampagne aufzulegen, um die Konsultationen bekannt zu machen und die betroffenen Interessenträger für eine Teilnahme zu gewinnen. In diesem Zusammenhang kann der EWSA gewiss auch eine Rolle übernehmen und seine Mitglieder auffordern, innerhalb ihres Netzes Informationen zu verbreiten.

    4.5.2.

    Jede Konsultation wird in geeigneter Weise, deutlich und rechtzeitig über die Medieninstrumente der Kommission, der Mitgliedstaaten und den betreffenden Organisationen der Zivilgesellschaft angekündigt. Für diesen globalen Ansatz müssen auch die Vertretungen der Kommission in den Mitgliedstaaten eingesetzt werden.

    4.6.    Ergebnisanalyse

    4.6.1.

    Nach Ansicht des EWSA ist es wichtig, dass die Kommission die im Rahmen der Konsultationen formulierten Standpunkte berücksichtigt und auch begründet, in welcher Form sie die Standpunkte berücksichtigt hat.

    4.6.2.

    Bei der begründeten Gewichtung im Rahmen der Verwertung der Ergebnisse (siehe Ziffer 4.2.3) müssen die Akteure der Zivilgesellschaft verhältnismäßig am stärksten zur Geltung kommen.

    4.7.    Berichterstattung und Rückmeldung

    4.7.1.

    Der EWSA unterstützt die Veröffentlichung eines zusammenfassenden Berichts in Verbindung mit einer Übersicht über alle eingegangenen Antworten. Dies kommt der Transparenz zugute.

    4.7.2.

    Darüber hinaus plädiert der EWSA dafür, den Befragten Informationen über das weitere Prozedere zu geben, wie etwa über Änderungen an dem Vorschlag und über die nächsten Schritte im Entscheidungsprozess.

    5.   Die Rolle des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses

    5.1.    Im Rahmen der Konsultation

    5.1.1.

    Mit Blick auf eine Optimierung der Ressourcen und im Sinne einer interinstitutionellen Zusammenarbeit könnte der EWSA sowohl seine Kenntnis der in den verschiedenen Politikbereichen der EU aktiven Interessenträger in den Dienst des Entscheidungsprozesses stellen, als auch seine Erfahrungen und Sachkenntnis in der konkreten Durchführung von Konsultationen einbringen.

    5.1.2.

    Der EWSA würde gern je nach seinen Prioritäten und in Zusammenarbeit mit der Kommission bestimmte Konsultationen verfolgen und bewerten, eine Stellungnahme dazu erarbeiten und gegebenenfalls eine öffentliche Anhörung organisieren.

    5.1.3.

    Der Ausschuss möchte in enger Zusammenarbeit mit den betroffenen Organisationen seinen Beitrag leisten und seinen Sachverstand der Kommission für die wichtigsten Etappen des Konsultationsprozesses zur Verfügung stellen, insbesondere für die Auswahl der Zielgruppe, den Fragebogen, die Zusammenfassung und die Weiterverfolgung.

    5.1.4.

    Der EWSA kann zudem als ein „Netz der Netze“ und Vermittler fungieren, um schriftliche (Online-)Konsultationen an verschiedene Interessenträger weiterzuleiten (wie es auch der Ausschuss der Regionen in Bezug auf die lokalen Behörden praktiziert).

    5.1.5.

    Für die interaktiven Debatten kann der EWSA in Zusammenarbeit mit der Kommission der Veranstalter sein — so wie er regelmäßig Plattformen im Rahmen des strukturierten Dialogs ausrichtet (z. B. über die Migration, den Verbrauch usw.).

    5.1.6.

    Im Rahmen einer wirksamen und kontinuierlichen Informationskampagne kann der EWSA über seine Mitglieder in der Form beitragen, dass sie innerhalb ihrer Netze entsprechende Informationen verbreiten.

    5.2.    Im Rahmen des Protokolls über die Zusammenarbeit zwischen der Europäischen Kommission und dem EWSA

    5.2.1.

    Der EWSA kann in verschiedenen Phasen der Vorbereitung, Durchführung und Nachbereitung der Konsultationen als Informationskanal zwischen der Europäischen Kommission und der organisierten Zivilgesellschaft dienen.

    5.2.2.

    Für bestimmte Maßnahmen wie interaktive Sitzungen kann eine gemeinsame Aktion von Kommission und EWSA eingeleitet werden.

    Brüssel, den 2. Juli 2015

    Der Präsident des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses

    Henri MALOSSE


    (1)  http://www.eesc.europa.eu/?i=portal.fr.eu-cooperation.22470

    (2)  Artikel 304 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union.

    Der Wirtschafts- und Sozialausschuss wird vom Europäischen Parlament, vom Rat oder von der Kommission in den in den Verträgen vorgesehenen Fällen gehört. Er kann von diesen Organen in allen Fällen gehört werden, in denen diese es für zweckmäßig erachten. Er kann von sich aus eine Stellungnahme in den Fällen abgeben, in denen er dies für zweckmäßig erachtet.

    Wenn das Europäische Parlament, der Rat oder die Kommission es für notwendig erachten, setzen sie dem Ausschuss für die Vorlage seiner Stellungnahme eine Frist; diese beträgt mindestens einen Monat, vom Eingang der Mitteilung beim Präsidenten des Ausschusses an gerechnet. Nach Ablauf der Frist kann das Fehlen einer Stellungnahme unberücksichtigt bleiben.

    Die Stellungnahmen des Ausschusses sowie ein Bericht über die Beratungen werden dem Europäischen Parlament, dem Rat und der Kommission übermittelt.

    (3)  http://www.eesc.europa.eu/?i=portal.fr.eu-cooperation.22470

    (4)  KOM(2002) 704, ergänzt und geändert durch COM(2012) 746 und SWD(2012) 422.

    (5)  COM(2014) 368.

    (6)  1. Formulierung des Ziels der Konsultation; 2. Identifizierung der Interessenträger; 3. Festlegung der Methodik und Instrumente; 4. Bestimmung von Zeitpunkt und Dauer.

    (7)  1. Vorbereitung des Internetauftritts; 2. Bekanntmachung der Konsultation; 3. Bestätigung der eingegangenen Beiträge.

    (8)  1. Ergebnisanalyse; 2. Berichterstattung und Rückmeldung; 3. Evaluierung der Konsultation.

    (9)  Nur bei 13 der 25 Konsultationen wurde die Zahl der Teilnehmer angegeben. Die Teilnehmerzahl schwankt zwischen 14 und 1  114. Bei der Hälfte gibt es weniger als 100 Antworten.

    (10)  http://ec.europa.eu/smart-regulation/index_en.htm

    (11)  Konsultation zu den Leitlinien für Konsultationen der Interessenträger vom 30. Juni bis 30. September 2014: http://ec.europa.eu/smart-regulation/guidelines/consultation_2014/stakeholder-consultation/index_en.htm

    (12)  http://ec.europa.eu/smart-regulation/impact/docs/contributions/summary_responses_stakeholder_consultation_guidelines_public_consultation_en.pdf

    (13)  Stellungnahme des EWSA: „Bessere Rechtsetzung“, ABl. C 48 von 15.2.2011, S. 107.

    Stellungnahme des EWSA: „Grundsätze, Verfahren und Maßnahmen zur Umsetzung von Artikel 11 Absatz 1 und Artikel 2 Absatz 2 des Vertrags von Lissabon“, ABl. C 11 vom 15.1.2013, S. 8.

    Stellungnahme des EWSA: „Programm zur Gewährleistung der Effizienz und Leistungsfähigkeit der Rechtsetzung (REFIT): Bestandsaufnahme und Ausblick“, ABl. C 230 vom 14.7.2015, S. 66.

    (14)  http://www.oecd.org/gov/regulatory-policy/governance-regulators.htm

    (15)  http://www.coe.int/t/ngo/code_good_prac_fr.asp

    (16)  Stellungnahme des EWSA, ABl. C 88 vom 11.4.2006, S. 41.


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