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Document 52015IE0612

    Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zum Thema „Die Post-2015-Ziele im Europa-Mittelmeer-Raum“ (Initiativstellungnahme)

    ABl. C 383 vom 17.11.2015, p. 44–48 (BG, ES, CS, DA, DE, ET, EL, EN, FR, HR, IT, LV, LT, HU, MT, NL, PL, PT, RO, SK, SL, FI, SV)

    17.11.2015   

    DE

    Amtsblatt der Europäischen Union

    C 383/44


    Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zum Thema „Die Post-2015-Ziele im Europa-Mittelmeer-Raum“

    (Initiativstellungnahme)

    (2015/C 383/07)

    Berichterstatterin:

    An LE NOUAIL MARLIÈRE

    Der Europäische Wirtschafts- und Sozialausschuss beschloss am 22. Januar 2015, gemäß Artikel 29 Absatz 2 seiner Geschäftsordnung eine Initiativstellungnahme zu folgendem Thema zu erarbeiten:

    Die Post-2015-Ziele im Europa-Mittelmeer-Raum.

    Die mit den Vorarbeiten beauftragte Fachgruppe Außenbeziehungen nahm ihre Stellungnahme am 11. Juni 2015 an.

    Der Ausschuss verabschiedete auf seiner 509. Plenartagung am 1./2. Juli 2015 (Sitzung vom 1. Juli) mit 57 gegen 22 Stimmen bei 7 Enthaltungen folgende Stellungnahme:

    1.   Schlussfolgerungen und Empfehlungen

    1.1.

    Der EWSA empfiehlt den UfM-Mitgliedstaaten und der EU, die vereinbarten Nachhaltigkeitsziele anzuerkennen und in diesem Sinne die einschlägigen internationalen Übereinkommen zu ratifizieren.

    1.2.

    Der EWSA empfiehlt den UfM-Mitgliedstaaten und der EU, die für die Verwirklichung der Nachhaltigkeitsziele notwendigen öffentlichen Investitionen umfassend zu schützen.

    1.3.

    Der EWSA empfiehlt den UfM-Mitgliedstaaten und der EU, bei der Umsetzung die Zivilgesellschaft und die lokalen Gebietskörperschaften mit der größten Basisnähe einzubeziehen.

    1.4.

    Der EWSA nimmt die Schlussfolgerungen des Rates „Auswärtige Angelegenheiten und internationale Beziehungen“ vom 26. Mai 2015 und den Jahresbericht 2015 der Europäischen Kommission über die Öffentliche-Entwicklungshilfe-Verpflichtungen der EU und der Mitgliedstaaten und die Umsetzung dieser Verpflichtungen zur Kenntnis.

    1.5.

    Der EWSA bedauert jedoch, dass die EU das Ziel einer Quote von 0,7 % des BNE erst bis 2030 erreichen will (1).

    1.6.

    Der EWSA unterstützt die EU in ihrem Bestreben, die nichtfinanziellen Aspekte zu stärken (Ratifizierung der internationalen Rechtsinstrumente, Bekämpfung von Finanzkriminalität).

    1.7.

    Der EWSA plädiert für einen kohärenten Standpunkt zwischen den bi-, pluri- und multilateralen Handelsinteressen und den Nachhaltigkeitszielen, um die Glaubwürdigkeit sowohl der Ziele als auch der europäischen Entwicklungshilfe zu wahren.

    1.8.

    Der EWSA empfiehlt die Verlängerung des Dialogs zwischen den Sozialpartnern und den europäischen Einrichtungen für Berufsbildung und lebenslanges Lernen (2), zu dem er eingeladen worden ist und an dessen Errichtung er mitgewirkt hat, sowie der einschlägigen Aktionsprogramme.

    1.9.

    Der EWSA fordert, diese Empfehlungen in dem Programm und der Nachbarschaftspolitik der EU zu berücksichtigen und Kohärenz zwischen der Handels-, Außen-, Entwicklungs- und Finanzpolitik und dem Schutz der Demokratie und der Menschenrechte zu gewährleisten, wie es Vizepräsidentin Federica Mogherini der Zivilgesellschaft am 28. Mai 2015 zusicherte (3).

    2.   Einleitung

    2.1.

    Die europäische und weltweite Agenda der kommenden Jahre wird von der Debatte über die Ziele für eine nachhaltige Entwicklung nach 2015 geprägt sein. Der Europa-Mittelmeer-Raum weist einige gemeinsame Merkmale auf, aufgrund derer spezifische Überlegungen dazu angestellt werden müssen, wie sich die Nachhaltigkeitsziele in die europäische Nachbarschaftspolitik und in die Politik der Länder des südlichen Mittelmeerraums integrieren lassen. Die Probleme der Ernährungssicherheit, Armut und soziale Ausgrenzung, der schwierige Zugang zu Wasser oder auch die besondere Situation der Länder in der Region, die einen demokratischen und wirtschaftlichen Wandel durchlaufen, erfordern eine Stellungnahme des EWSA, in der eine Orientierung für die effiziente Umsetzung der Post-2015-Agenda im Mittelmeerraum gegeben wird.

    2.2.

    Der EWSA kann den Regierungen dieser angeschlagenen Region wie auch den europäischen Institutionen sachkundige Empfehlungen unterbreiten, indem er die konkret anstehenden Herausforderungen benennt und gemeinsam mit der Zivilgesellschaft Vorschläge für den Europa-Mittelmeer-Raum erarbeitet.

    2.3.

    In dieser Stellungnahme möchte der EWSA auch an seine Arbeiten zu den Nachhaltigkeitszielen im Allgemeinen anknüpfen, und zwar mit besonderem Schwerpunkt auf dem Mittelmeerraum.

    2.4.

    Der UN-Generalsekretär hat in einem Synthesebericht Beiträge zusammengefasst, die die mit der Prüfung der Post-2015-Nachhaltigkeitsziele beauftragte offene Arbeitsgruppe (Open Working Group on Sustainable Development Goals — OWG) zusammengetragen hat. Die Einsetzung der offenen Arbeitsgruppe geht auf die von den Staats- und Regierungschefs am Ende der Rio+20-Konferenz angenommene Erklärung „Die Zukunft, die wir wollen“ zurück, in der beschlossen wurde, die auf die Entwicklungsländer ausgerichteten Millenniumsentwicklungsziele durch differenzierte universell anwendbare Ziele abzulösen, die für alle Menschen in den Industrie-, Schwellen-, Entwicklungs- und am wenigsten entwickelten Ländern relevant sind. Auf verschiedenen regionalen und subregionalen Ebenen haben breitangelegte Konsultationen stattgefunden, und die wichtigen, bei den Vereinten Nationen vertretenen Gruppen der Zivilgesellschaft haben aktiv daran mitgewirkt und ihre Anliegen geltend gemacht. 17 Ziele und 169 Unterziele sind formuliert worden, um die Mittel zur Umsetzung und die globale Partnerschaft für nachhaltige Entwicklung abzustecken.

    2.5.

    2015 werden zwei wichtige, untrennbar mit den Post-2015-Nachhaltigkeitszielen verbundene Veranstaltungen stattfinden: eine internationale Konferenz über Entwicklungsfinanzierung im Juli in Addis Abeba und die 21. Vertragsstaatenkonferenz der Klimarahmenkonvention Ende des Jahres in Paris.

    2.6.

    Ziel dieses Programms für eine nachhaltige Entwicklung nach 2015 ist es, einen Rahmen für die künftigen einschlägigen Maßnahmen der Vereinten Nationen aufzustellen, der auf Gleichheit, soziale Integration und menschenwürdige Arbeit wie auch auf nachhaltige Existenzgrundlagen für die Arbeitnehmer, Umweltschutz und Berücksichtigung der Erneuerungsrhythmen der biologischen und natürlichen Ressourcen abhebt. Dem Programm liegt indes die Feststellung zugrunde, dass das herrschende Wirtschaftsparadigma nicht nachhaltig ist. Die politischen Entscheidungsträger müssen also großen Ehrgeiz an den Tag legen. Die gegenwärtige wirtschaftliche, soziale, ökologische und schlussendlich politische Lage ist in vielen Teilen der Welt in keiner Weise tragfähig, und ganz besonders gilt das für den Europa-Mittelmeer-Raum. Verbreitet herrscht die Meinung, dass zumindest die gegenwärtigen wirtschaftsbestimmenden wirtschaftlichen und finanziellen Grundsätze geändert werden müssten, um die Voraussetzungen für die Verwirklichung der Nachhaltigkeitsziele zu schaffen.

    2.7.

    In den südeuropäischen Ländern des nördlichen Mittelmeerraums lehnen sich die Bürger gegen die soziale und wirtschaftliche Lage auf, die es nicht zulässt, Umwelt- und Klimaschutzerfordernissen gerecht zu werden und den europäischen Bürgern die Möglichkeit zu geben, einen neuen Umwelt-, Wirtschafts- und Sozialraum aufzubauen. Für die jungen Menschen gibt es allen nationalen oder europäischen Bildungsinvestitionen zum Trotz keine Gelegenheiten, sich einzubringen und zur Stärkung der wirtschaftlichen, sozialen und ökologischen Wettbewerbsfähigkeit der EU beizutragen.

    2.8.

    Seit 2008 sind kaum neue Arbeitsplätze entstanden; im Gegenteil, zahlreiche Arbeitsplätze sind vernichtet worden, und das Beschäftigungswachstum hält weder mit der Bevölkerungsentwicklung noch mit dem Andrang von Absolventen auf dem Arbeitsmarkt Schritt. In der Folge wird eine aussichtslos erscheinende Sparpolitik abgelehnt. Die öffentlichen Maßnahmen und Dienste im Bildungs-, Gesundheits-, Verkehrs- und Wohnungswesen werden durch die Sparpolitik beeinträchtigt; dabei ist gerade ihr Ausbau nötig, um die Nachhaltigkeitsziele zu verwirklichen. Die Zahl der Obdachlosen und Menschen in prekären Wohnverhältnissen in der EU-28 steigt immer weiter, ein Großteil der Beschäftigungsverhältnisse ist viel zu flexibel, prekär und ohne Zukunftsaussichten. Es gibt immer mehr gering oder schlecht bezahlte Praktikanten, die europäische Gesellschaft radikalisiert sich, wird intolerant, ablehnend, verständnislos, die Kluft zwischen den Generationen vertieft sich, Individualismus und Überlebenskampf erweitern den Graben zwischen den Berufspolitikern und den sich ausgeliefert fühlenden Bürgern.

    2.9.

    In den südlichen Mittelmeerländern wurden Diktatoren gestürzt, die ihr Land wirtschaftlich ausgebeutet und um Meinungsfreiheit und Gleichheit gebracht hatten. Der politische Wandel der einzelnen Länder ist unterschiedlich verlaufen und geht von der erhofften Demokratisierung im nationalen Konsens bis hin zur Machtergreifung durch das Militär. Radikale Gruppen haben ihrerseits die Lage für kriegerische Besetzungen oder die Errichtung krimineller Regime genutzt. Ein Teil Afrikas ist dieser permanenten Bedrohung ausgesetzt, im Nahen und Mittleren Osten finden riesige Bevölkerungsverschiebungen und Veränderungen der militärischen und politischen Einflussnahme statt, und die Zivilgesellschaft kommt nicht zur Ruhe.

    2.10.

    Unter diesen Voraussetzungen kann vermutlich kein Nachhaltigkeitsziel glaubhaft dazu beitragen, Frieden zu schaffen, materielles Wohlergehen zu fördern und die Region wirtschaftlich zu entwickeln. Demokratisch, sozial und umweltpolitisch instabile Regionen sind für Investoren nicht auf Dauer attraktiv. Da die wirtschaftliche Entwicklung außerdem jahrzehntelang nur einer Minderheit von Familien, Einzelpersonen oder Diktatoren zugutegekommen ist, mangelt es an in gerechter, transparenter, demokratischer Weise funktionierenden Institutionen.

    3.   Umwelt

    3.1.

    Der Europa-Mittelmeer-Raum ist für Umweltkatastrophen sowohl an Land als auch zur See anfällig. Einem 2013 veröffentlichten Bericht zufolge sind die Küstenregionen des Mittelmeers für mindestens 150 Mio. Menschen die Lebensgrundlage. Die UNEP hat diesem Bericht zufolge an den Mittelmeerküsten 13 Gaskraftwerke, 55 Raffinerien, 180 Elektrizitätswerke, 750 Yachthäfen, 286 Handelshäfen, 112 Flughäfen und 238 Meerwasserentsalzungsanlagen gezählt, von denen die meisten eine Umweltkatastrophe auslösen könnten. In dem Bericht wird ferner hervorgehoben, dass die Entwicklung geeigneter Maßnahmen zur Eindämmung der Auswirkungen von Naturkatastrophen und durch Menschen verursachten Katastrophen für die gesamte Region allererste Priorität hat (4).

    4.   Beschäftigung

    4.1.

    Kommissionsmitglied Johannes Hahn betonte in seiner Ansprache am 28. Mai, dass jährlich fünf Millionen neue Arbeitsplätze geschaffen werden müssen, um den Arbeitskräftezuwachs zu bewältigen und die soziale Inklusion zu gewährleisten. Dazu benötigt die Region ein Wirtschaftswachstum von mehr als 6 %.

    4.2.

    Die Förderung menschenwürdiger Arbeit (Ziel Nr. 8) ist hierfür unerlässliche Voraussetzung, denn eine qualitativ minderwertige Beschäftigung — prekäre, schlecht bezahlte Arbeit ohne langfristige und universelle soziale Absicherung — ist eine Ursache von Armut. Daher muss der Schwerpunkt erneut auf Wachstumsqualität, Sicherheit und Gesundheitsschutz am Arbeitsplatz und Sozialschutz für die Arbeitnehmer und ihre Familien als wichtiges Instrument zur Bekämpfung von Armut und sozialer Ausgrenzung gelegt werden.

    5.   Private Finanzierungsquellen

    5.1.

    Voraussetzung für einen produktiven und wirksamen Beitrag des Privatsektors zu Handelspartnerschaften für industrielle Entwicklung ist eine Agenda für menschenwürdige Arbeit, die besser als bisher für zufriedenstellende Arbeitsbedingungen sorgt. Mehr denn je müssen die geschaffenen Arbeitsplätze qualitativ hochwertig, gut bezahlt, umwelt- wie auch gesundheitsverträglich und mit einem wirksamen Sozialschutz verknüpft sein (5). Dies ist besonders in der MENA-Region wichtig, wo die Jugendarbeitslosigkeit weltweit am höchsten ist und noch weiter steigt und wo viele erwerbsfähige junge Menschen keine Schule besuchen, keiner Arbeit nachgehen und sich nicht in beruflicher Ausbildung befinden. Die Gewährleistung einer Mindesteinkommenssicherheit für die Menschen im informellen Sektor ist wesentliche Voraussetzung für soziale und politische Stabilität und Konfliktprävention, denn sie trägt zur Eindämmung von Radikalismus und Extremismus und dadurch zu politischer Stabilität und Sicherheit bei (6). Schul- und Berufsbildung, Gleichheit, Erwerbsbeteiligung von Jugendlichen und Frauen, Respekt vor den Bürgern, freie Meinungsäußerung, faire Löhne, Sicherheit, Umwelt- und Gesundheitsschutz, frühkindliche Bildung und Solidarität zwischen den Generationen — diese Anliegen sind den Menschen im nördlichen wie auch im südlichen Mittelmeerraum gemeinsam. Diese Bestrebungen müssen von den Regierungen gewährleistet werden können, ohne durch die Durchsetzung von Partikularinteressen über supranationale Schiedsverfahren gefährdet zu werden, auch wenn der internationale Handel für die Finanzierung universeller Ziele unleugbar wichtig ist (7).

    6.   Umsetzungsmittel und Überwachung der Ziele

    6.1.

    Die multilateralen WTO-Verhandlungen stellen den Handel als Mittel für die Umsetzung einer erstrebenswerten nachhaltigen Entwicklung in den Vordergrund. In verschiedenen laufenden Verhandlungsrunden tritt indes der Mangel an Kohärenz zwischen bestimmten Freihandelszielen und der Verwirklichung der Nachhaltigkeitsziele zutage: so beim Abkommen über den Handel mit Dienstleistungen, das auf die Liberalisierung oder Privatisierung zahlreicher öffentlicher Dienstleistungen abhebt, die möglichst vielen Bürgern zugänglich sein sollen und Voraussetzung für die Verwirklichung der Ziele sind, bei Abkommen über Umweltgüter, Technologietransfer, geistiges Eigentum, über die mineralgewinnende Industrie und den Untertagebergbau, bei Streitschlichtungsinstanzen zur Regelung von Konflikten zwischen multinationalen Unternehmen und Staaten, um nur einige der Bereiche zu nennen, in denen die Glaubhaftigkeit erstrebenswerter Ziele durch das Tauziehen zwischen handelspolitischer und staatlicher Macht untergraben wird.

    6.2.

    Die Handelspolitik sollte Entwicklungsländern politischen Gestaltungsspielraum zugestehen, damit sie den Auswirkungen auf die Beschäftigung, schutzbedürftige Personen, Gleichstellung und nachhaltige Entwicklung Rechnung tragen können, und nicht nur Liberalisierung als Selbstzweck vorantreiben. Der EWSA empfiehlt deshalb eine umfassende Überprüfung aller Handels- und Investitionsabkommen, um zu klären, wo sie eventuell die Möglichkeiten der Entwicklungsländer einschränken, Krisen zu verhindern und zu bewältigen, Kapitalströme zu regulieren, das Recht auf eine Existenzgrundlage und menschenwürdige Arbeit zu schützen, für Steuergerechtigkeit zu sorgen, wichtige gemeinwirtschaftliche Leistungen zu erbringen und eine nachhaltige Entwicklung sicherzustellen.

    6.3.

    Die Regierungen sollten verpflichtet werden, die Auswirkungen von multi-, pluri- und bilateralen Handels- und Investitionsabkommen auf die Menschenrechte mit Schwerpunkt auf den Rechten auf Entwicklung, Nahrung, Gesundheit und eine Existenzgrundlage und unter besonderer Berücksichtigung marginalisierter Gruppen zu bewerten. Dazu wäre die Resolution des UN-Menschenrechtsrats vom Juni 2014 für die Einsetzung einer zwischenstaatlichen Arbeitsgruppe zur Erarbeitung eines internationalen Instruments, das transnationale Unternehmen rechtlich zur Einhaltung der Menschenrechte verpflichtet, umzusetzen.

    6.4.

    Während eines noch zu bestimmenden Zeitraums, in dem davon ausgegangen werden kann, dass weltweit eine Erholung von den Krisen (Finanzkrise 2008 und Demokratiekrise 2011) eingesetzt hat, sollten die Investitionen in Beschäftigung und Umwelt in Verbindung mit den Post-2015-Entwicklungszielen aus der Berechnung der Staatsverschuldung ausgenommen, als universelle, nachhaltige und tragfähige Investitionen von allgemeinem Interesse eingestuft, zinsfrei finanziert und für Spekulationsgeschäfte verboten werden.

    6.5.

    Durch die Bekämpfung von Steuerumgehung und -vermeidung, von illegalen Finanzströmen zur Geldwäsche von Geldern aus rechtswidrigen Aktivitäten wie u. a. informeller Arbeit, Schleuserkriminalität oder illegaler Verbringung nicht verwerteter Abfälle dürften zusätzliche, für die Umsetzung der Nachhaltigkeitsziele notwendige Ressourcen freigesetzt werden (8).

    6.6.

    Auch die bestehenden internationalen Rechtsinstrumente sind als Mittel für die Umsetzung zu betrachten. Wenn bestimmte Übereinkommen — u. a. grundlegende IAO-Übereinkommen zum Arbeitsrecht, das Übereinkommen der Vereinten Nationen zur Beseitigung jeder Form von Diskriminierung der Frau vom 18. Dezember 1979, das Übereinkommen zum Schutz der Rechte aller Wanderarbeitnehmer und ihrer Familienangehörigen, das Übereinkommen über die menschenwürdige Arbeit für Hausangestellte C189, das Übereinkommen über den Arbeitsschutz in der Landwirtschaft C184, der Internationale Pakt über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte und das dazugehörige Fakultativprotokoll — ratifiziert und in das geltende Recht der Mitgliedstaaten der Union für den Mittelmeerraum (UfM) übernommen würden, würden sie als vorrangige nichtfinanzielle Mittel für die Umsetzung an sich schon den rechtlichen Schutz der Personen gewährleisten, der für die faktische Umsetzung zahlreicher Nachhaltigkeitsziele unerlässliche Voraussetzung ist:

    Ziele für nachhaltige Entwicklung (9)

     

    Ziel 1: Armut in jeder Form und überall beenden

     

    Ziel 2: Den Hunger beenden, Ernährungssicherheit und eine bessere Ernährung erreichen und eine nachhaltige Landwirtschaft fördern

     

    Ziel 3: Ein gesundes Leben für alle Menschen jeden Alters gewährleisten und ihr Wohlergehen fördern

     

    Ziel 4: Inklusive, gerechte und hochwertige Bildung gewährleisten und Möglichkeiten des lebenslangen Lernens für alle fördern

     

    Ziel 5: Geschlechtergleichheit und Selbstbestimmung für alle Frauen und Mädchen erreichen

     

    Ziel 6: Verfügbarkeit und nachhaltige Bewirtschaftung von Wasser und Sanitärversorgung für alle gewährleisten

     

    Ziel 7: Zugang zu bezahlbarer, verlässlicher, nachhaltiger und zeitgemäßer Energie für alle sichern

     

    Ziel 8: Dauerhaftes, inklusives und nachhaltiges Wirtschaftswachstum, produktive Vollbeschäftigung und menschenwürdige Arbeit für alle fördern

     

    Ziel 9: Eine belastbare Infrastruktur aufbauen, inklusive und nachhaltige Industrialisierung fördern und Innovationen unterstützen

     

    Ziel 10: Ungleichheit innerhalb von und zwischen Staaten verringern

     

    Ziel 11: Städte und Siedlungen inklusiv, sicher, widerstandsfähig und nachhaltig machen

     

    Ziel 12: Für nachhaltige Konsum- und Produktionsmuster sorgen

     

    Ziel 13: Umgehend Maßnahmen zur Bekämpfung des Klimawandels und seiner Auswirkungen ergreifen (10)

     

    Ziel 14: Ozeane, Meere und Meeresressourcen im Sinne einer nachhaltigen Entwicklung erhalten und nachhaltig nutzen

     

    Ziel 15: Landökosysteme schützen, wiederherstellen und ihre nachhaltige Nutzung fördern, Wälder nachhaltig bewirtschaften, Wüstenbildung bekämpfen, Bodenverschlechterung stoppen und umkehren und den Biodiversitätsverlust stoppen

     

    Ziel 16: Friedliche und inklusive Gesellschaften im Sinne einer nachhaltigen Entwicklung fördern, allen Menschen Zugang zur Justiz ermöglichen und effektive, rechenschaftspflichtige und inklusive Institutionen auf allen Ebenen aufbauen

     

    Ziel 17: Umsetzungsmittel stärken und die globale Partnerschaft für nachhaltige Entwicklung wiederbeleben

    6.7.

    Am 28. Mai 2015 organisierten der Ausschuss der Regionen, der Europäische Wirtschafts- und Sozialausschuss und die Europäische Kommission gemeinsam das Forum der Zivilgesellschaft der südlichen Nachbarländer, bei dem Kommissionsmitglied Johannes Hahn, Vizepräsidentin Federica Mogherini sowie EP-Präsident Martin Schulz als Redner auftraten.

    6.8.

    Kommissionsmitglied Johannes Hahn erläuterte, dass über die Fazilität zur Förderung der Zivilgesellschaft im Rahmen der Nachbarschaftspolitik 52 Mio. EUR in Maßnahmen zur Bewältigung der humanitären Krise in Syrien und den benachbarten Ländern geflossen sind. Zusätzlich werden noch 40 Mio. EUR aus dem Regionalen Treuhandfonds der EU bereitgestellt.

    6.9.

    Schließlich ist auf die Europäische Migrationsagenda zu verweisen, die die Europäische Kommission zwei Wochen nach dem Gipfeltreffen der Staats- und Regierungschefs vorgelegt hat und in der sie gemäß Artikel 78 Absatz 3 AEUV ein Umsiedlungs- und Neuansiedlungsprogramm für Flüchtlinge vorschlägt (11).

    Brüssel, den 1. Juli 2015

    Der Präsident des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses

    Henri MALOSSE


    (1)  Kommissionsmitglied Neven Mimica auf der 508. Plenartagung des EWSA am 28. Mai 2015.

    (2)  http://www.etf.europa.eu/web.nsf/pages/home

    (3)  http://eeas.europa.eu/statements-eeas/2015/150528_01_en.htm

    (4)  http://www.preventionweb.net — Euro-Mediterranean Partnership Program (PPRD South), Februar 2013.

    (5)  Stellungnahme des EWSA zum Thema „Sozialschutz in der Entwicklungszusammenarbeit der Europäischen Union“ (ABl. C 161 vom 6.6.2013, S. 82).

    (6)  Anhörung des EWSA zum Thema „Post-2015-Ziele im Europa-Mittelmeer-Raum“ am 22. Mai 2015, „SOLIDAR vision on Post 2015“.

    (7)  EWSA-Stellungnahme REX/441 (siehe Seite 49 dieses Amtsblatts).

    (8)  Laut Weltbank, IWF, transparency.org usw. mindestens 1 Billion USD.

    (9)  Gemäß dem Entwurf des Abschlussdokuments (Zero-Draft) vom Januar 2015 für den UN-Klimagipfel im Hinblick auf die Verabschiedung der Post-2015-Agenda für nachhaltige Entwicklung („Transforming our World by 2030 — A New Agenda for Global Action)“.

    (10)  In Anerkennung dessen, dass das Rahmenübereinkommen der Vereinten Nationen über Klimaänderungen das zentrale internationale zwischenstaatliche Forum für Verhandlungen über die globale Antwort auf den Klimawandel ist.

    (11)  http://ec.europa.eu/dgs/home-affairs/what-is-new/news/news/2015/20150527_02_en.htm


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