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Document 52012IE1048
Opinion of the European Economic and Social Committee on ‘Book publishing on the move’ (own-initiative opinion)
Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zum Thema „Verlagswesen im Wandel“ (Initiativstellungnahme)
Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zum Thema „Verlagswesen im Wandel“ (Initiativstellungnahme)
ABl. C 191 vom 29.6.2012, p. 18–23
(BG, ES, CS, DA, DE, ET, EL, EN, FR, IT, LV, LT, HU, MT, NL, PL, PT, RO, SK, SL, FI, SV)
29.6.2012 |
DE |
Amtsblatt der Europäischen Union |
C 191/18 |
Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zum Thema „Verlagswesen im Wandel“ (Initiativstellungnahme)
2012/C 191/04
Berichterstatterin: Grace ATTARD
Ko-Berichterstatterin: Hilde VAN LAERE
Der Europäische Wirtschafts- und Sozialausschuss beschloss am 14. Juli 2011 gemäß Artikel 29 Absatz 2 seiner Geschäftsordnung, eine Initiativstellungnahme zu folgendem Thema zu erarbeiten:
„Verlagswesen im Wandel“
(Initiativstellungnahme).
Die mit den Vorarbeiten beauftragte Beratende Kommission für den industriellen Wandel (CCMI) nahm ihre Stellungnahme am 12. April 2012 an. Berichterstatterin war Grace ATTARD, Ko-Berichterstatterin Hilde VAN LAERE.
Der Ausschuss verabschiedete auf seiner 480. Plenartagung am 25./26. April 2012 (Sitzung vom 25. April) mit 156 gegen 2 Stimmen bei 1 Enthaltung folgende Stellungnahme:
1. Schlussfolgerungen und Empfehlungen
1.1 Im Verlagswesen vollzieht sich derzeit ein kontinuierlicher Modernisierungsprozess mit weitreichenden Folgen im digitalen Zeitalter.
1.2 Der EWSA betont, dass eine Gesamtanalyse der Rolle des Verlagswesens bei der sozialen, wirtschaftlichen, kulturellen, wissenschaftlichen und künstlerischen Entwicklung Europas unter Berücksichtigung der Rechte und Bedürfnisse sonstiger Interessenträger, zu denen Buchhändler, Autoren, Wissenschaftler, Illustratoren, das Druckgewerbe und damit verbundene Branchen, Bibliotheken und Verwertungsgesellschaften sowie die Verbraucher zählen, auf europäischer Ebene eine unmittelbare Priorität sein sollte. Bei ihren Überlegungen zur Strategie für ein digitales Europa muss die Europäische Kommission auch das Verlagswesen als Teil der Kultur- und Kreativwirtschaft berücksichtigen.
1.3 Der EWSA betont, dass unbedingt auf angemessene Rechtsvorschriften und Strategien der EU hinzuarbeiten ist, die sich auf das Verlagswesen auswirken: Rechte des geistigen Eigentums (insbesondere Urheberrechte) und deren Durchsetzung, Besteuerung, Informationsgesellschaft und Kulturpolitik.
1.4 Der EWSA erinnert daran, dass auf EU-Ebene diskriminierenden Regelungen ein Ende gesetzt werden muss, die derzeit sowohl EU-weit – wo für Online-Versionen kultureller Werke Standardsteuersätze gelten, wodurch sich ungerechtfertigte Verzerrungen bei vergleichbaren Inhalten ergeben – als auch im Verhältnis zu den USA anzutreffen sind, sind dort doch Online-Publikationen von Steuern befreit, was zu uneinheitlichen und unfairen Wettbewerbsbedingungen führt.
1.5 Nach Auffassung des EWSA muss die Grafikbranche dazu angehalten werden, im Einklang mit dem Grafikplan der EU die bislang für sie typischen Geschäftsabläufe und technischen Prozesse grundlegend zu ändern und ins Zentrum des Managements und der Verbreitung von Informationen zu rücken, ohne sich auf das Erbringen von Dienstleistungen zu beschränken.
1.6 Der EWSA bekräftigt den Standpunkt, dass auf EU-Ebene eine Beobachtungsstelle zur Ermittlung des aktuellen und künftigen Qualifizierungsbedarfs im Druckgewerbe eingerichtet werden muss, um die berufliche Aus- und Weiterbildung sowie die Mobilität und Umschulung der in der Branche Beschäftigten mit öffentlichen Mitteln zu fördern, und zwar insbesondere über den Europäischen Sozialfonds (ESF), den Europäischen Fonds für regionale Entwicklung (EFRE) und den Europäischen Globalisierungsfonds sowie durch Untersuchungen aus Mitteln des siebten Rahmenprogramms und von Horizont 2020, damit das Druckgewerbe wettbewerbsfähig bleibt.
1.7 Der EWSA hebt hervor, dass die politische Steuerung der Rechte des geistigen Eigentums für die Entfaltung der europäischen Kultur, Wissenschaft und Kunst sowie für die Lebensqualität der Bürgerinnen und Bürger der EU von zentraler Bedeutung und zugleich eine wesentliche Voraussetzung für die technische und kommerzielle Innovation ist.
1.8 Der Ausschuss vertritt die Auffassung, dass die digitalen Märkte im Interesse der Nutzer funktionieren werden, wenn den Verbrauchern ein sicheres digitales Umfeld gewährt wird, in dem sie personenbezogene Daten wirksam kontrollieren und ihre Privatsphäre wahren können.
1.9 Der EWSA verweist nachdrücklich darauf, dass bei der Bewältigung der digitalen Wende die sozialen und wirtschaftlichen Verpflichtungen bestehen, möglichst viele Menschen jedes Alters in allen Mitgliedstaaten in den Genuss der Vorteile der digitalen Revolution kommen zu lassen.
1.10 Der EWSA betont, dass allen Erwerbstätigen, einschließlich der Selbstständigen und in ausgelagerten Unternehmen Tätigen, menschenwürdige Arbeitsbedingungen gewährleistet werden müssen, und zwar über den sozialen Dialog und über Tarifverträge auf der Ebene der Mitgliedstaaten und der EU.
1.11 Offene und interoperable elektronische Normen sind unverzichtbar, um die Wettbewerbsfähigkeit zu verbessern und zugleich zu verhindern, dass Märkte abgeschottet werden und marktbeherrschende Stellungen entstehen.
1.12 Der EWSA betont, wie wichtig ein stärker integrierter Dienstleistungsbinnenmarkt im Rahmen der Europa-2020-Strategie (1) ist, damit alle Akteure und Interessenträger des Verlagswesens wachsen und Arbeitsplätze schaffen können.
1.13 Der EWSA ersucht die Kommission, das Verlagswesen und das Druckgewerbe in ihren Bemühungen um eine weiter gehende Partizipation und einen gemeinsamen transparenten Organisationsrahmen zu bestärken, in dem sich Wirtschaft, Soziales, Technologie und Umwelt besser vereinbaren lassen.
1.14 Der EWSA fordert die Kommission auf, in einen strategischen Dialog mit dem Verlagswesen in der EU zu treten, um zu Strategien zu gelangen, durch die konkret auf die Bedürfnisse im Bereich gedruckter und elektronischer Bücher im Digitalzeitalter eingegangen und zugleich die weltweite Konkurrenzfähigkeit der Branche gestärkt wird. Der EWSA fordert die Kommission erneut auf, eine hochrangige Gruppe einzusetzen, die vor allem Vertreter des Verlagswesens, der Grafik- und der Papierindustrie umfasst und die Aufgabe hat, die sich aus der multimedialen Revolution ergebenden Investitions- und Beschäftigungsperspektiven in den jeweiligen Wirtschaftszweigen zu untersuchen.
2. Einleitung und Hintergrund
2.1 Das Buchverlagswesen ist der größte Zweig der Kulturwirtschaft in Europa und spielt daher für die wirtschaftliche, soziale, politische und ethische Entwicklung sowie für Bildung, Kunst und Wissenschaft in Europa eine wesentliche Rolle. Die europäische Literatur ist ein wesentliches schöpferisches und künstlerisches Erbe Europas, in dem sich die enorme Vielfalt jedes einzelnen Landes niederschlägt, da in Büchern jede Sprache, Region und Minderheit Europas abgebildet und für die Nachwelt aufgezeichnet wird, während zugleich der interkulturelle Dialog gefördert wird.
2.2 Das europäische Verlagswesen (die EU-Mitgliedstaaten plus Norwegen und Island) erzielte 2010 einen Umsatz von rund 23,5 Mrd. EUR, brachte 525 000 neue Titel heraus und bot 135 000 Vollzeitarbeitskräften Beschäftigung. Knapp 7,5 Mio. Titel waren ab Lager verfügbar. Das Buchverlagswesen schafft auch mittelbar Arbeitsplätze: In Europa gibt es mehr als 100 000 Autoren, Illustratoren und literarische Übersetzer sowie über 25 000 Buchhandlungen. Um ein genaueres Bild der Branche zu bekommen, ist die Erhebung spezifischerer Daten nötig.
2.3 Der Buchherstellungsprozess, von der Auftragsannahme über das Lektorat bis hin zu Druck und Vertrieb, hat sich im Laufe der Jahrhunderte zwar nicht vom Prinzip her, doch in der Praxis erheblich verändert. In seinem Wesen jedoch ist das Buch nach wie vor ein schöpferisches Kunsterzeugnis. Seit digitale Veröffentlichungen möglich sind, ändert sich auch der Herstellungsprozess von Grund auf.
2.4 Der Anteil der Kernbranchen der Kreativwirtschaft am BIP der EU betrug 2008 4,5 %, was 8,5 Mio. Arbeitsplätzen entspricht (2), und der Anteil der gesamten Kreativwirtschaft belief sich im selben Jahr auf 6,9 %. Dabei betrug der Anteil der Verlagsbranche am BIP der EU 2003 1,07 %, der der Rundfunk-, Fernseh-, Film- und Videobranche 0,41 % und der der Musikindustrie 0,06 %.
2.5 Weltweit liegt der Jahresumsatz der europäischen Verlage über dem der US-Verlage, der in den vergangenen Jahren 24 bis 25 Mrd. US-Dollar (17-19 Mrd. EUR) betrug. Außerdem zählen jedes Jahr sechs bis acht Verlagshäuser in europäischer Hand zu den zehn größten Verlagen der Welt. Darüber hinaus finden die drei größten internationalen Buchmessen – Frankfurt, London und Bologna – in EU-Mitgliedstaaten statt.
2.6 Die OECD hebt die positiven Folgen des Lesens für die Gesellschaft hervor, ließen sich doch am Lesen die Chancen eines Kindes in seinem späteren Leben am besten ermessen. Davon abgesehen fördern Verlage als Grundpfeiler einer demokratischen Gesellschaft Austausch und Dialog sowie Meinungsvielfalt und -freiheit.
3. Der Übergang zur Digitaltechnik
3.1 Durch den Übergang zur Digitaltechnik verschieben sich derzeit die Kräfteverhältnisse im Verlagswesen, und die meisten Beziehungen sowie die wirtschaftlichen und kulturellen Muster in der Branche ändern sich grundlegend.
3.2 Die Märkte für elektronische Bücher in Europa sind zersplittert und diversifiziert. Zwar sind die Wachstumsraten auf den entwickelten Märkten sehr hoch, doch fällt selbst dort die Gesamtzahl der digitalen im Vergleich zu den gedruckten Veröffentlichungen sehr niedrig aus (ihr Anteil liegt zwischen weniger als 1 % und höchstens 5 % des Buchmarkts). Bis vor kurzem trug entscheidend zu dieser langsamen Entwicklung bei, dass es an geeigneten tragbaren Lesegeräten mangelte.
3.3 Inzwischen jedoch bieten immer mehr Verlage ihre Bücher in elektronischer Form in anderen Bereichen an. Nach einigen Jahren des Experimentierens mit Technologien und Neuerungen gibt es nun eine Vielzahl unterschiedlicher Geschäftsmodelle, um digitale Buchinhalte zugänglich zu machen. Bücher werden auf PCs, speziellen E-Lesegeräten, Tablets und Smartphones gelesen, die immer hochwertiger und nutzerfreundlicher sowie vor allem immer erschwinglicher werden. Der zu erwartende Preisrückgang bei elektronischen Lesegeräten wird den Markt voraussichtlich noch stärker erweitern.
3.4 Aufgrund der wichtigen Rolle, die sie für Endnutzer in anderen Bereichen spielen, treten nun neue Akteure in der Wertschöpfungskette auf den Plan: Suchmaschinen und -portale wie Google sowie Internetakteure, zu denen Online-Anbieter wie Amazon zählen, die auch das Kindle-Lesegerät produzieren; Hersteller elektronischer Geräte wie Apple, die zur Vermarktung ihrer Produkte auf den Markt für Inhalte drängen und eigene Online-Läden für elektronische Bücher anbieten; Mobilfunkunternehmen oder Internetzugangsanbieter.
3.5 Elektronische Bücher erleichtern auch schutzbedürftigen Gesellschaftsgruppen mit Leseschwierigkeiten den Zugang zu Wissen, Kultur und Freizeitaktivitäten, z.B. älteren Menschen, Menschen mit körperlichen Behinderungen und Menschen, die nicht in ihrer Muttersprache verfasste Bücher lesen.
3.6 Das digitale Buch wirkt sich auch grundlegend auf die Ökobilanz der Verlagsbranche aus. Während Papier erneuerbar und wiederverwertbar ist, müssen die Umweltauswirkungen elektronischer Geräte, die Rohmetalle enthalten, und deren Stromverbrauch eingehender untersucht werden.
3.7 Verlage spielen auch im digitalen Zeitalter eine entscheidende Rolle: Durch die Prüfung und Auswahl von Manuskripten tragen sie wesentlich zur Gewährleistung der Qualität gleich welchen Formats bei. Redaktionsarbeit und Vermarktung sind weitere grundlegende Funktionen, für die verlegerische Fachkenntnis unabdingbar ist.
3.8 Aufwendungen für die Bekämpfung von Online-Urheberrechtsverletzungen, Investitionen in Digitalisierung, entsprechende Mitarbeiter und Technologie sowie Kosten für die Umwandlung von Dateien in Spezialformate sind allesamt neue, mit elektronischen Veröffentlichungen zusammenhängende Phänomene. Bei Druck, Lagerung und Vertrieb, die zusammen üblicherweise knapp ein Sechstel der Gesamtkosten von Büchern ausmachen, lassen sich Kosten sparen, da Tantiemenzahlungen, Redaktionsarbeit, Vermarktung, Vertrieb, Lagerung und Archivierung gänzlich im digitalen Raum stattfinden.
4. Probleme für das Verlagswesen im digitalen Zeitalter
4.1 2009 richteten der Rat (3) und die Kommission (4) eine Europäische Beobachtungsstelle für Marken- und Produktpiraterie ein, deren Aufgabe es ist, für ein besseres Verständnis der Problematik der Verletzung von Rechten des geistigen Eigentums (5) zu sorgen.
4.2 Für einen Zweig der Kulturwirtschaft wie das Verlagswesen und die rechtliche Anerkennung der von ihm geschaffenen Werte ist das Urheberrecht grundlegend; ein ausgewogener Urheberschutz, durch den sichergestellt wird, dass sich die Investitionen der Branche auszahlen, ist daher unabdingbar und bietet Autoren Anreize für die Schaffung neuer Werke.
4.3 Der EWSA legt Nachdruck darauf, dass die wirksame Durchsetzung der Rechte des geistigen Eigentums sowohl on- wie offline nötig ist. Piraterie beeinträchtigt Kultur, Kreativität und das Aufkommen neuer Geschäftsmodelle und behindert die Marktentwicklung, da die Verleger und Autoren nicht mehr uneingeschränkt darauf vertrauen können, dass sich ihre finanziellen und intellektuellen Aufwendungen auch bezahlt machen (6).
4.4 Das Urheberrecht stammt aus der Zeit vor der digitalen Revolution und deckt nicht immer die Realität des Herunterladens, die Weitergabe von Dateien und der Verwaltung digitaler Rechte (Digital Rights Management, DRM) ab, wie in der Digitalen Agenda für Europa festgestellt wird, die auf eine Aktualisierung der Vorschriften des EU-Binnenmarktes für das digitale Zeitalter abzielt (7). Gegenwärtig werden umfassende EU-Rechtsvorschriften erörtert, die nötig sind, um von Staat zu Staat verschiedenen Rechts- und Durchsetzungspraktiken entgegenzuwirken.
4.5 Die zügige und konsequente Beilegung von Streitigkeiten im Zusammenhang mit Fälschungen und Nachahmungen mittels strikter Durchsetzungsmaßnahmen würde das Vertrauen der Verbraucher erhöhen. Geregelt wird die Durchsetzung auf EU-Ebene durch Artikel 8 Absatz 3 der Urheberrechtsrichtlinie (2001/29/EG), nach dem die Rechtsinhaber gerichtliche Anordnungen gegen Vermittler beantragen können, deren Dienste von einem Dritten zur Verletzung eines Urheberrechts genutzt werden, in Verbindung mit Artikel 8 der Richtlinie zur Durchsetzung der Rechte des geistigen Eigentums (2004/48/EG), wonach dem Rechtsinhaber Anspruch auf Auskünfte jeglicher Art über die Identität des Rechtsverletzers haben.
5. Digitalisierungs- und globalisierungsbedingte Probleme der Druckindustrie in Europa
5.1 Das europäische Druckgewerbe steht vor großen Problemen aufgrund der zunehmenden und weit verbreiteten Nutzung des Internets sowie der Attraktivität der neuen Medien, die als Informationsquelle und Werbeträger den Markt allmählich verändern.
5.2 Weitere Faktoren, die den Wettbewerb erheblich beeinflussen, sind einerseits Importe von Büchern, bei deren Druck kein präziser Zeitrahmen einzuhalten ist, aus Ländern mit niedrigen Produktionskosten (China) und andererseits die zu einem intensiven globalen Wettbewerb führende starke Konzentration der Papier- und Druckfarbenhersteller, insbesondere aus China und Indien, wo sich die niedrigsten Preise garantieren lassen. Der EWSA bekräftigt, dass in sämtlichen Herstellerländern ähnliche soziale und ökologische Kriterien eingehalten werden müssen.
5.3 Diese Faktoren und das schwierige Wirtschaftsklima haben mitunter zu Preissenkungen geführt und wirken sich erheblich auf die Beschäftigtenzahlen in der Branche aus.
5.4 Eurostat-Zahlen zufolge umfasste die EU-Druckindustrie 2009 119 000 Unternehmen (2007 waren es noch 132 571), die 735 000 Menschen beschäftigten (statt 853 672 im Jahr 2007) und einen Umsatz von mehr als 88 Mrd. EUR erzielten (ebenfalls rückläufig, 2007 waren es noch 110 Mrd. EUR).
5.5 Allerdings hat die Einführung des Digitaldrucks neue Formen der Zusammenarbeit zwischen Verlegern, Druckereien und Nutzern ermöglicht, etwa den Druck von Büchern – bis hin zu Einzelexemplaren – auf Bestellung.
5.6 Druckbetriebe sind dabei, Dienste entlang der Wertschöpfungskette zu integrieren, z.B. Lagerung, Verwaltung von Datenbanken, Web- oder Druckdesign, Herstellung elektronischer Bücher, und entwickeln ihre Druckvorstufe weiter.
5.7 Der EWSA unterstützt die Vorschläge des Kommissionsberichts über die Wettbewerbsfähigkeit des europäischen Druckgewerbes von 2007, fordert die Europäische Kommission jedoch auf, einen Ausschuss für den europäischen sozialen Dialog in der Gesamtbranche einzusetzen; derzeit findet der soziale Dialog zwischen Arbeitgebern und Gewerkschaften nur auf betrieblicher und nationaler Ebene statt.
5.8 Der EWSA schließt sich den Empfehlungen von Intergraf an und befürwortet vor allem die empfohlene unabhängige Studie zur technologischen Entwicklung (im Druckwesen sowie im Mobilfunk- und Internetbereich), den demografischen Einflüssen und dem Verbraucherverhalten.
6. Probleme des Buchhandels
6.1 Schwierigkeiten ergeben sich daraus, dass große Einzelhändler ihren Online-Verkäufen räumliche Beschränkungen auferlegen. Entscheidend ist, dass die etablierten Vertriebswege aufgrund der sich herausbildenden neuen Vorherrschaft digitaler Buchhändler umgangen werden.
6.2 Herkömmliche Buchhändler sind wichtige Kulturträger. Sie pflegen (auch über das Internet) persönliche Kontakte bzw. Beziehungen zu den Verbrauchern und bieten Dienste an, die das Internet nicht zu leisten imstande ist.
6.3 Als Ausstellungsflächen für Bücher, die die Verbraucher anschließend im Internet kaufen, stellen Buchläden heutzutage ihren Online-Konkurrenten gratis Raum für Vermarktung und Werbung zur Verfügung. Einige herkömmliche Buchhändler müssen sich jedoch aufgrund mangelnden Wissens über soziale Online-Medien weiterbilden und neue Wege in der Werbung sowie bei der Produktauswahl beschreiten. Normen sind im digitalen Bereich weiterhin schwach ausgeprägt: Während z.B. so gut wie alle gedruckten Bücher über eine ISBN verfügen, gilt dies nicht für alle elektronischen Bücher.
6.4 Es müssen Synergieeffekte zwischen den europäischen Bibliotheksverbänden und dem Buchhandel angestrebt und gefördert werden. Digitalisierungsbedingt kommt es zu Spannungen zwischen den wegen des Raubkopierens elektronischer Bücher besorgten Buchhändlern und Verlagen einerseits sowie den Bibliotheken andererseits, die gern für das Ausleihen elektronischer Bücher werben möchten. Von allen Beteiligten müssen die rechtlichen Unterschiede zwischen dem Ausleihen gedruckter und elektronischer Bücher hervorgehoben, angewandt und durchgesetzt werden. Die Interessengruppen sollten prüfen, inwieweit sich ein eingebetteter Kopierschutz und die Erleichterung des gesetzeskonformen Ausleihens elektronischer Bücher in Bibliotheken miteinander vereinbaren lassen.
6.5 Da Amazon und Apple den Markt sowohl als Verkaufsplattformen wie als Lesegerätanbieter (Kindle und iPad) gemeinsam beherrschen, können sie allen übrigen Branchenakteuren Preise und Bedingungen vorschreiben. Diese Dominanz nicht aus Europa stammender Anbieter wirkt sich auch negativ auf kleinere Verlage aus, die nicht mächtig genug sind, um Bedingungen auszuhandeln, wie sie von Amazon und Apple durchgesetzt werden.
6.6 Durch offene, interoperable Normen lässt sich verhindern, dass einige der großen Akteure die Märkte abschotten und marktbeherrschende Stellungen entwickeln, indem sie momentan geschlossene, eigentumsrechtlich geschützte Technologien einsetzen, durch die der Zugang zum betreffenden Angebot an die Verwendung bestimmter Geräte gekoppelt wird und umgekehrt. Zudem wird so der Wettbewerb gestärkt.
7. Besteuerung und Preisgestaltung
7.1 In den allermeisten Ländern in der EU und auf der ganzen Welt gilt für den Verkauf gedruckter Bücher ein ermäßigter Mehrwertsteuersatz, wodurch dem Nutzen von Büchern für Kultur, Bildung, Wissenschaft und Gesellschaft als Ganzes Rechnung getragen wird.
7.2 Dessen ungeachtet ist die derzeit in der EU geltende Regelung diskriminierend, da für die Online-Fassungen physischer Kulturerzeugnisse Standardsteuersätze gelten, wodurch sich ungerechtfertigte Verzerrungen bei vergleichbaren Inhalten ergeben.
8. Schutz und Erhalt verwaister und vergriffener Werke (8)
8.1 Der EWSA unterstützt grundsätzlich die vorgeschlagene Richtlinie über einen Rechtsrahmen zur Gewährleistung eines rechtmäßigen, grenzüberschreitenden Online-Zugangs zu verwaisten Werken (9).
8.2 Bislang haben erst sehr wenige Mitgliedstaaten Rechtsvorschriften über verwaiste Werke erlassen, und dort, wo dies der Fall ist, wird zudem der Zugang auf in dem jeweiligen Mitgliedstaat Ansässige beschränkt.
8.3 Gemäß Artikel 5 Absatz 2 Buchstabe c) der Richtlinie über das Urheberrecht ist es öffentlich zugänglichen Bibliotheken, Bildungseinrichtungen, Museen und Archiven gestattet, urheberrechtlich geschützte Werke ohne vorherige Genehmigung zu vervielfältigen, sofern die betreffenden Institutionen keinen unmittelbaren oder mittelbaren wirtschaftlichen oder kommerziellen Zweck verfolgen und das Verfahren mit dem Berner Dreistufentest im Einklang steht. Werden die Inhalte indes in anderer Form über das Internet öffentlich zugänglich gemacht, ist eine vorherige Klärung der Rechte erforderlich.
8.4 Die Buchverlage haben einen Dialog über vergriffene Werke auf den Weg gebracht, der zur Unterzeichnung einer Vereinbarung über die „Grundprinzipien der Digitalisierung und der Bereitstellung vergriffener Werke“ durch sämtliche Interessenträger führte. Für die grenzübergreifende Anerkennung freiwilliger Übereinkünfte zwischen den verschiedenen Interessenträgern im Hinblick auf vergriffene Werke besteht bislang jedoch keine rechtliche Grundlage.
8.5 Der erfolgreiche Abschluss dieses Dialogs wird digitalen Bibliotheken wie Europeana und weiteren im Auftrag der Öffentlichkeit handelnden öffentlichen Einrichtungen einen Entwicklungsschub geben.
8.6 Das von einem Konsortium aus Interessenträgern der Verlagswirtschaft mit Unterstützung der Europäischen Kommission aufgebaute ARROW-System ist eine praktische Lösung und ein kostengünstiges Instrument, durch das die Nutzer schnell und wirksam an Informationen über den rechtlichen Status eines Werkes und die Rechtsinhaber gelangen.
8.7 Durch öffentlich-private Partnerschaften zwischen Bibliotheken und Verlagen können im Handel erhältliche Bücher über digitale Bibliotheken besser verfügbar werden. Eine Reihe solcher Partnerschaften besteht bereits.
8.8 Ob eine Pflicht zur amtlichen Hinterlegung elektronischer Bücher bestehen sollte, muss von allen Interessenträgern gemeinsam erörtert werden, um sowohl das im Interesse der Bibliotheken liegende Sammeln, Erhalten und Bereitstellen elektronischer Bücher als auch den Schutz vor unrechtmäßiger elektronischer Verbreitung zu gewährleisten.
9. Sprache und Mobilität
9.1 Da die Sprache für Verlage von wesentlicher Bedeutung ist, trägt sich das Verlagswesen – und vor allem kleine und mittlere Verlage – mit Mobilitätsproblemen.
9.2 Mit Ausnahme englischsprachiger Verleger haben Buchverleger und deren Mitarbeiter große Schwierigkeiten, von einem Mitgliedstaat in einen anderen zu gehen, da die meisten kleineren Verlage mittelständische Unternehmen sind, die in einer einzigen Sprache veröffentlichen (10).
9.3 Einige der neuen Plattformen für elektronische Bücher behindern die sprachliche Mobilität. Der größte Hersteller von E-Buch-Lesegeräten – das US-amerikanische Unternehmen Amazon – verweigert derzeit sämtlichen Minderheitensprachen (darunter 18 der 23 EU-Amtssprachen) den Zugang zu seinem Kindle-Lesegerät und schließt so die Literatur von 18 EU-Sprachen von der weltgrößten Plattform für elektronische Bücher aus.
10. Selbstbewusste und informierte Verbraucher
10.1 Das Verhältnis der Verbraucher zum Buch wandelt sich, da die Aufbewahrung digitaler Bücher keine sichtbaren Spuren hinterlässt und Bücher ohne Umschweife gekauft werden.
10.2 Nach Auffassung des EWSA sind die Verbraucher bei allen politischen Initiativen im Bereich der Rechte des geistigen Eigentums als wesentliche Interessenträger und Diskussions-teilnehmer anzusehen.
10.3 Die Entwicklung hin zur Koexistenz digitaler und gedruckter Bücher muss allmählich verlaufen und die langfristige Nachhaltigkeit der Printmedien untermauern. Viele europäische Bürgerinnen und Bürger schrecken nach wie vor davor zurück, elektronische Transaktionen zu tätigen und/oder digitale Inhalte aufzurufen und zu nutzen. Vertrauensbildende und die digitale Kluft schließende Maßnahmen können zur Förderung der sozialen Eingliederung beitragen.
10.4 Der EWSA unterstützt den Europäischen Verbraucherbund (EVB), der Netzneutralität als Regulierungsgrundsatz hervorhebt. Die Europäische Kommission sollte an die laufenden Arbeiten des Gremiums Europäischer Regulierungsstellen für elektronische Kommunikation (GEREK) anknüpfen und ein verbindliches Instrument zur Sicherstellung der durchgehenden und wirksamen Wahrung der Netzneutralität in ganz Europa verabschieden.
11. Marktzugang für kleine und mittlere Unternehmen
11.1 Aufgrund der EU-weiten Vorherrschaft der Buchhandelsketten ist der Marktzugang für kleinere Verlage in mancherlei Hinsicht eingeschränkt. Verlagen, deren Finanzkraft nicht ausreicht, um eine Aufnahme in das Sortiment der Ketten auszuhandeln, wird der Zugang zu den Verbrauchern größtenteils verstellt, da sie in den Buchregalen unterrepräsentiert sind.
11.2 In der Verlagslandschaft bürgen traditionell kleinere Verleger für Neuerungen und Kreativität, und ihr eingeschränkter Marktzugang kann die Lebensfähigkeit dieser Kreativbranche ernstlich beeinträchtigen.
11.3 Nischenverlage können häufig nur mithilfe von Fördermitteln und Subventionen finanziell überleben.
11.4 Alle Unternehmen, insbesondere KMU, müssen in Forschung, Entwicklung und Innovation (11) investieren und benötigen dazu angemessene rechtliche, verwaltungstechnische, steuerliche und finanzielle Rahmenbedingungen.
11.5 Zurzeit sind nur 8 % der KMU in der EU in anderen Mitgliedstaaten unternehmerisch tätig. 92 % aller Unternehmen sind auf sehr unterschiedlichen Märkten tätige Kleinstunternehmen (12); deshalb müssen ihre besonderen Belange im Small Business Act stärker berücksichtigt werden.
11.6 Buchverlage sind insofern besonders, als ihre finanzielle Unabhängigkeit auf einer verhältnismäßig geringen Zahl Bestseller beruht, die durch die kommerziell weniger erfolgreiche, jedoch kulturell und gesellschaftlich unverzichtbare literarische Gattungen subventioniert werden.
11.7 Kleine und mittelständische Verlage benötigen finanzielle und organisatorische Unterstützung, da sich bei Nischenliteratur die Aufwendungen selten rentieren. Zudem verfügen die meisten kleinen und mittelständischen Verlage nicht über die Mittel, erfolgversprechende Anträge auf FuE-Fördermittel der EU stellen.
11.8 Der EWSA betont, wie wichtig ein stärker integrierter Dienstleistungsbinnenmarkt im Rahmen der Europa-2020-Strategie (13) ist. Dies ist die Voraussetzung dafür, dass die Unternehmen der Verlagsbranche (kleine und mittlere Verlage inbegriffen) wachsen und Arbeitsplätze schaffen können.
Brüssel, den 25. April 2012
Der Präsident des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses
Staffan NILSSON
(1) COM(2010) 2020 final.
(2) EWSA-Stellungnahme „Schutz von Rechten des geistigen Eigentums/HABM“, ABl. C 376 vom 22.12.2011, S. 62.
(3) Entschließung des Rates vom 25.9.2008 (ABl. C 253 vom 4.10.2008).
(4) Mitteilung der Kommission „Verbesserung der Durchsetzung von Rechten des geistigen Eigentums im Binnenmarkt“ vom 11. September 2009, COM(2009) 467 final.
(5) EWSA-Stellungnahme zum Thema „Schutz von Rechten des geistigen Eigentums/HABM“, ABl. C 376 vom 22.12.2011, S. 62.
(6) Europäische Kommission, Generaldirektion Steuern und Zollunion, „Report on EU Customs enforcement of intellectual property rights – 2009“: http://ec.europa.eu/taxation_customs/resources/documents/customs/customs_controls/counterfeit_piracy/statistics/statistics_2009.pdf. Technopolis (2007), „Effects of counterfeiting on EU SMEs“: http://ec.europa.eu/enterprise/enterprise_policy/industry/doc/Counterfeiting_Main%20Report_Final.pdf. http://counterfeiting.unicri.it/report2008.php. EWSA-Stellungnahme „Schutz von Rechten des geistigen Eigentums/HABM“, ABl. C 376 vom 22.12.2011, S. 62.
(7) Europa 2020 – eine Strategie für intelligentes, nachhaltiges und integratives Wachstum, 3. März 2010.
(8) EWSA-Stellungnahme zu dem „Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über bestimmte zulässige Formen der Nutzung verwaister Werke“, ABl. C 376 vom 22.12.2011, S. 66.
(9) EWSA-Stellungnahme „Schutz von Rechten des geistigen Eigentums/HABM“, ABl. C 376 vom 22.12.2011, S. 62.
(10) EWSA-Stellungnahme „Anpassung der KMU an den Weltmarkt“, ABl. C 255 vom 22.9.2010, S. 24-30.
(11) EWSA-Stellungnahme zum Thema „Investitionen in Wissen und Innovation“, ABl. C 256 vom 27.10.2007, S. 17.
(12) EWSA-Stellungnahme zum Thema „Ergebnisse des Beschäftigungsgipfels“, ABl. C 376 vom 22.12.2011, S. 51.
(13) EWSA-Stellungnahme zum „Binnenmarkt für Dienstleistungen“, ABl. C 318 vom 29.10.2011, S. 109-112.