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Document 52011AE0360

Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zu der „Mitteilung der Kommission an den Rat, das Europäische Parlament, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss und den Ausschuss der Regionen — Aktionsplan für Anwendungen des Globalen Satellitennavigationssystems (GNSS)“ (KOM(2010) 308 endg.)

ABl. C 107 vom 6.4.2011, p. 44–48 (BG, ES, CS, DA, DE, ET, EL, EN, FR, IT, LV, LT, HU, MT, NL, PL, PT, RO, SK, SL, FI, SV)

6.4.2011   

DE

Amtsblatt der Europäischen Union

C 107/44


Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zu der „Mitteilung der Kommission an den Rat, das Europäische Parlament, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss und den Ausschuss der Regionen — Aktionsplan für Anwendungen des Globalen Satellitennavigationssystems (GNSS)“

(KOM(2010) 308 endg.)

2011/C 107/09

Berichterstatter: Thomas McDONOGH

Die Europäische Kommission beschloss am 14. Juni 2010, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss gemäß Artikel 304 AEUV um Stellungnahme zu folgender Vorlage zu ersuchen:

Mitteilung der Kommission an den Rat, das Europäische Parlament, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss und den Ausschuss der Regionen — Aktionsplan für Anwendungen des Globalen Satellitennavigationssystems (GNSS)

KOM(2010) 308 endg.

Die mit den Vorarbeiten beauftragte Fachgruppe Verkehr, Energie, Infrastrukturen, Informationsgesellschaft nahm ihre Stellungnahme am 2. Februar 2011 an.

Der Ausschuss verabschiedete auf seiner 469. Plenartagung am 16./17. Februar 2011 (Sitzung vom 16. Februar) mit 112 Ja-Stimmen bei 2 Stimmenthaltungen folgende Stellungnahme:

1.   Schlussfolgerungen und Empfehlungen

1.1

Der Ausschuss begrüßt die Mitteilung der Kommission zu dem „Aktionsplan für Anwendungen des Globalen Satellitennavigationssystems (GNSS)“. Seiner Ansicht nach ist ein Erfolg der europäischen GNSS-Programme wesentliche Voraussetzung für die künftige Gewährleistung von Wohlstand und Sicherheit in der EU. Er fordert den Rat, das Europäische Parlament, die Europäische Kommission und die Mitgliedstaaten auf, dem Potenzial dieser kritischen Infrastruktur angemessen Rechnung zu tragen und sie mit genügend Finanzmitteln und Ressourcen auszustatten, um sie zum Erfolg zu führen.

1.2

Ohne das europäische GNSS kann die in der Europa-2020-Strategie festgeschriebene Vision eines intelligenten, nachhaltigen und integrativen Wachstums kaum verwirklicht werden (1). Ein Erfolg des GNSS-Programms wird Wachstum, Innovation und Wohlstandsschaffung in Europa zugute kommen. Neben den umfangreichen Vorteilen für Verkehrssysteme ist das GNSS auch im Zusammenhang mit der Digitalen Agenda (2) für Anwendungen wie kontextsensitive Informationsverarbeitung, intelligente Netze und das Internet der Dinge hochwichtig.

1.3

Bedauerlicherweise hat Europa aufgrund der zeitlichen Verzögerung von Galileo die Chance verpasst, das europäische GNSS als führende Technologie in Europa und über Europa hinaus zu etablieren. Dadurch ist das US-amerikanische GPS nun weltweit die marktbeherrschende Technologie für GNSS-Anwendungen. Diese Verzögerung kommt Europa teuer zu stehen – zum einen aufgrund der entgangenen Einnahmen durch den Verkauf von Technologien und Diensten, zum anderen im Bereich der öffentlichen Versorgungsleistungen durch die Verspätung bei der Einführung intelligenter Verkehrs- und Energiesysteme und besserer Such- und Rettungsdienste.

1.4

Europa benötigt eine eigene Infrastruktur für sein GNSS, deren Zuverlässigkeit nicht den militärischen Prioritäten der USA, Russlands oder Chinas untergeordnet ist.

1.5

In Anbetracht der Verbreitung der GPS-Dienste fordert der Ausschuss die EU-Industrie auf, die Verbundfähigkeit der GPS- und Galileo-Systeme in den Brennpunkt zu rücken, da die Anwendungen, die die Satellitenkonstellationen beider Systeme nutzen können, von einer höheren Genauigkeit der Positionsbestimmung und einer besseren Verfügbarkeit von Signalen profitieren.

1.6

EGNOS ist bereits seit über einem Jahr in Betrieb. Leider hat die EU den richtigen Augenblick verpasst, dieser Innovation auf dem Markt zum Durchbruch zu verhelfen. Die Kommission muss Marktentwicklung und Innovation beschleunigen, insbesondere angesichts der Verzögerungskosten bei Galileo (bis zu 3 Mrd. EUR jährlich) und des zunehmenden Wettbewerbs seitens der USA, Russlands, Chinas und Japans.

1.7

Die langsame Entwicklung der nachgelagerten GNSS-Anwendungen führt zu Einbußen bei Innovation, Wohlstandsschaffung und Marktvorteilen. Ein blühender Markt für Anwendungen eines europäischen GNSS würde umfangreiche wirtschaftliche, soziale und ökologische Vorteile für die dem GNSS vor- und nachgelagerten Bereiche bringen.

1.8

Der Ausschuss ist beeindruckt davon, was die Europäische Kommission und die Aufsichtsbehörde für das Europäische GNSS (GSA) trotz der begrenzten Ressourcen bisher geleistet haben. Aus diesen begrenzten Ressourcen ergibt sich logisch die in der Mitteilung aufgestellte Rangfolge der Prioritäten für GNSS-Bereiche; und auch die für jeden Bereich umrissenen Maßnahmen machen Sinn.

1.9

Das europäische GNSS hat derzeit nur einen geringen Anteil am Weltmarkt für GNSS-Produkte und –Dienste. Der Ausschuss fordert die Vorlage eines detaillierten Geschäftsplans, der über eine aggressive Marketingstrategie auf eine Erhöhung des Marktanteils abhebt, sowie die Einsetzung eines erstklassigen Expertenteams für die Umsetzung der Zielvorgaben. Er empfiehlt, unter Aufsicht der Europäischen Kommission und der GSA ein spezialisiertes Unternehmen mit der Vermarktung des europäischen GNSS zu beauftragen.

1.10

In der Mitteilung werden die hohe Genauigkeit und die Integrität von EGNOS/Galileo zu Recht als große differenzierende Wettbewerbsvorteile auf dem Markt für GNSS-Dienste genannt; allerdings schwinden diese Vorteile in dem Maße, in dem die Konkurrenz in die Aktualisierung ihrer Systeme investiert. Der Ausschuss hält es für notwendig, kontinuierlich in die Verbesserung von EGNOS und Galileo zu investieren, um die technische Überlegenheit zu wahren. Die Kommission sollte in diesem Zusammenhang gezielt nach weiteren Möglichkeiten der strategischen Differenzierung suchen und in die Entwicklung dauerhafter Wettbewerbsvorteile investieren.

1.11

Überraschenderweise wurde Galileo aus der Digitalen Agenda ausgeklammert, was nach Meinung des Ausschusses auf einen Mangel an integrativem Denken auf strategischer Ebene in der Kommission zurückzuführen ist. Die Kommission sollte Synergien zwischen den europäischen GNSS-Programmen, der Digitalen Agenda und der Leitinitiative „Innovationsunion“ ausloten, insbesondere in Bezug auf Innovation, Interoperabilität von Anwendungen, Vermarktung und Finanzierung. Aus einer Zusammenarbeit mit dem Ziel, intelligente Anwendungen und Dienste zu entwickeln und gemeinsame Ziele mit möglichst geringem Mittelaufwand zu erreichen, könnten erhebliche Vorteile erwachsen.

1.12

Der Ausschuss ersucht den Rat, sich dringend mit der Finanzierung von EGNOS/Galileo zu befassen. Unter den derzeitigen Voraussetzungen gehen die Bemühungen, eine starke europäische kommerzielle GNSS-Plattform aufzubauen, ins Leere.

1.13

Nach Meinung des Ausschusses sollte Europa auf jeden Fall die Einzigartigkeit von Galileo als weltweit erstem nichtmilitärischem bzw. zivilem GNSS als Trumpf ausspielen, um seinen Marktanteil in blockfreien Staaten, vor allem in Afrika und Südamerika, auszubauen. Dies vor Augen sollte die Kommission im Rahmen des „International Committee on GNSS (ICG)“ der Vereinten Nationen (3) eine sehr aktive Führungsrolle übernehmen.

1.14

Der Ausschuss betont die Bedeutung einer Markenstrategie und einer Qualitätsmarke (4) für EGNOS/Galileo-Technologie und –Dienste. Die Kommission sollte auf diese beiden wesentlichen Instrumente bauen, um Erfolg auf dem Markt zu erzielen. Ohne Untermauerung der Vermarktungsbemühungen durch eine klare Markenstrategie werden Ressourcen verschwendet und laufen Anstrengungen ins Leere. Und schlecht konzipierte, konstruierte oder funktionierende EGNOS/Galileo-Technologie wird das Markenimage unwiederbringlich schädigen.

1.15

Der Ausschuss erinnert an seine früheren Stellungnahmen zu Galileo, EGNOS, der Europa-2020-Strategie und der Digitalen Agenda (5).

2.   Hintergrund

2.1

Wir sind in unserem Alltag mittlerweile so abhängig von Satellitennavigationsdiensten geworden, dass es bei Einschränkung oder Abschaltung eines solchen Dienstes zu äußerst kostspieligen Störungen in der Wirtschaft, im Bankwesen, im Verkehr und Luftverkehr, in der Kommunikation usw. – um nur ein paar betroffene Bereiche zu nennen – kommen könnte (Umsatzausfälle, Beeinträchtigungen der Straßenverkehrssicherheit usw.).

2.2

Das US-amerikanische GPS-System, das russische GLONASS-System und die anderen, von Indien, China und Japan entwickelten Systeme sind ursprünglich für militärische Zwecke konzipiert und unterliegen einer militärischen Kontrolle – sie werden zwar auch im zivilen Bereich eingesetzt, doch können die verwendeten Signale beispielsweise im Konfliktfall nach Belieben abgeschaltet oder verschleiert werden.

2.3

Die Programme EGNOS (Geostationärer Navigations-Ergänzungsdienst für Europa) und Galileo wurden Mitte der 90er Jahre mit dem Ziel aufgelegt, ein unabhängiges europäisches globales Satellitennavigationssystem (GNSS) zu errichten. EGNOS ist ein regionales satellitengestütztes Ergänzungssystem für Europa, das die Signale bestehender Satellitennavigationssysteme wie GPS verbessert. Galileo wird derzeit als eigenes europäisches globales Satellitennavigationssystem entwickelt.

2.4

Das Gemeinsame Unternehmen Galileo (GJU) – eine 2003 eingerichtete und 2006 wieder aufgelöste öffentlich-private Partnerschaft – hatte den Auftrag, die Tätigkeiten im Bereich der technologischen Entwicklung zu überwachen, war dabei jedoch dem Europäischen Rechnungshof zufolge „durch unklare Zuständigkeiten, ein unvollständiges Budget, Verzögerungen und die industrielle Organisationsstruktur für die Entwicklungs- und Validierungsphase erheblich eingeschränkt“.

2.5

Infolge des Scheiterns der ÖPP übernahm die EU 2008 im Wege einer Verordnung die Verwaltung der Programme EGNOS und Galileo und die Eigentumsrechte an den Systemen. Laut Verordnung ist die Europäische Kommission zuständig für die Verwaltung der Programme, alle Fragen in Verbindung mit der Sicherheit der Systeme und die Verwaltung der Mittel, die den Programmen zugewiesen werden. Die Aufsichtsbehörde für das Europäische GNSS (GSA) gewährleistet die Sicherheit der Programme, arbeitet an der Vorbereitung der kommerziellen Nutzung der Systeme mit und führt weitere programmbezogene Aufgaben durch, die ihr von der Kommission übertragen werden können.

2.6

Für die Durchführung der Programme werden zwischen 1. Januar 2007 und 31. Dezember 2013 Haushaltsmittel in Höhe von 3,405 Mrd. EUR zur Verfügung gestellt. Allerdings haben sich diese Ad-hoc-Finanzmittel als unzureichend erwiesen, und es gibt keine detaillierten Mittelbindungen für die künftige Programmfinanzierung. Das Finanzierungsproblem hat die Entwicklung stark behindert.

2.7

Der Aktionsplan für Anwendungen des Globalen Satellitennavigationssystems (GNSS) soll die europäische Industrie in die Lage versetzen, die weltweiten nachgelagerten Märkte, deren Potenzial sich auf ca. 100 Mrd. EUR beläuft, mit Galileo und EGNOS zu durchdringen. Die europäische Industrie sollte der Europäischen Kommission zufolge einen größtmöglichen Nutzen aus den Investitionen in die Programme ziehen. Über koordinierte Maßnahmen will die Kommission in den Mitgliedstaaten so weit wie möglich auf die notwendigen Forschungsinvestitionen aufmerksam machen, relevante Informationen verbreiten und Sensibilisierungsmaßnahmen verbessern. Das Risiko von unterschiedlichen Standards und Doppelarbeit durch Alleingänge der Mitgliedstaaten wird somit unterbunden.

2.8

Der Aktionsplan für GNSS-Anwendungen ist auch wichtig, um den durch die Europa-2020-Leitinitiative „Eine Digitale Agenda für Europa“ bewirkten Nutzen weiter zu erhöhen. Beispielsweise könnte das europäische GNSS anstelle von US-amerikanischer, russischer oder chinesischer Technologie für das Internet der Dinge genutzt werden.

2.9

Mit Hilfe von Galileo kann Europa das Potenzial der Satellitennavigation wesentlich besser ausschöpfen als sonst möglich. Über Galileo kann Europa sein Know-how im Weltraum, am Boden und in den Anwendungsbereichen aufrechterhalten und weiterentwickeln und so die wirtschaftlichen Einnahmen und Arbeitsplätze sichern. Unabhängigen Erhebungen und Prognosen zufolge können dadurch und bei Einrechnung der externen Effekte bei den öffentlichen Versorgungsleistungen (leistungsfähigeres Verkehrswesen aufgrund neuer Anwendungen, bessere Verwaltung der Straßeninfrastruktur, wirksamere Rettungseinsätze usw.) in den ersten 20 Jahren bis zu 90 Mrd. EUR erwirtschaftet werden.

2.10

Allerdings versucht das europäische GNSS, in einem vom US-amerikanischen GPS beherrschten Markt Fuß zu fassen. Zudem werden die zivilen Anwendungen des russischen GLONASS beschleunigt ausgebaut und verbessert, und auch das chinesische COMPASS soll ab dem kommenden Jahr Dienste anbieten.

2.11

China baut sein regionales Navigationssatellitensystem Beidou zum globalen Navigationssystem COMPASS auf, um weltweit wettbewerbsfähige zivile Anwendungen anzubieten. Dazu hat China sich einen Teil des für Galileo beantragten Frequenzspektrums angeeignet und argumentiert, dass es im Recht sei, da Europa die Frequenzen schließlich nicht nutze. Die EU bemüht sich auf höchster diplomatischer Ebene um eine Lösung des Konflikts.

3.   Allgemeine Bemerkungen

3.1

Um das wirtschaftliche Potenzial des europäischen GNSS zum Tragen zu bringen und eine hohe Dienstqualität zu gewährleisten, müssen GALILEO und EGNOS GNSS-Standard in Europa werden, mit GPS verbundfähig sein und der Konkurrenz (China, Russland usw.) das Wasser abgraben.

3.2

Die Verbundfähigkeit von GALILEO und GPS muss von der europäischen Industrie als Vorteil begriffen werden, da die Anwendungen, die die Satellitenkonstellationen beider Systeme nutzen können, von einer höheren Genauigkeit der Positionsbestimmung und einer besseren Verfügbarkeit von Signalen profitieren.

3.3

Die Programme EGNOS und Galileo brauchen eine klare Führung und eine vorbehaltlose und umfassende Unterstützung durch die EU, um das durch das Scheitern der ÖPP „Gemeinsames Unternehmen Galileo“ erschütterte Marktvertrauen wieder aufzubauen.

3.4

Ein Erfolg hängt davon ab, dass Wettbewerbsvorteile des europäischen GNSS ausgebaut und genutzt werden. Dazu kann die EU auch Regulierungsmaßnahmen und andere Marktinstrumente einsetzen.

3.5

Bei einer erfolgreichen Marktstrategie muss jeder Bereich der europäischen GNSS-Industrie – Elektronik, Software, Mobilfunk, Funk, Hardware, Satelliten und Anwendungen – unter dem Blickwinkel Produkt/Markt/Wertkette in die Betrachtung einbezogen werden.

3.6

Unter Berücksichtigung des internationalen Wettbewerbsrechts sollte die EU erwägen, in bestimmten Bereichen neue Regulierungsmaßnahmen einzuführen, um die Vorteile von GNSS, insbesondere EGNOS und Galileo, zu nutzen: Vielleicht könnte die EU für spezifische Bereiche wie z.B. die Luftfahrtnavigation den Einsatz von Galileo-Empfängern in Anwendungen und Produkten vorschreiben (nach russischem Vorbild bezüglich GLONASS). Eventuell könnte die EU auch Mindeststandards für Genauigkeit und Integrität für bestimmte Anwendungen vorschreiben, um die Vorteile von Galileo zu nutzen und Wettbewerber abzudrängen.

3.7

Für eine erfolgreiche Marktdurchdringungs- und Anwendungsentwicklungs-Strategie spielt der Empfänger-Chipsatz (6) eine wichtige Rolle, und deshalb ist die Entwicklung kostengünstiger „Dual-Mode“ Galileo-/GPS- Empfängerchips wesentlich. Dazu könnten gezielt F&E-Mittel eingesetzt werden.

3.8

Erfahrungskurveneffekte einer hohen Produktionsmenge sind die Voraussetzung für die preisgünstige Herstellung der Empfängerchips. Es sollte gezielt untersucht werden, wie die EU sicherstellen kann, dass Galileo-Empfänger-Komponenten in ausreichend hoher Stückzahl hergestellt werden können, um im Wettbewerb mit reinen GPS-Empfängern zu bestehen.

3.9

Bei Überlegungen zur Entwicklung der Anwendungsindustrie für das europäische GNSS sollte die Kommission die Gründung und Entwicklung von Innovationsclustern fördern.

3.10

Die Kommission könnte durch die Einbindung großer Unternehmen als Projekt-Champions die Entwicklung von Anwendungen, Produkten und Diensten voranbringen. Diese Champions könnten womöglich eine führende Rolle bei der Entwicklung von KMU-Clustern in spezifischen Anwendungsbereichen oder Produkt-/Marktsegmenten übernehmen.

3.11

Die Förderung und Unterstützung von Unternehmergeist und Innovation ist die Voraussetzung für eine erfolgreiche Einbindung der KMU in die Entwicklung des Marktes für GNSS-Anwendungen. Das Programm für unternehmerische Initiative und Innovation sollte zur Förderung der Mitwirkung von KMU genutzt werden.

4.   Besondere Bemerkungen

4.1   Strategie

4.1.1

Galileo und EGNOS müssen zum GNSS-Standard in Europa werden.

4.1.2

Die EU sollte sich dringend darum kümmern, dass alle wichtigen Flughäfen in Afrika mit EGNOS-Technologie ausgestattet werden. Diese langfristig strategisch wichtige Aktion sollte eingeleitet werden, bevor andere Wettbewerber, insbesondere China, auf den Plan treten.

4.1.3

EGNOS ist bereits seit über einem Jahr in Betrieb. Die Vermarktungs- und Innovationsprogramme sollten dringlicher vorangetrieben werden.

4.1.4

Kommission und GSA haben eine schwierige Aufgabe mit sehr begrenzten Mitteln ausgezeichnet bewältigt. Möglicherweise wäre in Betracht zu ziehen, schon bald ein spezialisiertes Unternehmen mit der Vermarktung des europäischen GNSS zu beauftragen. Die kommerzielle Entwicklung von EGNOS und Galileo ist für einen langfristigen Erfolg unerlässlich, und bislang ist in dieser ungemein wichtigen und vielschichtigen Frage nicht genügend unternommen worden.

4.1.5

Die EU benötigt eine aggressive Marketingstrategie, in deren Rahmen ein erstklassiges Expertenteam auf klare, messbare Ziele hinarbeitet.

4.1.6

Eine klare Führung und eine umfassende Unterstützung durch die EU tun Not, um jedwede Unsicherheit im Zusammenhang mit dem GNSS auszuräumen.

4.1.7

Vertrauen in die Leitung und Verwaltung der GNSS-Programme sind maßgeblich für die Unterstützung in der EU und auf dem Markt. Die derzeitigen Führungs- und Verwaltungsstrukturen sollten überprüft werden, um zu entscheiden, ob – und wenn ja, dann welche – Veränderungen erforderlich sind.

4.1.8

Durch eine kreative und synergistische Zusammenarbeit mit anderen Initiativen wie der Digitalen Agenda oder der Innovationsunion sollte es möglich sein, weitere Mittel für die Vermarktungs- und Innovationsprogramme aufzutun.

4.1.9

Für jeden Bereich der nachgelagerten Industrie – Elektronik, Software, Mobilfunk, Funk, Hardware, Satelliten und Anwendungen – muss eine Vermarktungs- und Innovationsstrategie unter den Gesichtspunkten Wertkette/Produkt-/Marktsegmente aufgestellt werden.

4.1.10

Die Kommission sollte prüfen, in welchen Bereichen neue Regulierungsmaßnahmen eingeführt werden könnten, um die Vorteile von europäischen GNSS-Anwendungen und -Technologien zu nutzen.

4.1.11

Es wäre festzustellen, über welche Art von Regulierungsmaßnahmen sichergestellt werden kann, dass EGNOS/Galileo-Technologien gegenüber weniger guten Technologien bevorzugt werden, insbesondere für Anwendungen, bei denen es auf die kontinuierliche Verfügbarkeit der Dienste oder hohe Genauigkeit und Integrität oder auf Sicherheit ankommt.

4.1.12

Die EU sollte in den europäischen Foren für die Festlegung von Industriestandards (in den Bereichen Verkehr, Luftfahrt, Landwirtschaft) kämpferisch auftreten, um die EGNOS/Galileo-Technologie durchzusetzen, und sich für die bereits vorhandene Verbundfähigkeit von Galileo und GPS stark machen.

4.1.13

Als vorrangige strategische Priorität sollte die Absenkung der Kosten für EGNOS/Galileo-Empfänger-Chipsätze unter die Kosten von reinen GPS-Chipsätzen anvisiert werden. Erfahrungskurveneffekte einer hohen Produktionsmenge sind die Voraussetzung für die preisgünstige Herstellung der Empfängerchips und ihren Einsatz in Anwendungen.

4.1.14

Im Hinblick auf gemeinsame Innovations- und Vermarktungsprogramme sollten dringend Synergien mit den Initiativen „Digitale Agenda“ und „Innovationsunion“ ermittelt werden.

4.1.15

Insbesondere sollte der Unternehmergeist der KMU im Hinblick auf ihre Mitwirkung an der Entwicklung von GNSS-Anwendungen gefördert und unterstützt werden.

4.1.16

Über ein gezieltes Innovationscluster-Entwicklungsprogramm sollten alle Produkt-/Marktgelegenheiten für EGNOS und Galileo erfasst werden.

4.1.17

Auf einer Value Map sollten alle Unternehmen und Organisationen dargestellt werden, die an der Entwicklung von Technologie, Anwendungen und Diensten für EGNOS/Galileo beteiligt sein könnten oder sollten. Die Value Map würde vorhandene und potenzielle Verbindungen zwischen den zahlreichen Akteuren verdeutlichen. Es würde sich um ein machtvolles strategisches Instrument zur Erkennung von Gelegenheiten, Analyse von Problemen und Entwicklung von Plänen handeln.

4.1.18

Geeignete große Unternehmen sollten formell als Projekt-Champions eingebunden werden und eine Meinungsbildnerfunktion bei der Entwicklung von GNSS-Anwendungen in Europa übernehmen.

4.2   Innovation

4.2.1

Nur EGNOS/Galileo-Technologie und Dienste, die höchsten Qualitätsansprüchen genügen, dürfen in Verkehr gebracht werden. Die Technologien müssen sowohl in der Entwicklungsphase als auch auf Endnutzerebene einer ständigen strengen Qualitätskontrolle unterzogen werden.

4.2.2

Es sollten weitere differenzierende Merkmale über Genauigkeit und Integrität hinaus geschaffen werden, indem beispielsweise über innovative Geschäftsmodelle neue Angebote entwickelt werden, die den Verbund mit anderen Technologien und Diensten ermöglichen.

4.2.3

Intelligente Produkte und Dienste, die auf integrierten Technologien und Dienstkomponenten fußen, sollten in Zusammenarbeit mit den Initiativen „Digitale Agenda“ und „Innovationsunion“ gefördert werden.

4.2.4

An dem Anwender-Forum sollten auch Interessenträger teilnehmen, die nicht aus den gängigen Technologie- und Dienstebereichen stammen. Ihre Mitwirkung würde Innovation und kreatives Denken über die bisherigen Horizonte hinaus anregen.

4.2.5

Die Entwicklung kostengünstiger „Dual-Mode“ GPS-EGNOS/Galileo-Empfängerchips sollte vorrangig betrieben werden.

4.2.6

Über eine geeignete Strategie ist sicherzustellen, dass die Erfahrungskurveneffekte, die sich aus einer hohen Produktionsmenge und der daraus folgenden preisgünstigen Herstellung der Empfängerchips ergeben, auch dazu führen, dass EGNOS/Galileo-Chipsätze kostenmäßig im Wettbewerb mit reinen GPS-Empfängern bestehen können.

4.3   Vermarktung

4.3.1

Die Entwicklung des Marktes für GNSS-Anwendungen sollte Marketingexperten anvertraut werden. Die aktuelle Organisations- und Personalstruktur sollte darauf hin überprüft werden. Eventuell wäre in Betracht zu ziehen, unter der Leitung der Europäischen Kommission und der GSA ein spezialisiertes Unternehmen mit der Vermarktung zu beauftragen.

4.3.2

Ein umfassender, wohl durchdachter und solide finanzierter Marketingplan ist wesentlich für eine erfolgreiche Durchführung des Aktionsplans.

4.3.3

Europa sollte über intelligente Zielsetzungen anstreben, seinen Anteil an den Einnahmen auf dem weltweiten nachgelagerten GNSS-Markt zu erhöhen. Die Ziele sollten unter den Gesichtspunkten Wertkette/Marktsegment aufgestellt werden.

4.3.4

Für EGNOS/Galileo sollte eine globale Markenstrategie aufgestellt werden, um die Ziele abzustimmen, den Markenwert herauszustellen, die Marktkommunikation zu vereinfachen und die Marketingprioritäten zu klären.

4.3.5

Über eine ausreichend finanzierte und zielorientierte öffentliche Kommunikations- und Sensibilisierungskampagne sollte EGNOS/Galileo den Bürgern vermittelt werden - allerdings nur im Rahmen einer geeigneten Markenstrategie.

4.3.6

Jede zugelassene EGNOS/Galileo-Technologie sollte mit einem speziellen Gütezeichen versehen werden, um die EGNOS/Galileo-Marke vor Imageschäden zu schützen.

4.3.7

Champions sollten hinzugezogen werden, um KMU zu überzeugen, sich in die Entwicklung einzubringen.

4.3.8

Auf allen Zielmärkten sollten die Champions und Meinungsbildner, insbesondere unter den Großunternehmen, gesucht und umworben werden.

Brüssel, den 16. Februar 2011

Der Präsident des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses

Staffan NILSSON


(1)  „EUROPA 2020: Eine Strategie für intelligentes, nachhaltiges und integratives Wachstum“, KOM(2010) 2020 endg.

(2)  „Eine Digitale Agenda für Europa“, KOM(2010) 245 endg.

(3)  http://www.oosa.unvienna.org/oosa/SAP/gnss/icg.html

(4)  „Qualitätsmarke“ ist zu verstehen als ein Markensystem mit Lizenzvergabe an zugelassene EGNOS/Galileo-Technologieanbieter für den Vertrieb von Technik und Anwendungen, die strengen Qualitätsstandards genügen. Die Wi-Fi-Alliance beispielsweise hat ein solches Markensystem mit großem Erfolg eingesetzt, um die WLAN-Technologie auf dem Markt durchzusetzen. Siehe http://en.wikipedia.org/wiki/Wi-Fi_Alliance bzw. http://de.wikipedia.org/wiki/Wi-Fi.

(5)  ABl. C 221 vom 8.9.2005, S. 28; ABl. C 317 vom 23.12.2009, S. 103-104; ABl. C 54 vom 19.02.2011, S. 58.

(6)  Mit „Chipsatz“ bezeichnet man im Allgemeinen mehrere zusammengehörende integrierte Schaltkreise, die zusammen eine bestimmte Aufgabe erfüllen. Sie werden normalerweise als Einheit vertrieben. Ein Chipsatz wird im Allgemeinen auf eine bestimmte Mikroprozessorenfamilie zugeschnitten. Der Chipsatz hat großen Einfluss auf die gesamte Rechnerleistung. Er steuert das Zusammenspiel und den Datenfluss zwischen dem Prozessor, dem Arbeitsspeicher, den Bussystemen sowie den internen und externen Schnittstellen.


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