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Document 52010DC0250

    Mitteilung der Kommission an das Europäische Parlament, den Europäischen Rat, den Rat, die Europäische Zentralbank, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss und den Ausschuss der Regionen - Verstärkung der wirtschaftspolitischen Koordinierung

    /* KOM/2010/0250 endg. */

    52010DC0250




    [pic] | EUROPÄISCHE KOMMISSION |

    Brüssel, den 12.5.2010

    KOM(2010) 250 endgültig

    MITTEILUNG DER KOMMISSION AN DAS EUROPÄISCHE PARLAMENT, DEN EUROPÄISCHEN RAT, DEN RAT, DIE EUROPÄISCHE ZENTRALBANK, DEN EUROPÄISCHEN WIRTSCHAFTS- UND SOZIALAUSSCHUSS UND DEN AUSSCHUSS DER REGIONEN

    Verstärkung der wirtschaftspolitischen Koordinierung

    MITTEILUNG DER KOMMISSION AN DAS EUROPÄISCHE PARLAMENT, DEN EUROPÄISCHEN RAT, DEN RAT, DIE EUROPÄISCHE ZENTRALBANK, DEN EUROPÄISCHEN WIRTSCHAFTS- UND SOZIALAUSSCHUSS UND DEN AUSSCHUSS DER REGIONEN

    Verstärkung der wirtschaftspolitischen Koordinierung

    „Die Governance des Euroraums und die Koordinierung der Wirtschaftspolitik müssen verbessert werden. Dies erfordert sowohl eine Vertiefung als auch eine Ausweitung der Mechanismen zur wirtschaftlichen Überwachung, damit über den gesamten Konjunkturzyklus hinweg der Finanzpolitik Orientierungen vorgegeben und – langfristig gesehen und parallel dazu – die bestehenden Unterschiede bei Wachstum, Inflation und Wettbewerbsfähigkeit abgebaut werden können.“ (Mitteilung der Kommission „WWU@10: Zehn Jahre Wirtschafts- und Währungsunion – Errungenschaften und Herausforderungen“ vom 7. Mai 2008 - IP/08/716).

    I. Einleitung

    Die weltweite Wirtschaftskrise hat die bestehenden Mechanismen der wirtschaftspolitischen Koordinierung in der Europäischen Union auf die Probe gestellt und Schwachstellen offenbart. Die Funktionsweise der Wirtschafts- und Währungsunion war besonderen Belastungen ausgesetzt, da grundlegende Regeln und Grundsätze nicht eingehalten worden sind. Die bestehenden Überwachungsverfahren haben sich als nicht umfassend genug erwiesen. In der vorliegenden Mitteilung werden Maßnahmen vorgeschlagen, die auf der Grundlage des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) kurzfristig getroffen werden sollten, um Abhilfe zu schaffen.

    Die jüngste Wirtschaftskrise ist in unserer Generation beispiellos. Der im letzten Jahrzehnt verzeichnete stetige Anstieg des Wirtschafts- und Beschäftigungswachstums wurde zunichte gemacht und die Krise hat einige grundlegende Schwächen unserer Wirtschaft offenbart. Durch die in den Jahren vor der Krise aufgelaufenen haushaltspolitischen und sonstigen makroökonomischen Ungleichgewichte war die EU-Wirtschaft anfällig, als die globale Finanzkrise aus- und die weltweite Konjunktur einbrach. Unsere öffentlichen Finanzen wurden schwer in Mitleidenschaft gezogen: Die Defizite stiegen auf durchschnittlich 7 % des BIP und die Schuldenstände auf über 80 % des BIP an, womit sie klar über den im Vertrag festgelegten Referenzwerten von 3 % bzw. 60 % des BIP liegen.

    Hohe öffentliche Schulden lassen sich nicht auf unbegrenzte Zeit halten. Die Durchführung der im März vom Europäischen Rat beschlossenen Strategie Europa 2020 muss auf einer glaubhaften Ausstiegsstrategie beruhen. Die EU steht in den kommenden Jahren vor großen Herausforderungen – die öffentlichen Finanzen müssen konsolidiert werden, während gleichzeitig ein höheres nachhaltiges Wachstum erreicht werden muss. Der Stabilitäts- und Wachstumspakt bietet den richtigen Rahmen für einen geordneten Ausstieg aus der Krise. Doch um das Wachstumspotenzial der EU und die Tragfähigkeit unserer Sozialmodelle zu stützen, müssen bei der Konsolidierung der öffentlichen Finanzen Prioritäten gesetzt und harte Entscheidungen getroffen werden: Die Koordinierung auf EU-Ebene wird hierbei von entscheidender Bedeutung sein und helfen, Spillover-Effekten entgegenzuwirken.

    Die jüngste Finanzkrise und der Druck auf die Finanzstabilität in Europa haben die gegenseitige Abhängigkeit der EU-Volkswirtschaften, insbesondere innerhalb des Euroraums, deutlicher gemacht denn je. Die Mitgliedstaaten wurden dadurch unterstützt, dass sie Teil der EU waren, die auf einen 500 Millionen Verbraucher starken Binnenmarkt und eine gemeinsame Währung von sechzehn ihrer Mitgliedstaaten zählen kann. Dank der bestehenden Instrumente und Verfahren der Koordinierung konnte die EU ihre Anstrengungen zur konjunkturellen Wiederbelebung bündeln und einer Krise die Stirn bieten, wie es kein Mitgliedstaat allein vermocht hätte. Doch die jüngsten Erfahrungen haben auch gezeigt, dass das aktuelle System Lücken und Schwachstellen hat und dass eine stärkere und frühere politische Koordinierung, zusätzliche Präventions- und Korrekturmechanismen und eine Krisenbewältigungsfazilität für die Mitgliedstaaten des Euroraums erforderlich sind.

    Um den unmittelbaren Erfordernissen der Krise zu entsprechen, wurden Notmaßnahmen ergriffen, die am 9. Mai im Beschluss des außerordentlichen Ecofin-Rates gipfelten, auf Vorschlag der Kommission einen Europäischen Stabilisierungsmechanismus einzuführen und die Haushaltskonsolidierung soweit angezeigt zu beschleunigen. Nun sollten Konsequenzen gezogen und Schritte unternommen werden, um das System der wirtschaftspolitischen Steuerung der EU für die Zukunft zu stärken. In der vorliegenden Mitteilung stellt die Kommission ein Dreisäulenkonzept für die Verstärkung der wirtschaftspolitischen Koordinierung vor. Die meisten Vorschläge betreffen die EU als Ganzes, doch wird aufgrund von Artikel 136 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union für den Euroraum ein Konzept vorgeschlagen, das höhere Anforderungen stellt.

    Die Mitteilung befürwortet nachdrücklich, dass die nach dem Vertrag zur Verfügung stehenden Überwachungsinstrumente ausgeschöpft werden. Wo nötig, sollten die bestehenden Instrumente verändert und ergänzt werden. In der Mitteilung wird gefordert, die Einhaltung des Stabilitäts- und Wachstumspakts zu verbessern und die Überwachung auf makroökonomische Ungleichgewichte auszudehnen. Zu diesem Zweck wird vorgeschlagen, ein „Europäisches Semester“ für die Koordinierung der Wirtschaftspolitik einzuführen, so dass die Mitgliedstaaten von einer frühzeitigen Koordinierung auf europäischer Ebene profitieren könnten, wenn sie ihre nationalen Stabilitäts- und Konvergenzprogramme und auch ihre nationalen Haushalte und Reformprogramme aufstellen. Schließlich werden die Grundsätze dargelegt, die einem robusten Krisenbewältigungsrahmen für Euroraum-Mitglieder zugrunde liegen sollten.

    Es handelt sich hier um ambitionierte und notwendige Ideen, zu denen die Kommission die Meinung der Mitgliedstaaten, des Europäischen Parlaments und der interessierten Kreise einholen will. Die Kommission wird in den nächsten Monaten Legislativvorschläge vorlegen, um diese Ideen umzusetzen.

    II. DIE WELTWEITE FINANZKRISE HAT DIE HERAUSFORDERUNGEN FÜR DIE EU-WIRTSCHAFT OFFFENBART UND VERGRÖSSERT

    Die öffentlichen Schulden sind im vergangenen Jahrzehnt nicht in ausreichendem Maße abgebaut worden. Die Haushaltskonsolidierung wurde insbesondere in Zeiten günstiger Konjunktur nicht energisch genug vorangetrieben. Einigen Mitgliedstaaten hat eine steuerergiebige Wirtschaftsaktivität, angetrieben von nicht nachhaltigen Booms bei Wohnimmobilien, Bauwirtschaft und Finanzdienstleistungen, zeitweise kräftig sprudelnde Einnahmen beschert. Als sich diese makrofinanziellen Ungleichgewichte mit der Krise jäh korrigierten, brachen die Steuereinnahmen in den betreffenden Mitgliedstaaten weg und offenbarten eine im Grunde weit schwächere Haushaltsposition als erwartet. Die öffentlichen Haushalte in der Europäischen Union, die 2007 noch nahezu ausgeglichen waren (-0,8 % des BIP in der EU und -0,6 % im Euroraum), werden 2010 voraussichtlich ein Defizit von annähernd 7 % des BIP aufweisen. Die öffentlichen Schulden wachsen weiter an. Nach der jüngsten Prognose der Kommissionsdienststellen wird der öffentliche Schuldenstand 2011 84 % des BIP (Euroraum: 88 %) erreichen, womit der Konsolidierungserfolg der letzten zwanzig Jahre zunichte gemacht ist. Anlass zur Sorge geben außerdem die umfangreichen Eventualverbindlichkeiten aus finanziellen Rettungsmaßnahmen, die sich auf weitere 25 Prozentpunkte des EU-BIP belaufen und zu den seit langem bestehenden budgetären Herausforderungen der Bevölkerungsalterung noch hinzukommen.

    Andere makroökonomische und finanzielle Ungleichgewichte haben insbesondere den Euroraum anfälliger gemacht. Fortdauernde Unterschiede in der Wettbewerbsfähigkeit und makroökonomische Ungleichgewichte im Euroraum stellen ein Risiko für die Funktionsfähigkeit der Wirtschafts- und Währungsunion dar. In den Jahren vor der Krise haben niedrige Finanzierungskosten die Fehlallokation von Ressourcen für oftmals wenig produktive Zwecke gefördert, wodurch es in einigen Mitgliedstaaten zu einem auf Dauer nicht tragbaren Konsumniveau, zur Bildung von Immobilienblasen und zur Anhäufung von Auslands– und Inlandsschulden kam. Unmittelbar vor Ausbruch der Krise erreichte das Wettbewerbsgefälle ein Allzeithoch. Nachdem die Leistungsbilanzen 1999 noch ausgeglichen waren, schwollen die Überschüsse im Euroraum bis 2007 immer weiter bis auf 7,7 % des BIP an, während sich die Leistungsbilanzdefizite zusammengenommen von 3,5 % des BIP 1999 auf 9,7 % 2007 erhöhten.[1] Die Wirtschafts- und Finanzkrise hat dazu geführt, dass sich die Leistungsbilanzen teils wieder ausgeglichen haben. Dies ist jedoch nur teilweise strukturell bedingt. Um die nötigen Anpassungen bei Kosten und Löhnen, Strukturreformen und eine Umverteilung von Beschäftigung und Kapital herbeizuführen, ist eine grundlegende Neuorientierung der Politik erforderlich.

    In Griechenland hat die außergewöhnliche Kombination aus laxer Haushaltspolitik, unzureichender Reaktion auf wachsende Ungleichgewichte, strukturellen Schwächen und falschen Statistikmeldungen eine noch nie dagewesene staatliche Schuldenkrise ausgelöst. Dass die grundlegende Haushaltsposition teils auf falsche Datenmeldungen in der Vergangenheit, hauptsächlich jedoch auf eine verfehlte Haushaltspolitik zurückzuführen war, zeigte sich auf brutale Weise. Auch wenn diese Situation teilweise überhaupt erst durch die Schwächen des bestehenden Rahmens für die wirtschaftspolitische Überwachung entstehen konnte, macht sie doch in aller Deutlichkeit klar, wie wichtig es ist, die tatsächliche Einhaltung der Regeln sicherzustellen. Im Angesicht einer bespiellosen staatlichen Schuldenkrise, für die dem Euroraum kein Abhilfeinstrument zur Verfügung stand, einigten sich die Mitgliedstaaten auf ein Rettungspaket zur Erhaltung der Finanzstabilität in Europa.[2] Die vorliegende Mitteilung zielt auf eine deutliche Stärkung unseres Überwachungsmechanismus ab, damit kein Mitgliedstaat jemals wieder in eine solche Lage geraten kann. Doch die Krise unterstreicht auch, dass geeignete Instrumente vorhanden sein müssen, um Situationen, die die Finanzstabilität des Euroraums gefährden, bewältigen zu können.

    III . AUSBAU DER WIRTSCHAFTSPOLITISCHEN KOORDINIERUNG

    III.1. Bessere Einhaltung des Stabilitäts- und Wachstumspakts und tiefergehende haushaltspolitische Koordinierung

    Die Regeln und Grundsätze des Stabilitäts- und Wachstumspakts sind maßgebend und gültig. Dennoch haben die Mitgliedstaaten trotz des Pakts in Zeiten günstiger Konjunktur keine ausreichenden Puffer gebildet. Die Stärkung der präventiven Komponente der haushaltspolitischen Überwachung muss integraler Bestandteil einer engeren haushaltspolitischen Koordinierung sein. Auch muss die Einhaltung der Regeln verbessert und die langfristige Tragfähigkeit der öffentlichen Finanzen stärker in den Fokus gerückt werden.

    Kernpunkt der präventiven Arbeit im Rahmen des Pakts ist die Aufstellung und Bewertung der Stabilitäts- und Konvergenzprogramme. Ihre Wirkung und Wirksamkeit sollten entscheidend verstärkt werden, indem die Ex-ante-Dimension des Prozesses ausgebaut wird und mehr Schärfe erhält. Ersteres wird nachstehend (in Abschnitt III.3) mit der Einführung eines „Europäischen Semesters“ angesprochen. Letzteres könnte beispielsweise durch Schaffung der Möglichkeit geschehen, bei unangemessener Haushaltspolitik verzinsliche Einlagen zu verlangen, wenn Mitgliedstaaten ihren mittelfristigen Haushaltzielen in Zeiten günstiger Konjunktur nicht in ausreichendem Maße näherkommen. Dies würde eine Änderung der Sekundärrechtsvorschriften erfordern.

    Die nationalen haushaltspolitischen Rahmen müssen die Prioritäten der EU-Haushaltsüberwachung besser widerspiegeln. Die Mitgliedstaaten sollten ermuntert werden, das im Vertrag verankerte Ziel gesunder öffentlicher Finanzen in ihr nationales Recht zu integrieren. Der nationale haushaltspolitische Rahmen ist die Gesamtheit aller Faktoren, die die Grundlage für die nationale Haushaltsführung bilden, d.h. die länderspezifischen institutionellen Gegebenheiten, die die Gestaltung der Haushaltspolitik auf nationaler Ebene bestimmen. Um die Komplementarität der haushaltspolitischen Rahmen der EU und der Mitgliedstaaten inhaltlich zu konkretisieren, könnte die gemäß Protokoll Nr. 12 AEUV bestehende Pflicht der Mitgliedstaaten, im Haushaltsbereich über innerstaatliche Verfahren zu verfügen, die sie in die Lage versetzen, ihre sich aus dem Vertrag ergebenden Verpflichtungen im Bereich der Haushaltsdisziplin zu erfüllen, mittels rechtsverbindlicher Instrumente präzisiert werden. Beispielsweise könnte mit solchen Instrumenten vorgeschrieben werden, dass die nationalen Rahmen mehrjährige Haushaltsverfahren widerspiegeln müssen, um die Erreichung der mittelfristigen haushaltspolitischen Ziele sicherzustellen.

    Das Verfahren bei einem übermäßigen Defizit (Defizitverfahren) bildet den Eckpfeiler der korrektiven Komponente des Stabilitäts- und Wachstumspakts. Doch die korrektive Komponente des Defizitverfahrens kommt zu spät ins Spiel, als dass sie für die Mitgliedstaaten die richtigen Anreize schaffen würde, bereits gegen entstehende Haushaltsungleichgewichte vorzugehen. Die Funktionsweise des Defizitverfahrens könnte verbessert werden, indem die Verfahren insbesondere für Mitgliedstaaten, die wiederholt gegen den Pakt verstoßen, beschleunigt werden. Dies wird Änderungen der Sekundärrechtsvorschriften erfordern.

    Der öffentliche Schuldenstand und seine langfristige Tragfähigkeit sollten stärker in den Vordergrund rücken. Die jüngsten Geschehnisse haben nicht nur die Anfälligkeit von Mitgliedstaaten deutlich gemacht, die sehr hohe öffentliche Schulden zu bedienen haben, sondern auch die potenziell negativen grenzübergreifenden Auswirkungen vor Augen geführt. Eine hohe Verschuldung belastet die mittel- bis langfristigen Wachstumsaussichten und nimmt den Regierungen die Möglichkeit, glaubhafte antizyklische Maßnahmen zu ergreifen, wenn diese am dringendsten gebraucht werden. Dies gilt insbesondere angesichts der wachsenden Risiken für die langfristige Tragfähigkeit der öffentlichen Finanzen, die unter anderem aus den jüngsten Banken-Rettungspaketen und aus der Bevölkerungsalterung erwachsen.

    Das Schuldenstandskriterium des Defizitverfahrens sollte wirksam durchgesetzt werden. Das Defizitverfahren sollte der Wechselwirkung zwischen Schuldenstand und Defizit besser Rechnung tragen, damit der Anreiz für eine vorsichtige Politik steigt. Bei Mitgliedstaaten mit einer Schuldenquote von über 60 % des BIP sollte das Defizitverfahren eingeleitet werden, wenn der Schuldenstand innerhalb einer festgelegten Vorlaufperiode nicht um einen angemessenen Richtwert zurückgeführt worden ist. Kommission und Rat müssten insbesondere bewerten, ob das Haushaltsdefizit mit einem stetigen und erheblichen Rückgang des öffentlichen Schuldenstands in Einklang steht. Haushaltsrisiken aus expliziten und impliziten Verbindlichkeiten sollten als einschlägiger Faktor berücksichtigt werden. Ebenso sollte die Einstellung des Defizitverfahrens bei Mitgliedstaaten mit einem Schuldenstand von über 60 % des BIP davon abhängig gemacht werden, wie die projizierte Schuldenstandsentwicklung und die bestehenden Risiken bewertet werden. Dieser Ansatz ist in vollem Umfang mit Artikel 126 AEUV vereinbar und würde einige Änderungen der Sekundärrechtsvorschriften erfordern.

    Um eine bessere Einhaltung der Regeln des Stabilitäts- und Wachstumspakts sicherzustellen, sollte stärker auf die Verwendung von EU-Mitteln geachtet werden. Zurzeit kommt die Einfrierung von Zahlungen aus dem Kohäsionsfonds, auf die nur eine begrenzte Zahl von Mitgliedstaaten Anspruch hat, erst in einer späten Phase des Defizitverfahrens (Artikel 126 Absatz 8 AEUV) in Frage.

    Bei der Vorbereitung der Beschlüsse über den nächsten Finanzrahmen sollte in Erwägung gezogen werden, die Ausgaben aus dem EU-Haushalt in umfassenderer Weise und schon frühzeitiger als Anreiz für die Einhaltung des Pakts zu nutzen. Ziel sollte es sein, faire, zeitnahe und wirksame Anreize für die Einhaltung der Regeln des Stabilitäts- und Wachstumspakts zu setzen. Eine stärkere Konditionalität könnte eingeführt und die Mitgliedstaaten könnten aufgefordert werden, Mittel zugunsten einer qualitativen Verbesserung der öffentlichen Finanzen umzuschichten, wenn das Bestehen eines übermäßigen Defizits (nach Artikel 126 Absatz 6 AEUV) festgestellt wurde.

    Der Kohäsionspolitik sollte eine eindeutigere Rolle dabei zukommen, Maßnahmen der Mitgliedstaaten zur Behebung von Strukturschwächen und Wettbewerbsfähigkeitsproblemen zu unterstützen. Der bevorstehende fünfte Kohäsionsbericht wird entsprechende Vorschläge enthalten, insbesondere um die institutionellen Kapazitäten und die Effizienz der öffentlichen Verwaltungen zu verbessern.

    Während des laufenden Finanzrahmens sollte bei wiederholten Verstößen gegen den Pakt eine rigorosere und regelbasierte Anwendung der bestehenden Klausel über die Aussetzung von Kohäsionsfondsmitteln erfolgen.

    Verbesserung der Funktionsweise der bestehenden Mechanismen des Stabilitäts- und Wachstumspakts

    - Erhöhung der Wirksamkeit der Stabilitäts- und Konvergenzprogrammbewertungen durch bessere Ex-ante-Koordinierung

    - Stärkere Berücksichtigung der Prioritäten der EU-Haushaltsüberwachung in den nationalen haushaltspolitischen Rahmen

    Abbau hoher öffentlicher Schulden und Sicherung der langfristigen Tragfähigkeit der öffentlichen Finanzen

    - Aufwertung des im Vertrag verankerten Schuldenstandskriteriums

    - Bessere Berücksichtigung der Wechselwirkung zwischen Schuldenstand und Defizit

    Bessere Anreize und Sanktionen zur Einhaltung der Regeln des Stabilitäts- und Wachstumspakts

    - Verzinsliche Einlagen bei verfehlter Haushaltspolitik

    - Rigoroserer und an Auflagen gebundener Einsatz von EU-Ausgaben, um eine bessere Einhaltung der Regeln des Stabilitäts- und Wachstumspakts sicherzustellen

    - Beschleunigte Verfahren und rigorosere Anwendung der Kohäsionsfondsverordnung bei wiederholten Verstößen gegen den Pakt.

    III.2. Hin zu einer umfassenderen Überwachung von makroökonomischen Entwicklungen und Wettbewerbsfähigkeit im Euroraum

    Makrofinanzielle und strukturelle Ungleichgewichte stehen im Mittelpunkt der umfassenden EU-Strategie für Wachstum und Beschäftigung „Europa 2020“. Europa 2020 beschreibt eine ambitionierte und umfassende Strategie für ein intelligentes, nachhaltiges und integratives Wachstum der EU-Wirtschaft. Die Beseitigung der Schwächen Europas bei der Überwachung makrofinanzieller und struktureller Herausforderungen wird vor dem Hintergrund der Krise neu in den Fokus gerückt. Angesichts der tiefen wirtschaftlichen und finanziellen Verflechtungen im Euroraum und der Folgen, die diese Verflechtungen auf die einheitliche Währung haben, fordert Europa 2020 die Entwicklung eines spezifischen politischen Rahmens für den Euroraum, um größere makroökonomische Ungleichgewichte anzugehen[3].Folglich hat der Europäische Rat die Kommission im März 2010 ersucht, bis Juni 2010 Vorschläge zur Verstärkung der Koordinierung im Euroraum vorzulegen und dabei das neue Instrumentarium für die Koordinierung der Wirtschaftspolitik, das Artikel 136 des Vertrags (AEUV) bietet, zu nutzen.

    Die Akkumulation hoher, über längere Zeit bestehender makroökonomischer Ungleichgewichte unter den Mitgliedstaaten des Euroraums birgt die Gefahr, die Kohäsionskraft des Euroraums auszuhöhlen und ein spannungsfreie Funktionieren der WWU zu behindern. Um die Entstehung schwerer Ungleichgewichte im Euroraum zu verhindern, müssen daher die Analyse vertieft und die wirtschaftspolitische Überwachung über den Haushaltsaspekt hinaus auch auf andere makroökonomische Ungleichgewichte ausgedehnt werden, einschließlich der Entwicklung der Wettbewerbsfähigkeit und grundlegender struktureller Herausforderungen. Vorgeschlagen wird, die derzeitige „Peer Review“ makroökonomischer Ungleichgewichte im Rahmen der Eurogruppe auf der Grundlage von Artikel 136 AEUV zu einem strukturierten Überwachungsrahmen für Mitgliedstaaten des Euroraums auszubauen. Dieser Rahmen wird eine tiefergehende Überwachung, eine anspruchsvollere politische Koordinierung und ein strikteres Follow-up beinhalten, als es bei Europa 2020 für alle EU-Mitgliedstaaten vorgesehen ist. Wie beim EU-Haushaltsrahmen, der ebenfalls für alle EU-Mitgliedstaaten gilt, würden für die Mitgliedstaaten des Euroraums strengere Regeln gelten.

    Die Überwachung wird unter anderem einen „Anzeiger“ umfassen, dem entnommen werden kann, wann Handlungsbedarf besteht. Ein Anzeiger, der sowohl externe als auch interne Entwicklungen widerspiegelt, würde definiert und regelmäßig überwacht. Er würde einen aussagekräftigen Satz von Indikatoren umfassen und unter anderem Entwicklungen im Hinblick auf Leistungsbilanz, Nettoauslandsposition, Produktivität, Lohnstückkosten, Beschäftigung und reale effektive Wechselkurse, öffentlichen Schuldenstand sowie Kreditkosten und Aktien- und Immobilienpreise im Privatsektor reflektieren. Besonders wichtig wäre es, einen Boom bei Aktien- und Immobilienpreisen und ein übermäßiges Kreditwachstum bereits im Frühstadium zu erkennen, so dass kostspielige Berichtigungen haushaltspolitischer und externer Ungleichgewichte in einer späteren Phase vermieden werden können. Auf der Grundlage dieser Analyse würden dem/den betreffenden Mitgliedstaat(en) vorbeugende oder korrektive Maßnahmen empfohlen.

    Für den Euroraum wird die Kommission auch die Entwicklung makroökonomischer Ungleichgewichte und die Gesamtaussichten bewerten. Die Kommission würde sowohl für den gesamten Euroraum als auch auf Länderbasis das Risiko jeglicher makroökonomischer Ungleichgewichte bewerten, die ein reibungsloses Funktionieren des Euroraums in Gefahr bringen könnten. In einem solchen Fall würde die Kommission das zugrunde liegende Risiko entstehender Ungleichgewichte einer ausführlicheren Analyse unterziehen. Auf der Grundlage dieser Analyse würden wirtschaftspolitische Eckpunkte vorgegeben. Der Rat würde den/die betreffenden Mitgliedstaat(en) auffordern, die notwendigen Maßnahmen zu treffen, um der Situation abzuhelfen, wobei jedoch nur die Mitglieder des Euroraums abstimmen würden. Sollte(n) der/die Mitgliedstaat(en) es versäumen, innerhalb der gesetzten Frist angemessene Maßnahmen zu ergreifen, um das übertriebene Ungleichgewicht zu korrigieren, könnte der Rat die Überwachung im Hinblick auf den betroffenen Mitgliedstaat intensivieren, um ein reibungsloses Funktionieren der WWU zu gewährleisten, und auf Vorschlag der Kommission beschließen, präzise wirtschaftspolitische Empfehlungen zu veröffentlichen. Bei Bedarf würde die Kommission ihre Möglichkeit wahrnehmen, direkt an einen Mitgliedstaat des Euroraums gerichtete Frühwarnungen abzugeben. Falls erforderlich, könnten zu gegebener Zeit auch Empfehlungen an den gesamten Euroraum gerichtet werden.

    Vorbeugende und korrektive Maßnahmen können sich in einer Vielzahl politischer Bereiche als nötig erweisen, um makroökonomische Ungleichgewichte und die zugrunde liegenden strukturellen Ursachen zu beheben. Anders als bei der Berichtigung eines übermäßigen Defizits hat die Wirtschaftspolitik bei der Entwicklung externer Ungleichgewichte in der Regel nur indirekte und verzögerte Auswirkungen. Je nach den Herausforderungen, mit der die betreffende Wirtschaft konfrontiert ist, könnten deshalb politische Empfehlungen (im Rahmen des Stabilitäts- und Wachstumspaktes) sowohl einnahmen- als auch ausgabenseitige Aspekte der Haushaltspolitik betreffen, da die Krise gezeigt hat, dass Entwicklungen bei der Zusammensetzung der Staatseinnahmen ebenfalls ein wichtiger Indikator für potenzielle Ungleichgewichte sind. Solche Empfehlungen könnten das Funktionieren der Arbeits-, Produkt- und Dienstleistungsmärkte unter Berücksichtigung der Grundzüge der Wirtschafts- und der Beschäftigungspolitik betreffen. Sie sollten auch Aspekte der makroprudenziellen Aufsicht erfassen, um in Einklang mit künftigen Analysen des Europäischen Ausschusses für Systemrisiken ein übermäßiges Kreditwachstum oder ausufernde Entwicklungen bei den Aktien- und Immobilienpreisen zu verhindern oder einzudämmen.

    Stärkung und Ausweitung der Überwachung makroökonomischer Entwicklungen im Euroraum Basierend auf Europa 2020 Schaffung eines Rahmens für eine verstärkte und erweiterte makroökonomische Überwachung von Mitgliedstaaten des Euroraums auf der Grundlage einer Verordnung nach Artikel 136 AEUV Entwicklung eines Anzeigers von Indikatoren zur Festlegung von Alarmschwellen für starke Ungleichgewichte Formulierung länderspezifischer Empfehlungen Rückgriff auf formale Rechtsakte des Rates mit Abstimmung in der Euroraum-Konfiguration |

    - III.3. Eine integrierte Koordinierung der Wirtschaftspolitik in der EU: das „Europäische Semester“

    Um eine stärker integrierte Überwachung der Wirtschaftspolitik zu erreichen, wurde im Rahmen der Initiative Europa 2020 vorgeschlagen, die Bewertung der Haushalts- und Strukturpolitik der EU-Mitgliedstaaten zu synchronisieren. Die Ergebnisse einer solchen umfassenderen makroökonomischen Überwachung sollten sich auch in der Formulierung haushaltspolitischer Empfehlungen im Rahmen des Stabilitäts- und Wachstumspakts niederschlagen. So kann insbesondere das Auftreten signifikanter makroökonomischer Ungleichgewichte ehrgeizigere Haushaltsziele erforderlich machen. Genauso würde die Kommission bei der Bewertung des Risikos signifikanter Ungleichgewichte und der Entscheidung über eine angemessene politische Reaktion Beiträge des Europäischen Ausschusses für Systemrisiken berücksichtigen. Warnungen und Empfehlungen, die der Europäische Ausschuss für Systemrisiken an einen oder mehrere Mitgliedstaaten richtet, würden als Angelegenheit von gemeinsamem Interesse betrachtet, während gleichzeitig in angebrachtem Maße Gruppendruck ausgeübt würde, damit entsprechende Abhilfemaßnahmen ergriffen werden. Ein integrierter Überwachungszyklus im Rahmen eines Europäischen Semesters dürfte mehr Synergien zwischen den verschiedenen Aspekten der wirtschaftspolitischen Koordinierung möglich machen und deren Kohärenz verbessern.

    Vorbeugung ist wirksamer als Korrektur. Heute wird im Zyklus der wirtschaftspolitischen Überwachung in erster Linie ex post geprüft, inwiefern die Wirtschaftspolitik mit den Regeln des Stabilitäts- und Wachstumspaktes (SWP) und den Grundzügen der Wirtschaftspolitik vereinbar ist. Die derzeit noch fehlende Ex ante- Dimension der haushalts- und wirtschaftspolitischen Überwachung würde es ermöglichen, echte Leitlinien zu formulieren, die der europäischen Dimension Rechnung tragen und in die nationale Entscheidungsfindung einfließen könnten. Die rechtzeitige Formulierung länderspezifischer Empfehlungen käme allen Aspekten der haushaltspolitischen, makrofinanziellen und strukturellen Überwachung zugute.

    Ein System frühzeitiger „Peer Reviews“ der Staatshaushalte würde Unstimmigkeiten und entstehende Ungleichgewichte aufdecken. Um sicherzustellen, dass wahrheitsgemäße und exakte Daten geliefert werden, müsste das Mandat Eurostats zur Prüfung nationaler Statistiken in Übereinstimmung mit den jüngsten Vorschlägen der Kommission verstärkt werden. Der betreffende Vorschlag sollte rasch in Kraft gesetzt werden, da dadurch die Qualität der Berichterstattung über die öffentlichen Finanzen verbessert würde. Wenn budgetäre Ungleichgewichte früher angegangen würden, wäre es einfacher, diese umzukehren, und könnten ernsthafte Risiken für die makroökonomische Stabilität und die Tragfähigkeit der öffentlichen Finanzen vermieden werden. Die Stabilitäts- und Konvergenzprogramme sollten in der ersten Jahreshälfte und nicht, wie derzeit üblich, erst gegen Ende des Jahres vorgelegt werden. Frühzeitige “Peer Reviews“ würden es unter vollständiger Wahrung der Vorrechte der nationalen Parlamente ermöglichen, Leitlinien für die Aufstellung der öffentlichen Haushalte für das folgende Jahr vorzugeben.

    Für den Euroraum sollte eine horizontale Bewertung der Haushaltslage vorgenommen werden, wobei als Grundlage die nationalen Stabilitätsprogramme und die Prognosen der Kommission dienen. Wenn im Euroraum ernsthafte wirtschaftliche Belastungen auftreten und umfangreichere haushaltspolitische Maßnahmen einzelner Mitgliedstaaten Auswirkungen auf andere Mitgliedstaaten haben könnten, sollte der Gesamtlage besondere Aufmerksamkeit gewidmet werden. Bei offensichtlichen Unzulänglichkeiten der Haushaltspläne für das kommende Jahr könnte eine Überarbeitung der Pläne empfohlen werden. Die Eurogruppe sollte in diesem neuen System der stärkeren Koordinierung eine zentrale Rolle spielen und gegebenenfalls wie im Vertrag von Lissabon vorgesehen formelle Entscheidungen treffen.

    Der Überwachungszyklus für die Haushalts- und Strukturpolitik sollte in ein Europäisches Semester eingebunden werden. Dieses würde Anfang des Jahres mit einer horizontal ausgelegten Überprüfung beginnen, bei der der Europäische Rat auf der Grundlage von Analysen der Kommission die wichtigsten wirtschaftlichen Herausforderungen der EU und des Euroraums beschreibt und strategische Hinweise für die Politik formuliert. Die Mitgliedstaaten würden die Schlussfolgerungen dieser horizontalen Gespräche bei der Erstellung ihrer Stabilitäts- und Konvergenzprogramme (SKP) und Nationalen Reformprogramme (NRP) berücksichtigen. SKP und NRP würden gleichzeitig vorgelegt, so dass die Haushaltsstrategien und -ziele auch etwaige Auswirkungen von Reformen auf Wachstum und Haushalt widerspiegeln können. Ferner würden die Mitgliedstaaten – unter Berücksichtigung aller nationalen Vorschriften und Verfahren – dazu ermutigt, vor Übermittlung der SKP und NRP zum Zweck der multilateralen Überwachung auf EU-Ebene ihre nationalen Parlamente in diesem Prozess einzubeziehen. Der Rat würde auf der Grundlage der Bewertung der Kommission seine eigene Bewertung und Leitlinien zu einem Zeitpunkt vorlegen, zu dem sich wichtige Haushaltsentscheidungen auf nationaler Ebene noch in der Vorbereitungsphase befinden. Auch das Europäische Parlament sollte hier angemessen einbezogen werden.

    Ein „Europäisches Semester“ für eine besser integrierte Ex ante-Koordinierung der Haushaltspolitik

    - Abstimmung der Vorlage der SKP und NRP und der Gespräche darüber mit dem Ziel, sich einen Eindruck von der wirtschaftlichen Gesamtlage zu verschaffen und die zeitliche Abstimmung mit den nationalen Haushaltszyklen zu verbessern

    - Gewährleistung wirksamer und rechtzeitiger politischer Empfehlungen vom Europäischen Rat auf der Grundlage der Bewertung der Kommission

    (Wirksamere integrierte Überwachung unter Nutzung aller Vorteile der „Peer-Review“

    III.4. Ein robuster Rahmen für das Krisenmanagement der Euroraum-Mitglieder

    Die Krise in Griechenland hat gezeigt, dass ein robuster Rahmen für das Krisenmanagement der Euroraum-Mitglieder nötigt ist.

    Finanzielle Schwierigkeiten eines Mitgliedstaats können die makrofinanzielle Stabilität des gesamten Euroraums gefährden. Die Krise hat deutlich vor Augen geführt, dass die oben besprochenen Instrumente der Überwachung, Vorbeugung und Anpassung durch einen robusten Rahmen für das Krisenmanagement ergänzt werden müssen. Die Zahlungsbilanzhilfen der EU haben in finanzielle Schwierigkeiten geratenen Mitgliedstaaten, die nicht Mitglied des Euroraums sind, wertvolle Unterstützung geboten. Die Ungewissheit hinsichtlich Verfügbarkeit und Modalitäten der Finanzhilfen für Griechenland führte zu einem stärkeren Übergreifen auf andere Mitgliedstaaten und gefährdete so die finanzielle Stabilität des gesamten Euroraums.

    Die Bereitstellung finanzieller Hilfe an Mitgliedstaaten des Euroraums, die in ernsthafte finanzielle Schwierigkeiten geraten sind, erfordert eindeutige und glaubwürdige Verfahren, um die finanzielle Stabilität des Euroraums mittel- und langfristig zu erhalten.

    Eine zielgerichtete und an bestimmte Bedingungen geknüpfte Finanzhilfe erfordert einen Rahmen, der die finanzielle Stabilität des Euroraums stärkt und das Risiko fahrlässigen Verhaltens mindert. Im Mittelpunkt des Krisenbewältigungsmechanismus für den Euroraum stehen strenge Auflagen und Zinssätze, die Anreize für eine Rückkehr zu einer Marktfinanzierung schaffen und die Wirksamkeit der finanziellen Unterstützung gewährleisten. Wenn die Krisenvorbeugung scheitert und dies sich in einem objektiven Finanzierungsbedarf äußert, würde als letzter Ausweg die Hilfeleistung aktiviert, um die finanzielle Stabilität des gesamten Euroraums zu schützen. Diese würde durch ein detailliertes und anspruchsvolles Programm politischer Auflagen begleitet, das garantieren würde, dass während des Zeitraums der Hilfeleistung die erforderlichen (haushaltspolitischen und strukturellen) Anpassungen vorgenommen werden, um die langfristige Zahlungsfähigkeit zu gewährleisten und eine möglichst rasche Rückkehr zu einer Marktfinanzierung zu erleichtern.

    Finanzhilfe sollte die Form von Krediten annehmen. Die Kreditvergabe an ein Mitglied des Euroraums steht – im Gegensatz zur Übernahme der Staatsschuld – nicht im Widerspruch zu Artikel 125 AEUV. Das politische Programm und die Auflagen sollten auf der Grundlage von Artikel 136 AEUV formuliert werden. Die Erfahrungen mit der EU-Zahlungsbilanzhilfe für Nichtmitglieder des Euroraums haben gezeigt, dass ein einheitlicher Rahmen, innerhalb dessen die EU Schuldtitel zur Finanzierung von Notkrediten ausgibt, eine gute Kombination eines relativ effizienten Managements mit politischer Aufsicht durch den Rat ermöglicht.

    Politische Auflagen müssen in erster Linie darauf abzielen, die zugrunde liegenden Ungleichgewichte im betroffenen Mitgliedstaat anzugehen und dadurch ein reibungsloses Funktionieren der WWU zu gewährleisten. Mit den Auflagen würde typischerweise ein angemessener Mix aus mehreren Elementen angestrebt: Haushaltskonsolidierung und Verstärkung der Haushaltskontrolle unter Berücksichtigung der Steuerpolitik, Stabilisierung des Finanzsektors, insofern Schwierigkeiten des Finanzsektors die Probleme der öffentlichen Finanzen mitverursachen, sowie umfassendere politische Maßnahmen zur Wiederherstellung der makroökonomischen Stabilität und des außenwirtschaftlichen Gleichgewichts. Über den Haushaltsaspekt hinaus sollte der Schwerpunkt auf der Auflösung makroökonomischer Ungleichgewichte unter Berücksichtigung der Entwicklung der Wettbewerbsfähigkeit und grundlegender struktureller Herausforderungen liegen. Dies wird eine konsequentere Überwachung, eine anspruchsvollere politische Koordinierung und ein konsequenteres Follow-up erfordern, um sicherzustellen, dass die nötigen strukturellen Reformen rasch umgesetzt werden.

    Am 9. Mai hat der ECOFIN-Rat auf Vorschlag der Kommission die Einführung eines befristeten europäischen Stabilisierungsmechanismus beschlossen, um dem unmittelbaren Handlungsbedarf in der Krise gerecht zu werden. Dies war Teil eines größeren Pakets, einschließlich deutlicher Verpflichtungen zur gegebenenfalls erforderlichen Haushaltskonsolidierung und der Einbeziehung des IWF im Rahmen seiner normalen Fazilitäten in Einklang mit den unlängst verabschiedeten europäischen Programmen.

    Dieser Mechanismus wurde geschaffen, um die aktuellen außergewöhnlichen Umstände in den Griff zu bekommen, und umfasst eine finanzielle Unterstützung in Höhe von bis zu 500 Mrd. EUR. Der finanzielle Beistand würde im Rahmen einer gemeinsamen EU-/IWF-Unterstützung strengen Auflagen unterliegen; die Bestimmungen und Bedingungen sind denen einer Unterstützung durch den IWF vergleichbar. Der Mechanismus wird aus zwei komplementären Quellen finanziert. Die erste basiert auf einer Verordnung des Rates auf der Grundlage von Artikel 122 Absatz 2 und kann bis zu 60 Mrd. EUR zur Verfügung stellen. Darüber hinaus sind die Mitgliedstaaten des Euroraums bereit, diese Mittel im Wege bilateraler Abkommen über eine Zweckgesellschaft zu ergänzen. Diese Zweckgesellschaft würde eine Kreditaufnahme mit Finanzgarantien der teilnehmenden Mitgliedstaaten in Höhe von bis zu 440 Mrd. EUR ermöglichen.

    Dieser Mechanismus ist weitgehend mit den Grundprinzipien eines permanenten robusten Krisenbewältigungsmechanismus vereinbar . Deshalb ist die Kommission der Ansicht, dass die höchste Priorität nunmehr darin bestehen muss, die vollständige Einsatzfähigkeit dieses Mechanismus zu erreichen. Die Kommission beabsichtigt, auf mittlere bis lange Sicht einen Vorschlag für einen permanenten Krisenbewältigungsmechanismus zu unterbreiten, der sich auf die Erfahrungen mit diesem Mechanismus stützen wird.

    IV. NÄCHSTE SCHRITTE

    Die Kommission wird die in dieser Mitteilung präsentierten Reformvorschläge in Einklang mit ihren im Vertrag festgelegten Zuständigkeiten ausarbeiten. Sie legt großen Wert darauf, die in dieser Mitteilung beschriebenen Reformen rasch voranzubringen. Die aktuelle wirtschaftliche Lage erfordert dringend eine rasche Umsetzung der Maßnahmen, die vorgeschlagen wurden, um die wirtschaftspolitische Steuerung in der EU und im Euroraum zu verbessern. Das erste Europäische Semester sollte Anfang 2011 beginnen.

    Die Kommission steht bereit, schnell legislative Vorschläge, einschließlich einer Änderung der Verordnungen des Stabilitäts- und Wachstumspakts, zu unterbreiten, um makroökonomischen Ungleichgewichten innerhalb des Euroraums vorzubeugen und diese gegebenenfalls zu korrigieren, und um einen permanenten Rahmen für die Krisenbewältigung zu schaffen.

    [1] Die im Verhältnis zum BIP angegebenen Leistungsbilanzüberschüsse spiegeln die zusammengerechneten Überschüsse von Deutschland, Luxemburg, den Niederlanden, Österreich und Finnland wider. Die Leistungsbilanzdefizite im Verhältnis zum BIP entsprechen den zusammengerechneten Defiziten von Irland, Griechenland, Spanien, Zypern und Portugal.

    [2] Schlussfolgerungen des Ecofin-Rates vom 9. Mai 2010.

    [3] Die Kommission hat sich in der Vergangenheit schon mehrfach für eine tiefergehende und umfassendere Koordinierung im Euroraum ausgesprochen, unter anderem in der jährlichen Stellungnahme zum Euroraum von 2009 und der Mitteilung „WWU@10: Zehn Jahre Wirtschafts- und Währungsunion – Errungenschaften und Herausforderungen“ von 2008.

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