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Document 52009IP0194

Stärkung der Sicherheit und der Grundfreiheiten im Internet Empfehlung des Europäischen Parlaments vom 26. März 2009 an den Rat zur Stärkung der Sicherheit und der Grundfreiheiten im Internet (2008/2160(INI))

ABl. C 117E vom 6.5.2010, p. 206–213 (BG, ES, CS, DA, DE, ET, EL, EN, FR, IT, LV, LT, HU, MT, NL, PL, PT, RO, SK, SL, FI, SV)

6.5.2010   

DE

Amtsblatt der Europäischen Union

CE 117/206


Donnerstag, 26. März 2009
Stärkung der Sicherheit und der Grundfreiheiten im Internet

P6_TA(2009)0194

Empfehlung des Europäischen Parlaments vom 26. März 2009 an den Rat zur Stärkung der Sicherheit und der Grundfreiheiten im Internet (2008/2160(INI))

2010/C 117 E/33

Das Europäische Parlament,

in Kenntnis des Vorschlags für eine Empfehlung an den Rat von Stavros Lambrinidis im Namen der PSE-Fraktion zur Stärkung der Sicherheit und der Grundfreiheiten im Internet (B6–0302/2008),

unter Hinweis auf den Internationalen Pakt über bürgerliche und politische Rechte, die Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK) und die Charta der Grundrechte der Europäischen Union, insbesondere die darin enthaltenen Bestimmungen über den Schutz personenbezogener Daten, die freie Meinungsäußerung, die Achtung des Privat- und Familienlebens sowie das Recht auf Freiheit und Sicherheit,

unter Hinweis auf die Richtlinie 95/46/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 24. Oktober 1995 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten und zum freien Datenverkehr (1), den Rahmenbeschluss 2008/977/JI des Rates vom 27. November 2008 über den Schutz personenbezogener Daten, die im Rahmen der polizeilichen und justiziellen Zusammenarbeit in Strafsachen verarbeitet werden (2), die Richtlinie 2003/98/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 17. November 2003 über die Weiterverwendung von Informationen des öffentlichen Sektors (3), den Vorschlag der Kommission vom 13. November 2007 für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates zur Änderung der Richtlinie 2002/22/EG über den Universaldienst und Nutzerrechte bei elektronischen Kommunikationsnetzen, die Richtlinie 2002/58/EG über die Verarbeitung personenbezogener Daten und den Schutz der Privatsphäre in der elektronischen Kommunikation und die Verordnung (EG) Nr. 2006/2004 über die Zusammenarbeit im Verbraucherschutz (KOM(2007)0698), die Richtlinie 2006/24/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 15. März 2006 über die Vorratsspeicherung von Daten, die bei der Bereitstellung öffentlich zugänglicher elektronischer Kommunikationsdienste oder öffentlicher Kommunikationsnetze erzeugt oder verarbeitet werden (4), und das Urteil des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften vom 10. Februar 2009 in der Rechtssache C-301/06 Irland/Parlament und Rat,

unter Hinweis auf den Rahmenbeschluss 2005/222/JI des Rates vom 24. Februar 2005 über Angriffe auf Informationssysteme (5), den Rahmenbeschluss 2001/413/JI des Rates vom 28. Mai 2001 zur Bekämpfung von Betrug und Fälschung im Zusammenhang mit unbaren Zahlungsmitteln (6), den Rahmenbeschluss 2008/919/JI des Rates vom 28. November 2008 zur Änderung des Rahmenbeschlusses 2002/475/JI zur Terrorismusbekämpfung (7), die Mitteilung der Kommission vom 22. Mai 2007 mit dem Titel: „Eine allgemeine Politik zur Bekämpfung der Internetkriminalität“ (KOM(2007)0267) sowie auf die jüngsten Initiativen zur Aufdeckung schwerwiegender Straftaten und des Terrorismus (Projekt „Check the Web“),

unter Hinweis auf die Arbeiten beim Europarat, bei der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) und bei den Vereinten Nationen (VN) sowohl in Bezug auf die Bekämpfung der Kriminalität und der Internetkriminalität als auch in Bezug auf den Schutz der Grundrechte und Grundfreiheiten auch im Internet (8),

unter Hinweis auf die jüngsten diesbezüglichen Urteile der europäischen Gerichte und der nationalen Verfassungsgerichte, insbesondere das Urteil des Bundesverfassungsgerichts, das ein eigenes Recht auf Schutz der Vertraulichkeit und Integrität der EDV-Systeme anerkennt (9),

gestützt auf Artikel 114 Absatz 3 und Artikel 94 seiner Geschäftsordnung,

in Kenntnis des Berichts des Ausschusses für bürgerliche Freiheiten, Justiz und Inneres sowie der Stellungnahme des Ausschusses für Kultur und Bildung (A6–0103/2009),

A.

in der Erwägung, dass die Entwicklung des Internets zeigt, dass es zunehmend zu einem unverzichtbaren Instrument zur Förderung demokratischer Initiativen, einem neuen Forum für politische Debatten (zum Beispiel E-Kampagnen und E-Wahlen), einem wichtigen globalen Instrument für die Wahrnehmung der freien Meinungsäußerung (zum Beispiel Blogs) und für die Entfaltung wirtschaftlicher Tätigkeiten sowie zu einem Mechanismus für die Förderung der IKT-Kompetenz und der Weitergabe von Wissen (e-Learning) wird, sowie in der Erwägung, dass das Internet auch immer größere Möglichkeiten für Personen aller Altersgruppen bietet, beispielsweise für die Kommunikation mit Menschen aus verschiedenen Teilen der Welt, und ihnen somit das Kennenlernen anderer Kulturen und damit ein größeres Verständnis für andere Menschen und Kulturen ermöglicht, sowie in der Erwägung, dass das Internet ferner die Vielfalt der Nachrichtenaufnahme für den Einzelnen erhöht hat, da dieser jetzt am Nachrichtenfluss aus verschiedenen Teilen der Welt teilhaben kann,

B.

in der Erwägung, dass Regierungen sowie gemeinwohlorientierte Organisationen und Einrichtungen einen zweckmäßigen Ordnungsrahmen und angemessene technische Mittel zur Verfügung stellen sollten, damit sich die Bürger mit Hilfe von E-Government-Anwendungen aktiv und effizient an Verwaltungsprozessen beteiligen können,

C.

in der Erwägung, dass das Internet der Definition der freien Meinungsäußerung, die in Artikel 11 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union verankert ist, zu uneingeschränkter Geltung verhilft, insbesondere, was die Dimension „ohne Rücksicht auf Staatsgrenzen“ betrifft,

D.

in der Erwägung, dass Transparenz, Achtung der Privatsphäre und ein Umfeld, in dem Vertrauen zwischen den Beteiligten herrscht, für die Schaffung eines nachhaltigen Sicherheitskonzepts für das Internet als unerlässlich zu betrachten sind,

E.

in der Erwägung, dass sowohl private als auch öffentliche Akteure die freie Meinungsäußerung und die Privatsphäre im Internet fördern können, sie aber zugleich auch anfälliger für Übergriffe und Einschränkungen machen können,

F.

in der Erwägung, dass das Internet aufgrund der Freiheit, die es bietet, auch als Plattform für Aufrufe zu Gewalt, wie zum Beispiel vorsätzliche Anstachelung zu Terroranschlägen, sowie für Hetzseiten, die konkret zu strafbaren Handlungen anstiften, benutzt worden ist, sowie in der Erwägung, dass die Bedrohung durch Internet-Kriminalität insgesamt weltweit zugenommen hat und Einzelpersonen (auch Kinder) und Netze gefährdet,

G.

in der Erwägung, dass effizient und entschieden gegen diese Straftaten vorgegangen werden muss, ohne dass sich etwas an dem grundsätzlich freien und offenen Wesen des Internets ändern darf,

H.

in der Erwägung, dass es in einer demokratischen Gesellschaft die Bürger sind, die ein Recht darauf haben, täglich die Tätigkeit und die Ansichten ihrer Regierung und von privaten Unternehmen, die Dienstleistungen für sie bereitstellen, zu beobachten und zu beurteilen; in der Erwägung, dass technisch hoch entwickelte Überwachungsmethoden manchmal in Verbindung mit einem Mangel an ausreichenden rechtlichen Garantien hinsichtlich der Grenzen ihrer Anwendung, diesen Grundsatz zunehmend gefährden,

I.

in der Erwägung, dass Personen das Recht haben, sich im Internet frei zu äußern (zum Beispiel nutzergenerierte Inhalte, Blogs und soziale Netze); in der Erwägung, dass Suchmaschinen und Diensteanbieter im Internet es Personen erheblich erleichtert haben, Informationen, z.B. über anderen Personen, einzuholen, jedoch in der Erwägung, dass es Situationen gibt, in denen Einzelpersonen Informationen aus diesen Datenbanken löschen wollen; in der Erwägung, dass Unternehmen daher in der Lage sein müssen personenbezogene Informationen von Einzelpersonen aus den Datenbanken zu löschen,

J.

in der Erwägung, dass die rasante technologische Entwicklung die heimliche und für den Einzelnen nahezu nicht wahrnehmbare Überwachung der Aktivitäten der Bürger im Internet immer mehr ermöglicht; in der Erwägung, dass allein die Tatsache, dass es Überwachungstechniken gibt, nicht automatisch deren Einsatz rechtfertigen darf, jedoch in der Erwägung, dass das vorrangige Interesse, die Grundrechte der Bürger zu schützen, entscheidend sein sollte bei der Festlegung der Grenzen und der genauen Umstände, unter denen solche Technologien von den Behörden oder von Unternehmen verwendet werden dürfen; in der Erwägung, dass die Bekämpfung von Internetkriminalität und die Bedrohung der offenen demokratischen Gesellschaft durch bestimmte Personen, die das Internet mit dem Ziel nutzen, den Bürgerrechten Schaden zuzufügen, nicht dazu führen dürfen, dass sich die Mitgliedstaaten das Recht nehmen, den gesamten Datenverkehr auf ihrem Territorium abzufangen und zu überwachen, sei es der Datenverkehr der eigenen Bürger oder der aus dem Ausland; in der Erwägung, dass die Bekämpfung von Straftaten im Verhältnis zur Schwere dieser Straftaten stehen muss,

K.

in der Erwägung, dass Identitätsdiebstahl und -betrug ein wachsendes Problem sind, das die Behörden, Bürger und Unternehmen gerade erst erkennen und das angesichts der verstärkten Nutzung des Internets für die unterschiedlichsten Zwecke, so auch für den Handel und den Austausch vertraulicher Informationen, große Sicherheitsbedenken aufwirft,

L.

in der Erwägung, dass darauf hingewiesen werden sollte, dass, wenn bei Rechten wie dem Recht auf freie Meinungsäußerung oder auf Achtung der Privatsphäre Beschränkungen der Ausübung dieser Rechte seitens der Behörden nur zulässig sind, wenn sie nach geltendem Recht in einer demokratischen Gesellschaft notwendig, verhältnismäßig und angemessen sind,

M.

in der Erwägung, dass es im Internet ein erhebliches Macht- und Wissensgefälle zwischen Unternehmen und staatlichen Institutionen einerseits und dem einzelnen Nutzer andererseits gibt; in der Erwägung, dass daher eine Debatte über erforderliche Einschränkungen der „Zustimmung“ angestoßen werden muss, sowohl hinsichtlich der Frage, welche Angaben Unternehmen und Regierungen von einem Nutzer verlangen dürfen, als auch zu der Frage, inwieweit der Einzelne zur Preisgabe seiner Privatsphäre und zum Verzicht auf andere Grundrechte gezwungen werden darf, um bestimmte Internetdienste oder andere Vorteile nutzen zu können,

N.

in der Erwägung, dass im Internet, das seinem Wesen nach global, offen und partizipatorisch ist, in der Regel zwar Freiheit herrscht, dies dennoch nicht die Notwendigkeit ausschließt, darüber nachzudenken (sowohl auf nationaler und internationaler Ebene als auch im öffentlichen und im privaten Leben), wie sowohl die Grundfreiheiten der Internetnutzer als auch ihre Sicherheit geachtet und geschützt werden können,

O.

in der Erwägung, dass zur Vielzahl der Grundrechte, die in der Welt des Internets gefährdet sind, unter anderem folgende gehören: Achtung der Privatsphäre (einschließlich des Rechts auf dauerhafte Löschung eines digitalen Persönlichkeitsprofils), Datenschutz, freie Meinungsäußerung, Rede- und Vereinigungsfreiheit, Pressefreiheit, politische Meinungsfreiheit und Partizipationsrechte, Nichtdiskriminierung und Bildung; in der Erwägung, dass der Inhalt dieser Rechte, darunter ihr Anwendungs- und Geltungsbereich, das durch sie gewährte Schutzniveau und das Verbot ihres Missbrauchs, den Bestimmungen zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten unterliegen sollte, die verankert sind in den Verfassungen der Mitgliedstaaten, internationalen Menschenrechtsabkommen wie der EMRK, den allgemeinen Grundsätzen des Gemeinschaftsrechts und der Charta der Grundrechte der Europäischen Union bzw. in anderen für ihre jeweiligen Anwendungsbereiche geltenden Bestimmungen des nationalen, internationalen und Gemeinschaftsrechts,

P.

in der Erwägung, dass sich alle beteiligten und im Internet aktiven Akteure ihrer jeweiligen Verantwortung stellen und in Foren mitwirken sollten, in denen drängende und brisante Fragen rund um das Internet diskutiert werden, um gemeinsame Lösungen zu suchen und zu fördern,

Q.

in der Erwägung, dass mangelnde Computer-Kenntnisse der neue Analphabetismus des 21. Jahrhunderts sein wird; in der Erwägung, dass die Gewährleistung, dass alle Bürger Zugang zum Internet haben, daher gleichbedeutend damit ist, dass gewährleistet wird, dass alle Bürger Zugang zu Bildung haben, sowie in der Erwägung, dass dieser Zugang nicht durch Regierungen oder private Unternehmen zur Bestrafung verwehrt werden darf; in der Erwägung, dass dieser Zugang nicht für rechtswidrige Aktivitäten missbraucht werden darf; in der Erwägung, dass dringende Fragen wie zum Beispiel Neutralität im Netz, Interoperabilität, weltweite Erreichbarkeit aller Internet-Knotenpunkte und Verwendung offener Formate und Standards unbedingt angegangen werden müssen,

R.

in der Erwägung, dass der internationale, multikulturelle und insbesondere mehrsprachige Charakter des Internets noch keine umfassende Unterstützung durch die technische Infrastruktur und die Protokolle des Internets erfährt,

S.

in der Erwägung, dass im Rahmen der „Internet-Grundrechtecharta“ alle wichtigen Forschungs-und andere Tätigkeiten in diesem Bereich berücksichtigt werden sollten, auch die jüngsten einschlägigen Studien der Europäischen Union (10),

T.

in der Erwägung, dass die wirtschaftlichen Aktivitäten für die weitere dynamische Entwicklung des Internets von Bedeutung sind, während seine wirtschaftliche Effizienz durch einen fairen Wettbewerb und einen verhältnismäßigen und angemessenen Schutz der Rechte des geistigen Eigentums, dort wo dies nötig ist, sichergestellt werden sollte,

U.

in der Erwägung, dass die Wiederverwendung von Informationen des öffentlichen Sektors, die bisher nie da gewesene Möglichkeiten für kreative und kulturelle Experimente und Austausch bietet, und der Schutz der Rechte des geistigem Eigentums in einem ausgewogenen Verhältnis zueinander gehalten werden müssen,

V.

in der Erwägung, dass Regierungen in aller Welt zunehmenden Druck auf Unternehmen des IKT-Sektors (Informations- und Kommunikationstechnologie) ausüben, damit diese einzelstaatliche Vorschriften und Grundsätze in einer Weise befolgen, die mitunter gegen die international anerkannten Menschenrechte der freien Meinungsäußerung und Privatsphäre verstößt; in der Erwägung, dass positive Maßnahmen ergriffen wurden, unter anderem von einer Gruppe betroffener Unternehmen mit vielen Beteiligten, zivilgesellschaftlichen Organisationen (darunter Gruppen, die sich für Menschenrechte und Pressefreiheit einsetzen), Investoren und Akademikern, die ein gemeinsames Konzept für den Schutz und die Förderung des Rechts auf freie Meinungsäußerung und Privatsphäre im IKT-Sektor entwickelt und die Global Network Initiative (GNI) (11) ins Leben gerufen haben,

W.

in der Erwägung, dass die Europäische Union und ihre Bürger großen Wert auf strenge Datenschutzbestimmungen legen und Erwägung 2 der Richtlinie 95/46/EG die klare Aussage enthält, dass die Technologie (d. h. die Datenverarbeitungssysteme) „im Dienste des Menschen“ steht und dass sie die „Grundrechte und -freiheiten und insbesondere deren Privatsphäre zu achten und zum wirtschaftlichen und sozialen Fortschritt, zur Entwicklung des Handels sowie zum Wohlergehen der Menschen beizutragen“ hat,

1.

richtet folgende Empfehlungen an den Rat:

 

Uneingeschränkter und sicherer Internetzugang für alle

a)

er möge sich an den Bemühungen beteiligen, das Internet zu einem wichtigen Instrument für die Stärkung der Nutzer zu machen, zu einem Umfeld, das die Entwicklung von basisorientierten Verfahren und einer elektronischenDemokratie ermöglicht und gleichzeitig sicherstellt, dass wichtige Schutzmechanismen geschaffen werden, da sich in diesem Bereich neue Formen der Kontrolle und der Zensur entwickeln können; Freiheit und Schutz der Privatsphäre der Internetnutzer sollte tatsächlich stattfinden und nicht nur vorgespiegelt werden;

b)

er möge anerkennen, dass das Internet eine außergewöhnliche Möglichkeit zur Förderung aktiver Bürger darstellen kann, und dass der Zugang zu Netzen und Inhalten in diesem Zusammenhang zu den wichtigsten Aspekten gehört, und empfehlen, dass dieser Themenkomplex weiterentwickelt wird, ausgehend von der Annahme, dass jeder das Recht hat, an der Informationsgesellschaft teilzunehmen, und dass Institutionen und Akteure auf allen Ebenen eine allgemeine Verantwortung dafür tragen, einen Beitrag zu dieser Entwicklung zu leisten, um so der doppelten Herausforderung der mangelnden Computerkenntnisse und der demokratischen Ausgrenzung im elektronischen Zeitalter zu begegnen (12);

c)

er möge die Mitgliedstaaten nachdrücklich auffordern, in Anbetracht des zunehmenden Informationsbewusstseins der Gesellschaft nach Lösungen für eine größere Transparenz bei der Beschlussfassung zu suchen, und zwar indem die Bürger einen erhöhten Zugang zu den Informationsbeständen der Regierung erhalten, um diese Informationen nutzen zu können; er möge den gleichen Grundsatz auf die eigenen Informationsbestände anwenden;

d)

er möge gemeinsam mit anderen wichtigen Akteuren gewährleisten, dass Sicherheit, freie Meinungsäußerung und der Schutz der Privatsphäre sowie Offenheit im Internet nicht als konkurrierende Ziele betrachtet, sondern gleichzeitig im Rahmen eines umfassenden Konzepts verfolgt werden, das all diesen Erfordernissen angemessen Rechnung trägt;

e)

er möge gewährleisten, dass die im UN-Übereinkommen über die Rechte des Kindes verankerten und auch im Recht der Europäischen Union enthaltenen Schutzrechte Minderjähriger bei allen relevanten Maßnahmen, Instrumenten oder Beschlüssen, die die Stärkung der Sicherheit und Freiheit im Internet zum Ziel haben, umfassenden Niederschlag finden;

 

Entschlossenes Vorgehen bei der Bekämpfung der Internetr-Kriminalität

f)

der Ratsvorsitz und die Kommission mögen aufgefordert werden, in Zusammenarbeit mit Internet-Providern, Nutzerorganisationen sowie den für IT-Kriminalität zuständigen Polizeibehörden über eine umfassende Strategie zur Bekämpfung der Internet-Kriminalität – unter anderem im Sinne des Europarats-Übereinkommens über Computerkriminalität – nachzudenken, und unter anderem auch über Mittel und Wege, gegen das Problem des „Identitätsdiebstahls“ und des Betrugs auf EU-Ebene vorzugehen, eine solche Strategie ausarbeiten und einen Vorschlag für die Gestaltung von Sensibilisierungskampagnen und die Verhütung derartiger Verbrechen unterbreiten, der zugleich die sichere und freie Nutzung des Internets für jedermann gewährleistet; er möge die Schaffung einer EU-Anlaufstelle für Opfer von Identitätsdiebstahl und Identitätsbetrug fordern;

g)

er möge zu Überlegungen über die notwendige Zusammenarbeit zwischen privaten und öffentlichen Akteuren in diesem Bereich und über die Verbesserung der Zusammenarbeit zwischen den Strafverfolgungsbehörden anregen, wobei auch eine angemessene Schulung für die Mitarbeiter der Strafverfolgungs- und Justizbehörden ins Auge zu fassen ist, einschließlich einer Schulung über Fragen des Schutzes der Grundrechte; er möge die Notwendigkeit geteilter Verantwortung und die Vorteile der Koregulierung und der Selbstregulierung anerkennen, das eine effiziente Alternative bzw. ein ergänzendes Instrumentarium zur herkömmlichen Reglementierung darstellt;

h)

er möge sicherstellen, dass die Arbeit im Rahmen des Projekts „Check the Web“ und die jüngsten Initiativen zur Verbesserung der Verbreitung von Informationen über die Internet-Kriminalität – wozu u. a. die Einrichtung nationaler Plattformen und einer europäischen Plattform für Hinweise auf Internetstraftaten (Einrichtung einer entsprechenden europäischen Plattform durch Europol) zählt – notwendig, verhältnismäßig und angemessen sind und von allen erforderlichen Schutzmaßnahmen begleitet werden;

i)

er möge die Mitgliedstaaten ermahnen, die Rechtsvorschriften zum Schutz der Minderjährigen, die das Internet nutzen, auf den neuesten Stand zu bringen, insbesondere durch Einführung des Straftatbestands des „Grooming“ (Kontaktaufnahme zu Kindern zum Zwecke des sexuellen Missbrauchs), wie dies im Übereinkommen des Europarates vom 25. Oktober 2007 zum Schutz von Kindern vor sexueller Ausbeutung und sexuellem Missbrauch definiert ist;

j)

er möge Programme zum Schutz von Kindern und zur Aufklärung der Eltern über die neuen Gefahren des Internets fördern, wie im EU-Recht vorgesehen, und Folgeabschätzungen über die bisherige Wirksamkeit bestehender Programme vorlegen; dabei möge er insbesondere die Online-Spiele berücksichtigen, die sich vor allem an Kinder und Jugendliche wenden;

k)

er möge alle EU-Computerhersteller ermutigen, Kinderschutzsoftware vorzuinstallieren, die einfach zu aktivieren ist;

l)

er möge eine Richtlinie über strafrechtliche Maßnahmen zur Durchsetzung der Rechte des geistigen Eigentums annehmen, nachdem unter Berücksichtigung der modernen Innovationsforschung beurteilt wurde, inwieweit diese Richtlinie notwendig und verhältnismäßig ist, und in diesem Zusammenhang gleichzeitig die systematische Beobachtung und Überwachung der Aktivitäten aller Nutzer im Internet verbieten und gewährleisten, dass die Strafen im Verhältnis zu den begangenen Verstößen stehen; er möge in diesem Zusammenhang auch das Recht auf freie Meinungsäußerung und die Vereinigungsfreiheit der einzelnen Benutzer achten und die Anstiftung zur Verletzung der Rechte des geistigen Eigentums im Internet bekämpfen, wozu auch bestimmte unverhältnismäßige Zugangseinschränkungen durch die Rechteinhaber selbst gehören;

m)

er möge gewährleisten, dass die Äußerung umstrittener politischer Überzeugungen im Internet, strafrechtlich nicht verfolgt wird;

n)

er möge sicherstellen, dass es keine Gesetze oder Maßnahmen gibt, durch die das Recht von Journalisten und Medien auf Einholung und Verbreitung von Informationen zum Zweck der Berichterstattung eingeschränkt oder verunglimpft wird;

 

Ständige Aufmerksamkeit für absoluten Schutz und verstärkte Förderung der Grundfreiheiten im Internet

o)

er möge der Tatsache Rechnung tragen, dass die „digitale Identität“ zunehmend integraler Bestandteil unserer „Persönlichkeit“ wird, und in diesem Sinne angemessen und wirksam vor Eingriffen privater und öffentlicher Akteure geschützt werden muss – daher sollten diejenigen Daten, die von Natur aus mit der „digitalen Identität“ einer Person verknüpft sind, konkret bestimmt und geschützt werden, und alle Elemente dieser Identität sollten als unveräußerliche persönliche, nichtwirtschaftliche und nicht handelbare Rechte angesehen werden; er möge der Bedeutung der Anonymität, der Pseudonymität und der Kontrolle der Informationsströme für die Privatsphäre gebührend Rechnung tragen sowie der Tatsache, dass es den Nutzern durch die geeigneten Mittel und Aufklärungsmaßnahmen ermöglicht werden sollte, sich wirksam zu schützen, so zum Beispiel durch verschiedene verfügbare datenschutzfreundliche Technologien (Privacy-Enhancing Technologies, PET);

p)

er möge gewährleisten, dass die Mitgliedstaaten, die den Datenverkehr auf ihrem Hoheitsgebiet, sowohl den ihrer eigenen Bürger als auch den Verkehr aus dem Ausland, abhören und überwachen, dies ausschließlich unter den gesetzlich vorgesehenen Bedingungen und Schutzmaßnahmen tun; er möge die Mitgliedstaaten auffordern, dafür zu sorgen, dass Online-Durchsuchungen, sofern sie nach nationalem Recht zulässig sind, auf der Grundlage eines gültigen Durchsuchungsbefehls der zuständigen Justizbehörden erfolgen; er möge zur Kenntnis nehmen, dass es nicht akzeptabel ist, bei Online-Durchsuchungen ein im Vergleich zur Hausdurchsuchung vereinfachtes Verfahren anzuwenden, da dies einen Verstoß gegen die Rechtsstaatlichkeit und das Recht auf Privatsphäre darstellt;

q)

er möge die Gefahr bestimmter Formen von Internet-Beobachtung und -kontrolle erkennen, die darauf abzielen, jeden „digitalen Schritt“ einer Person zu verfolgen, mit dem Ziel, ein Benutzerprofil zu erstellen und „Punkte“ zuzuweisen; er möge deutlich machen, dass solche Techniken immer nach ihrer Notwendigkeit sowie nach ihrer Verhältnismäßigkeit im Lichte der Ziele, die sie anstreben, beurteilt werden sollten; er möge auch die Notwendigkeit einer verbesserten Sensibilisierung der Nutzer betonen, damit sie ihre Zustimmung in Bezug auf ihre Aktivitäten im Internet, die mit dem Austausch personenbezogener Daten verbunden sind (zum Beispiel im Falle der sozialen Netze), erst dann geben, wenn sie genau wissen, was auf sie zukommt;

r)

er möge die Mitgliedstaaten nachdrücklich auffordern, sämtliche Stellen zu ermitteln, die Internetüberwachung nutzen, und zur Gewährleistung der Rechtmäßigkeit, der Verhältnismäßigkeit und der Transparenz jährlich einen öffentlich zugänglichen Bericht über die Internetüberwachung erstellen;

s)

er möge prüfen und vorschreiben, welche Grenzen für die „Zustimmung“ gelten, die Regierungsstellen oder private Unternehmen von Nutzern einholen bzw. von ihnen einfordern können, bezüglich der Aufgabe eines Teils ihrer Privatsphäre, da es ein deutliches Ungleichgewicht der Verhandlungsposition und des Wissensstands zwischen individuellen Nutzern und solchen Stellen gibt;

t)

er möge die Fälle, in denen ein privates Internetunternehmen aufgefordert werden kann, Daten an Behörden weiterzugeben, rigoros begrenzen, definieren und reglementieren sowie sicherstellen, dass die Nutzung dieser Daten durch staatliche Behörden den strengsten Datenschutznormen unterliegt; er möge ferner eine effiziente Kontrolle und Auswertung durchführen;

u)

er möge mit Nachdruck darauf hinweisen, dass es wichtig ist, dass die Internetnutzer ihr Recht auf dauerhafte Löschung ihrer personenbezogenen Daten, die auf Internetseiten oder beliebigen Datenspeichermedien Dritter abgelegt sind, verbessern können; er möge gewährleisten, dass die Internetanbieter, die E-Commerce-Anbieter und die Dienste der Informationsgesellschaft eine solche von den Nutzern getroffene Entscheidung achten; er möge gewährleisten, dass die Mitgliedstaaten sicherstellen, dass die Bürger ihr Recht auf Zugang zu ihren personenbezogenen Daten auch tatsächlich durchsetzen können, wozu gegebenenfalls auch das Löschen solcher Daten oder ihre Entfernung aus Websites gehört;

v)

er möge behördliche Zensur in Bezug auf Inhalte, nach denen im Internet gesucht werden kann, verurteilen, insbesondere wenn solche Einschränkungen eine „abschreckende Wirkung“ auf politische Äußerungen haben können;

w)

er möge die Mitgliedstaaten auffordern, sicherzustellen, dass die freie Meinungsäußerung nicht willkürlichen Einschränkungen seitens öffentlicher und/oder privater Einrichtungen unterliegt und alle Legislativ- oder Verwaltungsmaßnahmen vermeiden, die eine „abschreckende Wirkung“ auf alle Aspekte der Redefreiheit haben könnten;

x)

er möge darauf hinweisen, dass die Übermittlung personenbezogener Daten an Drittländer im Einklang mit den Bestimmungen erfolgen muss, die unter anderem in der Richtlinie 95/46/EG und in dem Rahmenbeschluss 2008/977/JI niedergelegt sind;

y)

er möge darauf aufmerksam machen, dass die Entwicklung des „Internets der Dinge“ und die Nutzung von RFID-Systemen (Funkfrequenzkennung) den Datenschutz und den Schutz der Rechte der Bürger nicht umgehen darf;

z)

er möge die Mitgliedstaaten zu einer ordnungsgemäßen Anwendung der Richtlinie 95/46/EG über personenbezogene Daten im Hinblick auf das Internet aufrufen; er möge die Mitgliedstaaten daran erinnern, dass diese Richtlinie und insbesondere Artikel 8 unabhängig davon gelten, welche Technologie zur Verarbeitung der personenbezogenen Daten verwendet wird, und dass die Mitgliedstaaten gerichtliche Rechtsbehelfe und Schadenersatz für den Fall von Verstößen gegen die Richtlinie vorsehen müssen (Artikel 22, 23 und 24);

aa)

er möge die Aufnahme der grundlegenden Prinzipien der „Internet-Grundrechtecharta“ in die Forschung und Entwicklung im Bereich internetbezogener Instrumente und Anwendungen sowie den Grundsatz „privacy by design“ („mit eingebautem Datenschutz“) fördern, wonach die Anforderungen in Bezug auf den Schutz der Privatsphäre und den Datenschutz so bald wie möglich in den Lebenszyklus der neuen technologischen Entwicklungen eingebunden werden sollten, um ein nutzerfreundliches Umfeld zu gewährleisten;

ab)

er möge die aktive Einbeziehung des Europäischen Datenschutzbeauftragen und der Artikel-29-Arbeitsgruppe in die Entwicklung europäischer Rechtsvorschriften zu Internet-Aktivitäten, die potenzielle Auswirkungen auf den Datenschutz haben, unterstützen und fordern;

 

Internationale Verpflichtungen

ac)

er möge alle Internet-Akteure ermahnen, sich an dem laufenden Prozess der „Internet-Grundrechtecharta“ zu beteiligen, die auf jetzigen Grundrechten aufbaut, ihre Durchsetzung fördert und die Anerkennung neu entstehender Grundsätze vorantreibt; in diesem Zusammenhang muss die dynamische Koalition in Bezug auf die Internet-Grundrechtecharta eine führende Rolle spielen;

ad)

er möge gewährleisten, dass in diesem Zusammenhang eine prozessorientierte Initiative mit vielen Beteiligten und auf zahlreichen Ebenen sowie eine Mischung zwischen globalen und lokalen Initiativen in Erwägung gezogen werden, um die Rechte der Internetnutzer genau festzulegen und zu schützen und auf diese Weise die Legitimität, die Rechenschaftspflicht und die Akzeptanz des Prozesses zu gewährleisten;

ae)

er möge anerkennen, dass der globale und offene Charakter des Internets globale Standards für den Datenschutz, die Sicherheit und die freie Meinungsäußerung erfordert; er möge in diesem Zusammenhang die Mitgliedstaaten und die Kommission aufrufen, die Initiative zur Erarbeitung solcher Standards zu ergreifen; er möge die „Entschließung über die Dringlichkeit des Schutzes der Privatsphäre in einer Welt ohne Grenzen und die Erarbeitung einer gemeinsamen Entschließung zur Erstellung internationaler Normen zum Schutz der Privatsphäre und zum Schutz personenbezogener Daten“ begrüßen, die auf der 30. Internationalen Konferenz der Beauftragten für den Datenschutz und für die Privatsphäre vom 15. bis 17. Oktober 2008 in Straßburg verabschiedet wurde; er möge alle (öffentlichen und privaten) Beteiligten in der Europäischen Union nachdrücklich zur Beteiligung an diesem Reflexionsprozess aufrufen;

af)

er möge die Notwendigkeit der Entwicklung einer echten E-Agora im Internet hervorheben, auf der die Unionsbürger eine interaktivere Debatte mit politischen Entscheidungsträgern und anderen institutionellen Akteuren führen können;

ag)

er möge die aktive Teilnahme der Europäischen Union an diversen internationalen Foren fördern, die sich mit den globalen und lokalen Aspekten des Internets befassen, zum Beispiel das Forum für Internet-Verwaltung (Internet Governance Forum – IGF);

ah)

er möge gemeinsam mit allen relevanten Akteuren der Europäischen Union an der Einrichtung eines europäischen IGF mitwirken, das eine Bilanz der Erfahrungen nationaler IGF ziehen, als regionaler Pol funktionieren und europaweite Fragen, Standpunkte und Anliegen im neu entstehenden internationalen IGF effizienter vertreten würde;

*

* *

2.

beauftragt seinen Präsidenten, diese Empfehlung dem Rat und, zur Information, der Kommission zu übermitteln.


(1)  ABl. L 281 vom 23.11.1995, S. 31.

(2)  ABl. L 350 vom 30.12.2008, S. 60.

(3)  ABl. L 345 vom 31.12.2003, S. 90.

(4)  ABl. L 105 vom 13.4.2006, S. 54.

(5)  ABl. L 69 vom 16.3.2005, S. 67.

(6)  ABl. L 149 vom 2.6.2001, S. 1.

(7)  ABl. L 330 vom 9.12.2008, S. 21.

(8)  Z.B.: Übereinkommen des Europarats vom 23. November 2001 über Internet-Kriminalität; Übereinkommen des Europarats vom 28. Januar 1981 zum Schutz des Menschen bei der automatischen Verarbeitung personenbezogener Daten.

(9)  BVerfG, 1 BvR 370/07, 27.2.2008.

(10)  In einer vor kurzem erstellten Studie über die Stärkung der Sicherheit und der Grundfreiheiten im Internet – eine Politik der EU zur Bekämpfung der Internet „kriminalität“ wird unter anderem die Annahme einer nicht rechtsverbindlichen Internetgrundrechtecharta vorgeschlagen.

(11)  http://www.globalnetworkinitiative.org/index.php.

(12)  In dem Dokument des Europarats vom 17. September 2008 mit dem Titel: „Internet - Das Internet - eine kritische Ressource für alle“ wird ebenfalls mit Nachdruck darauf hingewiesen, dass die Gewährleistung und die Förderung der Gleichstellung und der Teilnahme in Bezug auf das Internet ein wesentlicher Schritt für den Fortschritt der Gleichstellung und der Teilhabe in der Gesellschaft insgesamt ist.


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