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Document 52009AE0347

Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zu dem Vorschlag für eine Richtlinie des Rates zur Änderung der Richtlinie 2006/112/EG in Bezug auf ermäßigte Mehrwertsteuersätze

ABl. C 218 vom 11.9.2009, p. 96–100 (BG, ES, CS, DA, DE, ET, EL, EN, FR, IT, LV, LT, HU, MT, NL, PL, PT, RO, SK, SL, FI, SV)

11.9.2009   

DE

Amtsblatt der Europäischen Union

C 218/96


Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zu dem „Vorschlag für eine Richtlinie des Rates zur Änderung der Richtlinie 2006/112/EG in Bezug auf ermäßigte Mehrwertsteuersätze“

KOM(2008) 428 endg. — 2008/0143 (CNS)

2009/C 218/19

Der Rat beschloss am 28. August 2008, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss gemäß Artikel 93 des EG-Vertrags um Stellungnahme zu folgender Vorlage zu ersuchen:

„Vorschlag für eine Richtlinie des Rates zur Änderung der Richtlinie 2006/112/EG in Bezug auf ermäßigte Mehrwertsteuersätze“

Die mit den Vorarbeiten beauftragte Fachgruppe Wirtschafts- und Währungsunion, wirtschaftlicher und sozialer Zusammenhalt nahm ihre Stellungnahme am 2. Februar 2009 an. Berichterstatter war Herr SANTILLÁN CABEZA.

Der Ausschuss verabschiedete auf seiner 451. Plenartagung am 25. / 26. Februar 2009 (Sitzung vom 25. Februar) mit 171 Stimmen bei 7 Stimmenthaltungen folgende Stellungnahme:

1.   Schlussfolgerungen und Empfehlungen

1.1

Die mit der neuen Richtlinie vorgeschlagenen und in vielen Fällen unverzichtbaren technischen Änderungen an der Richtlinie 2006/112/EG finden die Zustimmung des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses. Der Ausschuss bedauert jedoch, dass die Reform aufgrund mangelnden politischen Konsenses nur sehr begrenze Zielstellungen verfolgt.

1.2

Ein Aspekt, der, wie bereits angekündigt, zu erwägen ist, ist die Anwendung der MwSt. auf energiesparende und umweltfreundliche Dienstleistungen und Materialien.

1.3

Im Hinblick auf ermäßigte Mehrwertsteuersätze für Dienstleistungen, wie Renovierung, Instandsetzung, Umbau, Instandhaltung und Reinigung von Wohnungen, bezweifelt der EWSA, dass das Streichen der Bezugnahme auf Sozialwohnungen richtig ist. Da jedoch die Anwendung der ermäßigten Steuersätze nicht obligatorisch ist, bleibt diese Entscheidung dem Ermessen der einzelnen Mitgliedstaaten überlassen.

1.4

Die Ausdehnung der möglichen Anwendung ermäßigter Mehrwertsteuersätze auf Dienstleistungen im Gaststättengewerbe und Verpflegungsdienstleistungen in allen Mitgliedstaaten, die von einigen Ländern abgelehnt wird, entspringt dem Wunsch, gleiche Bedingungen zu schaffen, da bei der derzeitigen Regelung die Möglichkeit von Wettbewerbsverzerrungen begrenzt ist. Der EWSA befürwortet das Ausklammern alkoholischer Getränke von der Anwendung des ermäßigten Steuersatzes.

1.5

Im Hinblick auf die „kleineren Reparaturdienstleistungen an beweglichen Gegenständen“ muss in den einzelstaatlichen Rechtsvorschriften konkret festgelegt werden, für welche Leistungen der ermäßigte Steuersatz gilt, da diese Formulierung sehr weit gefasst ist.

1.6

Der EWSA schlägt vor, Diätnahrungsmittel für bestimmte Krankheiten von der Mehrwertsteuer zu befreien (siehe Ziffer 4.8.6 dieser Stellungnahme).

1.7

Der EWSA empfiehlt eine Änderung des Vorschlags dahingehend, dass die Reparatur und Wartung von Kraftfahrzeugen, wie in Ziffer 4.8.5.1 dieser Stellungnahme dargelegt, in Anhang III der Richtlinie aufzunehmen ist.

1.8

Der EWSA stimmt zu, dass die verminderten Steuersätze für die erweiterten Kategorien von Gütern und Dienstleistungen je nach den im jeweiligen Mitgliedstaat verfügbaren Haushaltsmitteln, seiner Wirtschaftslage und seiner Interessenlage bezüglich des Binnenmarktes Anwendung finden.

1.9

Der EWSA begrüßt die Bemühungen der Kommission um Fortschritte bei der allgemeinen MwSt.-Angleichung, bedauert jedoch zugleich das Fehlen einer politischen Entscheidung im Rat der Europäischen Union.

2.   Einleitung

2.1   Der Richtlinienvorschlag, der Gegenstand dieser Stellungnahme ist, umfasst Ergänzungen und technische Anpassungen der Richtlinie von 2006, nachstehend als „MwSt.-Richtlinie“ (1) bezeichnet.

2.2   Die Kommission verfolgt nach eigenen Angaben das Ziel, mit eine Reihe von dringenden Reformen „rechtliche und politische Probleme [anzugehen], die entweder aufgrund verschiedener Auslegungen der Richtlinie entstanden sind oder die darauf zurückzuführen sind, dass nicht alle Mitgliedstaaten die gleichen Möglichkeiten haben, auf die Bereiche, die das reibungslose Funktionieren des Binnenmarkts nicht berühren, ermäßigte Steuersätze anzuwenden“.

2.3   Bezweckt wird, den Mitgliedstaaten mehr Eigenständigkeit und Gewissheit zu geben und ihre Gleichbehandlung sicherzustellen.

2.3.1   Auch wenn der vorliegende Vorschlag sich nicht ausschließlich an KMU - einem Schwerpunktbereich der Lissabon-Strategie für Wachstum und Beschäftigung - richtet, wird er für diese positive Auswirkungen haben, da in den in Rede stehenden Branchen viele KMU tätig sind und der Vorschlag Rechtssicherheit in Bezug auf den Fortbestand der ermäßigten MwSt.-Sätze in diesen Bereichen bringt.

2.4   Es werden viererlei Änderungen an der MwSt.-Richtlinie vorgenommen:

Aufnahme von lokal erbrachten Dienstleistungen, einschließlich dauerhafter, neu überarbeiteter Bestimmungen über die derzeit unter Anhang IV fallenden arbeitsintensiven Dienstleistungen, da dieser Anhang nur bis 31. Dezember 2010 gilt. Der Anhang fällt daher in der neuen Richtlinie weg;

Streichung von Artikeln bzw. Absätzen mit Übergangsbestimmungen und auf besondere Umstände in einzelnen Mitgliedstaaten zugeschnittenen Bestimmungen, die nicht länger zutreffen;

Verbesserungen an der Formulierung;

Änderungen an der Formulierung von Anhang III, dem „Verzeichnis der Lieferungen von Gegenständen und Dienstleistungen, auf die ermäßigte MwSt.–Sätze gemäß Artikel 98 angewandt werden können“.

3.   Der neue Anhang III

3.1   Änderungen an der Formulierung oder Ergänzung bestimmter Kategorien

3.1.1   Kategorie 3 - Arzneimittel: Aufnahme von „saugfähigen Hygieneprodukten“ in diese Kategorie, um eindeutig sowohl Artikel für die Monatshygiene als auch Babywindeln zu erfassen.

3.1.2   Kategorie 4 - Geräte für Behinderte: Aufgenommen werden „Geräte und elektrische, elektronische oder sonstige Vorrichtungen bzw. Beförderungsmittel sowie das Leasing, die Vermietung …“. Der Vorschlag erfasst zudem speziell für Behinderte konzipierte bzw. an deren Bedürfnisse angepasste Geräte und Vorrichtungen, die speziell für Behinderte entwickelt oder ausgestattet wurden (z.B. Blindentastatur, speziell für Behinderte ausgestattetes Fahrzeug).

3.1.3   Kategorie 6 - Bücher: In die Kategorie neu aufgenommen werden „Hörbücher, CD,CD-ROM oder andere körperliche Datenträger …“. Somit wird der Geltungsbereich ausgedehnt auf Hörbücher, CD,CD-ROM oder andere körperliche Datenträger, die überwiegend denselben Informationsgehalt wiedergeben wie gedruckte Bücher.

3.1.4   Kategorie 8 - Radio- und Fernsehprogramme: Hier ist die Erbringung der Dienstleistung besteuerbar, nicht deren Empfang.

3.1.5   Kategorie 9 - Dienstleistungen von Schriftstellern usw.: Klarstellung, dass auch „Dienstleistungen, für die diesen urheberrechtliche Vergütungen geschuldet werden“ in diese Kategorie fallen. Der Text wurde neu gefasst, da die geschuldeten urheberrechtlichen Vergütungen für die Zwecke der Mehrwertsteuer keine Leistung, sondern die Vergütung für bestimmte Leistungen darstellen.

3.1.6   Kategorie 16 - Dienstleistungen von Bestattungsinstituten usw.: Neuformulierung, um den Gegenstand der Definition für den ermäßigten Satz von der Eigenschaft des Leistungserbringers zu trennen.

3.1.7   Kategorie 18 - Straßenreinigung, Abfallbehandlung usw.: Hier werden Unstimmigkeiten beseitigt, indem der verminderte MwSt.-Satz auch auf drei bisher nicht erfasste Dienstleistungen ausgedehnt wird, nämlich „Abwasserbehandlung und Wasseraufbereitung“, „Abwasserbeseitigung“, und „Abfallbehandlung oder Wiederverwertung und zu einer Wiederverwendung führende Dienstleistungen“.

3.2   Erweiterung der Dienstleistungen im Zusammenhang mit Wohnungen und bestimmten, nicht gewerblichen Zwecken dienenden Gebäuden.

3.2.1   Neufassung der Kategorie 10 und Aufnahme einer neuen Kategorie 10 a mit dem Ziel:

mehr Spielraum für die Mitgliedstaaten durch Streichung der Beschränkung auf Wohnungen „im Rahmen des sozialen Wohnungsbaus“;

Aufnahme von „Renovierung, Instandsetzung (…) und Reinigung von Wohnungen“ (derzeit in Anhang IV enthalten) und deren Instandhaltung;

Ausdehnung der verminderten Besteuerung auf Dienstleistungen wie Renovierung, Instandsetzung, Umbau, Wartung und Reinigung von „Gebetsstätten sowie von (…) als Kulturerbe anerkannten Gebäuden und Denkmälern“.

3.3   Aufnahme von zwei neuen Kategorien

3.3.1   Dienstleistungen im Gaststättengewerbe und Verpflegungsdienstleistungen

3.3.2   In Kategorie 12 in Anhang III (bleibt unverändert) sind erfasst:

Beherbergung in Hotels und ähnlichen Einrichtungen, einschließlich der Beherbergung in Ferienunterkünften, und Vermietung von Campingplätzen und Plätzen für das Abstellen von Wohnwagen“.

3.3.3   Die neue Kategorie 12 a erfasst:

Dienstleistungen im Gaststättengewerbe und Verpflegungsdienstleistungen ausschließlich der Lieferung alkoholischer Getränke“.

3.3.3.1   Für diesen Zusatz gibt es zwei Gründe: a) alle Mitgliedstaaten sollen gleich behandelt werden, und b) diese Dienstleistungen erfüllen dieselben Kriterien wie die anderen lokalen Dienstleistungen, die ebenfalls aufgenommen wurden.

3.3.4   Lokal erbrachte Dienstleistungen

3.3.4.1   In diese neuen Kategorien fallen fünf Fälle:

19.

Die Erbringung von Gartenbau- und Landschaftsbaudienstleistungen sowie Dienstleistungen für die Pflege von Gärten

20.

Kleinere Reparaturdienstleistungen an beweglichen Gegenständen einschließlich Fahrrädern und Dreirädern aller Art, unter Ausschluss aller anderen Beförderungsmittel

21.

Reinigungs- und Wartungsleistungen an beweglichen Gegenständen

22.

Erbringung häuslicher Pflegedienste, wie Hilfe im Haushalt und Betreuung von Kindern sowie von älteren, kranken oder behinderten Personen

23.

Dienstleistungen im Kosmetikbereich, wie sie in Friseursalons und Kosmetikstudios erbracht werden“.

3.3.4.2   Diese Kategorien umfassen Dienstleistungen, die bereits in Anhang IV der MwSt.-Richtlinie enthalten sind, welcher bis zum 31. Dezember 2010 gilt, jedoch auch einige neue, ähnlich geartete Dienstleistungen.

4.   Bemerkungen

4.1   Der Europäische Wirtschafts- und Sozialausschuss hat sich bereits eingehend mit dem Thema der vorliegenden Stellungnahme befasst, als er auf die am 5. Juli 2007 vorgelegte Mitteilung der Kommission über vom Normalsatz abweichende Mehrwertsteuersätze (2) einging, der wiederum eine Studie der Beratungsfirma Copenhagen Economics zugrunde lag.

4.2   In seiner Stellungnahme (3) hatte der Ausschuss folgende Aspekte hervorgehoben:

Die MwSt. wird in den Mitgliedstaaten nach rein steuerlichen Kriterien erhoben.

Die Anwendung ermäßigter Steuersätze folgt politischen und sozialen Kriterien.

Die Harmonisierung der MwSt. schlägt sich nicht in der Realität nieder; daher ist es richtig zu versuchen (wie es die Kommission tut), ermäßigte MwSt.-Sätze zumindest für diejenigen Tätigkeiten zu harmonisieren, die grenzüberschreitende Auswirkungen haben oder die bereits akzeptierten gemeinschaftspolitischen Kriterien entsprechen.

Jede MwSt.-Ermäßigung sollte sorgfältig daraufhin überprüft werden, dass sie tatsächlich einem sozialen Kriterium entspricht.

Vereinfachung und Transparenz machen den Unternehmen das Leben leichter und ermöglichen den Steuerbehörden einfachere Kontrollen.

Wenn man auf die illusorische Vorstellung verzichtet, eine „endgültige“ Regelung erreichen zu können, sollte den Mitgliedstaaten bei der Festsetzung ermäßigter Mehrwertsteuersätze für lokal erbrachte Dienstleistungen mehr Autonomie eingeräumt werden.

4.2.1   Die Aussagen der zitierten Stellungnahme haben nach wie vor volle Gültigkeit.

4.3   Mit der vorgeschlagenen Richtlinie werden nur Teiländerungen, die aus dringenden Gründen notwendig sind, an der geltenden Regelung vorgenommen. Es geht nicht, wie die Kommission klarstellt, um eine tief greifende Änderung der geltenden Richtlinie, denn die Diskussion darüber habe „gerade erst begonnen“. Es geht vielmehr um Fragen, die aus sozialer und wirtschaftlicher Sicht relevant sind, wie das bei der MwSt. in Restaurants, in arbeitsintensiven Branchen und bei Dienstleistungen lokaler Art der Fall ist.

4.4   Technische Änderungen

Den in diesem Vorschlag enthaltenen Anpassungen rein technischer Art kann der EWSA grundsätzlich zustimmen, denn sie sind erforderlich, betreffen Verbesserungen in der Abfassung der Vorschriften und bringen Klarheit in strittige Aspekte.

4.5   Änderungen im Bereich des Wohnungswesens

4.5.1   Lieferung und Bau von Wohnungen

4.5.1.1   Die dauerhafte Anwendung auf jede Art von Wohnung - nicht nur derjenigen, die in den Rahmen des „sozialen Wohnungsbaus“ gehören, wie in der gegenwärtigen Kategorie 10 festgelegt - erweitert den Anwendungsbereich der Mehrwertsteuerermäßigung ganz erheblich. Diese Änderung wird damit begründet, dass die Mitgliedstaaten unterschiedliche Auffassungen darüber hätten, was unter „sozialem Wohnungsbau“ zu verstehen sei, und außerdem in den Bestimmungen über den Ort der Besteuerung der Dienstleistungen festgelegt sei, dass als Ort der Besteuerung immer der Ort gilt, an dem das Grundstück gelegen ist.

4.5.1.2   Auch wenn auf diese Weise eine Harmonisierung erreicht wird, muss die Frage gestellt werden, ob diese Allgemeingültigkeit angesichts der Tragweite der Reform nicht zu weit geht (4). Dient die Anwendung eines ermäßigten Steuersatzes auf jede Art von Wohnung, unabhängig von ihrem Preis und ihrem Verwendungszweck, einem aus sozialer und wirtschaftlicher Sicht löblichen Ziel?

4.6   Instandsetzung von Wohnungen und anderen Immobilien

4.6.1   Renovierungs- und Reparaturarbeiten für Wohnungen im Rahmen des sozialen Wohnungsbaus waren bereits in Anhang III aufgeführt, ebenso wie die Renovierung und Reparatur von Privatwohnungen; auch Reinigungsarbeiten in Privathaushalten waren bereits in Anhang IV verzeichnet. Zu Recht werden sie jetzt auf „Gebetsstätten, Kulturstätten und Denkmäler“ ausgedehnt.

4.6.2   Zudem entfällt die Bestimmung „mit Ausnahme von Materialien, die einen bedeutenden Teil des Wertes der Dienstleistung ausmachen“. Entsprechend wird vorgeschlagen, allgemein die Möglichkeit vorzusehen, für solche Lieferungen den ermäßigten Satz gelten zu lassen, wenn die Güter Teil der erbrachten Dienstleistung sind.

4.6.2.1   Beide Änderungen sind aus Sicht des EWSA sinnvoll.

4.7   Ermäßigter Mehrwertsteuersatz auf Dienstleistungen im Gaststättengewerbe und Verpflegungsdienstleistungen

4.7.1   Die Senkung des Mehrwertsteuersatzes in der Gaststätten- und Catering-Branche ist eine heikle Frage, die schon lange diskutiert wird und in einigen Mitgliedstaaten noch auf Widerspruch stößt.

4.7.2   Der von der Kommission erstellten Folgenabschätzung (5) zufolge macht der Sektor Cafés, Restaurants und Catering-Dienste 6,1 % des Privatkonsums (6) und 1,9 % der Wertschöpfung aus. Außerdem entfallen auf ihn 3,3 % der Gesamtbeschäftigung (7). Nach Angaben des Unternehmensverbands Hotrec gibt es in der EU 1 600 000 Unternehmen in diesem Sektor (8).

4.7.3   Wie bereits vom EWSA betont, betrifft der auf diesen Wirtschaftszweig angewandte Steuersatz eine im Wesentlichen lokale Dienstleistung, hat aber Folgen auf die Verteilung des Tourismus auf die Mitgliedstaaten. Dieser Umstand erschwert zusammen mit der Tatsache, dass die Erhebung der Mehrwertsteuer in Restaurants für den Staat eine wichtige Einnahmequelle ist, die Einigung auf ein einheitliches Kriterium in der gesamten EU, das bis heute nicht erreicht ist (9).

4.7.3.1   Im Hinblick auf den Tourismus werden die Effekte voraussichtlich je nach Mitgliedstaat unterschiedlich sein. Zudem deutet in dem (der Gastronomiebranche unter dem Gesichtspunkt des Binnenmarkts ähnlichen) Hotelsektor, der aktuell in den Genuss ermäßigter MwSt.-Sätze kommen könnte, nach Erkenntnissen der Europäischen Kommission nichts auf eine MwSt.-bedingte Verzerrung hin. Andererseits fallen die Restaurantausgaben im Budget einer Pauschalreise offenbar nicht sehr ins Gewicht.

4.7.4   Die gegenwärtige Regelung, die auf Übergangsbestimmungen der Richtlinie 2006/112/EG beruht, führt zu einer großen Diskrepanz: Elf Mitgliedstaaten (10) wenden bereits, gestützt auf besondere Ausnahmeregelungen, ermäßigte Sätze an, während die übrigen sechzehn auf diese Möglichkeit verzichteten. Die vorgeschlagene Änderung ist also geeignet, in dieser Frage eine allgemeine Gleichstellung zu schaffen.

4.7.5   Das Ausklammern alkoholischer Getränke ist zwingend erforderlich, um im Gleichtakt mit den Bestimmungen zu bleiben, die bereits für ihren Erwerb in einer Verkaufsstelle zum Zweck ihres späteren Konsums gelten (11).

4.7.6   Es ist immer zu bedenken, dass die Mitgliedstaaten nicht zur Anwendung ermäßigter Mehrwertsteuersätze verpflichtet sind, sondern dass dies eine Möglichkeit ist, die ihnen offensteht.

4.8   Lokal erbrachte Dienstleistungen (12)

4.8.1   Die neuen Kategorien 19 bis 23 beziehen sich auf eine Vielzahl von Dienstleistungen, von denen einige in Form einer Übergangsregelung bereits in der geltenden Richtlinie aufgeführt sind. Ohne eine Änderung des Wortlauts würden sie folglich ab dem 1. Januar 2011 unter den normalen Mehrwertsteuersatz fallen.

4.8.2   Bei dieser Art von Dienstleistungen, die vielen Menschen Arbeit geben, besteht in der Regel keine Möglichkeit einer Wettbewerbsverfälschung.

4.8.3   Die Aufnahme von Gartenbaudienstleistungen usw. ist durchaus gerechtfertigt, da sie die gleichen Merkmale wie die übrigen Dienstleistungen aufweisen.

4.8.4   Reparaturleistungen „an beweglichen Gegenständen“:

a)

Es gilt weiterhin das Kriterium, dass es sich dabei um „kleinere“ Reparaturleistungen handeln muss,

b)

aber es wird insofern ein wichtiger begrifflicher Schwenk vollzogen, als nicht mehr einige Waren (wie Fahrräder, Schuhe u.a.) ausdrücklich genannt werden, sondern eine generische Definition gewählt wird. Unter beweglichen Gegenständen versteht zum Beispiel das spanische Bürgerliche Gesetzbuch solche, die „von einem Ort zu einem anderen bewegt werden können“, während Gegenstände in dem Sinne zu verstehen sind, dass sie „berührbar“ sein müssen (wie in verschiedenen europäischen Rechtssystemen festgelegt). Die neue Kategorie ist sehr weit gefasst, weshalb im jeweiligen nationalen Recht näher ausgeführt werden muss, auf welche Arten von Gütern sich die Richtlinie nach der Rechtstradition des jeweiligen Landes erstreckt. Der EWSA regt allerdings an, für die einzelnen Gruppen von Dienstleistungen keine Beschränkungen vorzusehen.

4.8.5   Reparatur und Wartung von Kraftfahrzeugen:

Angesichts der erheblichen finanziellen Anstrengungen, die die Europäische Union und die Mitgliedstaaten zugunsten der Automobilindustrie unternehmen, wird es als erforderlich erachtet, Reparatur- und Wartungsarbeiten an Kraftfahrzeugen ausdrücklich unter die lokal erbrachten Dienstleistungen aufzunehmen, um die Kaufkraft der europäischen Autofahrer zu erhöhen, die Qualität und die Sicherheit des Kraftfahrzeugbestands zu verbessern und die Beschäftigung in dieser Branche zu sichern.

4.8.5.1   Dementsprechend werden folgende Änderungen an Anhang III des Entwurfs vorgeschlagen:

(8) 20. Nach „… Dreirädern aller Art“ die Textstelle „unter Ausschluss aller anderen Beförderungsmittel“ ersetzen durch „sowie Privat- und Unternehmenskraftfahrzeugen“.

(8) 21. Nach „Gegenständen“ folgendes hinzufügen: „einschließlich solcher an Privat- und Unternehmenskraftfahrzeugen“.

4.8.6   Sondernahrung für bestimmte Erkrankungen:

Diätnahrungsmittel, die für bestimmte Erkrankungen, wie zum Beispiel Phenylketonurie und Zöliakie, geeignet sind, sollten als MwSt.-befreit eingestuft werden.

4.9   Arbeitsintensive Dienstleistungen

4.9.1

Diese Dienstleistungen sind bereits unter den lokal erbrachten Dienstleistungen (Ziffer 4.8) aufgeführt.

4.9.2

Hier geht es in der Regel um Arbeiten, die - im Vergleich zur Gesamtwirtschaft - zum großen Teil von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern ausgeführt werden, die über keine Spezialisierung verfügen und teilzeitbeschäftigt sind. Günstigere Steuersätze können der Stabilität ihrer Beschäftigung zugutekommen.

4.9.3

In der Frage, welche Wirkung das zeitigt, macht Copenhagen Economics Angaben zur geschätzten Zunahme des BIP als Folge einer Absenkung der Mehrwertsteuer auf lokal erbrachte Dienstleistungen und Dienstleistungen im Gaststättengewerbe, da dadurch Arbeiten, die durch „Do-it-yourself“ und in der Schattenwirtschaft ausgeführt werden, in den legalen Markt überführt würden.

Brüssel, den 25. Februar 2009

Der Präsident

des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses

Mario SEPI


(1)  Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28. November 2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem (ABl. L 347 vom 11.12.2006, S. 1).

(2)  KOM(2007) 380 endg. vom 5. Juli 2007.

(3)  Stellungnahme des EWSA zu der „Mitteilung der Kommission an den Rat und an das Europäische Parlament über vom Normalsatz abweichende Mehrwertsteuersätze“ (ABl. C 211 vom 19.8.2008, S. 67).

(4)  Die Baubranche steht insgesamt für 6,2 % der Wertschöpfung (EU-27), wobei der Wohnungsbau die Hälfte dieses Wertes ausmacht, nämlich 3,1 %.

(5)  SEK(2008) 2 190, vorgelegt in Brüssel am 7. Juli 2008.

(6)  EU-25 (alle Mitgliedstaaten außer Bulgarien und Rumänien).

(7)  EU-27. Nimmt man Hotels hinzu, kommt man auf 4,4 % der Gesamtbeschäftigung.

(8)  Hotels, Restaurants und Cafés in Europa. Die Angaben beziehen sich auf diese drei Sektoren. Die HOTREC beziffert die Zahl der Beschäftigten auf 9 000 000.

(9)  Während einige Mitgliedstaaten, wie z.B. Frankreich, die Anwendung eines ermäßigten Satzes, wie es ihn in anderen Ländern bereits gibt, befürworten, sind andere Mitgliedstaaten, u.a. Deutschland, ebenso dagegen wie gegen jegliche Ausdehnung des Anwendungsbereichs ermäßigter MwSt.-Sätze.

(10)  Griechenland, Spanien, Irland, Italien, Zypern, Luxemburg, Niederlande, Österreich, Polen, Portugal und Slowenien.

(11)  Richtlinie 2006/112/EG, Anhang III, Kategorie 1 „Nahrungs- und Futtermittel (einschließlich Getränke, alkoholische Getränke jedoch ausgenommen) …“.

(12)  Die lokal erbrachten Dienstleistungen, einschließlich eines erheblichen Teils der arbeitsintensiven Dienstleistungen, machen 4,8 % des Privatkonsums (EU-25, außer Bulgarien und Rumänien) und 2,1 % der Wertschöpfung aus. Es herrscht die Auffassung, dass sie von geringer Bedeutung für die Volkswirtschaft sind, außer im Fall der Gebäudeinstandsetzung.


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