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Document 52008AR0253

    Stellungnahme des Ausschusses der Regionen Grünbuch Migration und Mobilität

    ABl. C 120 vom 28.5.2009, p. 34–40 (BG, ES, CS, DA, DE, ET, EL, EN, FR, IT, LV, LT, HU, MT, NL, PL, PT, RO, SK, SL, FI, SV)

    28.5.2009   

    DE

    Amtsblatt der Europäischen Union

    C 120/34


    Stellungnahme des Ausschusses der Regionen Grünbuch „Migration und Mobilität“

    2009/C 120/07

    DER AUSSCHUSS DER REGIONEN

    ist der Ansicht, dass die Befassung auf europäischer Ebene mit gemeinsamen Herausforderungen, denen sich die Bildungssysteme der Mitgliedstaaten zu stellen haben, einen erheblichen europäischen Mehrwert darstellt, der wichtige Impulse für die Gestaltung der mitgliedstaatlichen Bildungspolitik liefern kann. Bildung ist der Schlüssel zu Integration und einer erfolgreichen Beteiligung am gesellschaftlichen und beruflichen Leben;

    verweist in diesem Zusammenhang nachdrücklich auf die dem Ausschuss der Regionen zukommende besondere Rolle, da die europäischen regionalen und lokalen Gebietskörperschaften in einigen Mitgliedstaaten über Verantwortung, z.T. sogar über die ausschließliche Zuständigkeit für den Bereich der schulischen Bildung verfügen;

    betont die der vorschulischen und schulischen Bildung zukommende zentrale Rolle bei der Integration von Kindern und Jugendlichen mit Migrationshintergrund und stellt in diesem Zusammenhang besonders die Bedeutung der Beherrschung der bzw. einer der Unterrichts- und Verkehrssprachen des Aufenthaltsstaates heraus;

    sieht in zunehmender Zuwanderung eine Verstärkung nicht nur der kulturellen, sondern auch der sprachlichen Vielfalt in der Europäischen Union, die durch entsprechende Validierung der vorhandenen Sprachkenntnisse in einen weiteren Standortvorteil für den globalen Markt umgemünzt werden kann; warnt daher davor, die verstärkte Zuwanderung als ausschließliche Belastung der EU-Mitgliedstaaten zu sehen, sondern tritt dafür ein, auch im Lichte der demographischen Entwicklung in Europa, diese Entwicklung als Chance zu begreifen;

    legt der Europäischen Kommission nahe, im Rahmen einer vertieften Befassung mit der Thematik auf europäischer Ebene u.a. die folgenden, im Grünbuch ausgesparten Bereiche aufzugreifen:

    Erhöhung der Bildungsbeteiligung von Kindern und Jugendlichen mit Migrationshintergrund;

    Motivierung von Eltern mit Migrationshintergrund, von bestehenden Bildungsangeboten Gebrauch zu machen;

    berufliche Bildung von Kindern und Jugendlichen mit Migrationshintergrund (u.a. Aspekte der Berufsberatung sowie der berufsbezogenen Sprachförderung).

    Berichterstatterin

    :

    Ursula Männle (DE/EVP), Mitglied des Landtags des Freistaates Bayern

    Referenzdokument:

    GRÜNBUCH: Migration & Mobilität: Chancen und Herausforderungen für die EU-Bildungssysteme

    KOM(2008) 423 endg.

    POLITISCHE EMPFEHLUNGEN

    DER AUSSCHUSS DER REGIONEN

    1.

    betont die Bedeutung der EU-Bildungskooperation für die gesellschaftliche und wirtschaftliche Entwicklung Europas im Rahmen der Lissabon-Strategie und hält in diesem Zusammen-hang eine weitere Steigerung des Bildungsaspekts innerhalb des Wissensdreiecks von großer Bedeutung;

    2.

    bekräftigt, dass die EU-Bildungskooperation im Rahmen der Bestimmungen von Artikel 149 und 150 EGV erfolgen und subsidiären Gesichtspunkten genügen muss;

    3.

    begrüßt daher, dass die Europäische Kommission im Grünbuch die Bildungspolitik als fest in der Zuständigkeit der Mitgliedstaaten verankert bezeichnet;

    4.

    stellt in diesem Zusammenhang im Hinblick auf die Formulierung des Titels des Grünbuchs heraus, dass Chancen und Herausforderungen vor allem auf der Ebene der Bildungssysteme der EU-Mitgliedstaaten bestehen und dass auf Grund der vertraglichen Bestimmungen nicht von EU-Bildungssystemen gesprochen werden kann, da die politische Gestaltung der Bil-dungssysteme auf nationaler und ggf. auf regionaler und lokaler Ebene erfolgt;

    5.

    ist trotz dieser Klarstellung hinsichtlich der vornehmlichen Bezugsebene der Ansicht, dass die Befassung auf europäischer Ebene mit gemeinsamen Herausforderungen, denen sich die Bil-dungssysteme der Mitgliedstaaten zu stellen haben, einen erheblichen europäischen Mehrwert darstellt, der wichtige Impulse für die Gestaltung der mitgliedstaatlichen Bildungspolitik liefern kann;

    6.

    sieht einen bedeutenden Gewinn in der Durchführung eines vertieften Informations- und Erfahrungsaustauschs zwischen den Mitgliedstaaten und räumt in diesem Zusammenhang besonders der Verbreitung bewährter Verfahren der Mitgliedstaaten durch die Europäische Kommission einen hohen Stellenwert ein;

    7.

    verweist in diesem Zusammenhang nachdrücklich auf die dem Ausschuss der Regionen zukommende besondere Rolle, da die europäischen regionalen und lokalen Gebietskörperschaften in einigen Mitgliedstaaten über Verantwortung, z.T. sogar über die ausschließliche Zuständigkeit, für den Bereich der schulischen Bildung verfügen;

    8.

    misst den Ergebnissen der Zusammenarbeit der Mitgliedstaaten im Rahmen des Arbeitsprogramms „Bildung und Ausbildung 2010“ große Bedeutung bei, begrüßt insbesondere die Durchführung von peer learning-Maßnahmen, die auf freiwilliger Basis einen vertieften Prozess des Voneinanderlernens ermöglichen und dankt in diesem Zusammenhang den Mitgliedern der peer learning-Gruppe „Bildungszugang und soziale Integration“ für deren Tätigkeit;

    9.

    befürwortet daher die Initiative der Europäischen Kommission, während des Europäischen Jahres des interkulturellen Dialogs 2008 durch die Vorlage eines Grünbuchs zur Migration und Mobilität einen Beitrag zur Integration von Kindern und Jugendlichen mit Migrationshintergrund und damit zur Wahrung des sozialen Zusammenhalts zu leisten;

    10.

    begrüßt den nachhaltigen Wert der Öffentlichkeitsarbeit zum Europäischen Jahr des interkulturellen Dialogs und stellt in diesem Zusammenhang besonders das sich im schulischen Bereich über große Nachfrage erfreuende Poster zum Europatag 2008 heraus;

    11.

    unterstützt die Absicht der Europäischen Kommission, die Bildungssituation von Kindern und Jugendlichen mit Migrationshintergrund in Form einer Konsultation für eine breite europäische Öffentlichkeit zugänglich zu machen und erwartet die Ergebnisse der Konsultation mit großem Interesse;

    12.

    ist der Ansicht, dass der für die Beteiligung an der Konsultation vorgesehene fünfmonatige Zeitraum genügend Spielraum für eine diesbezügliche ausführliche Positionierung bietet und bittet seine Mitglieder, die Teilnahme interessierter Akteure an der europaweiten Konsultation auf regionaler und lokaler Ebene zu unterstützen;

    13.

    nimmt allerdings zur Kenntnis, dass die Kommission bereits im Dezember 2008, d.h. vor Ablauf des Konsultationszeitraums, Vorschläge für einen neuen Rahmen der offenen Methode der Koordinierung unterbreiten wird, die möglicherweise auch den Politikaustausch zur Integration von Kindern und Jugendlichen mit Migrationshintergrund betreffen, und erwartet, dass die Kommission die Stellungnahme des Ausschusses der Regionen angemessen berücksichtigen wird;

    14.

    befürwortet die von der Europäischen Kommission gewählte weite Definition des Begriffs „Migrationshintergrund“, die wie im Rahmen der Durchführung der OECD-Studien zur internationalen Schülerbewertung (PISA) auch Personenkreise umfasst, die durch Geburt oder Einbürgerung die Staatsangehörigkeit des Mitgliedstaates, in dem sie sich aufhalten, erworben haben, oder Kinder solcher Personen sind;

    15.

    begrüßt die von der Europäischen Kommission vorgenommene schwerpunktmäßige Befassung in Gestalt einer thematischen Einschränkung auf Kinder und Jugendliche mit Migrationshintergrund bei gleichzeitiger sozioökonomischer Benachteiligung, weil nach Ansicht des Ausschusses der Regionen bei diesem Personenkreis der größte Handlungsbedarf besteht;

    16.

    sieht vor dem Hintergrund des großen Zustroms von Bürgern aus anderen EU-Mitgliedstaaten sowie Drittstaaten in EU-Mitgliedstaaten Handlungsbedarf für die Bildungssysteme auf nationaler Ebene, der durch die Verbreitung der Ergebnisse des Konsultationsverfahrens sowie durch eine anschließende Befassung mit der Thematik auf europäischer Ebene unterstützt werden kann;

    17.

    pflichtet der Sichtweise der Europäischen Kommission bei, dass Bildung den Schlüssel zu Integration und einer erfolgreichen Beteiligung am gesellschaftlichen und beruflichen Leben darstellt;

    18.

    betont die der vorschulischen und schulischen Bildung zukommende zentrale Rolle bei der Integration von Kindern und Jugendlichen mit Migrationshintergrund und stellt in diesem Zusammenhang besonders die Bedeutung der Beherrschung der bzw. einer der Unterrichts- und Verkehrssprachen des Aufenthaltsstaates heraus;

    19.

    sieht in zunehmender Zuwanderung eine Verstärkung nicht nur der kulturellen, sondern auch der sprachlichen Vielfalt in der Europäischen Union, die durch entsprechende Validierung der vorhandenen Sprachkenntnisse in einen weiteren Standortvorteil für den globalen Markt umgemünzt werden kann;

    20.

    spricht sich in diesem Zusammenhang generell dafür aus, dem kulturellen, sprachlichen und intellektuellem Potenzial von Migranten größere Aufmerksamkeit zu schenken und die Entwicklung von legalen Migranten zu Trägern des wechselseitigen Austauschs zwischen den Kulturen zu fördern;

    21.

    warnt daher davor, die verstärkte Zuwanderung als ausschließliche Belastung der EU-Mitgliedstaaten zu sehen, sondern tritt dafür ein, auch im Lichte der demographischen Entwicklung in Europa, diese Entwicklung als Chance zu begreifen;

    22.

    unterstreicht die Bedeutung der Empfehlung des Europäischen Parlaments und des Rates zu Schlüsselkompetenzen für lebenslanges Lernen auch im Hinblick auf die Eingliederung von Kindern und Jugendlichen mit Migrationshintergrund;

    Zur Bildungssituation von Kindern und Jugendlichen mit Migrationshintergrund

    23.

    nimmt die von der Europäischen Kommission vorgelegte Darstellung der Bildungssituation von Kindern und Jugendlichen mit Migrationshintergrund mit Besorgnis zur Kenntnis, sieht in der Integration von Kindern und Jugendlichen mit Migrationshintergrund eine der großen politischen Herausforderungen und betont den insoweit bestehenden dringenden Handlungsbedarf;

    24.

    stimmt der Auffassung der Europäischen Kommission zu, dass ein Scheitern der schulischen Integration von Kindern und Jugendlichen mit Migrationshintergrund ein erstes Glied in einer Misserfolgskette darstellen kann, die letztlich über Schulabbruch und Arbeitslosigkeit auf Grund geringer Qualifikation in einem Scheitern der sozialen Integration münden kann;

    25.

    sieht eine Verkettung verschiedener Faktoren (u.a. fehlende bzw. unzureichende Kenntnisse der Unterrichtssprache und dadurch Unvermögen, dem Unterricht zu folgen bei entsprechender Demotivierung; noch zu schwach ausgeprägte Flexibilität der Bildungssysteme, auf die Bedürfnisse von Kindern und Jugendlichen mit Migrationshintergrund zugeschnittene Bildungsangebote zur Verfügung zu stellen; Bildungsferne des Elternhauses und mangelnde Zuwendung und außerschulische Betreuung der Kinder und Jugendlichen durch deren Eltern) als ursächlich für die Leistungsdifferenzen bei Kindern und Jugendlichen mit Migrationshintergrund an;

    26.

    teilt nachdrücklich die von der Europäischen Kommission im Rahmen ihrer Mitteilung „Bessere Kompetenzen für das 21. Jahrhundert: eine Agenda für die europäische Zusammenarbeit im Schulwesen“ getroffene Einschätzung, dass die Schule allein die soziale Benachteiligung von Schülerinnen und Schülern nicht ausgleichen könne;

    27.

    betont seine Überzeugung, dass eine gelungene Integration von Personen mit Migrationshintergrund ein hohes Maß an Bereitschaft, Zeit, Anstrengung und Offenheit von allen Seiten erfordert;

    28.

    vermisst daher im Grünbuch einen Verweis auf die individuelle Verantwortung der Eltern sowie in gewissem Ausmaß auch eine altersgemäße Verantwortung der Kinder und Jugendlichen, trotz ihrer jeweils spezifischen Situation Integrationsbereitschaft unter Beweis zu stellen und im gebotenen Rahmen Eigeninitiative zu ergreifen, um z.B. über die Beteiligung an Bildungsangeboten bzw. Nachqualifizierungsmaßnahmen den Versuch zu unternehmen, bestehende sozioökonomische Benachteiligungen zu lindern bzw. zu überwinden;

    29.

    betrachtet die Pflicht zum Schulbesuch als unverzichtbaren Garant für eine erfolgreiche Integration von Kindern und Jugendlichen mit Migrationshintergrund und tritt nachdrücklich für eine enge Zusammenarbeit von Schule und Elternhaus hinsichtlich der Einhaltung der Schulpflicht ein, dies gilt u.a. auch für die Ermöglichung der Teilnahme der Kinder und Jugendlichen am Sport- und Schwimmunterricht sowie an Klassenfahrten;

    30.

    sieht wie die Europäische Kommission grundsätzliche Problemlösungsansätze in einer verstärkten Partnerschaft mit einer Vielzahl von Akteuren im Bildungs- und Jugendbereich (Kindergarten, Schule, Jugendarbeit), wobei der Familie aus Sicht des Ausschusses der Regionen eine besonders wichtige Rolle zukommt, da sie als wichtiger Impulsgeber für die Ausprägung einer allgemeinen Erwartungshaltung in Bezug auf die Lebensgestaltung und damit auch den individuellen Bildungserfolg fungiert;

    31.

    misst unter Berücksichtigung der unabdingbaren Notwendigkeit, die bzw. eine der Sprachen des Aufenthaltslandes korrekt und flüssig zu sprechen, um die Angebote des Bildungssystems nutzen zu können, einem möglichst frühen Eintritt von Kindern mit Migrationshintergrund in Angebote frühkindlicher Bildung große Bedeutung bei, da dadurch bis zum Eintritt in die Grundschule bereits sprachliche Schwierigkeiten angegangen bzw. behoben werden können und somit eine wichtige Basis für eine gleichberechtigte Teilnahme am Schulunterricht gelegt werden kann;

    32.

    fordert daher die nationale Ebene sowie die lokalen und regionalen Gebietskörperschaften auf, der Eingliederung von Kindern und Jugendlichen mit Migrationshintergrund stärkeres Gewicht zu verleihen;

    33.

    ermuntert in diesen Zusammenhang besonders die lokalen und regionalen Gebietskörperschaften, die in ihrem Verantwortungsbereich möglichen diesbezüglichen Maßnahmen zu ergreifen;

    Zu den vorgeschlagenen konkreten Maßnahmen, die die politische Ebene ergreifen könnte, um die Bildungssituation von Kindern und Jugendlichen mit Migrationshintergrund positiv zu beeinflussen

    34.

    begrüßt ausdrücklich, dass sich die Europäische Kommission bei der Ausarbeitung ihres Grünbuchs nicht auf eine bloße Darstellung der Situation der Kinder und Jugendlichen mit Migrationshintergrund beschränkt, sondern darüber hinaus eine Zusammenschau verschiedener politischer Konzepte zur Behebung der bestehenden Probleme vorgelegt hat;

    35.

    begrüßt ferner, dass im Rahmen des in Ergänzung zum Grünbuch vorgelegten Arbeitsdokuments der Kommission [SEK(2008) 2173] ein relativ umfangreiches Verzeichnis weiterer bildungspolitischer Ansätze zur Integration von Kindern und Jugendlichen mit Migrationshintergrund, z.T. unter Verweis auf im Internet zur Verfügung stehende Dokumentationen, erstellt wurde, das einen umfangreichen Überblick über die Bemühungen einzelner Mitgliedstaaten sowie außereuropäischer Staaten in diesem Bereich bietet;

    36.

    verweist nachdrücklich auf die Bedeutung der lokalen und regionalen Gebietskörperschaften bei der Suche nach praxistauglichen Lösungen für eine bessere Integration von Kindern und Jugendlichen mit Migrationshintergrund;

    37.

    hält die Bildungsarbeit in Einrichtungen zur frühkindlichen Erziehung sowie den Unterricht während der ersten Schuljahre für besonders entscheidend für den schulischen Erfolg von Kindern und Jugendlichen mit Migrationshintergrund, weil während dieses Zeitraums eine Prägung für die gesamte weitere Bildungsbiographie erfolgt;

    38.

    regt in diesem Zusammenhang an, eine verstärkte Zusammenarbeit zwischen Schulen und öffentlichen Bibliotheken vorzusehen, um Kinder und Jugendliche verstärkt mit der Welt der Bücher vertraut zu machen und dadurch die sprachliche Entwicklung der Kinder und Jugendlichen, aber auch das Gefühl einer Teilhabe an der Gesellschaft zu unterstützen;

    39.

    tritt in diesem Zusammenhang dafür ein, dass Kindergärten und Schulen besonderen Wert auf eine frühzeitige Unterstützung des einzelnes Kindes und die Ausprägung seines Selbstwertgefühls sowie seiner Selbstbestimmung im Rahmen einer frühkindlichen interkulturellen Werteorientierung legen sollten, wobei vertrauensbildenden Grunderfahrungen, Ausdrucksformen und Deutungsangeboten zur Verarbeitung des ganzen Spektrums möglicher Erfahrungen eine herausgehobene Bedeutung zukommt, damit in den Kindern so früh wie möglich ein grundlegendes Sinn- und Wertesystem gestärkt wird, das sie dazu befähigt, sich in einer komplexen Welt zurechtzufinden und mit Krisen, Brüchen und Übergängen umzugehen;

    40.

    empfiehlt, bereits in den Lehrplänen der Kindergärten und Grundschulen im Sinne des sozialen Lernens ein Lernziel „Empathie“ vorzusehen, damit die Kinder dazu befähigt werden, sich mühelos in die Gedanken- und Gefühlswelt anderer hineinzuversetzen und Wertschätzung und Offenheit gegenüber den Überzeugungen anderer zu zeigen;

    41.

    regt an, ein besonderes Augenmerk auf geschlechtsspezifische Aspekte zu richten;

    42.

    vertritt die Ansicht, dass sich zur Behebung der bestehenden Problematik der Leistungsdifferenzen von Schülerinnen und Schülern mit Migrationshintergrund am besten die Implementierung eines Maßnahmenbündels eignet, das die sprachliche Bildung als Querschnittsaufgabe für alle Bildungsabschnitte begreift;

    43.

    empfiehlt darüber hinaus, im schulischen Rahmen eine positive Darstellung des Phänomens „Migrationshintergrund“ als fächerübergreifendes Unterrichtskonzept zu verankern, damit die Schülerinnen und Schüler den Migrationshintergrund der eigenen Familie oder den von Klassenkameraden als etwas Positives und Bereicherndes annehmen können;

    44.

    betont die Notwendigkeit der Beratung von Jugendlichen ohne Schulabschluss und deren Eltern über schulische und berufliche Möglichkeiten, die ihnen offenstehen, um sich für eine Berufstätigkeit nachzuqualifizieren;

    45.

    weist die zuständigen Behörden der nationalen, regionalen und lokalen Ebene, auf Grund des Geburtenrückgangs in den Mitgliedstaaten der Europäischen Union darauf hin, dass sie frei werdende Finanzmittel im Bildungsbereich belassen und für eine weitere Verbesserung der Qualität der Bildung sowie der Ausstattung der Bildungseinrichtungen einsetzen könnten;

    46.

    empfiehlt, im Hinblick auf die Integration von Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen mit Migrationshintergrund durch die Organisation von Medienkampagnen meinungsbildend zu wirken, wobei insbesondere z.B. die Integration von Personen des öffentlichen Lebens, die über einen Migrationshintergrund verfügen, dargestellt werden könnte;

    47.

    unterstreicht das Recht der Migranten auf Pflege ihrer Heimatsprache und empfiehlt, die Mehrsprachigkeit zu fördern;

    48.

    appelliert an regionale und lokale Gebietskörperschaften in ihrer Rolle als Arbeitgeber, Mitarbeiter in interkulturellen Kompetenzen zu schulen und ggf. den Anteil des Personals mit Migrationshintergrund unter Berücksichtigung von Eignung, Befähigung und Leistung bei angemessener Würdigung sprachlicher und interkultureller Kompetenzen zu erhöhen;

    Zur Befassung mit der Thematik auf europäischer Ebene

    49.

    pflichtet der Ansicht der Europäischen Kommission bei, dass die Umsetzung des Interesses der Mitgliedstaaten an einer europäischen Zusammenarbeit bei der Integration von Kindern und Jugendlichen mit Migrationshintergrund in Form der Vorstellung bewährter Verfahren aus den Mitgliedstaaten, Regionen und Städten zu einem europäischen Mehrwert führen kann;

    50.

    betont aber in diesem Zusammenhang, dass damit zusammenhängende Probleme nicht — wie im Grünbuch dargestellt — bereits auf europäischer Ebene bewältigt, sondern lediglich diskutiert werden können, wobei die Entscheidung über die Umsetzung etwaiger politischer Maßnahmen in die alleinige Zuständigkeit der nationalen, regionalen oder lokalen Ebene fällt;

    51.

    fordert die europäischen lokalen und regionalen Gebietskörperschaften auf, eingehend zu prüfen, inwieweit die Förderlinien gemeinschaftlicher Programme wie des Aktionsprogramms Lebenslanges Lernen (2007 — 2013) oder der Strukturfonds für Maßnahmen zur Eingliederung von Kindern und Jugendlichen mit Migrationshintergrund bzw. zur Förderung des interkulturellen Dialogs herangezogen werden können bzw. wie bereits im Planungsstadium befindliche Projekte so an die bestehenden gemeinschaftlichen Förderrichtlinien angepasst werden können, dass sie eine reelle Förderchance haben;

    52.

    weist in diesem Zusammenhang auf den Nutzen des Europäischen Fonds für die Integration von Drittstaatsangehörigen hin und bittet seine Mitglieder, auf regionaler und lokaler Ebene für die Heranziehung dieses Fonds im Hinblick auf die Finanzierung von Integrationsmaßnahmen für Kinder und Jugendliche mit Migrationshintergrund zu werben;

    53.

    erwartet, dass der Integration von Kindern und Jugendlichen mit Migrationshintergrund im Rahmen des von der Europäischen Kommission für Dezember 2008 als Nachfolgestruktur für das gegenwärtige Arbeitsprogramm „Bildung und Ausbildung 2010“ in Aussicht gestellten Entwurfs für einen strategischen Rahmen für die europäische Zusammenarbeit in den Bereichen Bildung und Ausbildung ausreichend Augenmerk geschenkt wird;

    54.

    legt der Europäischen Kommission nahe, im Rahmen einer vertieften Befassung mit der Thematik auf europäischer Ebene u.a. die folgenden, im Grünbuch ausgesparten Bereiche aufzugreifen:

    Erhöhung der Bildungsbeteiligung von Kindern und Jugendlichen mit Migrationshintergrund;

    Motivierung von Eltern mit Migrationshintergrund, von bestehenden Bildungsangeboten Gebrauch zu machen;

    berufliche Bildung von Kindern und Jugendlichen mit Migrationshintergrund (u.a. Aspekte der Berufsberatung sowie der berufsbezogenen Sprachförderung);

    55.

    nimmt zur Kenntnis, dass die Europäische Kommission für die Annahme von Indikatoren und europäischen Durchschnittsbezugswerten (benchmarks) im Hinblick auf die Bildungsleistung und den Schulbesuch von Kindern und Jugendlichen mit Migrationshintergrund eintritt;

    56.

    erinnert daran, dass im Rahmen der Annahme des Instruments europäischer Durchschnittsbezugswerte für die allgemeine und berufliche Bildung (benchmarks) durch Schlussfolgerungen des Rates vom 20./21. Mai 2003 hervorgehoben wurde, dass die europäischen Durchschnittsbezugswerte keine Festlegung einzelstaatlicher Ziele enthalten und keine Entscheidungen vorgeben, die von den jeweiligen Regierungen getroffen werden müssen, wenngleich nationale Maßnahmen auf der Grundlage nationaler Prioritäten zum Erreichen der Bezugswerte beitragen werden;

    57.

    verweist auf die im Mai 2007 unter deutschem Ratsvorsitz erfolgte Annahme des kohärenten Rahmens für Indikatoren und benchmarks zur Beobachtung der Fortschritte im Hinblick auf die Lissabonner Ziele im Bereich der allgemeinen und beruflichen Bildung sowie die Tatsache, dass die Mitgliedstaaten dem Vorschlag der Europäischen Kommission, neue Indikatoren für den schulischen Bereich anzunehmen, aus grundsätzlichen Erwägungen, aber auch wegen des mit der Gewinnung neuer Indikatoren verbundenen administrativen und finanziellen Aufwands nicht gefolgt sind;

    58.

    betont grundsätzlich, dass im Rahmen der EU-Bildungskooperation die Setzung europäischer Durchschnittsbezugswerte (benchmarks) eine Ausnahme bleiben und der Anwendungsbereich nicht über die bereits bestehenden fünf Durchschnittsbezugswerte ausgeweitet werden sollte, zumal immer deutlicher wird, dass die Erreichung der auf freiwilliger Basis erfolgten Zielsetzungen auf europäischer Ebene bis zum Jahr 2010 in vier von fünf Fällen nicht möglich sein wird;

    59.

    weist nachdrücklich darauf hin, dass die Schaffung neuer Indikatoren unter Umständen erheblichen zusätzlichen administrativen Aufwand für die nationale, regionale und lokale Ebene verursachen kann, der angesichts der Kommissionsbemühungen um Entbürokratisierung nur im Falle einer positiv zu bewertenden ausführlichen Kosten-Nutzen-Analyse näher getreten werden sollte;

    60.

    spricht sich vor diesem Hintergrund für eine Konzentration der Bemühungen auf die bereits bestehenden Indikatoren und europäischen Durchschnittsbezugswerte aus;

    61.

    sieht daher nicht in der Annahme neuer Indikatoren und benchmarks, sondern in der Schaffung eines Inventars bewährter Verfahren zur Bildungsleistung und zum Schulbesuch von Kindern und Jugendlichen mit Migrationshintergrund einen europäischen Mehrwert;

    62.

    ist davon überzeugt, dass ein solches Inventar im Hinblick auf die Gestaltung der künftigen EU-Bildungskooperation ein zentrales Element eines vertieften Informations- und Erfahrungsaustauschs sein kann und maßgebliche Impulse für die eigenverantwortliche Gestaltung der Integrationspolitik auf nationaler, regionaler und lokaler Ebene liefern wird;

    63.

    fordert die Kommission daher auf, — nach Auswertung der Konsultationsergebnisse und Diskussion in den einschlägigen Gremien auf europäischer Ebene — unter Beteiligung der regionalen und lokalen Gebietskörperschaften sowie ggf. der peer learning-Gruppe „Bildungszugang und soziale Integration“, ein solches Inventar mit konkreten, praxistauglichen Lösungsansätzen für die bestehenden Probleme im Bereich der Bildungsleistung und des Schulbesuchs von Kindern und Jugendlichen mit Migrationshintergrund zu erarbeiten;

    64.

    hält es weiter für notwendig, dass die Kommission dieses Inventar anschließend den zuständigen nationalen, regionalen und lokalen Verantwortungsträgern zur Verfügung stellt; ein solches Inventar könnte u.a. bewährte Verfahren für folgende Bereiche umfassen:

    Kinder: möglichst frühzeitige Aufnahme in einem frühkindlichen Bildungsangebot bei gleichzeitiger ganzheitlicher und an den individuellen Bedürfnissen des Kindes orientierter Sprachförderung und Sprachdiagnose sowie ggf. der Teilnahme an logopädischen Förderprogrammen;

    Kinder und Jugendliche: während der Schulpflicht Durchführung sprachunterstützender Maßnahmen in allen Schulstufen, ggf. vorübergehendes Angebot von Sprachklassen für Kinder und Jugendliche mit erheblichen Defiziten in der Unterrichtssprache bis der sprachliche Rückstand aufgeholt ist; Einrichtung von Netzwerken sog. „Bildungspaten“ zur Unterstützung der Kinder und Jugendlichen in Schule und Ausbildung;

    Eltern: systematische und zielgerichtete Aufklärung über die Möglichkeiten des Bildungssystems auf der Basis mehrsprachiger, von den zuständigen Bildungsbehörden erstellten Informationsbroschüren; Ausbau der Sprachlernmöglichkeiten für Eltern mit Migrationshintergrund, hier auf Grund der herausgehobenen Stellung der Mutter besonders Schaffung von Angeboten zur sprachlichen Qualifizierung für Mütter, die die Unterrichtssprache ihrer Kinder nicht genügend beherrschen; Prüfung der Möglichkeit des Einsatzes und der Qualifizierung ehrenamtlicher mehrsprachiger Elternbegleiter zur Aufarbeitung sprachlicher, kultureller und sozialer Benachteiligungen;

    Lehrer: vertiefte Behandlung von migrationsrelevanten Aspekten in der Lehrerbildung (Erstausbildung sowie Fort- und Weiterbildung); Ermutigung von Personen mit Migrationshintergrund, ein Lehramtsstudium zu ergreifen, um Kindern und Jugendlichen mit Migrationshintergrund als Beispiel für die Möglichkeiten, die Bildung eröffnet, zu dienen;

    Schulen: Bereitstellung gezielter Unterstützung für Schulen mit hohem Migrantenanteil, besonders durch die Ermöglichung geringerer Klassenstärken, die Unterstützung der Lehrkräfte durch sozialpädagogische Fachkräfte der Jugendhilfe, die Organisation von Hausaufgabenbetreuung nach dem Unterricht sowie die Schaffung von Tutorensystemen durch ältere Schüler und Studierende mit und ohne Migrationshintergrund; ggf. Ausprägung schulspezifischer Profile der Interkulturalität sowie deren Darstellung im Schulleben, wobei die Sprachen der Migranten als Arbeitsgemeinschaften eine besondere Rolle spielen könnten;

    Jugend- und Sozialarbeiter: verstärkter Brückenschlag zum schulischen Bereich zur Betreuung von Kindern und Jugendlichen aus Familien mit Migrationshintergrund und gleichzeitiger sozioökonomischer Benachteiligung.

    65.

    verweist auf die wachsende Bedeutung des e-learnings, das sich durch die Unabhängigkeit von Zeit und Raum auszeichnet, neue Möglichkeiten des Sprachenlernens bietet und die Chance eröffnet, auch Menschen und Kulturen in weit entfernten Regionen kennenzulernen, und fordert in diesem Rahmen die Kommission auf, Anwendungsbereiche von e-learning-Methoden für die Integration von Kindern und Jugendlichen mit Migrationshintergrund zu ermitteln;

    66.

    weist der Zusammenarbeit mit internationalen Organisationen (OECD, UNESCO) einen hohen Stellenwert zu und fordert in diesem Zusammenhang eine Verstärkung der Synergien vor allem mit dem Europarat;

    Zur Rolle der Richtlinie 77/486/EWG über die schulische Betreuung der Kinder von Wanderarbeitnehmern

    67.

    nimmt zur Kenntnis, dass sich der Anwendungsbereich der Richtlinie 77/486/EWG über die schulische Betreuung der Kinder von Wanderarbeitnehmern auf EU-Bürger beschränkt und nach Angaben der Europäischen Kommission die Umsetzung der Richtlinie bisher lediglich bruchstückhaft erfolgt sei;

    68.

    sieht in der Tatsache, dass sich die Richtlinie nicht auf Angehörige aus Drittstaaten bezieht sowie in der für die Mitgliedstaaten bestehenden Möglichkeit der Regelung einzelner Aspekte, die ihnen im Hinblick auf eine Integration von Kindern und Jugendlichen mit Migrationshintergrund als besonders wichtig erscheinen, über bilaterale Abkommen zwischen einzelnen Mitgliedstaaten sowie mit Drittstaaten, bedeutende Indizien dafür, dass weder die Inhalte der Richtlinie noch das Instrument der Richtlinie selbst eine überzeugende Antwort auf die Entwicklungen, die die aktuelle Situation der Migration in Europa ausmachen, darstellen;

    69.

    stellt fest, dass die Europäische Kommission im Grünbuch erhebliche Zweifel im Hinblick auf die Opportunität der Beibehaltung der Richtlinie aufscheinen lässt;

    70.

    empfiehlt vor diesem Hintergrund der Europäischen Kommission, dem Europäischen Parlament sowie dem Wirtschafts- und Sozialausschuss die Aufhebung der Richtlinie 77/486/EWG über die schulische Betreuung der Kinder von Wanderarbeitnehmern.

    Brüssel, den 13. Februar 2009

    Der Präsident

    des Ausschusses der Regionen

    Luc VAN DEN BRANDE


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