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Document 52006DC0712
Green - Paper Diplomatic and consular protection of Union citizens in third countries
Grünbuch - Der diplomatische und konsularische Schutz des Unionsbürgers in Drittländern
Grünbuch - Der diplomatische und konsularische Schutz des Unionsbürgers in Drittländern
/* KOM/2006/0712 endg. */
Grünbuch - Der diplomatische und konsularische Schutz des Unionsbürgers in Drittländern /* KOM/2006/0712 endg. */
[pic] | KOMMISSION DER EUROPÄISCHEN GEMEINSCHAFTEN | Brüssel, den 28.11.2006 KOM(2006)712 endgültig GRÜNBUCH Der diplomatische und konsularische Schutz des Unionsbürgers in Drittländern (von der Kommission vorgelegt) EINLEITUNG Nach Artikel 20 des Vertrags zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft (im Folgenden „EG-Vertrag“) genießt ein Unionsbürger bei einem Aufenthalt in einem Drittland, in dem sein eigener Mitgliedstaat keine Botschaft oder konsularische Vertretung unterhält, seitens der Behörden jedes anderen dort vertretenen Mitgliedstaats den gleichen Schutz wie die Staatsangehörigen dieses Staates. Im Beschluss 95/553/EG[1] werden eine Reihe von Maßnahmen genannt, die die Mitgliedstaaten u.a. in folgenden Fällen treffen können: - bei Festnahme oder Haft des Unionsbürgers - bei schwerem Unfall oder schwerer Erkrankung - bei einem Gewaltverbrechen - im Todesfall - in einer Notlage oder - bei einer Rückführung. Darüber hinaus regelt der Beschluss, nach welchem Verfahren einem in Schwierigkeiten befindlichen Unionsbürger eine finanzielle Vorleistung gewährt werden kann. Diese Aufzählung ist nicht erschöpfend. Dem Beschluss zufolge kann ein in Schwierigkeiten befindlicher Bürger auch in anderen Fällen Schutz beantragen, in denen die Mitgliedstaaten ihm im Rahmen ihrer Zuständigkeiten dann unverzüglich helfen müssten. Um insbesondere den Austausch empfehlenswerter nationaler Praktiken zu fördern, wurde im Rat der Europäischen Union die Arbeitsgruppe „Konsularische Angelegenheiten“ („COCON“) eingesetzt. Diese hat im Juni 2006 Leitlinien für den konsularischen Schutz von EU-Bürgern in Drittländern erarbeitet.[2] Diese Leitlinien sind nicht bindend und zielen vor allem auf den Informationsaustausch zwischen den Mitgliedstaaten und damit letztendlich auf eine enge Zusammenarbeit ab, in die auch die Vertretungen der Kommission eingebunden werden.[3] Dass die Kommission zur Verstärkung dieses Schutzes der EU-Bürger nunmehr dieses Grünbuch veröffentlicht, hat folgende Gründe: - mit Artikel 46 der am 7. Dezember 2000 in Nizza proklamierten Charta der Grundrechte wurde das Recht der EU-Bürger auf konsularischen und diplomatischen Schutz in den Stand eines Grundrechts erhoben; - der Beschluss 95/553/EG muss fünf Jahre nach seinen Inkrafttreten im Mai 2002 überprüft werden; - 2007 wird die Kommission ihren fünften Bericht über die Unionsbürgerschaft vorlegen, in dem sie möglicherweise Initiativen bezüglich des Rechts auf diplomatischen und konsularischen Schutz ankündigen wird; - Die Kommission hat in ihrer im Juni 2006 vorgelegten Mitteilung über die Umsetzung des Haager Programms[4] einige Vorschläge zum diplomatischen und konsularischen Schutz unterbreitet; - wie in dem am 9. Mai 2006 von Michel Barnier vorgelegten Bericht (nachstehend Barnier-Bericht genannt)[5] hervorgehoben wird, müssen die Beziehungen zwischen dem konsularischen und diplomatischen Schutz und anderen Bereichen (wie dem Katastrophenschutz, Einsätzen in Krisenfällen und humanitärer Hilfe) genau festgelegt werden. Diplomatischer und konsularischer Schutz kann von Einzelpersonen wie von Personengruppen benötigt werden. Der Union stehen zur Bewältigung kritischer Situationen, z.B. bei Naturkatastrophen, terroristischen Anschlägen, Pandemien oder militärischen Konflikten, verschiedene Instrumente zur Verfügung: - das Gemeinschaftsverfahren für den Katastrophenschutz, das Einsätze inner- und außerhalb der Union ermöglicht; - die humanitäre Hilfe für zivile Opfer von Katastrophen außerhalb der Union; - spezielle Instrumente für das Krisenmanagement, wie der Krisenreaktionsmechanismus; - zivile Krisenbewältigungsmissionen im Rahmen der Gemeinsamen Sicherheits- und Verteidigungspolitik. Diese Instrumente erfordern eine enge Zusammenarbeit zwischen Rat und Kommission, denn nur so kann die Kohärenz der von der Union und ihren Mitgliedstaaten in Drittländern getroffenen Maßnahmen gewährleistet werden. Es wäre sinnvoll, diese Instrumente durch eine Verstärkung des in Artikel 20 EG-Vertrag vorgesehenen Schutzes der Bürger zu ergänzen. Da die Reisen von Unionsbürgern in Drittländer stark zugenommen haben[6] und immer mehr Bürger ihren Wohnsitz in diese Länder verlegen, kommt Artikel 20 EG-Vertrag eine besondere Bedeutung zu. Aber nicht alle Mitgliedstaaten verfügen in diesen Drittländern über eine ständige Vertretung, die angesprochen werden kann. Derzeit gibt es nur drei Länder, in denen alle Mitgliedstaaten vertreten sind: die Volksrepublik China, die Russische Föderation und die Vereinigten Staaten von Amerika. Von 167 Drittländern sind in 107 maximal zehn Mitgliedstaaten vertreten.[7] Sehr deutlich wurde dies bei der Tsunami-Katastrophe Ende 2004 in Südostasien, wo die meisten Mitgliedstaaten nicht in allen der betroffenen Länder über eine Vertretung verfügten. So sind 17 Mitgliedstaaten in Thailand vertreten, während Sri Lanka nur 6 und Brunei nur 3 Vertretungen zählt. Wie der Libanon-Konflikt gezeigt hat, verfügen auch dort nicht alle Mitgliedstaaten über eine ständige Vertretung, die im Bedarfsfall angesprochen werden kann. Dem Barnier-Bericht zufolge ist in bestimmten Ländern, in denen es nur sehr wenige nationale Vertretungen gibt, die Präsenz der Europäischen Union durch die Delegationen der Europäischen Kommission sichergestellt. Auch wenn diese Delegationen nicht über konsularische Befugnisse verfügen, könnten sie bei künftigen Bemühungen um eine gemeinsame Nutzung der Ressourcen berücksichtigt werden. Zum einen sind die konsularischen und diplomatischen Netze der Mitgliedstaaten begrenzt, zum andern ist auch der gemeinschaftliche Besitzstand mit dem Beschluss 95/553/EG und dem Informationsaustausch zwischen den Mitgliedstaaten im Rahmen der Arbeitsgruppe COCON zurzeit nicht sehr weit entwickelt. Doch wird eine Verstärkung der europäischen Präsenz von den Bürgern gewünscht. So hat eine unlängst durchgeführte Eurobarometer-Umfrage[8] gezeigt, dass die Bürger ihre Rechte in diesem Bereich nicht kennen, gleichzeitig aber hohe Erwartungen in Europa setzen. Während die Hälfte der Befragten mit Wohnsitz in der Europäischen Union angab, in den kommenden drei Jahren ein Drittland bereisen zu wollen, waren nur 23 % der Befragten über die Möglichkeiten des Artikels 20 EG-Vertrag im Bilde; gleichzeitig waren 17 % der Meinung, bei den Delegationen der Kommission um Schutz ersuchen zu können. In ihrer Mitteilung an den Europäischen Rat vom 10. Mai 2006 “Eine bürgernahe Agenda: Konkrete Ergebnisse für Europa”[9] hat die Kommission unterstrichen, dass die Europäische Union zum einen die konsularische Zusammenarbeit ausbauen muss, um ihre Bürger in Drittländern besser zu schützen, und zum anderen all ihren Bürgern die Möglichkeit geben muss, sich über ihre Rechte zu informieren und diese in vollem Umfang wahrzunehmen. In diesem Grünbuch zeigt die Kommission mögliche Wege auf, um den Kenntnisstand der Bürger zu verbessern, und stellt Überlegungen dazu an, in welchem Umfang der Bürger geschützt werden sollte, über welche Strukturen und Ressourcen die Union in diesem Bereich verfügen sollte und welche Beziehungen zu den Behörden von Drittländern aufgebaut werden sollten. INFORMATIONEN FÜR DEN BÜRGER DAS WISSEN DER BÜRGER ZUM THEMA KONSULARISCHER SCHUTZ MUSS UNBEDINGT VERBESSERT WERDEN. Zu diesem Zweck schlägt die Kommission mehrere Maßnahmen vor, von denen sich einige kurzfristig umsetzen lassen, andere dagegen komplexere Entscheidungen auf europäischer Ebene erfordern. Informationen über das Recht auf diplomatischen und konsularischen Schutz Sowohl die Organe als auch die Mitgliedstaaten sollten die Bürger und die im Bereich Personenbeförderung tätigen Gewerbe, wie Reisebüros, regelmäßig zu diesem Thema unterrichten. Zu diesem Zweck könnten beispielsweise Informationsbroschüren verteilt, an Flughäfen, Häfen, Bahnhöfen oder Passämtern . Plakate angebracht und über die Website “Europa” sowie die Websites der Kommissionsdelegationen in Drittländern Informationen verbreitet werden. Eine weitere Möglichkeit bestünde darin, dass die Bürger ihre Fragen zum Thema konsularischer und diplomatischer Schutz telefonisch oder per E-Mail an EUROPE DIRECT[10] richten. Vorgeschlagene Maßnahmen: - Ausgabe von Broschüren, auch an die beteiligten Gewerbe - Bereitstellung von Informationen über die Website “Europa” sowie die Websites der Kommissionsdelegationen in Drittländern - Anbringung von Plakaten an Flughäfen, Häfen, Bahnhöfen und anderen angemessenen Orten. - Informationsdienst für Bürger. Informationen über Vertretungen der Mitgliedstaaten in Drittländern Ein Bürger muss für den Fall, dass sein Land in dem von ihm angesteuerten Drittland weder eine Botschaft noch ein Konsulat unterhält, wissen, welche anderen Mitgliedstaaten in diesem Land über eine Botschaft oder ein Konsulat verfügen. Die Kommission ist der Auffassung, dass sie damit beauftragt werden könnte, mit Hilfe der Mitgliedstaaten eine solche Informationskampagne durchzuführen. Letztere könnten zu diesem Zweck aufgefordert werden, der Kommission eine Liste all ihrer Botschaften und Konsulate in Drittländern einschließlich der dazugehörigen Kontaktdaten zur Verfügung zu stellen. Vorgeschlagene Maßnahme: - Veröffentlichung und laufende Aktualisierung der Kontaktdaten der Botschaften und Konsulate der Mitgliedstaaten in Drittländern Nutzung des Reisepasses zu Informationszwecken Im Barnier-Bericht wird vorgeschlagen, in jedem Reisepass Artikel 20 EG-Vertrag abzudrucken. Dieser Vorschlag wurde vom Ratsvorsitz aufgegriffen, der in seinem Bericht an den Europäischen Rat vom 15. Juni 2006[11] eine entsprechende Aufforderung an die Mitgliedstaaten richtet. Dies wäre nach Auffassung der Kommission ein probates Mittel, um den Bürgern ihre Rechte in Erinnerung zu rufen. Vorgeschlagene Maßnahme: - Empfehlung der Kommission an die Mitgliedstaaten, Artikel 20 EG-Vertrag in den Reisepässen abzudrucken Reisehinweise Um seine Bürger vor Reisen in Drittländer zu warnen, in denen ihre Sicherheit und Gesundheit gefährdet ist, gibt jeder Mitgliedstaat für seine eigenen Staatsbürger Reisehinweise aus. Diese spiegeln seine eigene Risikoeinschätzung wider, die je nach Kenntnis des Landes und den Beziehungen, die er zu diesem unterhält, von der anderer Mitgliedstaaten abweichen kann.[12] Hier sollte eventuell die Möglichkeit einer Abstimmung dieser Hinweise geprüft werden. Ein Beispiel für eine solche Abstimmung stellen die Entscheidungen 2119/98/EG[13] und 2000/57/EG[14] dar, mit denen ein gemeinschaftsweites Netz zur Förderung von Zusammenarbeit, Koordinierung und Informationsaustausch geschaffen wurde, dessen Ziel es ist, die Prävention und Kontrolle übertragbarer Krankheiten zu verbessern. Die über ein Frühwarnsystem (Early Warning and Response System - EWRS) weitergeleiteten Informationen betreffen Maßnahmen im Bereich der öffentlichen Gesundheit, die die Mitgliedstaaten zur Abwendung einer Gefahr, wie einer drohenden Pandemie ergreifen. Kommission und Mitgliedstaaten unterrichten auch die betroffenen Berufsgruppen sowie die breite Öffentlichkeit über jede auf Gemeinschaftsebene getroffene Richtungsentscheidung. Außerdem werden die Bürger in Zukunft über die zuständigen Behörden auf angemessene und gemeinschaftsweit gleiche Weise entsprechend den Stellungnahmen des Europäischen Zentrums für die Prävention und die Kontrolle von Krankheiten (ECDC) präventiv auf Risiken hingewiesen werden müssen. Vorgeschlagene Maßnahme: - Abstimmung der Reisehinweise Veröffentlichung aller zur Umsetzung des Artikels 20 EG-Vertrag getroffener Maßnahmen Aus Transparenzgründen sollten die Bürger über ihre Rechte nach Artikel 20 EG-Vertrag unterrichtet werden. So sollten beispielsweise die Leitlinien für die Anwendung dieses Artikels im Amtsblatt veröffentlicht werden. Vorgeschlagene Maßnahme: - Veröffentlichung aller Maßnahmen, die mit der Umsetzung des Artikels 20 EG-Vertrag in Verbindung stehen UMFANG DES SCHUTZES Artikel 20 EG-Vertrag verlangt von den Mitgliedstaaten nur, dass sie Unionsbürgern unter denselben Bedingungen Schutz gewähren wie eigenen Staatsangehörigen. Der Schutz gestaltet sich also nicht einheitlich, und es gibt ebenso viele Schutzregelungen wie Mitgliedstaaten. Geltungsbereich und Rechtswirkung dieser Regelungen sind nicht immer deckungsgleich.[15] Nach Auffassung der Kommission wäre es sinnvoll, langfristig die Unterschiede zwischen einzelnen Aspekten des Schutzes mit dem Ziel zu prüfen, allen Unionsbürgern ungeachtet ihrer Staatsangehörigkeit einen vergleichbaren Schutz zu bieten. Kurzfristig sollten folgende Aspekte erörtert werden: Schutz von Unionsbürgern, die in Drittländern arbeiten und wohnen Die Kommission hat mit ihrer Entscheidung 88/384/EWG zur Einführung eines Mitteilungs- und Abstimmungsverfahrens über die Wanderungspolitik gegenüber Drittländern[16] ein Verfahren eingeführt, mit dessen Hilfe die Mitgliedstaaten einander konsultieren können. Sie wollte so darauf hinwirken, dass in die bilateralen Abkommen möglichst viele gemeinsame Bestimmungen aufgenommen werden. Außerdem war es ihr Ziel, den Schutz der in Drittländern arbeitenden und wohnenden Staatsangehörigen der Mitgliedstaaten zu verbessern. Zum Zwecke dieses Schutzes sollten die in Artikel 20 EG-Vertrag vorgesehenen Regeln über den Schutz von Unionsbürgern in die bilateralen Abkommen mit Drittländern aufgenommen werden. Vorgeschlagene Maßnahme: - Damit die Entscheidung 88/384/EWG voll und ganz zur Anwendung gelangt, Aufnahme in die bilateralen Abkommen, die die Mitgliedstaaten mit Drittländern schließen, von Bestimmungen über den Schutz der dort arbeitenden und wohnenden Unionsbürger. Familienangehörige des Unionsbürgers, die nicht die Staatsangehörigkeit eines Mitgliedstaats besitzen Der Bedarf an einem Schutz sowohl der Unionsbürger als auch ihrer Familienangehörigen, die nicht Unionsbürger sind, ist im Libanon-Konflikt vom Juli 2006 deutlich zutage getreten, als Familienangehörige von EU-Bürgern, deren Mitgliedstaat nicht im Libanon vertreten war, über Zypern evakuiert wurden. In solchen Situationen sehen sich die Unionsbürger und ihre Angehörigen mit großen Schwierigkeiten konfrontiert. Hier muss Abhilfe geschaffen und festgelegt werden, wie in Notfällen sowohl der Unionsbürger als auch seine Familienangehörigen, die nicht die Staatsangehörigkeit eines EU-Mitgliedstaats besitzen, zu schützen sind. Vorgeschlagene Maßnahme: - Ausdehnung des konsularischen Schutzes auf die Familienmitglieder des Unionsbürgers, die die Staatsangehörigkeit eines Drittlandes besitzen, entweder im Wege einer Änderung des Beschlusses 95/553/EG oder eines Vorschlags der Kommission auf der Grundlage von Artikel 22 EG-Vertrag Identifizierung und Überführung von Leichen Die Tsunami-Katastrophe Ende 2004 und ihre Folgen haben deutlich gemacht, wie schwierig sich die Identifizierung und Überführung von Leichnamen gestaltet. Die örtlichen Behörden des betreffenden Drittlands verlangen mitunter die Einhaltung einer Reihe von Formalitäten, beispielsweise die Vorlage eines Leichenpasses (den die Konsularbehörde ausstellt) oder einer von einer Klinik oder der Polizei ausgestellten Bescheinigung des Todes und der Todesursache, die Erfüllung bestimmter Einsargungsvorschriften oder eine beglaubigte Übersetzung der Urkunden. Auch die Kompliziertheit und die hohen Kosten der Überführungsverfahren sind für die Angehörigen der Opfer ein Problem. Einige Mitgliedstaaten sind dem Abkommen des Europarats vom 26. Oktober 1973 über die Leichenüberführung[17] beigetreten, das auf eine Vereinfachung der Überführungsformalitäten abzielt. Dieses Abkommen lässt den Mitgliedstaaten allerdings einen breiten Ermessensspielraum. Parallel zu weiteren Vereinfachungsbestrebungen muss darauf hingewirkt werden, dass alle Mitgliedstaaten diesem Abkommen beitreten. Für die Überführungskosten könnte ergänzend ein europäisches Ausgleichssystem eingerichtet werden. Bevor eine Leiche überführt werden kann, muss sie identifiziert werden. Die Kommission wird in diesem Zusammenhang Forschungen zur Entwicklung effizienter DNA-Analysetechniken, die kostengünstiger sind als die derzeit verfügbaren, unterstützen. Vorgeschlagene Maßnahmen: Kurzfristig: - Änderung des Beschlusses 95/553/EG dahingehend, dass Bestimmungen über die Identifizierung und Überführung von Leichen aufgenommen werden - Beitrittsempfehlung an die Mitgliedstaaten, die dem Abkommen des Europarats von 1973 noch nicht beigetreten sind Langfristig: - Vereinfachung der Überführungsformalitäten - Eventuell Einrichtung eines europäischen Ausgleichssystems - Förderung von Forschungsarbeiten zur Entwicklung von DNA-Analysetechniken sowie der Spezialisierung einiger europäischer Laboratorien auf die Identifizierung von Leichen Vereinfachung der Modalitäten für finanzielle Vorleistungen Am Beschluss 95/553/EG wird deutlich, wie kompliziert die Formalitäten für die Kostenerstattungen und finanziellen Vorleistungen an Bürger sind, die sich in Schwierigkeiten befinden. Der Antragsteller muss eine Genehmigung seines eigenen Staates vorlegen und sich schriftlich verpflichten, die Leistungen zu erstatten. Der Staat, dessen Staatsangehörigkeit der Antragsteller besitzt, erstattet alle Kosten auf Antrag des Staates, der die Hilfe leistet. Der Bürger erstattet die Leistungen seinem eigenen Staat. Die Staatsangehörigen einiger Mitgliedstaaten müssen bei dem Hilfe leistenden Staat ihren Reisepass als Garantie hinterlegen. Eine Lösung könnte darin bestehen, alle Vorgänge zentral in einer gemeinsamen Stelle in dem Drittland abzuwickeln und gleichzeitig die im Beschluss 95/553/EG vorgesehen Verwaltungsschritte zu vereinfachen. Vorgeschlagene Maßnahme: - Vereinfachung der Modalitäten für finanzielle Vorleistungen STRUKTUREN UND RESSOURCEN. Einrichtung gemeinsamer Stellen Ein Schutzersuchen dürfte in punktuellen Situationen keine besonderen Probleme bereiten, z.B. wenn es um den Verlust von Dokumenten geht. Geraten aber ganze Gruppen von Menschen in Schwierigkeiten, z.B. bei Katastrophen, Pandemien, Terroranschlägen oder militärischen Konflikten, gestaltet sich die Situation möglicherweise anders. In solchen Fällen sehen sich die Mitgliedstaaten mit zahlreichen Hilfsersuchen oder Überführungsanträgen von Bürgern konfrontiert, deren Staat nicht in dem betreffenden Drittland vertreten ist. Sie sollten die sich für sie daraus ergebenden Aufgaben gerecht untereinander aufteilen. Die weiter oben genannten Leitlinien zielen auf eine solche Arbeitsteilung ab. Ein möglicher Ansatz wäre die Einrichtung gemeinsamer Stellen, wie sie im Barnier-Bericht vorgeschlagen wurden. Dieser Gedanke wurde später in der Mitteilung vom 28. Juni 2006 über die Umsetzung des Haager Programms[18] übernommen. Ähnliche Vorschläge sind vom EP unterbreitet worden[19]. Die Einrichtung gemeinsamer Stellen würde eine kohärente Organisation der Aufgaben sowie Einsparungen bei den festen Strukturkosten der einzelstaatlichen diplomatischen und konsularischen Netze ermöglichen. Die gemeinsamen Stellen könnten nach dem Prinzip arbeiten, dass die Mitgliedstaaten einander vertreten. Im Einzelnen wird Folgendes vorgeschlagen: - Je nach Land und je nachdem ob die Mitgliedstaaten in den Drittländern vertreten sind, könnten die Stellen in den verschiedenen nationalen Vertretungen oder Botschaften oder in einer einzigen nationalen Vertretung oder Botschaft oder auch in der Delegation der Kommission untergebracht werden. Die einschlägigen Modalitäten müssten noch festgelegt werden. In jedem Fall würden die Konsularbediensteten ihre Arbeit unter der Aufsicht ihres Staates in den gemeinsamen Stellen verrichten. Zunächst könnte mit den vier im Barnier-Bericht vorgeschlagenen „Testgebieten“ – Karibik, Balkan, Indischer Ozean und Westafrika – begonnen werden. Diese Regionen wurden aus folgenden Gründen vorgeschlagen: sie sind wichtige Zielgebiete für europäische Touristen, die Mitgliedstaaten verfügen doch über verhältnismäßig wenig Vertretungen, die Kommission unterhält dort Delegationen, die die erforderliche Unterstützung anbieten könnten. Hier ließe sich auf das Programm zum Austausch von Mitarbeitern zwischen den diplomatischen Vertretungen der Mitgliedstaaten, der Kommission und des Generalsekretariats des Rates zurückgreifen, das in der Mitteilung der Kommission an den Europäischen Rat vom 8. Juni 2006 "Europa in der Welt"[20]vorgesehen ist. - Was die Aufgabenteilung betrifft, so könnten die Mitgliedstaaten Vorschriften aufstellen, aus denen das Vertretungs- und Arbeitsteilungssystem hervorgeht und die in der gemeinsamen Stelle in den einzelnen Drittländern anzuwenden wären. Diese Vorschriften wären auch der Öffentlichkeit bekannt zu geben. - Zur Erleichterung der Arbeit der gemeinsamen Stellen könnten die Bürger im Rahmen von Informationskampagnen aufgefordert werden, sich freiwillig zu melden, was eventuelle Hilfsmaßnahmen erleichtern würde. - Wichtige Maßnahmen wurden bereits im Rahmen der Gemeinsamen Visumpolitik ergriffen (Beschlüsse des Rates zur Anpassung der Gemeinsamen Konsularischen Instruktion). Diese gezielten Maßnahmen verdeutlichen den Mehrwert, den ein Tätigwerden der EU erbringen kann. Um die sich aus einer unzureichenden konsularischen Vertretung in einigen Drittländern ergebenden Schwierigkeiten abzumildern, wurde die derzeit bereits bestehende Möglichkeit der Visumausstellung durch einen Mitgliedstaat in Vertretung eines anderen Mitgliedstaats erweitert.[21] Andere Änderungen der GKI haben eine engere Zusammenarbeit der örtlichen Konsularbehörden und eine größere Bedeutung dieser Zusammenarbeit für die Anwendung der gemeinsamen Visumpolitik zur Folge[22]. Im gleichen Sinne hat die Kommission unlängst Vorschläge zur Ergänzung des bestehenden Rechts unterbreitet: Erstens den Vorschlag, gemeinsame Visumantragstellen einzurichten, um die Einführung der Biometrie zu erleichtern und den Anwendungsbereich der Vertretung auszuweiten.[23] Zweitens hat sie einen Vorschlag für eine Verordnung über einen Visakodex der Gemeinschaft unterbreitet.[24] Mit diesem Visakodex werden sämtliche Vorschriften über die Visumerteilung gebündelt und angepasst. Ziel ist, die Zusammenarbeit der örtlichen Konsularstellen im Visumbereich effizienter zu gestalten. Langfristig wird zu prüfen sein, inwieweit die Bestrebungen um gemeinsame Stellen zwecks Verbesserung des Konsularschutzes und die Bestrebungen um gemeinsame Visumantragsstellen angenähert werden können. Vorgeschlagene Maßnahmen: - Einrichtungen gemeinsamer Stellen zunächst in der Karibik, dem Balkan, dem Indischen Ozean und Westafrika - Aufstellung der Regeln für ein System, das auf dem Grundsatz beruht, dass die Mitgliedstaaten einander in den Drittländern vertreten - Informationskampagne für die Bürger, um sie dazu anzuregen, sich bei einer gemeinsamen Stelle zu melden. - Langfristig: Übernahme konsularischer Aufgaben, z.B. Visumausstellung und Beglaubigung von Dokumenten, durch die gemeinsamen Stellen. Schulung der einzelstaatlichen Beamten Zwecks Gewährleistung einer kontinuierlichen Fortbildung, insbesondere der Mitarbeiter der „gemeinsamen Stellen“, könnte die Kommission gemeinsame Schulungen für die Beamten der Mitgliedstaaten und der EU-Organe anbieten. Themen dieser Schulungen könnten beispielsweise die Kontrollen an den EU-Außengrenzen, die Leichenüberführung oder das Recht auf diplomatischen und konsularischen Schutz sein. Vorgeschlagene Maßnahme: - Schulungen für Beamte der Mitgliedstaaten und der EU-Einrichtungen ZUSTIMMUNG DER DRITTLÄNDERBEHÖRDEN Artikel 20 EG-Vertrag kann nur mit Zustimmung der Drittländer umgesetzt werden. Es ist ein allgemeiner völkerrechtlicher Grundsatz, dass ein Staat einem Bürger eines anderen Staates nur mit Zustimmung des betreffenden Drittlands Schutz gewähren kann.[25] Gemäß Artikel 20 EG-Vertrag sind die Mitgliedstaaten verpflichtet, zu diesem Zweck internationale Verhandlungen einzuleiten. Jeder Mitgliedstaat muss also bilaterale Verhandlungen mit Drittländern aufnehmen.[26] Denkbar wäre aber auch, dass in die gemischten Abkommen, die die Gemeinschaft und die Mitgliedstaaten schließen, eine Standardklausel über die Zustimmung zum diplomatischen und konsularischen Schutz aufgenommen wird. Nach dieser Klausel müsste der betreffende Drittstaat einwilligen, dass ein EU-Bürger von jedem Mitgliedstaat Hilfe erhalten kann, der in diesem Drittstaat vertreten ist. Für den besonderen Fall der Aufbringung eines die Flagge eines Mitgliedstaats führenden Fischereifahrzeugs sowie der Festnahme von Kapitän und Besatzung sehen einige Fischereiabkommen vor, dass die Drittländer die Delegation der Europäischen Kommission vor Ort unterrichten müssen.[27] Diese unterliegen einer „Pflicht zum diplomatischen Schutz“, die im Urteil in der Rechtssache „Odigitria“ hervorgehoben wurde.[28] Allerdings kann aus diesem Urteil kein allgemeingültiger Schluss gezogen werden, der über den Kontext des Fischereiabkommens hinausginge. Langfristig könnte diese Frage der Pflicht zum diplomatischen Schutz für die Fälle aufgeworfen werden, in denen sich diese Pflicht aus der Ausübung gemeinschaftlicher Befugnisse ergibt. Vorgeschlagene Maßnahmen : - Aufnahme einer Zustimmungsklausel in die gemischten Abkommen, die mit Drittländern geschlossen werden. - Langfristig: Prüfung der Modalitäten der Zustimmung von Drittländern dafür, dass die EU in mit der Ausübung gemeinschaftlicher Befugnisse zusammenhängenden Fällen über die Delegationen der Kommission EU-Bürgern Schutz gewähren kann. FAZIT Die Kommission zeigt in diesem Grünbuch Wege zur Stärkung des Rechts auf diplomatischen und konsularischen Schutz durch die Gemeinschaft auf. Bevor sie Schritte unternimmt, die Vorschläge ihrerseits oder eine Koordinierung mit den Mitgliedstaaten erfordern, möchte sie mit dem Europäischen Parlament und dem Rat sowie mit allen Beteiligten (Mitgliedstaaten, NRO und Zivilgesellschaft sowie EU-Bürgern) eine umfassende öffentliche Debatte führen. Sie bittet deshalb um Stellungnahmen zu diesem Grünbuch. Diese sind bis zum 31. März 2007 an folgende E-Mail-Adresse zu senden:JLS-diploconsul-protection@ec.europa.eu. Die eingegangen Beiträge werden auf der Webseite „Ihre Stimme in Europa“ mit Angabe der Verfasser veröffentlicht, es sei denn, diese wünschen Anonymität oder eine vertrauliche Behandlungen ihres gesamten Beitrags. Zum Abschluss der öffentlichen Konsultation wird die Kommission alle Beteiligten zu einer Anhörung einladen. [1] Beschluss der im Rat vereinigten Vertreter der Regierungen der Mitgliedstaaten vom 19. Dezember 1995 über den Schutz der Bürger der Europäischen Union durch die diplomatischen und konsularischen Vertretungen (ABl. L 314 vom 28.12.1995, S. 73). [2] Dok. 10109/06 des Rates der Europäischen Union vom 2.6.2006. [3] Diesen Leitlinien zufolge sollte jeder Mitgliedstaat einen Krisenplan erarbeiten und allen anderen Mitgliedstaaten diesen Plan zur Kenntnis bringen. Darüber hinaus werden die Mitgliedstaaten angehalten, etwaige Änderungen an Reisehinweisen auszutauschen. Auch sollten die Mitgliedstaaten die EU-Bürger dazu anhalten, sich als solche zu erkennen zu geben und ihre Angaben bei den Missionen einzureichen, damit eine wirksame Umsetzung der Notfallpläne gewährleistet werden kann. [4] KOM(2006) 331 vom 28. Juni 2006. Umsetzung des Haager Programms: Weitere Schritte. [5] Bericht von Michel Barnier an den Präsidenten des Rates der Europäischen Union und den Präsidenten der Europäischen Kommission: “Für eine europäische Katastrophenschutztruppe: europe aid“. [6] Im April 2006 schätzte die Arbeitsgruppe COCON die Zahl dieser Reisen auf rund 180 Mio. jährlich. [7] Ratsdokument 15646/05 vom 12. Dezember 2005 über die Vertretung der Union in Drittländern (nicht veröffentlicht). Demnach sind die diplomatischen und konsularischen Vertretungen der Mitgliedstaaen in einigen Regionen sehr dünn gesät: Dazu zählen Mittelamerika und die Karibik (ein Mitgliedstaat in Belize, drei Mitgliedstaaten auf Haiti und vier in El Salvador, kein einziger auf den Bahamas), Zentralasien (ein einziger Mitgliedstaat in Tadschikistan, drei in Turkmenistan) sowie Zentral- und Westafrika (ein Mitgliedstaat in Liberia und in Sao-Tomé und drei in Mali und der Republik Kongo). [8] Eurobarometer-Umfrage Nr. 188 vom Juli 2006. [9] KOM(2006) 211 endgültig. [10] http://.eu.int/europedirect/index_en.htm. [11] Dok. 10551/06 vom 15. Juni 2006: Stärkung der Fähigkeiten der Europäischen Union zur Reaktion in Notfällen und Krisen. [12] Überblick siehe: http://www.travel-voyage.consilium.europa.eu. [13] ABl. L 268 vom 3.10.1998. [14] Entscheidung 2000/57/EG der Kommission vom 22.12. 1999 (ABl. L 21vom 26.1.2000, S.32). [15] So sehen nur einige Mitgliedstaaten vor, dass gegen die Verweigerung des Schutzes ein Rechtsmittel eingelegt werden kann. [16] ABl. L 183 vom 14.7.1988, S. 35. [17] Abkommen Nr. 80 der Reihe der Verträge des Europarats (15 Mitgliedstaaten haben dieses Abkommen ratifiziert). [18] siehe Fußnote 4. [19] Entschließung des Europäischen Parlaments vom 5. September 2000 zu der gemeinsamen europäischen Diplomatie. [20] KOM(2006) 278 endgültig. Europa in der Welt — Praktische Vorschläge für mehr Kohärenz, Effizienz und Sichtbarkeit. [21] Beschluss 2004/15 vom 22.12.2003, ABl. L 5 vom 9.1.2004. [22] Entscheidung 2002/585 vom 16.7.2002, ABl. L 187 vom 16.7.2002 betreffend die Zusammenarbeit mit Reisebüros und Entscheidung 2004/17 vom 22.12.2003, JO L 5 vom 9.1.2004 betreffend die Pflicht zum Abschluss einer Reisekrankenversicherung. [23] KOM (2006) 269 endg. vom 31.5.2006. [24] KOM (2006) 403 endg. vom 13.07.2006. [25] Artikel 45 Buchstabe c und Artikel 46 des Wiener Übereinkommens über diplomatische Beziehungen (1961) sowie Artikel 8 des Wiener Übereinkommens über konsularische Beziehungen (1963). [26] Diese Abkommen ergänzen die im Beschluss 88/384/EG vorgesehenen Abkommen: siehe Abschnitt 3.1 dieser Mitteilung. [27] z.B. das Abkommen zwischen der Europaeischen Wirtschaftsgemeinschaft und der Republik Côte d'Ivoire über die Fischerei vor der Küste von Côte d'Ivoire (ABl. L 379/90, Seite 3). [28] Gericht erster Instanz, Beschluss vom 6.Juli.1995 (Rechtssache T-572/93).