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Document 52006AE0734

    Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zu folgender Vorlage: Geänderter Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates über öffentliche Personenverkehrsdienste auf Schiene und Straße KOM(2005) 319 endg. — 2000/0212 (COD)

    ABl. C 195 vom 18.8.2006, p. 20–25 (ES, CS, DA, DE, ET, EL, EN, FR, IT, LV, LT, HU, NL, PL, PT, SK, SL, FI, SV)

    18.8.2006   

    DE

    Amtsblatt der Europäischen Union

    C 195/20


    Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zu folgender Vorlage: „Geänderter Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates über öffentliche Personenverkehrsdienste auf Schiene und Straße“

    KOM(2005) 319 endg. — 2000/0212 (COD)

    (2006/C 195/06)

    Der Rat beschloss am 30. September 2005, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss gemäß der Artikel 71 und 89 des EG-Vertrags um Stellungnahme zu obenerwähnter Vorlage zu ersuchen.

    Die mit der Vorbereitung der Arbeiten beauftragte Fachgruppe Verkehr, Energie, Infrastrukturen, Informationsgesellschaft nahm ihre Stellungnahme am 2. Mai 2006 an. Berichterstatter war Herr BUFFETAUT, Mitberichterstatter Herr OTT.

    Der Ausschuss verabschiedete auf seiner 427. Plenartagung am 17./18. Mai 2006 (Sitzung vom 18. Mai) mit 63 Stimmen bei 1 Gegenstimme und 12 Stimmenthaltungen folgende Stellungnahme:

    1.   Schlussfolgerungen und Empfehlungen

    1.1

    Der Ausschuss ist der Auffassung, dass der von der Kommission vorgelegte Vorschlag für eine Verordnung über öffentliche Personenverkehrsdienste auf Schiene und Straße eine Verbesserung gegenüber den vorherigen Fassungen hinsichtlich der Möglichkeit der Direktvergabe darstellt.

    1.2

    Einige Sachverhalte müssten indes noch klargestellt werden, soll die von den zuständigen Behörden und von den Betreibern angemahnte Rechtsicherheit gewährleistet sein:

    Wie werden das für die Erbringung öffentlicher Verkehrsdienste geltende geografische Kriterium und die spezifischen Klauseln zur Verhinderung von Wettbewerbsverzerrungen im Falle einer Direktvergabe in Regie an einen örtlichen Betreiber konkret angewendet?

    Das im Falle einer Direktvergabe für den Schienenverkehr vorgesehene Abgehen von den allgemeinen Grundsätzen ist rechtlich fragwürdig und müsste zumindest wesentlich besser „eingebettet“ werden.

    Bezüglich Dienstleistungsqualität und Einhaltung der Sozialvorschriften müsste, ohne das Subsidiaritätsprinzip in Frage zu stellen, der Geist der Verordnung von 2002 (1) wieder aufgegriffen werden.

    Die Gegenseitigkeitsregelung während der Übergangszeit ist genauer herauszuarbeiten.

    In Ausnahmefällen — wenn die Investitionskosten und die Amortisierungsdauer dies erfordern — ist die Möglichkeit einer Verlängerung der Vertragsdauer über die ursprünglich vorgesehene Zeitspanne hinaus vorzusehen.

    Eine klarere Definition des Regional- bzw. Fernverkehrs ist erforderlich.

    Die Verordnung ist auf alle öffentlichen Verkehrsdienstleistungsaufträge vorrangig anzuwenden, in denen gemeinwirtschaftliche Verpflichtungen vorgesehen sind oder in deren Rahmen ausschließliche Rechte vergeben werden.

    Es ist das Prinzip zu bestätigen, wonach für einen Betreiber, der ein Risiko zu tragen hat, die Verordnung gilt, und nicht die Rechtsvorschriften für öffentliche Aufträge.

    1.3

    Der Ausschuss unterstützt dabei nachdrücklich die Ausschreibungspflicht sowie ein Gleichgewicht zwischen einerseits der Möglichkeit der Auftragsvergabe im Wege der Ausschreibung und andererseits der Direktvergabe, um so im Wettbewerb der Wettbewerbssysteme die erforderliche Transparenz und die Verbesserung der Qualität der angebotenen Dienstleistungen voranzutreiben.

    1.4

    Er wünscht, dass die Bestimmungen der Verordnung auf sämtliche öffentlichen Verkehrsdienstleistungsaufträge angewendet werden.

    1.5

    Der Ausschuss befürwortet bei einem Gleichgewicht zwischen Ausschreibungsverfahren und Direktvergabe an einen internen Betreiber die geografische Eingrenzung der Tätigkeit, um Wettbewerbsverzerrungen zu verhindern; dadurch bleiben die Wahlfreiheit der lokalen und regionalen Gebietskörperschaften und die Ausgewogenheit in einer kontrollierten Wettbewerbssituation erhalten.

    1.6

    Er wünscht, dass für den Fall, dass es bei Direktvergabe an einen internen Betreiber für die Vereinheitlichung der Netze und die Integration der Verkehrsdienste ausschlaggebend sein sollte, dass die Verkehrsdienste auch in den Zuständigkeitsgebieten anderer Behörden, die an jenes der auftragvergebenden Behörde anschließen und/oder angrenzen, erbracht werden können, ein klar definierter und eingegrenzter Spielraum vorgesehen wird.

    1.7

    Der Ausschuss vertritt die Auffassung, dass die für öffentliche Dienstleistungsaufträge mit einem geringen Wert sowie zwecks Sicherstellung der Kontinuität des Verkehrsdienstes vorgesehenen Ausnahmeregelungen angemessen sind.

    1.8

    Der Ausschuss hält die Direktvergabe öffentlicher Dienstleistungsverträge im Schienenverkehr an traditionelle wie neue Betreiber ohne, wie im Falle einer Vergabe an interne Betreiber, präzise Rahmenbestimmungen vorzusehen und für fairen Wettbewerb zu sorgen, für fragwürdig, da dies zu Rechtsunsicherheit und Wettbewerbsverzerrungen führt.

    1.9

    Der Ausschuss ist der Ansicht, dass die erforderliche Transparenz, Gleichbehandlung, Qualität und Effizienz im Bereich des öffentlichen Schienenverkehrs nur besser gewährleistet werden könnte, wenn auch hier die selben Regeln wie für den straßengebundenen Nahverkehr zur Anwendung kommen.

    1.10

    Er fordert, hinsichtlich der Dienstleistungsqualität und der Einhaltung der in den Mitgliedstaaten geltenden Sozialvorschriften zum Geiste des Verordnungsvorschlags von 2002 zurückzukehren.

    1.11

    Mit diesen Vorbehalten spricht sich der Ausschuss für eine rasche Verabschiedung des Verordnungsvorschlags aus, um für Rechtssicherheit in diesem Wirtschaftszweig zu sorgen.

    2.   Einleitung

    2.1

    Die Kommission hat einen neuen Vorschlag für eine Verordnung über die gemeinwirtschaftlichen Verpflichtungen im Bereich der öffentlichen Personenverkehrsdienste auf Schiene und Straße vorgelegt. Dabei handelt es sich um die dritte Fassung des Vorschlags.

    2.2

    Der EWSA begrüßt die von der Kommission geleistete Arbeit, mit deren Hilfe die bislang blockierte Debatte in den europäischen Institutionen wieder in Gang gebracht werden kann.

    2.3

    Mit dem nun vorgelegten Vorschlag für eine Verordnung sollen im Lichte der jüngsten Entwicklungen im Bereich der Rechtsprechung, insbesondere des Urteils in der Rechtssache ALTMARK-TRANS, die in früheren Debatten zum Ausdruck gebrachten unterschiedlichen Standpunkte zusammengeführt und die Bedenken bezüglich der gebührenden Berücksichtigung der Grundsätze der Subsidiarität und der kommunalen Selbstverwaltung ausgeräumt werden.

    2.4

    Diese Textfassung unterscheidet sich stark von der Vorversion und ist einfacher im Wortlaut. Um das Rechtsetzungsverfahren nicht in die Länge zu ziehen, beschloss das Parlament, die neue Vorlage als den gleichen Text in überarbeiteter Fassung anzusehen und ihn in zweiter Lesung zu behandeln. Der Vorschlag liegt damit beim Rat, der ihn bereits prüft und beschlossen hat, seine Vereinbarkeit mit dem 3. Eisenbahnpaket zu untersuchen, besonders in Bezug auf die Öffnung für den grenzüberschreitenden Verkehr und die Kabotage (2).

    2.5

    Die Kommission hält den aus dem Jahre 1969 datierenden, geltenden Rechtsrahmen für überholt; außerdem müssten Effizienz und Qualität des Verkehrs verbessert werden, sollen Marktanteile gehalten bzw. hinzugewonnen werden. Anliegen der Kommission ist „die Organisation eines regulierten Wettbewerbs unter Einbeziehung der Städte und Regionen, um eine transparente Vergabe und transparente Bedingungen für die Durchführung öffentlicher Dienstleistungsaufträge zu ermöglichen.  (3) In seiner Stellungnahme zu dem vorausgegangenen Verordnungsvorschlag hatte sich der EWSA 2001 wie folgt geäußert: „Die Absicht der Kommission, im öffentlichen Personenverkehr eine Marktordnung im Sinne eines kontrollierten Wettbewerbs und nicht eines reinen Wettbewerbs einzuführen, wird vom Wirtschafts- und Sozialausschuss begrüßt.  (4)

    2.6

    Ferner hat der Ausschuss damals zu seiner Zufriedenheit festgestellt, dass „ab jetzt durch die rechtliche und buchhalterische Transparenz für Chancengleichheit und Wettbewerb unter verschiedenen Unternehmensarten unabhängig von ihrer Rechtsform gesorgt werden soll (5)“.

    2.7

    Da der Vorschlag für eine Verordnung noch in zweiter Lesung im Europäischen Parlament erörtert werden soll, kann der Ausschuss seinen Wunsch nach Transparenz, Chancengleichheit und ereguliertem Wettbewerb unter Wahrung des in Artikel 295 EG-Vertrag festgeschriebenen Neutralitätsgrundsatzes bei der Verwaltung öffentlicher Personenverkehrsdienste auf Schiene und Straße nur noch einmal bekräftigen.

    2.8

    In dieser Hinsicht liefert die jüngste Rechtsprechung des EuGH — insbesondere die Urteile in den Rechtsachen Altmark-Trans und Stadt Halle — Anhaltspunkte für eine Beurteilung. In der Ausübung ihres Vorschlagsrechts ist die Kommission an keine Doktrin in der Rechtsprechung gebunden, da das Rechtsystem der Europäischen Union in erster Linie auf dem kodifizierten Recht und nicht auf Entscheidungen der Justiz fußt. In der Praxis spiegelt der Verordnungsvorschlag in Artikel 4 die Prinzipien wieder, die hinter den drei ersten Kriterien des Urteils Altmark Trans stehen. Das vierte Kriterium, scheint teilweise in Ziffer 7 des Anhangs wieder auf.

    2.9

    Hervorgehoben werden sollte, dass das Urteil Altmark-Trans Kriterien festgelegt hat, wonach Ausgleichsleistungen für gemeinwirtschaftliche Verpflichtungen rechtlich nicht als staatliche Hilfen einzustufen sind. Der Verordnungsvorschlag greift viel breiter und berührt Punkte, die durch die Rechtsprechung nicht geregelt werden, insbesondere die Frage der Vereinbarkeit mit den Wettbewerbsregeln von rechtlich als staatliche Hilfen eingestuften Ausgleichsleistungen sowie die Vergabe ausschließlicher Rechte. Außerdem muss darauf hingewiesen werden, dass es 1969 noch keinen Verkehrsmarkt gab, und sich daher die Frage ausschließlicher Rechte nicht stellte.

    3.   Allgemeine Bemerkungen

    3.1

    Der Ausschuss begrüßt die Initiative der Kommission, möchte aber auf einige erörterungswürdige rechtliche Aspekte aufmerksam machen und weist nachdrücklich darauf hin, dass der Vorschlag nur dann umgehend verabschiedet werden sollte, wenn damit die von der gesamten Branche erwartete Rechtssicherheit wirklich gewährleistet ist.

    3.2

    Der Ausschuss begrüßt die Bemühungen der Kommission, ein neues Gleichgewicht beim öffentlichen Nahverkehr zu schaffen, sodass das Recht auf kommunale Selbstverwaltung gewahrt ist und sämtliche Interessenträger zufrieden gestellt werden können.

    3.3

    Er begrüßt ferner, dass die lokalen Gebietskörperschaften selbst entscheiden können, ob sie einen öffentlichen Verkehrsdienstleistungsauftrag im Wege einer Ausschreibung an Dritte vergeben, die Verkehrsdienste selbst erbringen oder diese Aufgabe unter Berücksichtigung bestimmter, Wettbewerbsverzerrungen verhindernder Kriterien einem internen Betreiber übertragen wollen.

    3.4

    Des Weiteren bekräftigt der Ausschuss erneut seine Befürwortung des im neuen Verordnungsvorschlag beibehaltenen Prinzips des kontrollierten Wettbewerbs (Artikeln 3 und 5 Absatz 3), das dem freien Wettbewerb vorzuziehen ist. Dieses Prinzip ist nach Auffassung des Ausschusses am besten geeignet, um die Bedürfnisse der öffentlichen Hand mit der Notwendigkeit zu vereinbaren, einen harmonisierten und abgesicherten Regelungsrahmen für die Vertragsvergabe festzulegen. Außerdem kann damit sowohl den Bedürfnissen des öffentlichen Dienstleistungssektors als auch jenen der in diesem Wirtschaftszweig tätigen Unternehmen (unabhängig von deren Status) Rechnung getragen werden.

    3.5

    Der Ausschuss vertritt die Auffassung, dass nur ein auf dem Wettbewerb beruhendes System, das sowohl die Ausschreibungspflicht als auch die Möglichkeit vorsieht, frei zwischen Ausschreibungen und Direktvergaben an einen internen Betreiber zu wählen, zu einer Verbesserung der Qualität und der Effizienz der öffentlichen Verkehrsdienste führen wird, da die auftragvergebenden Behörden die gemeinwirtschaftlichen Verpflichtungen, die geografischen Geltungsbereiche, die Verfahren zur Berechnung von Ausgleichsleistungen und die Modalitäten der Aufteilung der Kosten und Einnahmen bereits im Voraus genau werden festlegen und im Vorfeld diesbezüglich ausreichende Informationsmaßnahmen ergreifen müssen.

    3.6

    Die Betreiber wiederum erhalten auf diese Art und Weise klare Vorgaben bezüglich des Rahmens für ihre Tätigkeit und der von ihnen zu erfüllenden Verpflichtungen.

    3.7

    Darüber hinaus ist vorgesehen, dass jede zuständige Behörde ein Mal jährlich einen detaillierten Bericht über die in ihren Zuständigkeitsbereich fallenden gemeinwirtschaftlichen Verpflichtungen, die ausgewählten Betreiber sowie über die im Gegenzug gewährten Ausgleichsleistungen und ausschließlichen Rechte veröffentlicht (Artikel 7). So können sich die Bürgerinnen und Bürgern über die genauen Bedingungen für den Betrieb von Verkehrsdiensten informieren und somit auch die Qualität und den Preis der angebotenen Dienstleistungen beurteilen. Es ist jedoch darauf zu achten, dass die Kosten für die Erstellung eines solchen Berichts die von den Gebietskörperschaften zu tragenden Verwaltungskosten, und in weiterer Folge auch jene der Betreiber, nicht unverhältnismäßig in die Höhe treiben, da zuviel Bürokratie einer verlässlichen Informationspolitik abträglich ist.

    4.   Besondere Bemerkungen

    4.1   Verordnung und öffentliches Vergaberecht

    4.1.1

    Die Frage, welche Rechtsvorschriften Vorrang haben, ist insofern aufgekommen, als in diesem Sektor zwei Rechte zur Anwendung gelangen können.

    4.1.2

    Bei der ersten Lesung im Jahre 2001 hatte das Europäische Parlament eine Abänderung verabschiedet, nach der die künftige Verordnung Vorrang vor dem öffentlichen Vergaberecht haben sollte, womit ein klarer und kohärenter Rechtsrahmen geschaffen werden sollte. Im Kommissionsvorschlag wird das Kriterium für das anzuwendende Recht an die Entscheidung der zuständigen Behörden gekoppelt:

    Im Falle einer gemeinwirtschaftlichen Verpflichtung und bei teilweiser Übernahme der Risiken durch den Betreiber, findet die Verordnung Anwendung;

    bei einem einfachen öffentlichen Auftrag gilt hinsichtlich des Vertragsvergabeverfahrens die Vergaberichtlinie.

    4.1.3

    Der Ausschuss ist diesbezüglich der Auffassung, dass die Bestimmungen der Verordnung unter Wahrung der Grundsätze der Transparenz und der Gleichbehandlung auf sämtliche Verträge über öffentliche Personenverkehrsdienste anzuwenden sind. Dies wäre bei Weitem die einfachste und klarste Lösung, die auch die Vertragsfreiheit der zuständigen Behörden unberührt ließe.

    4.2   Möglichkeit der Direktvergabe

    4.2.1

    Im Gegensatz zu seinen zwei Vorversionen sieht der Vorschlag erstmalig eine Direktvergabeoption für Verkehrsdienste an einen internen Betreiber ohne vorheriges Ausschreibungsverfahren vor (Artikel 5 Absatz 2). Dieses Novum geht auf den in den vorausgegangenen Beratungen geäußerten Wunsch zurück, den Gebietskörperschaften die organisatorische Freiheit zu belassen.

    4.2.2

    Diese Option ist mit einer Reihe von Bedingungen verbunden:

    Es muss sich um Nahverkehrsdienste handeln.

    Der interne Betreiber darf an keinem außerhalb des Zuständigkeitsgebiets der Behörde organisierten Ausschreibungsverfahren teilnehmen; seine Dienste darf er nur innerhalb des Zuständigkeitsgebiets der Behörde ausführen. Dies entspricht dem vom Parlament in der ersten Lesung zum Ausdruck gebrachten Wunsch nach Berücksichtigung des Grundsatzes der Gegenseitigkeit des Wettbewerbs (Abänderung 61), der in Einklang mit den Prinzipien des EG-Vertrags gebracht wurde. Der Ausschuss hält diese Bestimmung für logisch und gerecht, da es befremdlich wäre, wenn ein lokaler, einer Gebietskörperschaft unterstehender Betreiber, der in seinem Zuständigkeitsgebiet vor Konkurrenz geschützt ist, in Gebieten ohne einen solchen Schutz in Wettbewerb mit anderen Betreibern treten könnte.

    Die Direktvergabe kann nur an einen internen Betreiber erfolgen, über den die zuständige Behörde die vollständige Kontrolle ausübt, die der über ihre eigenen Dienststellen entspricht. Jedoch wird der Rechtsprechung des EuGH (Teckal-Urteil vom 18.11.1999, Stadt-Halle-Urteil vom 11.1.2005 sowie Parking Brixen-Urteil vom 13.10.2005) nur unzureichend Folge geleistet.

    4.2.3

    In erster Lesung hatte sich das Europäische Parlament eindeutig zugunsten der Direktvergabe an einen lokalen, einer Gebietskörperschaft unterstehenden Betreiber bei gleichzeitiger Möglichkeit der Ausschreibung ausgesprochen. Dies ist auch der Tenor der Beratungen im Rat; ein Großteil der Vertreter der Mitgliedstaaten war dafür, den zuständigen Behörden die Entscheidung darüber zu lassen, ob sie öffentliche Nahverkehrsdienste entweder durch eigene Betreiber erbringen lassen oder eine Vergabe im Wege einer Ausschreibung vornehmen wollen.

    4.2.4

    Die Kommission hat versucht, diesen übereinstimmenden Meinungen Rechnung zu tragen und in ihrem Vorschlag hinsichtlich der Modalitäten für die Vergabe von öffentlichen Dienstleistungsverträgen ein Gleichgewicht zwischen dem „regulierten Wettbewerb“ und der Direktvergabe angestrebt. Ein Ansatz, den der Ausschuss begrüßt, da er die Wahrung des Rechtes auf Selbstverwaltung der auftraggebenden Körperschaften unter Beachtung der vom EuGH formulierten Prinzipien gewährleistet.

    4.2.5

    Hervorzuheben ist, dass die Kommission die Definition des internen Betreibers mit einem geografisch einschränkenden Kriterium versieht, um in einer den Grundsätzen des EG-Vertrags entsprechenden Formulierung dem vom Parlament für die in Regie erbrachten Nahverkehrsdienste geforderten Prinzip der Gegenseitigkeit des Wettbewerbs Genüge zu tun. Die Anwendung dieses Kriteriums wirft indes zwei Fragen auf:

    Bezieht sich dieses Kriterium auf alle Transportdienstleistungen des internen Betreibers einschließlich der durch Unterauftragnehmer erbrachten Dienstleistungen?

    Wie stellt sich die Situation bei gebietsübergreifenden Verkehrsverbindungen dar, die das Zuständigkeitsgebiet der jeweiligen Behörde überschreiten? Müssen diese unterbrochen werden oder gelten in diesem Fall spezielle Regelungen? Nach Auffassung des Ausschusses müsste das geografische Kriterium in diesem Fall gelockert werden. Um die Vereinheitlichung des Netzes und die Integration der Verkehrsdienste sicherzustellen, könnte es in der Tat im Falle von Gebieten, die an jenes der auftraggebenden Behörde anschließen und/oder angrenzen, erforderlich sein, dass sich die betreffenden Verkehrsdienste auf das geografische Zuständigkeitsgebiet verschiedener Behörden erstrecken können.

    4.2.6

    Für den Fall von Verkehrsdiensten, die direkt von der zuständigen Behörde selbst oder von einem internen Betreiber erbracht werden, sollte daher die Option vorgesehen werden, dass sich diese auf die Zuständigkeitsgebiete verschiedener Behörden erstrecken können, wenn dies für die Vereinheitlichung des Netzes und die Integration der Verkehrsdienste ausschlaggebend ist und die Gebiete an jenes der auftraggebenden Behörde anschließen und/oder angrenzen. Damit diese Option nicht zur Umgehung des Wettbewerbs missbraucht werden kann, müsste eine Bestimmung eingefügt werden, der zufolge die außerhalb des geografischen Zuständigkeitsbereichs der auftraggebenden Behörde erbrachten Dienstleistungen einen bestimmten Prozentsatz des Gesamtwertes des Hauptvertrages nicht übersteigen dürfen.

    4.2.7

    Überdies sollte es internen Betreibern unterschiedlicher Gebietskörperschaften ermöglicht werden, insbesondere im Bereich Forschung und Entwicklung zusammenzuarbeiten, da sie sonst in struktureller Hinsicht weniger effizient wären als potenzielle Wettbewerber, die nicht derartigen Beschränkungen unterliegen.

    4.2.8

    Eine Klärung dieser Punkte ist nicht nur aus Gründen der Rechtssicherheit, sondern auch unter dem Gesichtspunkt der praktischen Organisation der Dienstleistungen unumgänglich. Im Übrigen ist anzumerken, dass die durch die Rechtsprechung des EuGH eingeführten Kriterien (Urteil Stadt Halle vom 11.1.2005) zur Definition eines internen Betreibers eine gewisse Unsicherheit lässt, dies gilt insbesondere für die Textstelle („Gesichtspunkte wie …“), die so zu verstehen ist, dass die Liste der Kriterien nicht erschöpfend ist. In der jüngsten Rechtsprechung (Parking Brixen-Urteil vom 13.10.2005) wird jedoch auch hervorgehoben, dass es von grundlegender Bedeutung ist, dass die Behörden eine Kontrolle ausüben, die mit jener, die auch für ihre eigenen Dienststellen gilt, vergleichbar ist.

    4.2.9

    Des Weiteren ist es erstaunlich, dass für den Regelfall einer Auftragsdirektvergabe an einen internen Betreiber genau definierte Voraussetzungen festgelegt wurden, während bei dem zugunsten des Schienenverkehrs geschaffenen Ausnahmefall eines Abgehens von den Grundsätzen der Verordnung bei einer Direktvergabe an einen Betreiber keinerlei Bedingungen zur Auflage gemacht werden. Dabei verabsäumt es die Kommission, diese Ausnahmeregelung in der Begründung zu erläutern.

    4.3   Vergabe öffentlicher Dienstleistungsaufträge im Wettbewerb

    4.3.1

    Neben der Vergabe an einen internen Betreiber sieht der Vorschlag die Möglichkeit vor, von Ausschreibungen Gebrauch zu machen. Die Ausschreibungspflicht kennt drei Ausnahmen:

    öffentliche Dienstleistungsaufträge mit einem geringen Wert;

    die Direktvergabe zwecks Sicherstellung der Kontinuität des Verkehrsdienstes;

    öffentliche Dienstleistungsaufträge im Eisenbahnregional- oder -fernverkehr.

    4.3.2

    Der Ausschuss hält die ersten beiden Ausnahmen für nachvollziehbar und gerechtfertigt, wenngleich sie Diskussionen über die Kriterien für „geringfügige Dienstleistungen“ auslösen könnten. Die dritte Ausnahme erscheint dem EWSA jedoch in mehrfacher Hinsicht fragwürdig: zum einen aufgrund der wirtschaftlichen Bedeutung des betroffenen Wirtschaftszweiges (ca. 50 Mrd. EUR Umsatz), zum anderen, weil die Vergabekriterien im Gegensatz zu jenen für die Vergabe an einen internen Betreiber nicht besonders strikt sind, obwohl Artikel 7 zweckgerichtete Maßnahmen zur Veröffentlichung von Informationen vorsieht, und schließlich, weil der Schienenverkehr seinem Wesen nach kein definitiv wettbewerbsfreier Raum sein sollte, außer es wird eine ähnliche Bestimmung wie in Artikel 5 Absatz 2 des Verordnungsvorschlags vorgesehen.

    4.3.3

    Mittels kontrolliertem Wettbewerb würde besser für Transparenz und Gleichbehandlung sowie für die Interessen der Kunden und der Betreiber gesorgt; bei der gewählten Lösung wurden hingegen zweifelsohne Abstriche bei der Einheitlichkeit des Rechtsrahmens gemacht, um zu einem politischen Kompromiss zu gelangen.

    4.4   Ausgleichsleistung für gemeinwirtschaftliche Verpflichtungen

    4.4.1

    In Artikel 6 des Verordnungsvorschlags wird auf Artikel 4 verwiesen, der teilweise an die Kriterien des Altmark-Trans-Urteils angelehnt ist. Sämtliche Ausgleichsleistungen müssen ungeachtet der Vergabemodalitäten diesen Bestimmungen entsprechen. Bei den im Wege der Direktvergabe erteilten Aufträgen müssen die Ausgleichsleistungen überdies den im Anhang festgelegten Regeln entsprechen, denen zufolge für die Festlegung der Höhe des Ausgleichsbetrags ein Vergleich vorzunehmen ist zwischen der Situation einer Dienstleistungserbringung aufgrund eines direkt vergebenen Auftrags und der Situation einer Dienstleistungserbringung zu Marktbedingungen, ohne die Erfüllung gemeinwirtschaftlicher Verpflichtungen.

    4.4.2

    Im Text wird somit zwischen zwei Situationen unterschieden:

    Im Falle der Ausschreibung erfolgen Ausgleichleistungen für gemeinwirtschaftliche Verpflichtungen entsprechend der ersten drei im „Altmark-Trans“-Urteil festgelegten Regeln;

    bei einer Direktvergabe ohne Ausschreibung erfolgt die Ausgleichleistung für gemeinwirtschaftliche Verpflichtungen nach den „Altmark-Trans“-Regeln, zusätzlich ist aber eine vergleichende Untersuchung darüber anzustellen, wie sich die wirtschaftliche Situation bezüglich der betreffenden Dienstleistung ohne gemeinwirtschaftliche Verpflichtung darstellt.

    4.4.3

    Dieses System ist mit einer gewissen rechtlichen Komplexität behaftet, die noch klarerer Formulierungen bedarf, um dem Kunden und dem Steuerzahler die Gewähr für Transparenz und gute Wirtschaftsführung zu bieten.

    4.5   Qualität der Verkehrsdienste und Sozialgesetzgebung

    4.5.1

    Die Kommission betont, dass sie mit ihrem Verordnungsvorschlag darauf abzielt, eine Regelung für die Frage der gemeinwirtschaftlichen Verpflichtungen und den mit ihnen verbundenen Ausgleichsleistungen zu finden. Der gesamte Fragenkomplex der Dienstleistungsqualität, der Sozialvorschriften und des Verbraucherschutzes ist nicht Gegenstand der Kommissionsvorlage. So wird lediglich in Artikel 4 Absatz 7 in einer eher unverbindlichen Formulierung auf die Sozialvorschriften Bezug genommen. Es geht hier aber auch um einen Bereich, der in die einzelstaatliche Zuständigkeit fällt.

    4.5.2

    Demgegenüber war der revidierte Vorschlag aus dem Jahre 2002 bei der Definition adäquater Standards für die Qualität der öffentlichen Verkehrsdienste, die Fahrgastinformationen und die Sozialvorschriften expliziter (alte Artikel 4, 4 a und 4 b).

    4.5.3

    Der EWSA bedauert, dass die neue Fassung bezüglich der Frage der Qualität, der Fahrgastinformationen und der einzelstaatlichen Sozialvorschriften zu verhalten angelegt ist. Er fordert die Kommission nachdrücklich auf, in diesem Punkt zu dem Geist des Vorschlages von 2002 zurückzukehren und ihren Vorschlag unter Wahrung des Subsidiaritätsprinzips und des Rechtes auf kommunale Selbstverwaltung zu ergänzen. Ohne bis zu einer vollständigen Aufzählung der Kriterien bezüglich Sicherheit, Qualität und Fahrgastinformationen, gehen zu wollen wäre die Angabe diesbezüglicher Mindestanforderungen angezeigt.

    4.6   Übergang von der derzeitigen Situation zur neuen Gesetzgebung

    4.6.1

    Anzumerken ist, dass Artikel 8 Absatz 6 eine gewisse Unschärfe anhaftet, da er zwar die Wettbewerbssituation während der zweiten Hälfte der Übergangszeiträume regelt, jedoch keinerlei Regelung für die erste Hälfte enthält und auch den Fall von Direktvergaben unberücksichtigt lässt.

    Brüssel, den 18. Mai 2006

    Die Präsidentin

    des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses

    Anne-Marie SIGMUND


    (1)  KOM(2000) 7 endg. - 2000/0212 (COD), geändert durch KOM(2002) 107 endg.

    (2)  Anzumerken ist, dass die Binnenschifffahrt vom vorliegenden Verordnungsvorschlag nicht mehr erfasst wird, und diese daher weiterhin unter Artikel 73 des EG-Vertrags fällt.

    (3)  KOM(2005) 319 endg., Ziffer 2.1.

    (4)  ABl. C 221 vom 7.8.2001, Ziffer 2.2.

    (5)  ABl. C 221 vom 7.8.2001, Ziffer 2.4.


    ANHANG

    zur Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses

    Der folgende Änderungsantrag, der mehr als ein Viertel der abgegebenen Stimmen als Ja-Stimmen auf sich vereinigen konnte, wurde abgelehnt:

    Ziffer 4.6

    Ziffer 4.6 sollte um eine Ziffer folgenden Wortlauts ergänzt werden:

    Die Märkte für den landgebundenen öffentlichen Verkehr in der EU sind in unterschiedlichem Maße geöffnet bzw. liberalisiert, die Palette reicht von geschlossenen Märkten, über Märkte mit reguliertem Wettbewerb bis zu völlig liberalisierten Märkten. Daher erscheint es angezeigt, einen Übergangszeitraum vorzusehen, damit die Märkte sich der Verordnung anpassen können und sich einander annähern, um Ungleichheiten zwischen den Mitgliedstaaten zu vermeiden.

    Begründung

    Erfolgt mündlich.

    Abstimmungsergebnis

    Ja-Stimmen: 22

    Nein-Stimmen: 43

    Stimmenthaltungen: 3


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