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Document 52004DC0757

    Mitteilung der Kommission an den Rat, das Europäische Parlament, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss und den Ausschuss der Regionen - Herausforderungen für die europäische Informationsgesellschaft ab 2005

    /* KOM/2004/0757 endg. */

    52004DC0757

    Mitteilung der Kommission an den Rat, das Europäische Parlament, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss und den Ausschuss der Regionen - Herausforderungen für die europäische Informationsgesellschaft ab 2005 /* KOM/2004/0757 endg. */


    Brüssel, den 19.11.2004

    KOM(2004) 757 endgültig

    MITTEILUNG DER KOMMISSION AN DEN RAT, DAS EUROPÄISCHE PARLAMENT, DEN EUROPÄISCHEN WIRTSCHAFTS- UND SOZIALAUSSCHUSS UND DEN AUSSCHUSS DER REGIONEN

    Herausforderungen für die europäische Informationsgesellschaft ab 2005

    INHALT

    1. Einleitung 3

    2. Der Beitrag der IKT zur Erfüllung der Lissabonner Ziele 3

    3. Die andauernde Notwendigkeit der Politik für die Informationsgesellschaft 4

    4. Relevante Themen der Politik für die Informationsgesellschaft ab 2005 6

    5. Schlussfolgerungen 11

    1. EINLEITUNG

    Im März 2000 beschlossen die Staats- und Regierungschefs der Europäischen Union auf der Tagung des Europäischen Rates in Lissabon eine neue Strategie zur Vorbereitung der EU auf die Herausforderungen des neuen Jahrhunderts, die als „Lissabonner Strategie“ bekannt wurde. Die in Lissabon gesetzten Ziele – höheres Wachstum, mehr und bessere Arbeitsplätze und größerer sozialer Zusammenhalt – waren durchaus ehrgeizig. Bei ihrer Erfüllung sollten die Informations- und Kommunikationstechnologien (IKT) eine wichtige Rolle spielen. Diese Schlüsselrolle der „Informationsgesellschaft für alle“ wurde auf der Frühjahrstagung 2004 des Europäischen Rates[1] und im Kok-Bericht[2] bekräftigt.

    Daraufhin startete die Europäische Kommission ihre e Europe-Initiative, um der Entwicklung der Informationsgesellschaft einen politischen Impuls zu geben. Die e Europe-Initiative ist überall in Europa zu einem Erfolg geworden. Sie sprach das richtige Thema zur richtigen Zeit an und löste dadurch in ganz Europa und darüber hinaus eine politische Diskussion über die Informationsgesellschaft aus. Der derzeitige e Europe-Aktionsplan läuft bis Ende 2005, und wie die jüngste Halbzeitbilanz bestätigt, haben seine Hauptziele bis dahin weiterhin Gültigkeit.

    In diesem Zusammenhang ist es nun an der Zeit, über das Erreichte Bilanz zu ziehen, sich den kommenden Herausforderungen zu stellen und Strategien für deren Bewältigung zu erarbeiten. Diese Mitteilung dient der Einleitung einer breiten politischen Diskussion über eine Strategie für die Informationsgesellschaft in der EU ab 2005[3]. Außerdem werden die Hauptbereiche genannt, in denen die IKT-Politik der EU besonders viel bewirken kann.

    2. DER BEITRAG DER IKT ZUR ERFÜLLUNG DER LISSABONNER ZIELE

    Die Informations- und Kommunikationstechnologien (IKT) sind einer der Hauptpfeiler der Lissabonner Strategie. Ihre große Bedeutung ergibt sich sowohl aus ihrem Beitrag zur allgemeinen Wirtschaftsleistung als auch aus den Vorteilen, die sie für die Gesellschaft als Ganzes bringen. Die Bedeutung der IKT lässt sich wie folgt zusammenfassen:

    - Erstens bildet der Bereich der IKT-Ausrüstungen und -dienste einen wichtigen, eigenständigen Wirtschaftszweig , dessen Anteil am Bruttoinlandsprodukt der EU von 4 % zu Anfang der 90-er Jahre auf etwa 8 % gestiegen ist und der im Jahr 2000 6 % der Beschäftigung in der EU ausmachte.[4] Er ist auch einer der innovativsten Sektoren, der 18 % der gesamten EU-Ausgaben für Forschung und Entwicklung (FuE) auf sich vereint[5]. Darüber hinaus ist er einer der produktivsten mit einer jährlichen Produktivitätssteigerung von durchschnittlich 9 % im Zeitraum 1996–2000[6].

    - Zweitens sind die IKT eine entscheidende Triebkraft für die Steigerung der Produktivität und die Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit . 40 % der zwischen 1995 und 2000 in der EU erzielten Produktivitätssteigerungen sind den IKT zu verdanken[7]. Diese vom IKT-Einsatz ausgehenden wirtschaftlichen Gewinne sind direkt auf das Wachstum und die Innovation auf den IKT-Waren- und -Dienstleistungsmärkten sowie auf den Einsatz der IKT zur Leistungssteigerung im Unternehmen zurückzuführen. Außerdem werden die IKT immer mehr zum untrennbaren Bestandteil aller Industrie- und Dienstleistungsmärkte, entweder durch den Einbau von IKT-Komponenten in Waren (z. B. Haushaltsgeräte, Unterhaltungselektronik, Kraftfahrzeuge oder Medizintechnik) oder als Teil von Dienstleistungsangeboten (Verfolgung von Paketsendungen, elektronische Abwicklung der Bankgeschäfte). Aus empirischen Daten lässt sich ableiten, dass der Produktivitätsrückstand Europas gegenüber den USA zu einem großen Teil auf geringere IKT-Investitionen zurückzuführen ist.

    - Schließlich geben die IKT wichtige Impulse für die Beteiligung der Bürger und die Verbesserung der Lebensqualität . Sie ermöglichen mehr und bessere Dienste für eine größere Anzahl von Menschen. Neue Informationsmöglichkeiten tragen zur Erhöhung der Transparenz und Offenheit und zur Verbesserung der Beziehung zwischen Regierungen und Bürgern bei. Darüber hinaus sind die IKT ein wichtiges Instrument zur Bewahrung und Förderung der europäischen Vielfalt und unseres Kulturerbes, indem derartige Inhalte breit verfügbar gemacht werden.

    Mehrere EU-Länder sind bei der Einführung und Nutzung der IKT-Innovationen bereits weit vorangekommen[8]. Aber die durchschnittliche Leistung bei der Verwirklichung des IKT-Potenzials muss in Europa noch wesentlich verbessert werden. Angesichts dessen, dass Europa die Lissabonner Ziele zu verfehlen droht, kommt es nun darauf an, dass die sich aus den IKT ergebenden Chancen endlich voll ausgenutzt werden[9].

    3. DIE ANDAUERNDE NOTWENDIGKEIT DER POLITIK FÜR DIE INFORMATIONSGESELLSCHAFT

    Um das Potenzial, das die IKT bieten, nutzen zu können, werden noch über viele Jahre besondere politische Maßnahmen zugunsten der IKT-Einführung erforderlich sein. Diese Technologien befinden sich noch immer in einer frühen Entwicklungsphase. Ihre breite Durchsetzung hängt davon ab, ob es uns gelingt, die zahlreichen Probleme zu lösen, die sich aus der Nutzung dieser Technologien ergeben. Ganz allgemein führen die IKT zur Beschleunigung des technischen Fortschritts, zur Modernisierung und zum Strukturwandel in unseren Volkswirtschaften.

    - Durch die Entwicklung und Anwendung der IKT ist schon viel erreicht worden. Der Großteil liegt aber noch vor uns. So waren beispielsweise in der EU-15 im Juli 2004 zwar etwa 80 % der Bevölkerung über Breitbandverbindungen erreichbar, aber nur durchschnittlich 7,7 % hatten ein Abonnement[10]. Zusammen mit der jüngsten Ausbreitung der Mobilfunkdienste der 3. Generation zeichnet sich hier ein beachtliches Wachstumspotenzial für die kommenden Jahre ab. Außerdem werden möglicherweise neue bahnbrechende Technologien zur Marktreife gelangen[11]. Die gegenwärtigen Strategien wie beispielsweise in der Frequenzpolitik werden daher den neuen Entwicklungen Rechnung tragen müssen.

    - Weltweit finden derzeit bedeutende Entwicklungen statt. Die Welt der Informations- und Kommunikationstechnologien erfährt ein schnelles Wachstum. Neue Akteure drängen auf den Markt und verschärfen den Wettbewerb. In China, Indien und Brasilien sind die IKT-Ausgaben zwischen 1992 und 2001 rasant angestiegen und belaufen sich über diesen Zeitraum auf jährlich etwa 20–35 %[12]. Die EU muss die Entwicklung in diesen Ländern genau verfolgen und ihre Auswirkungen analysieren. Überdies ist es wichtig, dass sich die EU an der Entscheidungsfindung in den weltweiten Strukturen und an der Verwaltung der globalen Netze beteiligt.

    - Ein großes Engagement in der Forschung und Entwicklung ist eine Voraussetzung für einen starken IKT-Sektor und für die Verbreitung dieser Technologien in der gesamten Wirtschaft. Die europäischen Regierungen und die Europäische Union fördern und unterstützen die Forschungsanstrengungen der europäischen Unternehmen durch die Schaffung günstiger wissenschaftlicher, finanzieller und unternehmerischer Rahmenbedingungen. Auf europäischer Ebene kommt dabei dem Rahmenprogramm eine große Bedeutung zu. Angesichts des ständig wachsenden Forschungs- und Entwicklungsbedarfs im Bereich der IKT müssen ergänzend zur Forschung größere Anstrengungen unternommen werden, um die IKT-gestützte Innovation voranzutreiben, wie dies im vorgeschlagenen Rahmenprogramm für Innovation und Wettbewerbsfähigkeit[13] auch vorgesehen ist. Gleichzeitig wird die Erforschung der sozioökonomischen Auswirkungen der IKT-Anwendung auf die verschiedenen Gebiete immer dringender. Notwendig sind ferner eine stärkere Einbeziehung aller Beteiligten, der Ausbau öffentlich-privater Partnerschaften und eine bessere Koordinierung der nationalen und regionalen Initiativen.

    - Die Regulierung der IKT-Aktivitäten und insbesondere der elektronischen Kommunikation wird auch weiterhin die Voraussetzung für die Schaffung günstiger Bedingungen für mehr Investitionen, mehr Innovation, neue Dienste und niedrigere Preise sein. Seit 2003 gibt es einen neuen EU-Rechtsrahmen für die elektronische Kommunikation. Es muss dafür gesorgt werden, dass er auch vollständig und wirksam umgesetzt wird und dass er angesichts der rasanten technologischen Entwicklung stets auf der Höhe der Zeit bleibt.

    - Es gibt viele andere rechtliche Probleme, die sich erheblich auf die Entwicklung der IKT auswirken. Dazu zählen der Schutz der Urheberrechte, die Vorschriften für Mobilfunk- und Mikrozahlungen, der Datenschutz und die Anforderungen der Strafverfolgungsbehörden. Daher ist ein abgestimmtes Vorgehen notwendig, um Lösungen zu finden und umzusetzen, die einerseits dem rechtmäßigen Zweck der geschäftlichen und rechtlichen Rahmenbedingungen gerecht werden, gleichzeitig aber auch die volle Ausnutzung der sich durch die IKT bietenden Vorteile ermöglichen.

    - Ferner ist es notwendig, die unterschiedlichen Initiativen zum Ausbau der Informationsgesellschaft in der EU miteinander zu verbinden. Eine vernetzte Volkswirtschaft kann sich nur dann ihre Vorteile voll entfalten, wenn die Schranken zwischen den Wirtschaftszweigen abgebaut werden und die IKT überall in der Gesellschaft allgemeine Verbreitung findet. Die Einführung des elektronischen Geschäftsverkehrs wird beispielsweise ganz erheblich dadurch vorangetrieben, dass Unternehmen und Verwaltungen online miteinander kommunizieren und Transaktionen abwickeln können.

    - Angesichts der immer größeren Abhängigkeit von offenen Netzen und EDV-Systemen stellen Schwächen und Angriffspunkte in diesen Systemen eine ernste Bedrohung dar. Die Abwehr solcher Sicherheitsrisiken und die Bekämpfung der Cyberkriminalität bedarf der engen internationalen Zusammenarbeit über alle Branchen hinweg. Die Internetsicherheit bleibt eine wichtige Aufgabe, zu deren Lösung die Stabilität und Robustheit des Internet weiter erhöht werden muss, etwa durch Risikovorsorge und Durchsetzung der Regeln sowie durch eine bessere Internetnutzung und -verwaltung.

    - Die Regierungen und Verwaltungen sind selbst wichtige IKT-Anbieter und -Nutzer. Durch ihre Beschaffungspolitik haben sie einen großen Einfluss auf die IKT-Verbreitung, können modernste Produkte und Dienste gezielt fördern und ihre eigenes Angebot an Online-Dienstleistungen (elektronische Behördendienste, elektronische Gesundheitsdienste, elektronisches Lernen) ausbauen. Sie brauchen ein Gesamtkonzept für die Verwirklichung des IKT-Potenzials, um eine größere Effizienz und Wirksamkeit des öffentlichen Sektors zu erreichen und gleichzeitig ihre elektronischen Dienstleistungen auf die Bedürfnisse der Unternehmen und der Bürger zuzuschneiden.

    - Die wirksame Nutzung der IKT wird immer komplizierter. Die schnell wechselnden Standards und Instrumente und ihre Interoperabilität müssen ständig im Auge behalten werden. Um sich die IKT-Fortschritte zunutze machen zu können, brauchen gerade kleine Unternehmen Zugang zu kompetenten, erschwinglichen und auf ihre Bedürfnisse abgestimmten Unterstützungsdiensten, sowohl für interne Belange als auch für den Aufbau kundenorientierter IKT-Lösungen.

    Aus diesen Gründen sollten alle Länder im Hinblick auf die Informations- und Kommunikationstechnologien eine wohldurchdachte Politikverfolgen. Das ist die politische Position, um deren Verbreitung sich die Europäische Union bei den laufenden Arbeiten zum Weltgipfel für die Informationsgesellschaft bemüht.

    4. RELEVANTE THEMEN DER POLITIK FÜR DIE INFORMATIONSGESELLSCHAFT AB 2005

    Durch die zunehmende Verbreitung der IKT kommt es zu einem Wandel, der weit über die Technik hinausgeht. Die IKT-Nutzung führt zu neuen Arten der Kommunikation und des Umgangs zwischen Bürgern, Unternehmen und Behörden sowie zu neuen sozialen und wirtschaftlichen Strukturen und neuen Führungsformen.

    Anhand der jüngsten Erfahrungen mit der EU-Politik für die Informationsgesellschaft hat die Kommission eine Reihe von Themenbereichen festgestellt, die ihrer Ansicht nach für die Entwicklung einer abgestimmten und zukunftsweisenden europäischen Politik für die Informationsgesellschaft ab 2005 von Bedeutung sind[14].

    4.1. Inhalte und Dienste

    Eine große Anzahl von Nutzern hat inzwischen Zugang zu Infrastrukturen und Diensten, die die Bereitstellung vieler verschiedener Arten digitaler Inhalte gestatten. Daraus ergeben sich riesige Marktchancen im Bereich der Entwicklung attraktiver Inhalte und Dienste, die sowohl den Nutzern als auch der Wirtschaft zugute kommen. Dennoch gibt es nur langsame Fortschritte auf diesem Gebiet.

    Audiovisuelle und multimediale Inhalte sind die treibenden Kräfte für den Erfolg der neuen Technologien im Allgemeinen und der Breitbandtechnik im Besonderen. Deshalb ist es wichtig, dass die Europäische Union eine aktive Rolle bei der Förderung der Inhaltsanbieter spielt und das Entstehen innovativer Dienste unterstützt. Die Entwicklung neuer Dienste und Inhalte wird durch verschiedene Hemmnisse gebremst. Einige sind rechtlicher Art, z. B. Unsicherheiten bei der Anwendung der Vorschriften über Finanzdienstleistungen auf Mobilfunkzahlungen oder die Entwicklung und Akzeptanz von Systemen, die eine rechtmäßige Nutzung der Inhalte unter Wahrung der Rechte am geistigen Eigentum ermöglichen. Andere hängen mit dem Markt zusammen, etwa die Schwierigkeit, neue Systeme zu etablieren, Interoperabilitätsprobleme, mangelnde Benutzerfreundlichkeit und Zugänglichkeit sowie die Konkurrenz zwischen neuen und bereits bestehenden Diensten. Darüber hinaus gibt es Probleme im Zusammenhang mit beherrschenden Marktpositionen. Das Wachstum auf dem Markt der neuen Dienste und Inhalte wird davon abhängen, ob es gelingt, geeignete Lösungen für die zahlreichen Probleme zu finden, die sowohl die Öffentlichkeit als auch die Privatwirtschaft betreffen.

    4.2. Digitale Integration und Bürgerbeteiligung

    Unter dem Schlagwort „digitale Integration“ („ e Inclusion“) wird der gleichberechtigte Zugang zu den IKT-Diensten und deren allgemeine Verfügbarkeit für alle Menschen zu erschwinglichen Kosten angestrebt. Mit der steigenden Verbreitung der IKT in der Gesellschaft nimmt die Bedeutung dieser Politik zu. Beim Schlagwort „Bürgerbeteiligung“ ( „Citizenship“ ) geht es um die Teilnahme aller Bürger am gesellschaftlichen Leben, aber auch um neue Fragen im Zusammenhang mit der zunehmenden Nutzung der IKT im täglichen Leben. Neue und komplexe Technologien bergen die Gefahr in sich, dass einige Teile der Gesellschaft nicht damit umgehen können. Die Einbeziehung aller Menschen in die Informationsgesellschaft sollte sowohl auf nationaler wie auch regionaler und örtlicher Ebene angegangen werden.

    Unter dem Schlagwort „digitale Kompetenz“ geht es darum, dass die Bürger die notwendigen Fähigkeiten und Grundkenntnisse erwerben, damit sie imstande sind die IKT tatsächlich voll zu nutzen. Strategien zur digitalen Integration sollten daher stets die Vermittlung digitaler Kompetenzen an alle Menschen einschließen. Ziel ist eine einfach zu bedienende Technik und ein geeignetes Angebot an Inhalten und Diensten, um das Entstehen einer neuen digitalen Kluft zu verhindern. Angesichts der gesellschaftlichen Veränderungen, die der EU in den kommenden Jahren bevorstehen, wird dies zu einer noch größeren Herausforderung. Es gibt Schätzungen, die besagen, dass im Jahr 2020 in einigen Mitgliedstaaten fast 40 % der Bevölkerung älter als 65 Jahre alt sein werden[15].

    Diese politischen Strategien sind absolut notwendig, aber schwer zu verwirklichen. Sie erfordern erhebliche Forschungsanstrengungen, die vom Privatsektor allein kaum aufgebracht werden dürften. Der öffentliche Sektor kann wichtige Impulse für die Lösung dieser Probleme geben. Die Europäische Union ermuntert und fördert die Forschung auf diesem Gebiet mit ihrem Forschungsrahmenprogramm. Darüber hinaus macht die – auch auf regionaler Ebene – zunehmende kulturelle Vielfalt die Lösung des Problems einer neuen digitalen Kluft immer dringender.

    4.3. Öffentliche Dienste

    Der Einsatz der IKT in diesem Bereich dient der Verbesserung der Qualität der erbrachten Dienstleistungen sowie der Stärkung der Demokratie und Transparenz. Derzeit gibt es einen starken politischen Drang zu Reformen des öffentlichen Sektors, um dessen Effizienz und Wirksamkeit zu steigern. Hintergrund dafür sind große gesellschaftliche Herausforderungen wie die Alterung der Gesellschaft und die Einwanderungsproblematik, die mit begrenzten öffentlichen Mitteln bewältigt werden müssen, vor allem im Bereich der Gesundheits- und Sozialdienste und in Bezug auf die Anhebung der allgemeinen Lebensqualität.

    Auf diesem Gebiet sind mehrere politische Herausforderungen zu meistern. Erstens sind die Investitionen in die IKT unzureichend. Diese Investitionen müssen mit Umstrukturierungen einhergehen, die oft nur schwer durchzusetzen sind. Zweitens bestehen Probleme z. B. im Bezug auf die Interoperabilität vieler dieser Dienste, Unterschiede in den Verwaltungsvorschriften und der Verwaltungspraxis zwischen den Ländern, die Frage des Identitätsmanagements und die bisweilen mangelnde Zuverlässigkeit und Sicherheit der vorhandenen Netze. Überdies sind Verbesserungen in diesem Bereich gerade für KMU besonders wichtig, weil diese unter den Verwaltungslasten besonders stark leiden. Unternehmen, und ganz besonders Kleinunternehmen, müssen in die Lage versetzt werden, möglichst viele Vorgänge elektronisch abzuwickeln. Dafür muss es möglich sein, Dokumente mit anerkannten elektronischen Unterschriften einzureichen. Schließlich stehen auch grenzüberschreitende öffentliche Dienste weiterhin ganz oben auf der Tagesordnung[16]. Mögliche Beispiele für solche europaweiten Dienste sind die Eintragung von Unternehmen und zentrale Anlaufstellen zur Förderung der Mobilität der Bürger.

    4.4. Qualifikation und Beschäftigung

    Wie die Analyse der Auswirkungen des IKT-Einsatzes zeigt, werden die besten Ergebnisse dann erzielt, wenn die Umgestaltung der Betriebsabläufe und die Vermittlung von IKT-Qualifikationen Hand in Hand gehen. Daraus ergibt sich die Notwendigkeit, in allen Aus- und Weiterbildungsmaßnahmen den IKT-Aspekten mehr Beachtung zu schenken, damit deutlich wird, wie sie sich auf die Arbeitsprozesse auswirken und wie die Abläufe und Verfahren verändert werden müssen, damit der Nutzer in den Genuss aller Vorteile kommt. Darüber hinaus müssen IKT-Kenntnisse an alle Bürger vermittelt werden. Diese Aufgabe ist wahrscheinlich die größte politische Herausforderung überhaupt.

    Gleichzeitig erleichtern die IKT aber auch den Erwerb und die Aktualisierung von Kenntnissen und Fähigkeiten. Dank der IKT wird die Wissensvermittlung billiger, ist weniger orts- und zeitgebunden und kann leichter an besondere Bedürfnisse angepasst werden.

    Das europäische Beschäftigungsproblem spielt auch in der Diskussion über den Produktivitätsunterschied zwischen den USA und Europa eine Rolle. Die Hauptfrage dabei ist der Einsatz der IKT am Arbeitsplatz in einer Weise, die zur die Effizienzsteigerung, zur Verbesserung der Arbeitsqualität und zum Entstehen besserer Arbeitsplätze beiträgt. Ein Bestandteil der Lissabonner Strategie ist die stärkere Förderung der Erwerbstätigkeit. Die IKT können zur Erfüllung dieses Ziels beitragen, indem sie bessere Bedingungen z. B. für Teilzeitbeschäftigung und Heimarbeit schaffen und u. U. einen späteren Eintritt in den Ruhestand ermöglichen.

    Gleichzeitig muss sich die Europäische Union dem globalen Wettbewerbsdruck stellen, sich der strategischen Konsequenzen der globalen Auslagerung der Arbeit bewusst werden und sich um ihre künftige Position in der Welt bemühen. Dazu gehört eine rege Forschungs- und Entwicklungstätigkeit sowie die allgemeine Verfügbarkeit fachlich hochqualifizierter Arbeitskräfte in allen Bereichen, die sich bestens mit den neuesten Informations- und Kommunikationstechnologien auskennen. Die Politik muss für all diese Aspekte Lösungen finden. Ergänzend sind einerseits Forschungsarbeiten notwendig, um hierfür Dienste und Anwendungen zu entwickeln, und müssen andererseits geeignete technische Lösungen auch umgesetzt werden.

    4.5. IKT als wichtiger Wirtschaftszweig

    Die IKT-Branche ist ein wichtiger eigenständiger Wirtschaftszweig, zu dem die Informationstechnologien, die elektronische Kommunikation und der audiovisuelle Bereich gehören. Die EU ist sich seit langem der Tatsache bewusst, dass die Entwicklung in diesem Schlüsselsektor unterstützt werden muss. Angesichts des spektakulären Wachstums auf anderen Märkten, insbesondere in Asien und Lateinamerika, konzentrieren sich die Produktions-, Forschungs- und Normungsaktivitäten verstärkt auf diese Regionen.

    Deshalb ist es dringender denn je, Europa allgemein attraktiver für Investitionen zu machen und mehr hochwertige Arbeitsplätze zu schaffen. Ein Hauptanliegen der EU-Industriepolitik ist die Schaffung möglichst klarer und einfacher, wettbewerbsfördernder Rahmenbedingungen[17]. Im Jahr 2005 wird die Kommission die Wettbewerbsfähigkeit der Branche analysieren und geeignete Maßnahmen vorschlagen. Daneben kommt der IKT-Forschung eine Schlüsselrolle zu. Der Beitrag die IKT zur Steigerung der Produktivität hängt direkt von der geleisteten Forschung und Entwicklung ab. Die Kommission hat bereits Leitlinien für die künftige Forschungsförderungspolitik in der Europäischen Union vorgelegt[18].

    4.6. Interoperabilität

    Je weiter sich IKT-gestützte Anwendungen verbreiten, umso notwendiger wird es, dass diese auch untereinander kompatibel sind. Dies betrifft beispielsweise die Konvergenz zwischen festen und drahtlosen Netzen oder zwischen Telekommunikationsdiensten und audiovisuellen Medien. Es gibt viele verschiedene Arten der Interoperabilität: für Netzbetreiber ist es die Fähigkeit, unterschiedliche Netze zusammenzuschalten, für Inhaltsanbieter oder Dienstleister bedeutet es, dass sie ihre Dienste über alle möglichen Plattformen zu betreiben können. Der Verbraucher wird dadurch in die Lage versetzt, einfach ein Gerät zu kaufen und zu nutzen, Dienste in Anspruch zu nehmen und Inhalte aus unterschiedlichen Quellen abzurufen.

    Im Allgemeinen werden Interoperabilitätsnormen und Standards von der Branche selbst erarbeitet und angewandt. Ferner werden die europäischen Normenorganisationen CEN, CENELEC und ETSI voraussichtlich ihre Arbeiten innerhalb von e Europe 2002 und 2005 entsprechend den neuen Prioritäten fortsetzen. Darüber hinaus müssen die Regierungen die Fortschritte auf diesem Gebiet genau verfolgen. Unter bestimmten Umständen kann es notwendig sein, die Beteiligten bei ihrer Suche nach gemeinsamen Lösungen zu unterstützen. So kann es sich in bestimmten Bereichen, die für die Öffentlichkeit von besonderem Interesse sind, als notwendig erweisen, die Verwendung offener Standards zu verlangen.

    4.7. Vertrauen und Zuverlässigkeit

    Die Nutzung des Internet findet nach und nach Eingang in den Alltag der Bürger. Dabei stehen wir aber noch am Anfang. Zu einer weiteren Verbreitung wird es nur dann kommen, wenn sich das Internet als vertrauenswürdig erweist. Sicherheit, Datenschutz, Schutz des Eigentums und allgemeine Regeln für diesen Sektor sind für das Vertrauen der Menschen in die Informationsgesellschaft unverzichtbar. Dies gilt besonders angesichts der Bedenken der Verbraucher, die den Verlust ihrer Privatsphäre und ungerechte oder ungesetzliche Geschäftspraktiken befürchten, sowie in Bezug auf illegale und schädliche Inhalte sowie den Kinder- und Jugendschutz. Es wird viel getan, um dies zu erreichen: Arbeiten, um das Internet für Kinder sicherer zu machen, Systeme für Risikomanagement und den Einsatz bei Störungen, Maßnahmen gegen unerwünschte Werbung (Spam). Ein weiterer wichtiger Aspekt ist die Zuverlässigkeit der Systeme und Netze. Die Infrastrukturen des modernen Lebens (z. B. Banken und Finanzdienste, Gesundheitswesen, Energie, Verkehr) beruhen in hohem Maße auf den IKT und hängen vom gegenseitigen Funktionieren der Systeme ab, so dass einzelne Ausfälle weit reichende Folgen haben können.

    Gleichzeitig werden der Datenschutz und der Schutz der Privatsphäre angesichts immer leistungsfähigerer Zugangsmöglichkeiten sowohl zu umfassenden Informationen über Einzelpersonen als auch zu urheberrechtlich geschützten Werken immer problematischer.

    4.8. IKT-Nutzung durch Unternehmen

    Die effiziente Nutzung der IKT durch Unternehmen ist zweifellos einer der Erfolgsfaktoren für die Verbesserung der europäischen Wettbewerbfähigkeit. Dennoch bleibt die tatsächliche Einführung neuer Geschäftsabläufe und die Übernahme neuer Geschäftsmodelle, mit denen das IKT-Potenzial besser ausgenutzt wird, weiterhin eine schwierige Aufgabe, insbesondere für die Millionen von europäischen KMU. Die niedrigeren und langsameren IKT-Investitionen in Europa sind ein deutlicher volkswirtschaftlicher Indikator dafür, dass in Europa viel weniger in produktivitätssteigernde IKT investiert wird als in den USA. Außerdem beeinflusst der hohe Anteil an KMU, die sowohl beim Infrastrukturausbau, als auch bei der Verbesserung der IKT-Nutzung gegenüber größeren Unternehmen weit zurückliegen, die Leistungsfähigkeit Europas.

    5. SCHLUSSFOLGERUNGEN

    In dieser Mitteilung wird eine breitere Nutzung der Informations- und Kommunikationstechnologien befürwortet. Es geht um dauerhafte politische Anstrengungen zur Lösung der IKT-Probleme. Es werden einige politische Schlüsselfragen angesprochen, vor denen die EU heute steht, und es wird auf die letzten fünf Jahre, die zur Verwirklichung der Lissabonner Ziele zur Verfügung stehen, eingegangen. Dabei müssen wir an die beachtliche Arbeit anknüpfen, die bereits im Rahmen der EU-Politik für die Informationsgesellschaft geleistet wurde. Die positiven Auswirkungen der IKT und der Informationsgesellschaft überhaupt müssen stärker verdeutlicht werden, um Ängste vor den neuen Technologien abzubauen und Bedenken über eine Vertiefung der digitalen Kluft zu zerstreuen. Aus ökonomischer Sicht besteht das Hauptproblem nicht nur darin, für eine breitere Anwendung der IKT zu sorgen. Es geht auch um die Frage, wie IKT-Investitionen sicherer und wirksamer gemacht und die Erfahrungen besser genutzt werden können, damit die Vorteile allgemein spürbar werden.

    Diese Mitteilung dient der Einleitung eines Denkprozesses über eine neue Vorstellung von der Informationsgesellschaft, die ab Anfang 2006 verwirklicht werden sollte. Die Kommission wird sich dazu im kommenden Jahr mit den interessierten Kreisen beraten, darunter mit dem Europäischen Parlament, dem Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss und dem Ausschuss der Regionen sowie mit der e Europe-Beratergruppe, und anschließend eine neue politische Strategie vorlegen.

    Die Kommission ruft die Mitgliedstaaten auf, eine aktive Rolle bei der Ausarbeitung der neuen Politik im Bereich der Informationsgesellschaft für die kommenden Jahre zu spielen und sich zu den hier genannten Fragen zu äußern.

    [1] Bericht der Kommission für die Frühjahrstagung des Europäischen Rates „Die Lissabonner Strategie realisieren. Reformen für die erweiterte Union“, KOM(2004) 29.

    [2] „Die Herausforderung annehmen. Die Lissabon-Strategie für Wachstum und Beschäftigung“, Bericht der Hochrangigen Sachverständigenruppe unter Vorsitz von Wim Kok, November 2004.

    [3] Berücksichtigt werden auch die Ergebnisse der kürzlich vom niederländischen Ratsvorsitz am 29. –30. September 2004 in Amsterdam veranstalteten Konferenz (www.ICTstrategy-eu2004.nl) und die Arbeiten der e Europe-Beratergruppe.

    [4] Siehe „OECD Measuring the Information Economy 2002“; „OECD Information Technology Outlook 2004“.

    [5] IDATE „Comparaison de la recherche dans les TIC dans les grands pays industriels“ (Vergleich der IKT-Forschung in den großen Industrieländern), Abschlussbericht vom 8.4.2002.

    [6] Eigene Berechnungen auf der Grundlage der von GGDC (Groningen Growth and Development Centre) gesammelten Daten, vorgestellt in einer ECFIN-Wirtschaftsinformation (European Economy – European Commission Economic Paper N° 208, Juli 2004).

    [7] Mitteilung der Kommission „Die Wirtschaft der EU: Bilanz 2003“, KOM(2003) 729.

    [8] Mindestens drei europäische Länder befinden sich regelmäßig unter den fünf Besten, wenn es darum geht, eine weltweite Rangordnung in Bezug auf Faktoren wie elektronische Ausstattung (e-readiness) , EDV-Indizes oder digitalen Zugang aufzustellen. Siehe z. B.: WEF Global IT report ; Unit, ITU digital access index .

    [9] Bericht der Kommission für die Frühjahrstagung des Europäischen Rates „Die Lissabonner Strategie realisieren. Reformen für die erweiterte Union“, KOM(2004) 29.

    [10] Quelle: Kommunikationsausschuss.

    [11] In der neuen, im Auftrag des niederländischen Ratsvorsitzes durchgeführten Studie „Rethinking the ICT-agenda“ (Price Waterhouse Coopers, August 2004) wird die RFID-Technik als eine solche, den Markt umwälzende Technologie genannt.

    [12] Siehe „OECD Information Technology Outlook 2004“ .

    [13] Siehe Mitteilung der Kommission „Finanzielle Vorausschau 2007–2013“, KOM(2004) 487.

    [14] „ e Europe Halbzeitbilanz“, KOM(2004) 108, und „Aktionsplan e Europe 2005: Aktualisierung“, KOM(2004) 380.

    [15] Siehe: IPTS/ESTO, „eHealth in the context of a European ageing society. A prospective study.“ (Elektronische Gesundheitsdienste in einer alternden europäischen Gesellschaft. Eine prospektive Studie), April 2004.

    [16] Wie auch in transeuropäischen Programmen wie e TEN oder IDABC vorgesehen.

    [17] Dazu untersucht die Kommission gegenwärtig die nationale und regionale Politik im IKT-Sektor und hat die Absicht, demnächst eine hochrangige Diskussion zwischen den Beteiligten in den Mitgliedstaaten und der Industrie einzuleiten, siehe die Mitteilung der Kommission „Den Strukturwandel begleiten: Eine Industriepolitik für die erweiterte Union”, KOM(2004) 274.

    [18] Siehe: Mitteilung der Kommission „Wissenschaft und Technologie: Schlüssel zur Zukunft Europas - Leitlinien für die Forschungsförderung der Europäischen Union”, KOM(2004) 353.

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