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Document 52002AE1156

Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zum Thema "Verkehrssicherheit"

ABl. C 61 vom 14.3.2003, p. 174–183 (ES, DA, DE, EL, EN, FR, IT, NL, PT, FI, SV)

52002AE1156

Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zum Thema "Verkehrssicherheit"

Amtsblatt Nr. C 061 vom 14/03/2003 S. 0174 - 0183


Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zum Thema "Verkehrssicherheit"

(2003/C 61/28)

Mit Schreiben vom 23. April 2002 ersuchte Frau Loyola de Palacio im Namen der Kommission den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss gemäß Artikel 262 des Vertrags um Ausarbeitung einer Stellungnahme zu dem vorgenannten Thema zu erarbeiten.

Am 23. April 2002 beauftragte das Präsidium die Fachgruppe Verkehr, Energie, Infrastrukturen, Informationsgesellschaft mit der Vorbereitung der Arbeiten zu diesem Thema.

Der Ausschuss bestellte auf seiner 394. Plenartagung am 24. Oktober 2002 aus Dringlichkeitsgründen Frau Bredima-Savopoulou zur Hauptberichterstatterin und verabschiedete mit 93 gegen 1 Stimme bei 5 Stimmenthaltungen folgende Stellungnahme.

1. Einleitung

1.1. Nach den Terroranschlägen in den USA am 11. September 2001 hat sich weltweit ein enormes Gefühl der Unsicherheit breit gemacht. Die von diesen tragischen Ereignissen ausgegangenen Schockwellen haben die ganze Welt erfasst und ihre Ausläufer sind in nahezu sämtlichen Facetten unseres Alltagslebens zu spüren.

1.2. Vorbeugende Sicherheitsmaßnahmen, Betriebssicherheit und Zuverlässigkeit haben einen nie gekannten Stellenwert bekommen und rangieren auf der Prioritätenliste der politischen Entscheidungsträger inzwischen an erster Stelle. Allerdings ist es bemerkenswert, dass es bislang keine international anerkannte Definition von Terrorismus gibt.

1.3. Die weltweite Verbesserung der Sicherheitsmaßnahmen ist eine unumgängliche Notwendigkeit, die von den Regierungen und der Wirtschaft gleichermaßen anerkannt wird. Absolute Sicherheit gibt es nicht. In Zeiten ernster Krisen besteht die Neigung zu versuchen, alle denkbaren Szenarien zu erfassen und Maßnahmen zu finden, um ihrer Eventualität vorzubeugen. Aber ganz gleich wie ernst die Gefahren für die Sicherheit auch sein mögen, solche intensiven Sicherheitsmaßnahmen können jeweils nur einige wenige Tage aufrecht erhalten werden. Um vernünftige Abschätzungen vornehmen zu können, wann Sicherheitsmaßnahmen und in welcher Intensität angezeigt sind, müssen die verschiedenen Spielarten und die Wahrscheinlichkeit der Gefahren für das Verkehrsnetz besser verstanden werden.

1.4. Nach den Ereignissen des 11. Septembers haben die Schifffahrt- und Luftfahrtindustrie ihre volle Unterstützung der Notwendigkeit einer Bekämpfung des Terrorismus und anderer Gefahren für die Sicherheit von Schiffen und Luftfahrzeugen demonstriert. Sicherheit ist ein Fragenkomplex, bei dem unbedingt alle Glieder der Transportkette in das Geschehen eingebunden werden sollten, um greifbare Ergebnisse zu erreichen. Alle Glieder dieser Kette sollten ihren Teil der Verantwortung tragen, denn sonst wird das schwächste Glied Ansatzpunkt der Terroristen sein, um in das System einzudringen.

1.5. Die Sicherheit des Seeverkehrs und der zivilen Luftfahrt ist ein weltweites Problem in Folge terroristischer Anschläge und verbrecherischer Handlungen und bedarf von daher der weltweiten Aufmerksamkeit und globaler Lösungen, die nur von den entsprechenden internationalen Organisationen, und zwar der Internationalen Seeschifffahrtsorganisation (IMO) und der Internationalen Zivilluftfahrtorganisation (ICAO), geboten werden können. Die Sicherheit im Schienenverkehr ist offensichtlich weitgehend Gegenstand einzelstaatlicher Initiativen, hingegen wurde dem Straßen- und Binnenschiffsverkehr als potentielles Ziel terroristischer Anschläge bislang relativ wenig Aufmerksamkeit geschenkt. Aufgrund des Konzepts von Haus zu Haus, an dem mehrere Verkehrsträger beteiligt sind, betreffen die verstärkten Sicherheitsüberlegungen jedoch zwangsläufig alle Verkehrsformen. Die integrierte Logistikkette muss deswegen interoperabel gestaltet sein.

2. Die Bedeutung von Sicherheitsmaßnahmen

2.1. Strengere Sicherheitsauflagen und eine Reihe zusätzlicher Gebühren haben auch den Gütertransport auf dem See- und Luftwege verteuert(1). Für den internationalen Schiffsfrachttransport bedeutete dies Notifizierungsauflagen, häufigere Küstenwachenkontrollen und Eskortierungspflicht durch Schleppboote, die zu Mehrkosten und längeren Wartezeiten geführt haben. Im Luftfrachtbereich führten höhere sicherheitsbezogene Kosten auf Flughäfen zur Einführung von Sicherheitsgebühren, höheren Gewerbeversicherungsprämien und Krisengebietsgebühren für bestimmte Konfliktregionen.

2.2. Ein jüngster OECD-Bericht(2) über die Auswirkungen der terroristischen Anschläge vom 11. September auf den internationalen Warenverkehr kommt zu dem Ergebnis, dass die Kosten aufgrund der Zeitverzögerungen, des bürokratischen Aufwands und der einzuhaltenden Regeln in Zusammenhang mit dem Grenzübergang 5 bis 13 Prozent des Wertes der beförderten Waren ausmachen und Sicherheitsmaßnahmen diese Kosten um weitere eins bis drei Prozent in die Höhe treiben können. Es wäre sehr wichtig, dass die Regierungen vermeiden, überzogenen bürokratischen Aufwand und übermäßige Kosten zur Auflage zu machen. Außerdem sollten die Kosten, die eigentlich von den Regierungen zu tragen wären, nicht auf die Transportdienstleister abgewälzt werden.

2.3. Die Schifffahrt und die Zivilluftfahrt müssen auch weiterhin in effizienter und angemessener Weise dem internationalen Warenverkehrsfluss dienen, und um dies gewährleisten zu können, müssen Schiffe, Luftfahrzeuge, Flughäfen und Hafeneinrichtungen entsprechend für die Eventualität von Terroranschlägen oder kriminellen Vorhaben sonstiger Art gerüstet werden. Wenn die Sicherheitsverfahren zu stark verschärft werden, könnte das Warentransportgeschäft fast zum Erliegen kommen, was den Terroristen den angestrebten Erfolg brächte.

2.4. Neue Sicherheitsmaßnahmen sollten mit dem damit verfolgten Zweck, ihren Kosten und ihren Auswirkungen auf das Verkehrssystem in einem ausgewogenen Verhältnis stehen. Deswegen müssen die diesbezüglichen Vorschläge sorgfältig abgewogen und daraufhin geprüft werden, ob sie realistisch und praxistauglich sind. Sie sollten weder die Menschenrechte der Bürger noch die Verfassungsordnung der einzelnen Staaten unnötig einschränken, was ansonsten dem von den Terroristen verfolgten Zweck dienen würde.

2.4.1. Die Kosten von Sicherheitsmaßnahmen und ihre Aufteilung sollte auf der Basis von Einschätzungen bezüglich vernünftiger Maßnahmen erfolgen, die eingeführt werden könnten, um terroristische Angriffe zu verhindern oder das Risiko eines solches Ereignisses zu senken. Diese Analyse sollte die tatsächlichen Kosten der Verwirklichung dieser Maßnahmen sowie die direkten und indirekten Kosten für die Verkehrsdienstleister und Verlader quantifizieren (wie etwa Verzögerungen und zusätzliche Ausrüstungen) und auch die Auswirkungen auf den weltweiten Handelsverkehr und Verzerrungen bei den Handelsverkehrsmustern (Umlenkung von Verkehrsströmen in Zonen mit weniger scharfen Sicherheitsbestimmungen) betrachten.

2.4.2. Einseitige Maßnahmen sind inakzeptabel, zumal wenn sie uneinheitlich und zum Nachteil der Interessen von Drittländern angewandt werden. Einseitige und willkürliche Maßnahmen sollten vermieden werden, weil sie den weltweiten Handelsverkehr durch Steigerung des bürokratischen Aufwands behindern und auch durch sonstige Hemmnisse erschweren können und letztlich Wettbewerbsverzerrungen und nachteilige wirtschaftliche Auswirkungen zeitigen können.

2.4.3. Angesichts des internationalen Charakters des See- und Luftverkehrs sollten die Sicherheitsbestimmungen auf der Basis gegenseitiger Vereinbarungen festgelegt, einheitlich angewandt und diskriminierungsfrei durchgesetzt werden und einen möglichst effizienten Warenverkehrsfluss gestatten.

2.4.4. Die Vorkehrungen gegen Anschläge bedingen entsprechende Information; daher werden die Verkehrsbetreiber alle einschlägigen Informationen oder Verdachtsmomente an die Behörden weiterleiten und ihr Personal auf dem Laufenden halten müssen.

2.4.5. Die Verstärkung der Sicherheitsmaßnahmen wird zwangsläufig hohe Investitionen im Technikbereich (Infrastruktur und Ausrüstung) und bezüglich Personal (Arbeitskräfte und Ausbildung) implizieren. Es sollte darauf geachtet werden, dass keine unverhältnismäßigen technischen Vorkehrungen getroffen werden, die als Protektionismus und Förderung der eigenen kommerziellen Interessen gedeutet werden könnten. Außerdem sollten bei der Bandbreite und Größenordnung der Maßnahmen etwaige negative Auswirkungen auf den Faktor Mensch (wie etwa Ermüdung, Stress usw.) berücksichtigt werden. Die Transportarbeiter werden die Folgen der Einführung von Sicherheitsmaßnahmen zu spüren bekommen. Die europäische Philosophie und Kultur hält die Menschenrechte sehr hoch, und bei allen Reaktionen auf terroristische Bedrohungen sollten diese lange gepflegten Prinzipien nicht vernachlässigt werden.

2.4.6. Es besteht zunehmend die Gefahr, dass Schiffs- und Flugzeugbesatzungen und Hafenbehörden direkt oder indirekt polizeiliche Aufgaben aufgebürdet werden, die eigentlich staatlichen Stellen obliegen. Diese Zuständigkeiten liegen jenseits ihrer herkömmlichen Pflichten und setzen sie möglicherweise körperlichen Gefahren und psychischem Stress aus.

3. Auswirkungen im Versicherungsbereich

3.1. Die versicherungsmäßigen Auswirkungen der Ereignisse vom 11. September für den See- und Luftverkehr waren gewaltig. Die Gewerbeversicherer nahmen die Kriegsgefahr völlig aus der Risikodeckung heraus. Als die gewerbeversicherungsmäßige Deckung des Kriegsrisiko wieder angeboten wurde, war diese Versicherungsmöglichkeit zehn Mal so teuer wie vorher. Die Versicherungsbranche hob ihre Prämien wertmäßig um 0,03 bis 0,05 % an, aber dies schuf nur teilweise Ausgleich für die in den letzten zehn Jahren verzeichneten wirtschaftlichen Einbußen der Branche. Die Möglichkeit einer Versicherung gegen terroristische Handlungen wurde fast gar nicht mehr angeboten. Deswegen mussten die Regierungen einspringen, um Risiken abzudecken, die für den Privatsektor zu hoch erschienen.

3.2. Die neuen Sicherheitsmaßnahmen haben sich auch auf den Versicherungsmarkt ausgewirkt. Die versicherungsmäßige Deckung der infolge der intensiven Sicherheitsmaßnahmen unvermeidlichen Verzögerungen musste berücksichtigt werden. Außerdem musste sehr kostspielige und ausgefeilte hochtechnische Scanning-Ausrüstung angeschafft und versichert werden(3).

3.3. Im Seeverkehrsbereich wurden die geographischen Gebiete, für die Zusatzprämien gelten und die Zeiträume, während der Zusatzprämien zu zahlen sind, übermäßig ausgedehnt. Es herrscht der weitverbreitete Eindruck, dass die Ereignisse vom 11. September zum Anlass genommen wurden, um überzogene Versicherungsprämien einzuführen. Inzwischen wurden Gespräche zwischen Reedern und der Versicherungsbranche aufgenommen, bei denen es darum geht, zu vernünftigeren Lösungen dieses Problems zu gelangen.

3.4. Im Lufttransportbereich verlangten Versicherer, die Kriegsgefahr als Risiko für die Luftfahrt abdecken, Zusatzprämien. Die zusätzlichen Versicherungskosten für US-Flugzeuge wurden von der amerikanischen Regierung übernommen. Angesichts der versicherungsmäßigen Herausforderungen bot die US-Regierung den Luftverkehrsunternehmen direkte Finanzhilfe und verstärkte die Flugsicherheitsmaßnahmen. Um eine Unterbrechung des Luftverkehrs zu vermeiden, verabschiedeten die EU-Finanzminister einen Verhaltenskodex, in dem die Bedingungen festgelegt sind, unter denen die EU-Regierungen bei Luftfahrtversicherungszahlungen einspringen können. Der Verhaltenskodex gestattet den Mitgliedstaaten, die dies wünschen, entweder für ihre Luftverkehrsgesellschaften die Versicherungsprämien zur Deckung des Risikos kriegerischer und terroristischer Handlungen zu zahlen oder ihnen eine staatliche Garantie für den Fall solcher Ereignisse zu gewähren. Der Ausschuss unterstützt diese EU-Initiative zur Gewährleistung der Leistungsfähigkeit der EU-Luftfahrtgesellschaften.

3.5. Da es Anzeichen für eine Rückkehr zu akzeptablen Versicherungsverhältnissen in der Luftfahrtindustrie gibt, werden die Mitgliedstaaten ihre Flugversicherungsgarantien nicht verlängern. In dem Anliegen, den anhaltenden Schwierigkeiten bei der Gewährleistung einer angemessenen versicherungsmäßigen Deckung ein Ende zu bereiten, hat die Kommission für Luftverkehrsgesellschaften, die den EU-Luftraum nutzen, Mindestanforderungen bezüglich ihrer Flugversicherungsverhältnisse vorgeschlagen, d. h. eine Mindesthaftung pro Passagier und pro kg Frachtgut. Langfristig wäre als Alternative die Einrichtung eines kostenmäßig vertretbaren Gegenseitigkeitsfonds zur Deckung der Haftung Dritter für terroristische Handlungen denkbar.

4. Seeverkehrssicherheit

4.1. Seeverkehrssicherheit im allgemeinen Kontext

4.1.1. Die Angriffe vom 11. September betrafen zwar Flugzeuge und Flughäfen, doch sind auch Seeschiffe und Seeverkehrsinfrastruktur verwundbare Ziele für terroristische Anschläge. Schiffe könnten als Waffen verwendet werden, um einen Angriff zu starten, um Waffen oder gefährliche Materialien zu transportieren, oder versenkt werden, um Verkehrsinfrastrukturen untauglich zu machen (wie etwa Hafeneinfahrten, Kanalpassagen usw.). Chemie- und Gasfrachtschiffe sind besonders anfällig und stellen deswegen eine erhöhte Gefahrenquelle dar. Schiffscontainer könnten u. a. für den Schmuggel von Massenvernichtungswaffen und von Terroristen als blinden Passagieren benutzt werden. Angesichts der potentiellen Gefahr haben die Vereinigten Staaten umfangreichste Maßnahmen getroffen, um ihre Häfen und Schiffe zu schützen. Kein anderes Land hat bislang von sich aus und in drastischer Weise seine bisherigen Sicherheitsmaßnahmen für den Seeverkehr geändert.

4.1.2. Im Gegensatz zu Luftfahrzeugen und mit Ausnahme der Kaperung des Kreuzfahrtschiffes Achille Lauro waren bisher keinerlei Passagier- oder Frachtschiffe das Ziel von Terrorangriffen im eigentlichen Sinne. Allerdings waren Frachtschiffe bereits das Opfer von Piraterie und bewaffneten Raubüberfällen. Im Zeitraum 1984 bis 2002 wurden insgesamt 2650 Fälle von Piraterie und bewaffneten Raubüberfällen auf Schiffen gemeldet.

4.1.3. Deswegen sollte die Risikobewertung sich auf die Wahrscheinlichkeit und den Schweregrad der Risiken konzentrieren wie z. B. geografischer Ort, Verkehrsträgermerkmale, Leichtigkeit des Zugangs, Gefahrenträchtigkeit, institutionelle und rechtliche Probleme von Sicherheitsmaßnahmen.

4.1.4. Die Sicherheitsmaßnahmen im Seeverkehr sollten in Bezug auf die Anforderungen an die Schiffe, Besatzungen, Passagiere, Verlader, Sendungsempfänger, Terminalbetreiber, Straßen- und Schienenverkehrsunternehmen, die im internationalen Handel tätig sind, ganz klar und deutlich sein und dem angenommenen Ausmaß der Bedrohung angemessen sein.

4.2. Die Arbeiten auf IMO-Ebene

4.2.1. Seit den 80er Jahren beschäftigt sich die IMO mit widerrechtlichen Handlungen, die die Sicherheit von Schiffen und ihren Passagieren und Besatzungen gefährden.

4.2.2. Als Folge des Vorfalls mit dem Schiff Achille Lauro im Jahre 1985 verabschiedete die IMO eine Entschließung und zwei Rundschreiben, in denen Maßnahmen zur Verhütung widerrechtlicher Handlungen gegen die Sicherheit und Zuverlässigkeit von Fahrgastschiffen empfohlen werden(4).

4.2.3. Im Jahre 1988 verabschiedete die IMO das Übereinkommen über die Bekämpfung widerrechtlicher Handlungen gegen die Sicherheit der Seeschifffahrt und das dazugehörende Protokoll zur Bekämpfung widerrechtlicher Handlungen gegen die Sicherheit fester Plattformen, die sich auf dem Festlandsockel befinden. Diese beiden Regelwerke traten am 1. Januar 1992 in Kraft(5).

4.2.3.1. Die vorbereitenden Arbeiten für die Verabschiedung dieser Regelwerke fanden zur gleichen Zeit statt wie die vorbereitenden Arbeiten für die Verabschiedung des Protokolls zur Bekämpfung widerrechtlicher gewalttätiger Handlungen auf Flughäfen, die der internationalen Zivilluftfahrt dienen, als Ergänzung des Übereinkommens zur Bekämpfung widerrechtlicher Handlungen gegen die Sicherheit der Zivilluftfahrt (1971).

4.2.3.2. Außerdem richtete die IMO eine Korrespondenzgruppe ein, die sich mit der Revision des besagten Übereinkommens und des dazugehörigen Protokolls im Sinne einer Erleichterung der internationalen Zusammenarbeit als Instrument für die Bekämpfung widerrechtlicher Handlungen bis hin zu terroristischen Anschlägen beschäftigen soll.

4.2.4. Aufgrund der Anschläge vom 11. September war es der IMO ein Anliegen, dringlichst die internationalen Regelwerke über Sicherheit einer Neubewertung zu unterziehen. Auf Betreiben der Vereinigten Staaten hielt die IMO am 11.-15. Februar 2002, 15.-24. Mai 2002 und 9.-13. September 2002 Ad-hoc-Sitzungen einer interplenären Arbeitsgruppe des Seeverkehrssicherheitsausschusses ab.

4.2.5. Die IMO hat beschlossen, dass die neuen Maßnahmen zur Verbesserung der Seeverkehrssicherheit in die Form des internationalen Kodex für die Sicherheit von Schiffen und Hafeneinrichtungen gegossen werden und die grundlegenden Elemente in Änderungen zu Kapitel XI des internationalen Übereinkommens zum Schutz des menschlichen Lebens auf See (SOLAS) untergebracht werden sollen. Die IMO-Maßnahmen sollen auf einer diplomatischen Konferenz vom 4.-13. Dezember 2002 verabschiedet werden. Diese Maßnahmen werden sich auf folgende Aspekte erstrecken:

- automatische Schiffsidentifizierungssysteme;

- Pläne für die Sicherheit von Schiffen und Off-shore-Einrichtungen;

- ein Beamter für die Sicherheit von Schiffen/ein Beamter für die Sicherheit von Unternehmen;

- Pläne für die Sicherheit von Hafeneinrichtungen und Bewertungen der Verwundbarkeit von Hafeneinrichtungen;

- Containersicherheitsmaßnahmen;

- Informationen über Schiffe, Fracht, Besatzungen und Passagiere.

4.2.6. Themenkreise von besonderem Interesse, zu denen weitere internationale und nationale Arbeiten erforderlich sein werden, sind etwa die Sicherheit von Hafenbereichen, die Anwendung hafenbezogener Maßnahmen und die Sicherheit von Containern.

4.2.7. Die IMO-Maßnahmen werden sich auf die Schnittstelle von Schiff und Hafen erstrecken, und zwar die unmittelbar von der Landseite ausgehende Sicherheitsgefahr für das Schiff und umgekehrt einschließlich der Ankerung und der Bewegungen des Schiffes im Hafen. Die sonstigen Aspekte werden von der IMO in Zusammenarbeit mit der IAO und anderen maßgeblichen Organisationen (wie beispielsweise der Weltzollorganisation, dem internationalen Verband der Seehäfen und der internationalen Vereinigung der Hafenmeister) behandelt werden.

4.2.8. Die IMO hat sich mit der Frage der Anwendung der Hafenanfälligkeitsbewertungsanforderungen in Bezug auf kleine Häfen und Häfen beschäftigt, die von Schiffen auf internationaler Fahrt kaum angelaufen werden. Wenngleich eingeräumt wurde, dass die Schadenanfälligkeitsbewertungskriterien möglicherweise nicht für alle Häfen eines Landes anwendbar sind, so wurde doch Flexibilität als erforderlich erachtet, um den Seeverkehrssicherheitskreislauf auch für diese Fälle zu schließen, wann und wo auch immer ein Sicherheitsrisiko auftauchen mag.

4.2.9. Die Containerisierung ist ein sehr offener Prozess, aber gerade diese Offenheit macht sie verwundbar für terroristische Akte. Der Seetransport von Containern ist nur ein Teil der multimodalen Transportkette, und deswegen muss die Sicherheit in sämtlichen Phasen gewährleistet werden und zwar auch auf der Ebene der Verlader, der Transithändler und der Reedereien. Den Grenzbehörden, und zwar insbesondere den Zollverwaltungen, kommt bezüglich der Kontrolle der internationalen Bewegungen von Containern eine entscheidende praktische Funktion zu. Die Zollverwaltungen in der ganzen Welt verfügen über reichliche Erfahrungen bei der Kontrolle von Containern im Zusammenspiel mit anderen für die Durchsetzung einzelstaatlicher und internationaler Rechtsvorschriften zuständigen Stellen und entsprechenden Handelsgremien. Der Weltzollorganisation kommt bei der Entwicklung eines umfassenden Containersicherheitssystems in Zusammenarbeit mit den betroffenen internationalen Organisationen und im Einvernehmen mit den Vereinigungen der Verlader, Transithändler und Reedereien eine entscheidende Rolle zu. Dieses System sollte sich auch auf die Verantwortung für die Ausstellung von korrekten Container-Frachtscheinen und für entsprechende Kontrollen erstrecken.

4.2.10. Die Aufzeichnung der Geschichte eines Schiffes und Informationen über die Eigentumsverhältnisse werden den Sicherheitsanliegen bezüglich der Transparenz in angemessener Weise Genüge tun. Schiffen wird zur Auflage gemacht werden, einen Schiffsausweis (Continuous Synopsis Record = CRS) zu führen. Damit wird bezweckt, dass an Bord Aufzeichnungen über die Geschichte des Schiffes hinsichtlich Informationen über seine Flagge, dem Datum seiner Eintragung, Name und IMO-Nummer des Schiffes vorgehalten werden. Dieses Dokument wird auch Informationen über die eingetragenen Eigentümer, Charterer, Klassifikationsgesellschaften, die ISM-Code-Dokumentation enthalten. Außerdem werden auch Informationen darüber verfügbar sein, wer die Besatzung benennt, wer die Verwendung des Schiffes festlegt und wer den Frachtvertrag im Namen des Eigentümers unterzeichnet.

4.2.11. Die IMO hat sich grundsätzlich darauf verständigt, die Ausrüstung der bestehenden Schiffe mit automatischen Identifizierungssystemen (AIS) voranzutreiben. Die Festlegung des Zieldatums für die Ausstattungspflicht wird der diplomatischen Konferenz im Dezember 2002 überlassen bleiben.

5. Die EU-Perspektive

5.1. Die auf internationaler Ebene im Rahmen der IMO unterbreiteten Vorschläge und Maßnahmen scheinen recht gut die Balance zu halten zwischen den Erfordernissen, den freien Verkehr von Waren und Personen zu gewährleisten und einen größtmöglichen Schutz gegen terroristische Angriffe zu bieten.

5.2. Auch wenn einige IMO-Maßnahmen später vielleicht in gemeinschaftliche Rechtsvorschriften umgewandelt werden, sollte die Verabschiedung neuer internationaler Maßnahmen keine Verzögerungen bei den Gesetzgebungsverfahren der Gemeinschaft nach sich ziehen. Der Entscheidungsprozess in internationalen Gremien und auf EU-Ebene muss entsprechend koordiniert werden, um Unvereinbarkeiten zwischen internationalen und gemeinschaftlichen Regeln zu vermeiden.

5.3. Der Europäische Rat (am 21./22. Juni 2002) in Sevilla forderte die Mitgliedstaaten zu einer engeren Zusammenarbeit beim Kampf gegen den Terrorismus auf. Er begrüßte ferner die Fortschritte, die seit dem 11. September bei der Einbeziehung der Terrorismusbekämpfung in sämtliche Aspekte der EU-Außenpolitik zu verzeichnen waren.

5.4. Die EU-Häfen sollten gemeinsame Standards festlegen, um die Sicherheit der Häfen gegen terroristische Angriffe zu verbessern, bevor andere Länder einseitige Maßnahmen ergreifen. Einseitige und diskriminierende Maßnahmen, die zu einer Klassifizierung sicherer ausländischer Häfen und eine schwarze Liste in Bezug auf die Aufspürung illegaler Einwanderer und Terroristen führen könnten, sind nicht akzeptabel, weil sie eine Marktverzerrung nach sich ziehen und den reibungslosen Ablauf des internationalen Warenverkehrs gefährden könnten. Einzelinitiativen bestimmter EU-Zollbehörden, bilaterale Vereinbarungen mit den US-Zollbehörden zu treffen, greifen einem gemeinsamen Vorgehen der EU vor und untergraben den angestrebten Rahmen für künftige Vereinbarungen, die auf Gegenseitigkeit und Zusammenarbeit basieren müssen. Die Ladungskontrolle im Beladehafen (EU) anstatt im Entladehafen (USA) ist eine Herkulesaufgabe. Der Ausschuss teilt die Haltung der Europäischen Kommission, die die Legalität dieser bilateralen Vereinbarungen anzweifelt. Dieser Schritt muss vor dem Hintergrund rechtlicher Erwägungen über die Zuständigkeiten der Europäischen Union im Bereich der Außenhandelsbeziehungen gesehen werden. Er befürwortet ferner auch die Bestrebungen der EU, die Gespräche mit den USA mit dem Ziel fortzuführen, zu einer Vereinbarung zu gelangen, dass alle Ladungen (Container) mit Ursprung in der EU gleich behandelt werden, und die bilateralen Vereinbarungen in eine multilaterale Vereinbarung (Weltzollorganisation) umzuwandeln/einzubauen.

5.5. Bedenken ergeben sich jedoch bezüglich der Aussicht, dass die Vereinigten Staaten Regeln einführen, die der Rest der Welt möglicherweise nicht übernehmen kann, was Verwirrung für Schiffe, Reeder und die Schnittstelle Schiff/Hafen schaffen wird. Die Seeverkehrssicherheitsinitiative der Vereinigten Staaten gibt der US-Regierung die Möglichkeit, eine Bewertung ausländischer Häfen vorzunehmen und die Einfahrt von ausländischen Schiffen in amerikanische Hoheitsgewässer an die Bedingung des Nachweises zu knüpfen, dass der Ursprungshafen eine entsprechende Frachtkontrolle und sonstige antiterroristische Maßnahmen durchgeführt hat. Das Handelsvolumen mit den Vereinigten Staaten kann einen Eindruck vermitteln von der Bedeutung und Durchschlagskraft dieser Initiative. Die Kreuzschifffahrt transportiert jährlich mehr als 6,5 Millionen Amerikaner auf Passagierschiffen. Sechs Millionen beladene Container, 156 Millionen Tonnen an Gefahrgut und nahezu eine Milliarde Tonnen Erdölerzeugnisse werden jährlich in US-Häfen angelandet. Der gesamte Container-Verkehr zwischen Europa und Nordamerika (Vereinigte Staaten, Kanada und Mexiko) belief sich im Jahre 2001 auf 6177000 Einheiten(6). Nahezu 22,5 % des Containerschiffsverkehrs mit Ziel in US-Häfen hat seine Quelle in neun Großhäfen in sieben EU-Mitgliedstaaten.

5.5.1. Schon wegen der Größenordnung des Handelsverkehrs mit der EU und anderen Teilen der Welt sollten die Vereinigten Staaten in Zusammenarbeit mit ihren Handelspartnern nach realistischen Lösungen suchen. Umgekehrt sollte die EU mit dem Blick auf die potentiellen Auswirkungen der verschiedenen vielseitigen Maßnahmen in anderen Teilen der Welt eine Führungsrolle beim Aufbau eines weltweiten Systems im Interesse aller übernehmen. Nach Ansicht des Ausschusses sollte die EU dringlichst in einen Dialog mit den Vereinigten Staaten und anderen Ländern treten, um Aspekte wie Souveränität, Datenaustausch, Containerinspektionsverfahren, Gegenseitigkeit und andere alle Beteiligten angehende Anliegen zu erörtern. Dies ist eine Gelegenheit für die EU, sich stärker in Szene zu setzen. Die weltweiten Erfahrungen sowohl der Vergangenheit als auch aus jüngster Zeit zeigen, dass die Konzentrierung auf ausschließlich polizeiliche Maßnahmen nur beschränkte Wirkung zeitigen. In einer unsicheren Welt ist eine polizeiliche Strategie kein zuverlässiger Ansatz. Die EU muss dringlichst eine internationale Führungsrolle bei der Entwicklung eines breiter angelegten Sicherheitsrahmens übernehmen, bei dem auch die Ursachen des Terrorismusphänomens angegangen werden und nicht nur versucht wird, seine Auswirkungen zu beseitigen.

5.6. Sicherheitsmaßnahmen sollten so angelegt sein, dass Umlenkung von Verkehrsströmen zugunsten bestimmter Häfen (infolge schärferer Sicherheitsmaßnahmen) auf Kosten anderer Häfen vermieden wird. Außerdem sollten die Sicherheitsmaßnahmen keinen Unterschied machen zwischen Linien- und Trampschiffen, die EU-Häfen anlaufen.

5.7. Der EWSA möchte anregen, dass diejenigen EU-Mitgliedstaaten, die sich dem besagten Übereinkommen und dem dazugehörigen Protokoll noch nicht angeschlossen haben, aufgefordert werden sollten, diese beiden Instrumente dringlichst zu ratifizieren(7).

5.8. Jedwede Maßnahme auf EU-Ebene sollte wirtschaftliche Aspekte berücksichtigen wie etwa die Untersuchung, wer für Sicherheitsmaßnahmen zu zahlen hat und wie sich die Sicherheitsanforderungen wettbewerbsmäßig auf Häfen im öffentlichen und privaten Besitz auswirken. Das Seeverkehrsgewerbe hat die Notwendigkeit für umfassende Antiterrorismusgesetze erkannt und ist bereit, einen Teil der Kosten für bessere Sicherheitsmaßnahmen zu übernehmen.

5.9. Das Anliegen der EU sollte sich in der Hauptsache auf eine Betrachtung von Fragen konzentrieren, die nicht nur mit der Sicherheit von Personen zu tun haben, die in diesem Sektor arbeiten (Seeleute, Hafenarbeiter), sondern auch die Sicherheit von Hafenterminals betreffen. Die EU muss die Instrumente für eine bessere Identifizierung der in diesem Bereich bestehenden Risiken abstecken und verfahrensmäßige und technologische Lösungen für die Risikoverringerung vorschlagen.

5.10. Die Sicherheit von Schiffen und Hafeneinrichtungen fällt in den Bereich des Risikomanagements. Diese Bewertung ist eine hoheitliche Entscheidung, die von den einzelnen Mitgliedstaaten nach eigenem Ermessen getroffen wird. Wie in vielen Bereichen der Seeverkehrssicherheit wird jedoch ein Tätigwerden der EU zur Einführung einheitlicher Nomen und Verfahren sich als unverzichtbar erweisen. Gemeinsame Ausbildungskonzepte, um den gestiegenen Sicherheitsanforderungen gerecht zu werden, werden zu einer kostengünstigeren Vereinheitlichung der Sicherheitsverfahren führen. Die gesamte Logistikkette wird daher langfristig ihre Unternehmenspraktiken anpassen müssen, um den Sicherheitsbedenken Rechnung zu tragen.

5.11. Die Mitgliedstaaten müssen in gegenseitiger Abstimmung Bewertungen der Sicherheit von Hafeneinrichtungen vornehmen. Der Ausschuss ist der Ansicht, dass ein Hafensicherheitsmasterplan den Rahmen für die Planung von Hafeneinrichtungen bilden muss. Seehäfen sind häufig sehr offen angelegt und exponiert und aufgrund ihrer Funktion zur Förderung des freien Handelsverkehrs das denkbare Ziel großangelegter terroristischer Anschläge, die die Küstengebiete und Industrie-, Handels- und Verwaltungszentren und die dort lebende und arbeitende Bevölkerung bedrohen können. Eine effiziente physische Sicherheits- und Zugangskontrolle in Seehäfen ist als Abschreckung und für die Verhütung potentieller Gefahren für Seehafenbetrieb, Frachtgutverbringung und Schiffe von grundlegender Bedeutung. Nach Ansicht des Ausschusses wird die Einrichtung von Hafensicherheitsausschüssen es ermöglichen, Anstrengungen der Hafenbehörden, Regierungsvertretern (Zoll-, Einwanderungsbehörden usw.), Hafennutzern und anderen interessierten Seiten, die mit Sicherheit zu tun haben, zu kombinieren.

5.12. Die Sicherheitsbewertung sollte drei Hauptkomponenten aufweisen. Zunächst müssen wichtige Anlagen und Infrastrukturen, die für die Hafeneinrichtungen von entscheidender Bedeutung sind, identifiziert und bewertet sowie Bereiche oder Strukturen ausgemacht und betrachtet werden, die im Falle ihrer Zerstörung erhebliche Menschenverluste oder wirtschaftliche oder umweltmäßige Schäden an den Hafeneinrichtungen mit sich bringen könnten. Zweitens muss die Bewertung ergeben, welche tatsächliche Bedrohungen für diese maßgeblichen Anlagen und Infrastrukturen bestehen, um eine Rangordnung von Sicherheitsmaßnahmen aufstellen zu können. Und schließlich muss die Bewertung die Verwundbarkeit der Hafeneinrichtungen beleuchten, indem sie deren Schwächen in Bezug auf physische Sicherheit, strukturelle Integrität, Schutzsysteme, verfahrenstechnische Konzepte, Kommunikationssysteme, Transportinfrastruktur, Versorgungseinrichtungen oder andere Bereiche innerhalb der Hafeneinrichtungen ausmacht, die als Angriffsziel in Betracht kommen könnten.

5.13. Die effiziente Zugangskontrolle würde einen Ausweis mit Foto für alle Personen implizieren, die ein Schiff in einem Hafen betreten. Ohne solche Maßnahmen könnte das Schiff keine Kontrolle der an Bord gehenden oder das Schiff verlassenden Personen vornehmen und deswegen auch nicht die Sicherheit entsprechend dem Schiffssicherheitsplan gewährleisten. Nach dem IAO-Übereinkommen 108 können Seeleute von den üblichen Visa-Bestimmungen für den Landurlaub oder den Transit von und zu ihrem Schiff befreit werden. Die sicherheitsbezogenen Überlegungen müssen mit den Sicherheitserwägungen der Konvention Nr. 108 in Einklang gebracht werden. Es lässt sich absehen, dass das Format der Identitätsnachweise, die von dem Herkunftsland der Seeleute ausgestellt werden, infolge der Entwicklung von maschinenlesbaren Dokumenten standardisiert sein wird.

5.14. Der EWSA stellt fest, dass die praktischen und kostenmäßigen Auswirkungen eine breite Einführung irgendwelcher neuen Identitätsnachweisanforderungen behindern könnten. Die Verwendung biometrischer Parameter zur Überprüfung der Identität des Inhabers könnte Bedenken hinsichtlich der Menschenrechte und des Datenschutzes auslösen. Außerdem wird die Vereinbarung der vorstehenden Praxis mit den Visa-Vorschriften im Rahmen von Schengen in Bezug auf die EU ein zusätzliches Kriterium sein.

5.15. Der Ausschuss plädiert für eine umgehende Ratifizierung der Konvention Nr. 108 durch die EU-Mitgliedstaaten, die dies bislang noch nicht getan haben. In Bezug auf Hafenarbeiter werden die IMO und die IAO umgehend Klarheit in die Verhältnisse bringen, und die EU sollte diesbezüglich ihre volle Unterstützung zeigen. In Erwartung eines internationalen Tätigwerdens könnte die EU Übergangsregelungen im Sinne des festgestellten Bedarfs an Zugangskontrolle von Beamten ins Auge fassen, deren Aufgabenbereich den Zugang zu Schiffen impliziert.

5.16. Stärkere Sicherheitsmaßnahmen werden eine engere Zusammenarbeit zwischen den verschiedenen Verwaltungen der EU-Mitgliedstaaten (Einwanderungsbehörden, Zollbehörden, Flughafenbehörden und Hafenbehörden) erforderlich machen. Ebenso wichtig ist die entsprechende Koordinierung zwischen den beteiligten Dienststellen der Europäischen Kommission.

5.17. Die Zusammenarbeit der Schifffahrtsindustrie sollte im Wege der Förderung des Sicherheitsbewusstseins gesucht werden. Zusätzliche Sicherheitsmaßnahmen sollten auch andere Bedrohungen für die Sicherheit von Schiffen und deren Besatzungen berücksichtigen wie etwa Drogenschmuggel, Piraterie, bewaffnete Überfälle und blinde Passagiere. Der Ausschuss macht darauf aufmerksam, dass bereits seit einigen Jahren Schiffe und Seeleute mit einer Eskalation von Piraterie und bewaffneten Raubüberfällen auf See konfrontiert sind. Das derzeitige starke Augenmerk für die Seeverkehrssicherheit sollte auch als Gelegenheit verstanden werden, nach Lösungen für das Piraterieproblem zu suchen. Allerdings dürfen die Sicherheit und die Arbeitsbedingungen der Transportarbeiter bei der Beschäftigung mit solchen Fällen nicht aufs Spiel gesetzt werden. Maßnahmen, die sich mit der Bedrohung durch Terroranschläge befassen, werden auch der Bekämpfung anderer ungesetzlicher Handlungen, wie Drogenschmuggel, Menschenhandel und Piraterie, dienen. Bei der Abwägung der wirtschaftlichen Kosten für Sicherheitsmaßnahmen sollte der durch sie erzielte Nutzen bedacht werden.

5.18. Es sollte darauf geachtet werden, dass jedwedes Ungleichgewicht zwischen der Sicherheit von Schiffen und der Sicherheit von Hafeneinrichtungen vermieden wird, das Schiffe und deren Betreiber vor die Notwendigkeit stellen könnte, zusätzliche kaiseitige Sicherheitsmaßnahmen vorzusehen. Kosten, die eigentlich von der öffentlichen Hand zu tragen wären, sollten nicht auf die Schifffahrtsindustrie abgewälzt werden.

5.19. Die Mitgliedstaaten sollten leistungsfähige Methoden für Frachthandlinginformationen entwickeln, die konzeptionell auf einer einzigen Zentraldatenbank und elektronischen Systemen basieren sollten. Insbesondere für Container ist ein umfassender Datenaustausch zwischen allen Seiten, die mit den Containerbewegungen zu tun haben, erforderlich. Der Ausschuss ist der Ansicht, dass das mit der Richtlinie 93/75/EWG eingeführte System für die vorgeschriebene Meldung von gefährlichen oder verunreinigenden Gütern so ausgedehnt werden sollte, dass es auch den Austausch der zu übermittelnden Daten abdeckt.

5.20. Nach Meinung des Ausschusses wird eine frühzeitige Anwendung des GALILEO-Systems (geplante Inbetriebnahme im Jahr 2008) eine sehr genaue Identifizierung von Schiffen und Containern ermöglichen und somit die Verwirklichung der Zielsetzung einer höheren Sicherheit erleichtern. Bis dahin sollte eine beschleunigte Aufnahme der Betriebsphase (2003-2008) des EGNOS-Projekts angestrebt werden, dem Vorläufer zu GALILEO, das auf dem amerikanischem GPS- und dem russischen GLONASS-System basiert und deren Integrität überwacht. Es sollte parallel zu GALILEO umgesetzt werden.

5.21. Den vorgezogenen IMO-Maßnahmen zufolge werden Schiffe in EU-Häfen Kontrollen unterliegen und möglicherweise einer Besichtigung unterzogen entsprechend den internationalen Bestimmungen zur Feststellung ihrer Einhaltung der geltenden Anforderungen. Bei Rechtsverletzungen können Schiffe mit einer Verzögerung der Weiterfahrt, einem Festhalten, einer Betriebsbeschränkung, Aufforderung zum Verlassen des Hafens oder Verweigerung der Hafeneinfahrt belegt werden. Der Ausschuss schlägt vor, umgehend Änderungen zu der Richtlinie über die Hafenstaatkontrolle (95/21/EG) zu konzipieren, um eine Ausdehnung des Anwendungsbereichs der Hafenstaatkontrolle wirksam werden zu lassen.

5.22. Die automatische Schiffsidentifizierung (AIS) bringt nur einen Sicherheitsnutzen, wenn die Signale an Land empfangen und analysiert werden können und dann entsprechend reagiert werden kann. Der Ausschuss empfiehlt eine sorgfältige Überwachung der zeitgerechten Erfuellung der betreffenden Verpflichtungen durch die Mitgliedstaaten im Rahmen der vorgeschlagenen Melderichtlinie.

6. Sicherheit der Zivilluftfahrt

6.1. Zivilluftfahrt - ein Risikofaktor

6.1.1. Die Sicherheit der Zivilluftfahrt besteht aus zwei Komponenten, und zwar der Sicherheit an Bord und der Sicherheit am Boden. Das in Chicago am 7. Dezember 1944 unterzeichnete Abkommen über die internationale Zivilluftfahrt (Abkommen von Chicago) legt Mindestnormen für die Gewährleistung der Sicherheit der Zivilluftfahrt fest. Die Internationale Zivilluftfahrtorganisation (ICAO) berief eine Ministerkonferenz über Luftverkehrssicherheit (am 19./20. Februar 2002 in Montreal) ein, die sich auf eine Gesamtstrategie für die weltweite Steigerung der Luftverkehrssicherheit und die Schaffung einer Grundlage für einen Aktionsplan für die Sicherheit des Luftverkehrs verständigte.

6.1.2. Angesichts des weltweiten Charakters des Luftverkehrs müssen Sicherheitsmaßnahmen auf internationaler Ebene koordiniert und erforderlichenfalls bilateral aufeinander abgestimmt werden, um entsprechend zu greifen. Es ist heute wichtiger denn je, dass die gesamte Luftfahrtindustrie auf die gemeinsame Zielsetzung einer höheren Sicherheit hinarbeitet. Präventivmaßnahmen können nicht länger den lokalen Gebietskörperschaften überlassen bleiben oder gar den zuständigen einzelstaatlichen Behörden anheim gestellt werden. Deswegen sollte die EU ihre Aktivitäten im Bereich der Sicherheit des Luftverkehrs mit der ICAO koordinieren und möglichst auf entsprechende ICAO-Normen Bezug nehmen.

6.1.3. Der EWSA teilt die Ansicht, dass nicht alle Anpassungen von Sicherheitsmaßnahmen in effizienter Weise und einheitlich angewandt werden können, um einen unverzüglichen Effekt zu erzielen, es wird vielmehr ein realistischer abgestufter Prozess erforderlich sein, um die erforderlichen Einstellungen und Ausbildungsmaßnahmen von Personal und infrastrukturmäßigen Umstellungen vornehmen zu können.

6.2. Sicherheit an Bord

6.2.1. Was die Sicherheit an Bord anbelangt, hat die ICAO kürzlich Normen für die Einbeziehung des Sicherheitsaspekts bei der technischen Auslegung von Luftfahrzeugen sowie sonstige Maßnahmen für die Sicherheit während des Flugs verabschiedet. Die ICAO-Normen für die Cockpit-Sicherheit werden zur Auflage machen, dass Passagierflugzeuge, die 60 oder mehr Passagiere befördern können bzw. ein höchstzulässiges Abfluggewicht von 45000 kg aufweisen, eindringungs- und kugelsicher sein müssen. Diese Anforderung wird jedoch erst ab November 2003 Vorschrift sein.

6.2.2. Die entsprechende Vorschrift der Vereinigten Staaten verlangt jedoch, dass bestimmte US-Luftverkehrsunternehmen verstärkte Cockpit-Türen bis spätestens 9. April 2003, d. h. sieben Monate früher als die ICAO-Anforderungen, installieren müssen. Nachdem amerikanische Behörden es für inakzeptabel hielten, dass für die gleichen flugbetrieblichen Operationen von und zu US-Flughäfen für ausländische Verkehrsbetreiber ein anderes Cockpit-Schutzniveau gilt, wird die US-Regelung auch auf Flugzeuge ausländischer Luftverkehrsunternehmen angewandt werden, die die Vereinigten Staaten anfliegen.

6.2.3. Einige Regierungen wie die Frankreichs und Deutschlands sind dazu übergegangen, in den Flugzeugen Bordpolizisten mitfliegen zu lassen; amerikanische und britische Luftverkehrsunternehmen haben umfangreiche Maßnahmen ergriffen, um die Unversehrtheit des Cockpits durch Cockpittürverstärkungen zu gewährleisten, und auch die weltweit erhöhte Gepäckkontrollquote ist der Sicherheit zugute gekommen.

6.3. Sicherheit am Boden

6.3.1. Am 14. September 2001 beschloss der Verkehrsrat der Europäischen Union, dass die wesentlichen Maßnahmen zur Verhütung widerrechtlicher Handlungen gegen die Zivilluftfahrt, wie sie in Dokument 30 der Europäischen Zivilluftfahrtskonferenz (ECAC)(8) beschrieben sind, durchgeführt werden müssen. In seiner Stellungnahme (vom 28. November 2001)(9) zu dem "Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates zur Festlegung gemeinsamer Vorschriften für die Luftsicherheit in der Zivilluftfahrt"(10) befürwortete der Ausschuss die Kommissionsvorlage insoweit, als sie eine rasche und angemessene Antwort darstellt, um ein hohes Sicherheitsniveau zu gewährleisten, indem Maßnahmen ergriffen werden, um widerrechtliche Handlungen gegen die Zivilluftfahrt zu verhüten.

6.4. Die EU-Perspektive

6.4.1. Die Ereignisse vom 11. September haben gezeigt, dass der Luftverkehr von Terroristen dazu missbraucht wurde, Regierungen anzugreifen. Die Luftverkehrsindustrie an sich ist jedoch nicht das eigentliche Ziel der terroristischen Aktivitäten und sollte denn auch nicht für die Kosten von Vorbeugungsmaßnahmen aufkommen müssen. Deswegen sollte die staatlicherseits vorgenommene Verschärfung bestimmter Sicherheitsmaßnahmen im Gefolge der Angriffe, die gegen die Gesellschaft als Ganzes gerichtet waren und nicht etwa die Akteure der Luftfahrtindustrie im Visier hatten, vom Staat auch finanziell getragen werden.

6.4.2. Alle Anpassungen von Sicherheitsmaßnahmen bis hin zur Umwandlung von Empfehlungen für Sicherheitsmaßnahmen in verbindliche rechtliche Anforderungen sollten Gegenstand einer Kosten-Nutzen-Analyse sein und auf ihre operationellen Auswirkungen geprüft werden. Es ist zu unterstreichen, dass innerhalb der EU die Finanzierung von Sicherheitsmaßnahmen für den Luftverkehr bislang von Land zu Land unterschiedlich geregelt ist. In einigen Staaten werden die Kosten von der Regierung übernommen, während in anderen Staaten eine spezielle Abflugtaxe erhoben wird, während in noch anderen Ländern die Finanzierung unmittelbar von den Luftverkehrsbetreibern bestritten wird.

6.4.3. Der Ausschuss äußert seine Besorgnis bezüglich der Finanzierung bestehender und neuer Sicherheitsmaßnahmen. Nach seiner Einschätzung müssten die finanziellen Verpflichtungen der Regierungen weiter reichen. Genau wie bei anderen Verkehrsträgern bilden Flughäfen nationale Grenzen, und von daher sollten es der Zuständigkeit der Regierungen obliegen, ein Hoechstmaß an nationaler Sicherheit für ihre Bürger an diesen Grenzen zu gewährleisten. Das Sicherheitsproblem erfordert einen EU-weit einheitlichen Ansatz, und die Regierungen sollten in koordinierter Weise eine umfassende Politik zur Finanzierung und Gewährleistung eines größtmöglichen Sicherheitsniveaus für den Luftverkehr konzipieren.

6.4.4. Der Ausschuss erinnert an seine Stellungnahme zu dem Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates zur Festlegung gemeinsamer Vorschriften für die Luftsicherheit in der Zivilluftfahrt(11), laut der der Ausschuss es nicht für vertretbar hält, "dass die Lufthäfen und Fluggesellschaften diese zusätzlichen Kosten tragen sollen. Es sollte Aufgabe der Mitgliedstaaten sein, die Sicherheit der Bürger auf den Flughäfen zu gewährleisten."

6.4.5. Der Ausschuss stellt fest, dass der amerikanische Kongress ein Dringlichkeitspaket von Maßnahmen verabschiedet hat, das zu einem Teil der Sicherheit und Zuverlässigkeit des Luftverkehrs gewidmet ist. Bislang gibt es auf EU-Ebene keine Kostenerstattung seitens der Mitgliedstaaten für zusätzliche Sicherheitsmaßnahmen europäischer Luftverkehrsunternehmen. Deswegen wird es darauf ankommen, eine Wettbewerbsverzerrung zwischen den europäischen und amerikanischen Fluggesellschaften aufgrund gegensätzlicher Politiken im Bereich der Kostenzuweisung für Sicherheitsmaßnahmen zu vermeiden. Der Ausschuss ist allerdings der Ansicht, dass neue technische Normen nicht im vermeintlichen Interesse einer größeren Sicherheit eingeführt werden sollten, während in Wirklichkeit ganz andere Zwecke verfolgt werden (wie z. B. die Vermarktung neuer Ausrüstung, Protektionismus).

6.4.6. Vor dem Hintergrund der vorstehenden Überlegungen vertritt der Ausschuss die Auffassung, dass der Verordnungsentwurf über gemeinsame Regeln für die Sicherheit der Zivilluftfahrt sich auch mit den Kosten der Finanzierung von Sicherheitsmaßnahmen beschäftigen und dieses Problem nicht späteren legislativen Maßnahmen überlassen sollte. Die Wettbewerbsposition der europäischen Luftverkehrsgesellschaften muss bei den Entscheidungen über die Finanzierung von Sicherheitsmaßnahmen berücksichtigt werden.

6.4.7. Der Ausschuss bekräftigt seinen bereits früher geäußerten Aufruf, dass die anderen Teilkomponenten der vorgeschlagenen Vorschriften betreffend die Sicherheit der Zivilluftfahrt vorangetrieben und baldmöglichst verabschiedet werden sollten.

6.5. Die EU kann keine Maßnahmen beschließen, die in Drittlandsflughäfen gelten. Deswegen sollte sie einen entsprechenden Mechanismus konzipieren, um festzustellen, ob ein Drittlandsflughafen den wesentlichen Sicherheitsanforderungen genügt. Anderenfalls könnten sich weitere Diskrepanzen bei den Sicherheitsniveaus der EU-Länder ergeben. Außerdem sollten diese Unterschiede auch Anlass sein für die Betrachtung eines wesentlichen Sicherheitsaspektes, und zwar der getrennten Abfertigung bestimmter Passagiergruppen und deren Auswirkungen in betrieblicher, menschlicher und finanzieller Hinsicht.

6.5.1. Der Ausschuss ist der Auffassung, dass die EU darauf abzielen sollte, Maßnahmen einzuführen, die mit den von den Vereinigten Staaten beschlossenen Maßnahmen zur Sicherheit an Bord nicht im Widerspruch stehen. Da außerdem das Sicherheitsrisiko in Europa nicht überall gleich ist, ist eine gewisse Flexibilität nach Maßgabe der entsprechenden Risikobewertung erforderlich.

6.5.2. Die Anstrengungen sollten sich darauf konzentrieren zu verhindern, dass Personen und/oder Gegenstände, von denen ein Sicherheitsrisiko ausgehen kann, in das Flugzeug gelangen. Der vorrangige Handlungsschwerpunkt sollte die Sicherheit am Boden sein, die in den Zuständigkeitsbereich der Regierungen fällt.

6.5.3. Die Maßnahmen und Verfahren für die Zugangskontrolle nach Verlassen des Flugzeugs und insbesondere der Grad des Vertrauens in das Flughafenpersonal, wenn es sich in zugangsbeschränkte Zonen begibt, müssen einer Überprüfung unterzogen werden. Wenn jemand ohne weiteres in einen zugangsbeschränkten Bereich gelangen kann, werden die Nutzeffekte einer verstärkten Fluggastkontrolle zunichte gemacht.

6.5.4. Wenn dieses Anliegen nicht entsprechend angegangen wird, wird möglicherweise das Ziel der Schaffung einer einheitlichen Sicherheitszone im Sinne der Luftverkehrssicherheit verfehlt werden. Dieses Ziel, das gemeinhin als One-Stop-Sicherheitssystem (OSS) bekannt ist, besteht darin, dass die entsprechenden Sicherheitsmaßnahmen nur am Abgangspunkt durchgeführt werden, wodurch eine Wiederholung dieser Maßnahmen am Transferpunkt entfällt.

6.5.5. Das auf der Basis des Dokuments 30 der ECAC entwickelte Luftfrachtsicherheitssystem könnte bei der Konzipierung eines Containersicherheitssystem im Seeverkehrssektor genutzt werden. Das ECAC 30 Luftfrachtsicherheitssystem basiert auf dem "Known shipper"-Prinzip und der Ausstellung eines Sendungssicherheitszertifikats. Dieses Konzept kann auf die Trampschifffahrt wegen deren grundlegender konzeptioneller Unterschiede zur Container-/Linienschifffahrt sowie zum Luftverkehr nicht angewandt werden.

6.6. Die maßgeblichen Akteure sollten integraler Bestandteil des Sicherheitsprozesses sein, der die Konzipierung, Durchführung und Qualitätskontrolle von Sicherheitsmaßnahmen beinhaltet. Die Luftfahrtgesellschaften, die die Mitgliedstaaten bedienen, sollten das Recht haben, die Inspektionsberichte bzw. jedwede ausgesprochene Empfehlung einzusehen, weil sie nämlich im Falle irgendwelcher Versäumnisse der Mitgliedstaaten oder der Flughäfen unmittelbar dem Sicherheitsrisiko ausgesetzt sein werden.

6.6.1. Der Ausschuss ist der Ansicht, dass der Einsatz von Bordpolizisten den einzelnen Luftfahrtgesellschaften und Regierungen überlassen bleiben sollte. Die widerrechtlichen Handlungen sollten am Boden verhindert werden. Wenn ein Staat den Einsatz von bewaffnetem Sicherheitspersonal an Bord anordnet, so müssten diese Personen vom betreffenden Staat bereitgestellt werden, der auch die Verantwortung für die Finanzierung, die Auswahl und die Ausbildung solchen Personals tragen muss.

6.6.2. Der Ausschuss glaubt nicht, dass die Ausrüstung der Flugbesatzungen mit tötungstauglichen Waffen eine Alternativlösung darstellt, da dies viel mehr Nachteile als Vorteile haben könnte. Auf der anderen Seite sollte der potentielle Notfall-Einsatz von Schutzvorrichtungen mit nichttödlicher Wirkung im Cockpitbereich näher geprüft werden.

7. Schlussfolgerungen

7.1. Der Europäische Wirtschafts- und Sozialausschuss begrüßt die vom Europäischen Rat an die Mitgliedstaaten ergangene Aufforderung zu einer engeren Zusammenarbeit beim Kampf gegen den Terrorismus. Er begrüßt ferner die Fortschritte, die seit dem 11. September bei der Einbeziehung der Terrorismusbekämpfung in sämtliche Aspekte der EU-Außenpolitik zu verzeichnen waren.

7.2. Der Ausschuss ist der festen Überzeugung, dass in einer unsicheren Welt eine polizeiliche Strategie kein zuverlässiger Ansatz ist. Deswegen sollte die EU eine internationale Führungsrolle bei der Entwicklung eines breiter angelegten Sicherheitsrahmens übernehmen, bei dem auch die Ursachen des Terrorismusphänomens angegangen werden und nicht nur versucht wird, seine Auswirkungen zu beseitigen.

7.3. Die weltweite Verbesserung der Sicherheitsmaßnahmen ist eine unumgängliche Notwendigkeit, die in den Regierungen und der Wirtschaft gleichermaßen anerkannt wird. Verstärkte Sicherheitsmaßnahmen werden eine stärkere Zusammenarbeit zwischen den verschiedenen Verwaltungen der Mitgliedstaaten (Einwanderungsbehörden, Zollbehörden, Flughafenbehörden und Hafenbehörden) und eine intensivere Koordinierung zwischen den beteiligten Dienststellen der Europäischen Kommission erforderlich machen.

7.4. Die Schifffahrt und die Zivilluftfahrt müssen auch weiterhin in effizienter und angemessener Weise dem internationalen Warenverkehrsfluss dienen, und um dies gewährleisten zu können, müssen Schiffe, Luftfahrzeuge, Flughäfen und Hafeneinrichtungen entsprechend für die Eventualität terroristischer Anschläge oder krimineller Absichten sonstiger Art gerüstet werden.

7.5. Angesichts des internationalen Charakters des See- und Luftverkehrs müssen die Sicherheitsbestimmungen auf der Grundlage gegenseitiger Vereinbarungen einheitlich angewandt und diskriminierungsfrei durchgesetzt werden und einen möglichst effizienten Warenverkehrsfluss gestatten.

7.6. Sicherheit ist ein Fragenkomplex, bei dem alle Glieder der Transportkette eingebunden werden sollten; durch das Konzept von Haus zu Haus sind alle Verkehrsformen - wenn auch in unterschiedlichem Maße - von den Sicherheitserwägungen betroffen. Die integrierte Logistikkette muss daher interoperabel angelegt sein.

7.7. Die Entscheidungsprozesse in internationalen Gremien und auf EU-Ebene müssen aufeinander abgestimmt werden, um mögliche Unvereinbarkeiten zwischen internationalen und gemeinschaftlichen Regeln zu vermeiden. Einseitige und willkürliche Maßnahmen sollten vermieden werden, weil sie den Welthandel durch Steigerung des bürokratischen Aufwands behindern sowie auch durch sonstige Hemmnisse erschweren könnten und letztlich Wettbewerbsverzerrungen und nachteilige wirtschaftliche Auswirkungen zeitigen können.

7.8. Bilaterale Vereinbarungen einiger EU-Zollbehörden mit den US-Behörden im Kontext der Containersicherheitsinitiative der Vereinigten Staaten vertragen sich nicht mit einem einheitlichen Ansatz der EU und untergraben die Solidarität auf EU-Ebene. Deswegen befürwortet der Ausschuss auch die Bestrebungen der EU, die Gespräche mit den USA mit dem Ziel fortzuführen, die bilateralen Vereinbarungen in eine multilaterale Vereinbarung umzuwandeln/einzubauen.

7.9. Neue Sicherheitsmaßnahmen sollten mit den damit verfolgten Zielen, ihren Kosten und ihren Auswirkungen auf das Verkehrsgeschehen in einem ausgewogenen Verhältnis stehen. Sie sollten weder die persönlichen Rechte der Bürger noch die verfassungsmäßige Ordnung einzelner Mitgliedstaaten unnötig beeinträchtigen, weil sie sonst den Absichten der Terroristen in die Hand spielen würden.

7.10. Die Transportarbeiter werden die Folgen der Einführung von Sicherheitsmaßnahmen zu spüren bekommen. Die europäische Philosophie und Kultur hält die Menschenrechte sehr hoch, und bei allen Reaktionen auf terroristische Bedrohungen sollten diese lange gepflegten Prinzipien nicht vernachlässigt werden.

7.11. Neue technische Normen sollten nicht im vermeintlichen Interesse einer größeren Sicherheit eingeführt werden, während in Wirklichkeit ganz andere Zwecke verfolgt werden (wie z. B. die Vermarktung neuer Ausrüstung, Protektionismus).

7.12. Die Regierungen der Mitgliedstaaten haben die Verantwortung, ihren Bürgern an ihren Grenzen, d. h. auch in den Seehäfen und auf Flughäfen, ein der Bedrohung angemessenes Hoechstmaß praktischer nationaler Sicherheit zu gewährleisten. Sie sollten in gegenseitiger Abstimmung eine umfassende Politik zur Finanzierung und Gewährleistung eines höchstmöglichen Sicherheitsniveaus für See- und Luftverkehr konzipieren.

Brüssel, den 24. Oktober 2002.

Der Präsident

des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses

Roger Briesch

(1) OECD The Economic Consequences of Terrorismus, 17. Juli 2002, Economic Department Working Paper Nr. 334: OECD Transport Security and Terrorism Council of Ministers, 2. Mai 2002.

(2) TD/TC/WP (2002) REV 1/702002.

(3) Sicherheitsausrüstung ist sehr teuer, so kostet etwa ein Container-Scanner, wie er im Hafen von Rotterdam verwendet wird, 14 Mio. EUR.

(4) A. 584(14), MSC/Circ.443, MSC/Circ.754.

(5) Anzahl der Signatarstaaten, 67 bzw. 60.

(6) Containerisation International, Ausgabe April 2002.

(7) Belgien, Irland und Luxemburg haben diese Regelwerke bislang noch nicht ratifiziert.

(8) Die ECAC ist eine freiwillige Vereinigung europäischer Luftfahrtbehörden, die eine Reihe von Empfehlungen vor allem im Bereich der Sicherheit der Zivilluftfahrt ausgearbeitet hat.

(9) Dossier TEN/097.

(10) KOM(2001) 575 endg. - 2001/0234 (COD).

(11) ABl. C 48 vom 21.2.2002, S. 70.

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