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Document 52001DC0723

    Mitteilung der Kommission an den Rat, das Europäische Parlament, den Wirtschafts- und Sozialausschuß und den Ausschuß der Regionen - Die Zukunft des Gesundheitswesens und der Altenpflege: Zugänglichkeit, Qualität und langfristige Finanzierbarkeit sichern

    /* KOM/2001/0723 endg. */

    52001DC0723

    Mitteilung der Kommission an den Rat, das Europäische Parlament, den Wirtschafts- und Sozialausschuß und den Ausschuß der Regionen - Die Zukunft des Gesundheitswesens und der Altenpflege: Zugänglichkeit, Qualität und langfristige Finanzierbarkeit sichern /* KOM/2001/0723 endg. */


    MITTEILUNG DER KOMMISSION AN DEN RAT, DAS EUROPÄISCHE PARLAMENT, DEN WIRTSCHAFTS- UND SOZIALAUSSCHUSS UND DEN AUSSCHUSS DER REGIONEN - Die Zukunft des Gesundheitswesens und der Altenpflege: Zugänglichkeit, Qualität und langfristige Finanzierbarkeit sichern

    INHALTSVERZEICHNIS

    Einleitung

    Gemeinsame Probleme

    1. Auswirkungen der Überalterung der Bevölkerung auf die Gesundheitssysteme und die Gesundheitsausgaben

    2. Entwicklung neuer Technologien und Therapien

    3. Größerer Wohlstand und höherer Lebensstandard

    Unterschiede zwischen den nationalen Gesundheitssystemen und Beitrag der Gemeinschaftspolitiken

    1. Unterschiede zwischen den nationalen Gesundheitssystemen

    2. Der Beitrag der Gemeinschaftspolitiken

    Drei langfristige ziele: Zugänglichkeit, Qualität, Finanzierbarkeit

    1. Zugänglichkeit

    2. Qualität

    3. Langfristige Finanzierbarkeit

    Fazit

    Anhang 1 : Der Beitrag der Gemeinschaftspolitiken

    Anhang 2 : Gesundheitssysteme und Gesundheitspolitik in der Europäischen Union

    Einleitung

    Eine gute Absicherung im Krankheitsfall und für den Fall der Pflegebedürftigkeit ist für die Bürger Europas eine wichtige Errungenschaft, die es zu bewahren und an die Herausforderungen der heutigen Zeit - wie insbesondere die Überalterung der Bevölkerung - anzupassen gilt.

    Dementsprechend hat der Europäische Rat von Lissabon im März 2000 darauf hingewiesen, dass eine Reform der sozialen Sicherungssysteme erforderlich ist, um auch weiterhin eine hochwertige medizinische Versorgung gewährleisten zu können. Außerdem ersuchte der Europäische Rat von Göteborg den Rat im Juni 2001 darum, ,gemäß der offenen Koordinierungsmethode und anhand eines gemeinsamen Berichts des Ausschusses für Sozialschutz und des Ausschusses für Wirtschaftspolitik (...) für die Frühjahrstagung 2002 des Europäischen Rates gemeinsam einen ersten Bericht über Leitlinien im Bereich des Gesundheitswesens und der Altenpflege [zu] erstellen. Die Ergebnisse der Beratungen werden in den Grundzügen der Wirtschaftspolitik berücksichtigt." (Schlussfolgerungen des Vorsitzes, Rdn. 43)

    Gemäß den Schlussfolgerungen des Europäischen Rates von Lissabon, in denen die offene Koordinierungsmethode als Vorgehensweise definiert wird, die auf Partnerschaften zwischen den verschiedenen Akteuren im Rahmen ihrer jeweiligen Zuständigkeiten beruht, möchte die Kommission mit der vorliegenden Mitteilung ihren Beitrag leisten, um diesen Auftrag des Europäischen Rates von Göteborg zu erfuellen.

    Der Gesundheitszustand der EU-Bürger und die Gesundheitsversorgung in der Union sind weltweit einmalig. Ein wichtiger Grund - neben anderen Faktoren wie einem generell gestiegenen Lebensstandard, verbesserten Lebensbedingungen und -gewohnheiten sowie einer besseren Gesundheitsaufklärung [1] - ist die allgemeine Versicherung gegen das Krankheitsrisiko und das Risiko der Erwerbsunfähigkeit, die den Einzelnen im Krankheitsfall finanziell absichert und maßgeblich zu den raschen und anhaltenden Fortschritten in der Medizin und Therapie von Krankheiten beigetragen hat. Die Krankenversicherung deckt einen Großteil der gesamten Gesundheitsausgaben ab; damit ist dieser Zweig der Sozialversicherung vom Ausgabenniveau her der bedeutendste nach der Rentenversicherung und der Hinterbliebenenversorgung.

    [1] Es besteht kein unmittelbarer Zusammenhang zwischen der Leistungsfähigkeit des Gesundheitswesens insgesamt und dem Volumen der Gesundheitsausgaben bzw. den Aufwendungen für das medizinische Versorgungssystem. So wurden etwa in Deutschland 1999 über 10 % des BIP für die Gesundheitsversorgung ausgegeben (und damit mehr als in jedem anderen EU-Land), gegenüber nur 7 % in Spanien, und doch haben die Deutschen eine um zwei Jahre niedrigere Lebenserwartung. Die Lebenserwartung deutscher Männer ist niedriger als die britischer Männer, die Lebenserwartung der Frauen gleich hoch, obwohl das Vereinigte Königreich deutlich weniger für sein Gesundheitssystem ausgibt (6,8 % des BIP).

    Die Gesamtausgaben für das Gesundheitswesen haben sich von etwa 5 % des BIP im Jahr 1970 auf über 8 % im Jahr 1998 erhöht, wobei diese Steigerung größtenteils vor 1990 erfolgt ist. Bei den öffentlichen Ausgaben für das Gesundheitswesen zeichnet sich derselbe Trend ab. Zwischen 1970 und 1990 sind sie von 3,9% des BIP auf etwa 6 % und damit schneller gestiegen als das BIP, nach 1990 wurde diese Entwicklung insbesondere infolge der in allen Ländern unternommenen Anstrengungen zur Kostendämpfung etwas gebremst. Jedoch scheint es, als würden die Ausgaben für das Gesundheitswesen seit 1999 in vielen Ländern wieder schneller zunehmen als das BIP [2].

    [2] Siehe Schaubild 1 in Anhang 3.

    Die Gesundheitssysteme der Union stehen damit vor der Herausforderung, drei Ziele miteinander in Einklang zu bringen, nämlich zugleich den allgemeinen Zugang zu medizinischen Leistungen, eine qualitativ hochwertige medizinische Versorgung und die langfristige Finanzierbarkeit der Gesundheitssysteme zu sichern.

    Gemeinsame Probleme

    1. Auswirkungen der Überalterung der Bevölkerung auf die Gesundheitssysteme und die Gesundheitsausgaben

    Die Überalterung der Bevölkerung weist zwei Aspekte auf:

    Eine höhere Lebenserwartung [3] : Die weibliche Lebenserwartung ab Geburt ist seit 1970 um mehr als fünfeinhalb Jahre gestiegen, die männliche Lebenserwartung um fast fünf Jahre. Trotz merklicher Unterschiede - 1977 lag die Lebenserwartung von schwedischen Männern und von französischen Frauen drei Jahre über derjenigen von finnischen Männern bzw. irischen Frauen - ist die durchschnittliche Lebenserwartung der EU-Bevölkerung weltweit eine der höchsten, und sie nimmt weiter zu. Die Lebenserwartung der im Jahr 2000 geborenen Jungen beträgt 74,7 Jahre, die der Mädchen 81,1 Jahre. Dem Referenzszenario von Eurostat zufolge wird sie für die Jahrgänge 2050 bei 79,7 Jahren (Jungen) bzw. 85,1 Jahren (Mädchen) liegen. Mit der höheren Lebenserwartung ab Geburt verlängert sich auch die Lebensspanne, die bei guter Gesundheit und frei von Behinderungen zugebracht wird.

    [3] Siehe Schaubild 2 in Anhang 3.

    Ein höherer Anteil alter Menschen in der Bevölkerung: Der Anteil der über 65-Jährigen in der europäischen Bevölkerung wird sich von 16,1 % im Jahr 2000 auf 22 % im Jahr 2025 und dann auf 27,5 % im Jahr 2050 erhöhen, der Anteil der über 80-Jährigen voraussichtlich von 3,6 % im Jahr 2000 auf 6 % (2025) und dann auf 10 % (2050) [4].

    [4] Siehe Schaubild 3 in Anhang 3.

    Diese Entwicklungen werden erhebliche Auswirkungen auf die Gesundheitssysteme haben, wenngleich diese nicht exakt vorauszusagen sind. Die Gesundheitsausgaben pro Kopf steigen nämlich nach dem 65. Lebensjahr stark an, und noch stärker nach dem 80. Lebensjahr. Die höhere Krankheitsanfälligkeit alter Menschen, der Umstand, dass sie häufig an mehreren Krankheiten leiden, die Schwere und der zunehmend chronische Charakter von altersbedingten Erkrankungen bis hin zur Pflegebedürftigkeit, all diese Faktoren führen zu einer ungleichen Kostenverteilung nach Altersgruppen. Mit dem Gesundheitsinformationssystem, das dem noch zu verabschiedenden Vorschlag für ein Aktionsprogramm im Bereich der öffentlichen Gesundheit zufolge eingerichtet werden soll, könnte der diesbezügliche Erkenntnisstand erweitert werden.

    Zudem lässt sich nur schwer voraussagen, wie es in einigen Jahrzehnten um den Gesundheitszustand alter Menschen bestellt sein wird und wie lange die Generation, die um Jahr 2030 sechzig Jahre alt wird, sich guter Gesundheit erfreuen wird. Dies liegt zum einen daran, dass die Gesundheitsausgaben unabhängig vom Alter im letzten Lebensjahr besonders hoch sind, die Kosten einer intensiven Pflege im letzten Lebensjahr jedoch vergleichsweise niedriger ausfallen, wenn der Betreffende sehr alt ist. Zudem werden ein höherer Lebensstandard und ein höheres Bildungsniveau - die für den Gesundheitszustand ebenso wichtig sind wie das Gesundheitswesen selbst, da sie eine gesündere Lebensweise und vorbeugendes Verhalten nach sich ziehen - dazu beitragen, den Gesundheitszustand der Bevölkerung insgesamt zu verbessern. Das Alter, in dem die Menschen verstärkt auf medizinische Versorgung angewiesen sind, könnte auf diese Weise hinausgeschoben und das Risiko einer schweren Pflegebedürftigkeit im Alter reduziert werden. Umgekehrt wird diese Generation, für die eine umfassende gesundheitliche Versorgung selbstverständlich ist, im Alter aber nach den neusten und damit wahrscheinlich auch teuersten Behandlungsmethoden verlangen.

    Darüber hinaus wird die überproportionale Zunahme der Zahl der Senioren in der Bevölkerung zu einer verstärkten Nachfrage nach einer langfristigen medizinischen Versorgung führen. Bei altersbedingten Erkrankungen bis hin zur Pflegebedürftigkeit müssen die Betreffenden über einen längeren Zeitraum versorgt werden (sei es ambulant, stationär oder in der Psychiatrie). Diese Art der Pflege ist nicht dem Gesundheitswesen im eigentlichen Sinne, sondern dem Bereich der sozialen Pflegedienste zuzurechnen. Angesichts der zunehmend kleineren und instabileren Familienstrukturen könnte das Netz sozialer Beziehungen, das die Familie bietet, aber weitgehend wegfallen, so dass es schwierig wird, Familienangehörige zu finden, die alte Menschen betreuen können. Werden künftig viele Menschen über längere Zeit hinweg pflegebedürftig, muss hier in Anbetracht der steigenden Frauenerwerbsquote (die unentgeltliche häusliche Pflege wird hauptsächlich von Frauen übernommen) ein spezielles Betreuungsangebot bereitgestellt werden. Es wird deutlich, dass mit der Bereitstellung eines entsprechenden Angebots zusammenhängenden Faktoren hier entscheidende Bedeutung zukommt.

    Diese beiden Aspekte der Überalterung spiegeln sich auch in den Projektionen wider, die von den nationalen Mitarbeitern der Arbeitsgruppe ,Bevölkerungsalterung" im Auftrag des Ausschusses für Wirtschaftspolitik der Europäischen Union nach einer einfachen, aber auch mit gewissen Unsicherheiten behafteten Methodologie erstellt worden sind, um die Auswirkungen der Überalterung auf die öffentlichen Ausgaben vorauszusagen [5]:

    [5] Die Verteilung der Kosten der Gesundheitsversorgung und der Langzeitpflege nach Altersgruppen wurde mit demographischen Projektionen kombiniert, um die künftige Entwicklung der öffentlichen Ausgaben vorauszusagen. Wie im Bericht der Arbeitsgruppe ausgeführt wird, geben diese Prognosen somit eher eine ,Momentaufnahme" der Auswirkungen der demographischen Entwicklung wider als die ,tatsächlichen" öffentlichen Ausgaben.

    Sollten sich die Referenzszenarien zur Bevölkerungsentwicklung bewahrheiten, so werden die öffentlichen Ausgaben für die medizinische Versorgung zwischen 2000 und 2050 um 0,7 % (günstige Annahme für DK) bis 2,3 % des BIP (IRL) steigen. Während sie sich im Jahr 2000 noch auf 4,6 % (UK und FIN) bis 6,2 % des BIP (F) beliefen, dürften sie im Jahr 2050 auf 5,6 % (UK und NL) bis 8,2 % des BIP (IRL) angewachsen sein. Dabei sollen die auf die Altersgruppe von 0 bis 64 Jahren entfallenden Ausgaben in allen Ländern um 0,2 bis 0,7 % des BIP zurückgehen. Insgesamt dürfte der Kostenanstieg in den meisten Mitgliedstaaten zwischen 1 % und 1,5 % des BIP ausmachen und damit im Verhältnis zu dem heute erreichten Ausgabenniveau nur wenig ins Gewicht fallen; lediglich in drei Ländern (A, D und IRL) ist mit einem Kostenanstieg von mehr als 2 % des BIP zu rechnen.

    Die demographische Entwicklung wird sich auf die Langzeitpflege (unter Zugrundelegung derselben Szenarien) umso stärker auswirken, als in den betreffenden Ländern bereits entsprechende Versorgungsstrukturen existieren und dort somit schon heute ein hohes Ausgabenniveau (1,5 % bis 3 % des BIP) erreicht ist. In Schweden, Finnland, Dänemark und den Niederlanden, die zu dieser Ländergruppe zählen, wird die Überalterung der Bevölkerung im Bereich der Langzeitpflege zu einem Kostenanstieg von 1,7 bis 2,5 % des BIP führen; die entsprechenden Kosten werden sich also fast verdoppeln. In sechs anderen Ländern - die bis auf das Vereinigte Königreich im Jahr 2000 weniger als 1 % des BIP für die Langzeitpflege aufgewandt haben - dürfte der Kostenanstieg geringer ausfallen (zwischen 0,2 und 1 % des BIP). Doch könnten die demographischen und gesellschaftlichen Veränderungen auch in diesen Ländern eine gewisse Institutionalisierung der entsprechenden Betreuungsstrukturen nach sich ziehen, so dass hierfür ein größerer Teil der öffentlichen Ausgaben und des BIP aufgewendet werden müsste. Aufgrund dieser voraussichtlichen Entwicklungen müssen geeignete Finanzierungsmodalitäten gefunden werden - sei es im Rahmen der Kranken- und Berufsunfähigkeitsversicherung oder durch eine spezielle Absicherung (Einführung einer gesonderten Pflegeversicherung, Aufteilung der Kosten zwischen Gesundheits- und Sozialhilfesystemen, private Versicherungen).

    Insgesamt könnte sich der Anteil der öffentlichen Ausgaben, die für die medizinische Versorgung und die Langzeitpflege aufgewandt werden müssen, infolge der Überalterung der Bevölkerung um 1,7 bis knapp 4 % des BIP auf 7,5 % (günstige Annahme für I) bis 12,1 % des BIP (ungünstige Annahme für S) erhöhen (gegenüber einem Ausgabenvolumen von 5,5 % (I) bis 8,8 % des BIP (S) im Jahr 2000).

    Ganz allgemein stellt sich bei einer derartigen Entwicklung der Gesundheitsversorgung und der Langzeitpflege die Frage nach den Humanressourcen, denn diese Art der Pflege ist von Natur aus mit einem hohen Bedarf an qualifiziertem Personal verbunden. Der erhöhte Personalbedarf würde aber bei einer insgesamt stagnierenden bzw. schrumpfenden Erwerbsbevölkerung auftreten, und im Bereich ,Gesundheit und Soziales" ist schon heute ein weit überdurchschnittliches Wachstum der Beschäftigtenzahlen zu verzeichnen. In der Europäischen Union haben diese zwischen 1995 und 2000 insgesamt um 6,8% zugenommen, im Bereich ,Gesundheit und Soziales" aber um 12,6% [6].

    [6] Erhebung Force de Travail 2001, Beschäftigtenzahlen nach Branchen.

    2. Entwicklung neuer Technologien und Therapien

    Die Weiterentwicklung der Medizintechnik - Einsatz von Minirobotern in der Chirurgie, Gentherapie, Kultur von Ersatzorganen oder -geweben, neue Medikamente - stellt die zweite Herausforderung dar, die die nationalen Systeme insbesondere im Bereich der medizinischen Versorgung zu bewältigen haben [7].

    [7] Die Auswirkungen des technologischen Fortschritts werden in den vom Ausschuss für Wirtschaftspolitik der Europäischen Union erarbeiteten Projektionen indirekt mittels unterschiedlicher Ausgangshypothesen bezüglich der Entwicklung der Pro-Kopf-Ausgaben berücksichtigt.

    Der technische Fortschritt bringt Erzeugnisse und Therapien hervor, in die ein Mehraufwand an Forschung und Entwicklung sowie an Technologie eingeflossen ist. Dieser Fortschritt kann in einigen Fällen zu einer Produktivitätssteigerung führen, etwa durch eine verkürzte Aufenthaltsdauer im Krankenhaus bei bestimmten Erkrankungen oder durch Vorsorgemaßnahmen, mit denen sich das Risiko einer schweren Erkrankung verringern lässt. Mit wirksameren Therapien lassen sich aber vor allem auch neue Erkrankungen behandeln, und sie führen zu einer intensiveren und damit insgesamt kostspieligeren Behandlung.

    Zu dieser Kostensteigerung tragen auch Nachfrage-Angebotseffekte bei. Das Gesundheitswesen ist ein atypischer Tätigkeitsbereich, in dem die Nachfrage weitgehend durch das Angebot - sprich die verordnenden Ärzte - bestimmt wird, was zuweilen eine systematische Evaluierung des tatsächlichen gesundheitlichen Nutzens von Innovationen und ihrer Kosten für die Gemeinschaft verhindert. Darüber hinaus verlangen die gebildeten und gut informierten Patienten von heute nach den neuesten Präparaten oder Therapien oder nach Nahrungsergänzungsmitteln mit vermuteter oder angeblich gesundheitsfördernder Wirkung. Damit setzen sie die verordnenden Ärzte unter Druck (insbesondere in Ländern mit freier Arztwahl). Dieser Nachfragedruck macht sich vor allem bei Medikamenten bemerkbar, denn die neuesten Präparate sind in der Regel auch die teuersten.

    Aus diesen Gründen stellt sich die Frage nach der Finanzierung des medizintechnischen Fortschritts und der Übernahme der entsprechenden Leistungen, denn dieser Fortschritt könnte ähnliche oder sogar stärkere Auswirkungen haben als die Überalterung der Bevölkerung. Im Hinblick auf die Notwendigkeit der Kostendämpfung müssen klare, transparente und wirksame Evaluierungsverfahren entwickelt werden. Nur so kann gewährleistet werden, dass neue Produkte und Therapien den Patienten auch zur Verfügung stehen. Dabei sollten jedoch mehr als heute die besonderen Bedürfnisse der älteren Menschen über 65 Jahre berücksichtigt werden, die derzeit noch einen geringen Anteil der an klinischen Tests teilnehmenden Patienten darstellen.

    Die neuen Informationstechnologien bieten neue Möglichkeiten, die Evaluierung zu verbessern, indem sie eine Zusammenarbeit des medizinischen Personals auf europäischer Ebene erlauben.

    3. Größerer Wohlstand und höherer Lebensstandard

    Die Nachfrage nach medizinischer Versorgung und das entsprechende Angebot hängen stark vom Lebensstandard und vom Bildungsniveau ab; Letzteres beeinflusst die Lebensweise des Einzelnen maßgeblich. Es lässt sich beobachten, dass die Nachfrage nach Gesundheitsdienstleistungen seit einem halben Jahrhundert tendenziell stärker zunimmt als das Pro-Kopf-Einkommen.

    Dies hat im Wesentlichen drei Konsequenzen:

    Durch eine bessere Aufklärung können die Patienten zu einer gesünderen Lebensweise und zu vorbeugendem Verhalten veranlasst werden, wodurch sich die Inanspruchnahme von intensiven und kostspieligen Behandlungen langfristig vermeiden lässt. Daher setzen die Gesundheitssysteme in dem durch die Gesundheitspolitik geschaffenen Rahmen verstärkt auf Aufklärung und Vorsorgemaßnahmen.

    Die Patienten stellen immer höhere Ansprüche an Qualität und Effizienz der Gesundheitssysteme. Mit der Entwicklung der neuen Informationstechnologien verfügen sie nicht nur über mehr Möglichkeiten, sich Informationen zu medizinischen Themen zu verschaffen, sondern auch, Dienstleistungen in Anspruch zu nehmen (z. B. eine Gesundheitsberatung) und sich Produkte zu beschaffen - mit allen Gefahren, die diese beiden Praktiken mit sich bringen können. Der leichtere Zugang zu Information (gleich welcher Qualität) ermöglicht auch den Vergleich mit dem, was in anderen Ländern geboten wird, und führt damit zu einer größeren Mobilität von Personen und einem zunehmenden Austausch von Waren und Dienstleistungen über Grenzen hinweg. Dies hat unmittelbare Auswirkungen auf die Funktionsweise der Gesundheitssysteme, und zwar sowohl auf der Angebotsseite als auch in Bezug auf die Modalitäten der Leistungsübernahme.

    Schließlich äußern immer mehr Patienten den Wunsch, von den Vertretern der Heilberufe ebenso wie von den öffentlichen Stellen als ebenbürtige Partner und Akteure der Gesundheitssysteme behandelt zu werden. Davon zeugt etwa die Ausarbeitung von ,Chartas der Patientenrechte" in Kliniken oder die Stärkung der Rechte kranker Personen in den nationalen Rechtsvorschriften. Ganz allgemein erwarten die Patienten mehr Transparenz im Hinblick auf die Wirksamkeit und Qualität von Gesundheitsdienstleistungen.

    Unterschiede zwischen den nationalen Gesundheitssystemen und Beitrag der Gemeinschaftspolitiken

    Für die Organisation und Finanzierung der Gesundheitssysteme und die auf die Bedürfnisse der Bevölkerung zugeschnittene Planung des Versorgungsangebots sind die Mitgliedstaaten zuständig. Diese Zuständigkeit wird aber innerhalb eines allgemeinen Rahmens ausgeübt, in den viele Gemeinschaftspolitiken immer stärker

    eingreifen [8]. Aus diesem Grund ist die Entwicklung einer europäischen Zusammenarbeit auf diesem Gebiet erforderlich.

    [8] Siehe Anhang 1.

    1. Unterschiede zwischen den nationalen Gesundheitssystemen

    Innerhalb Europas weisen die Gesundheitssysteme sehr unterschiedliche Finanzierungsmodalitäten [9] und Organisationsformen auf. Dies wird bei den Reformen zu berücksichtigen sein, mit denen der Überalterung der Bevölkerung und den sonstigen für die steigenden Kosten der medizinischen Versorgung und der Pflege alter Menschen verantwortlich Faktoren Rechnung getragen werden soll.

    [9] Siehe Schaubild 4 in Anhang 3.

    Die Gesundheitsausgaben werden in allen Ländern zu einem erheblichen Teil aus öffentlichen Mitteln finanziert. Auch dort, wo dieser Anteil am niedrigsten ist, nämlich in Griechenland, liegt er immerhin noch bei etwa 56 %, im Vereinigten Königreich beläuft er sich sogar auf fast 84 %. Die Unterschiede zwischen den einzelnen Systemen betreffen zwei Aspekte:

    Einige Systeme - im Wesentlichen die nationalen Gesundheitsdienste der Länder DK, IRL, NL, P, S, UK - werden (zum Teil ausschließlich) aus Steuergeldern finanziert. Bei anderen steht die Finanzierung durch Sozialversicherungsbeiträge im Vordergrund, wenngleich sich ein Trend zur Reduzierung ihres Anteils zugunsten des aus dem Steueraufkommen finanzierten Anteils beobachten lässt (so etwa in Frankreich oder Deutschland).

    Der andere (vom vorhergehenden unabhängige) Aspekt, in dem sich die Systeme unterscheiden, ist die Aufteilung zwischen öffentlicher und privater Finanzierung, d. h. der Anteil an den Gesamtkosten, den die Privathaushalte selbst aufbringen müssen und der ggf. durch freiwillige Zusatzversicherungen abzudecken ist. In den meisten Mitgliedstaaten beträgt dieser Anteil zwischen einem Fünftel und einem Viertel der Gesamtausgaben, in Italien und Portugal erreicht er sogar 42 %, während er im Vereinigten Königreich und in Luxemburg sehr viel niedriger ist (unter 5 %).

    >VERWEIS AUF EIN SCHAUBILD>

    Dieser Selbstkostenanteil variiert oft je nach Art der Behandlung: Die Kosten eines Krankenhausaufenthalts werden von der Grundabsicherung meist weitgehend abgedeckt, nicht aber die Kosten von Medikamenten, einer Zahnbehandlung oder von Sehhilfen, um nur die häufigsten Fälle zu nennen. Dass die Verbraucher für einen Teil der Kosten selbst aufkommen müssen, wird oft mit der Notwendigkeit begründet, das Bewusstsein für die Kosten einer Behandlung zu schärfen. Dadurch gewinnen aber auch Zusatzversicherungen für die Inanspruchnahme von Gesundheitsdienstleistungen an Bedeutung. Bei Personen mit besonders geringem Einkommen ist ggf. die Übernahme dieses Selbstkostenanteils durch die Sozialversicherung vorzusehen.

    2. Der Beitrag der Gemeinschaftspolitiken

    Drei Bereiche der Gemeinschaftspolitik sind für Anpassungsmaßnahmen und Reformen von grundlegender Bedeutung:

    Gesundheitspolitik und Förderung eines hohen Gesundheitsschutzniveaus (Artikel 152 EG-Vertrag). In ihrer Mitteilung über die gesundheitspolitische Strategie der Union (KOM(2000) 285 endg.) hat die Kommission unterstrichen, dass die Dienstleistungen im Gesundheitswesen vor dem Hintergrund der Überalterung der Bevölkerung, der Entwicklung der Medizintechnik und einer zunehmenden grenzüberschreitenden Dimension von Gesundheitsfragen (übertragbare Krankheiten, umweltbedingte Erkrankungen, größere Mobilität von Personen, zunehmender Austausch von Waren und Dienstleistungen) den Anliegen und Erwartungen der Menschen entsprechen müssen.

    Qualitative Verbesserung und Sicherung der langfristigen Tragfähigkeit der öffentlichen Finanzen. Aufgrund der Tatsache, dass ein beträchtlicher Teil der öffentlichen Ausgaben auf das Gesundheitswesen entfällt, kommt diesem Bereich entscheidende Bedeutung bei der Durchführung von Strategien zu, die nach Maßgabe der in den Grundzügen der Wirtschaftspolitik im Jahr 2001 aufgestellten Grundsätze (,Umschichtung der Staatsausgaben zugunsten des Aufbaus von Sach- und Humankapital" sowie ,effizienterer Einsatz der öffentlichen Mittel durch institutionelle und strukturelle Reformen") auf Qualität und Nachhaltigkeit setzen.

    Vertiefung des Binnenmarkts. Für die Ausgestaltung der sozialen Sicherungssysteme und ihre Finanzierungsmodalitäten sind die Mitgliedstaaten zuständig. Nach ständiger Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs [10] wird die Zuständigkeit der Mitgliedstaaten für die Ausgestaltung ihres sozialen Sicherungssystems durch das Gemeinschaftsrecht nicht berührt. Bei der Ausübung dieser Kompetenz müssen die Mitgliedstaaten jedoch das Gemeinschaftsrecht beachten [11]. Im Anschluss an die Kommissionsmitteilung ,Eine konzertierte Strategie zur Modernisierung des Sozialschutzes" (KOM(99) 347 endg.) hat sich seit 1999 auf dem Gebiet der sozialen Sicherheit eine europäische Zusammenarbeit mit Beteiligung der betreffenden Akteure entwickelt. In seinen Schlussfolgerungen vom 29. November 1999 erklärte der Rat die Gewährleistung eines hohen und haltbaren Gesundheitsschutzniveaus zu einem der Hauptziele einer solchen europäischen Zusammenarbeit. Bei dieser Gelegenheit wies er darauf hin, dass Gemeinschaftsmaßnahmen die von den Mitgliedstaaten entsprechend ihren nationalen Prioritäten unternommenen Reformbemühungen unterstützen und fördern müssen.

    [10] Urteil vom 7. Februar 1984, Duphar u. a., 238/82, Slg. 1984, 523, Rdn. 16 ; vom 17. Juni 1997, Sodemare u. a, C-70/95, Slg. 1997, I-3395, Rdn. 27, und vom 28. April 1998, Kohll, C-158/96, Slg. 1998, I-1931, Rdn. 17.

    [11] Rechtssachen C-157/99 (Smits/Peerbooms) und C-368/98 (Vanbraeckel)

    Drei langfristige ziele: Zugänglichkeit, Qualität, Finanzierbarkeit

    1. Zugänglichkeit

    In den Augen der EU-Bürger ist der Anspruch auf medizinische Versorgung ein für die Wahrung der Menschenwürde wesentliches Grundrecht, das für jeden gewährleistet sein muss. In der Charta der Grundrechte der Europäischen Union wird verkündet: ,Jede Person hat das Recht auf Zugang zur Gesundheitsvorsorge und auf ärztliche Versorgung" [12] und ,Die Union anerkennt und achtet das Recht auf Zugang zu den Leistungen der sozialen Sicherheit und zu den sozialen Diensten, die in Fällen wie Mutterschaft, Krankheit, Arbeitsunfall, Pflegebedürftigkeit oder im Alter (...) Schutz gewährleisten" [13].

    [12] Artikel 33

    [13] Artikel 32

    In seiner Empfehlung vom 27. Juli 1992 über die Annäherung der Ziele und Politiken im Bereich des sozialen Schutzes [14] hat der Rat den Zugang zur Gesundheitsversorgung sowie die Gewährung eines angemessenen Einkommensersatzes bei einer Unterbrechung der Erwerbstätigkeit infolge Krankheit zu grundlegenden Zielen der sozialen Sicherungssysteme erklärt.

    [14] 92/442/EWG, ABl. Nr. L 245 vom 26.08.1992, S. 49-52.

    Es lässt sich jedoch beobachten, dass der allgemeine Gesundheitszustand in allen Ländern von der sozialen Stellung des Betreffenden abhängt (in einigen Fällen erheblich), wie aus den Sterblichkeitsstatistiken hervorgeht [15]. Dies ist zum einen darauf zurückzuführen, dass Einkommensschwache teilweise auf medizinische Versorgung verzichten, insbesondere, wenn sie für einen großen Teil der Kosten selbst aufkommen (etwa bei einer Zahnbehandlung oder Sehhilfen) oder die Behandlungskosten zunächst vorstrecken müssten. Es kommen aber zahlreiche weitere Faktoren zum Tragen, wie die Lebensbedingungen, die Wohnverhältnisse, die ausgeübte Tätigkeit, das Bildungsniveau sowie Lebens- und Ernährungsgewohnheiten.

    [15] Das Verhältnis der Sterblichkeit von männlichen Arbeitern im Alter von 45 bis 59 Jahren zur Sterblichkeit von männlichen Angestellten derselben Altersgruppe liegt zwischen 1,71 in Frankreich und 1,33 in Dänemark (Inégalités sociales de santé, Inserm-La Découverte 2000).

    Die Frage des Zugangs sozial benachteiligter Gruppen und einkommensschwacher Personen zur Gesundheitsversorgung, aber auch der Beziehungen zwischen Gesundheitssystemen und anderen am Kampf gegen soziale Ausgrenzung beteiligten Akteuren wurde daher vom Europäischen Rat von Nizza als eines der ,gemeinsamen Ziele" zur Bekämpfung von Ausgrenzung anerkannt. In dem gemeinsamen Bericht über die Bewertung der nationalen Aktionspläne zur sozialen Integration werden drei große Kategorien von Maßnahmen in diesem Bereich definiert:

    Ausbau von Vorsorge und Gesundheitserziehung. Derartige Maßnahmen wenden sich zwar nicht nur an sozial schwache Personen, erlauben es aber doch, diese besser zu erreichen (etwa über Mutter-Kind-Beratungsstellen oder Schul- und Betriebsärzte).

    Verbesserter Zugang zur Gesundheitsversorgung durch einen höheren Kostenübernahmeanteil bis hin zur Kostenfreiheit für Geringverdiener, aber auch durch eine bessere Koordinierung zwischen den für die Sozialdienste und den für die Gesundheitsversorgung zuständigen Stellen.

    Umsetzung von Maßnahmen, die sich an sozial schwache Gruppen wie psychisch Kranke, Migranten, Obdachlose, Alkohol- oder Drogenabhängige, Prostituierte usw. wenden.

    2. Qualität

    Alle Europäer messen einer hochwertigen Gesundheitsversorgung gleichermaßen großen Wert bei, und diese ist somit ein wichtiges Ziel der öffentlichen Gesundheitspolitik. Da die Gesundheitsversorgung zu einem erheblichen Teil aus öffentlichen Mitteln finanziert wird, ist aber angesichts dieses qualitativen Anspruchs ein weiterer Aspekt zu berücksichtigen, nämlich die Frage, wie sich das bestmögliche Verhältnis zwischen gesundheitlichem Nutzen und den Kosten von Produkten und Behandlungen erzielen lässt, ohne das Ziel der Förderung der öffentlichen Gesundheit zu gefährden. Angesichts der Entwicklung der der Öffentlichkeit zur Verfügung stehenden Kommunikationsmittel, aber auch der Vertiefung des Binnenmarkts und der zunehmenden Mobilität der Personen ist bei dem Bemühen um Qualität eine früher unbekannte grenzüberschreitende Dimension einzubeziehen.

    Ein derartiger Ansatz wird jedoch insbesondere durch zwei Faktoren erschwert:

    Unterschiede in der Ausgestaltung des Versorgungsangebots. So verfügte Dänemark 1997 über 465 Krankenhausbetten für 100.000 Einwohner, gegenüber 708 in Deutschland und 877 in Frankreich. 1999 kamen in Irland auf 100.000 Einwohner 226 Ärzte, in Belgien hingegen fast 405 Ärzte. Bei den Apothekern lagen die entsprechenden Werte 1997 bei 46,4 Apothekern auf 100.000 Einwohner in Frankreich gegenüber nur 17,5 in den Niederlanden [16]. Noch augenfälliger sind die Unterschiede bei den Einrichtungen der Langzeitpflege, je nachdem, ob die entsprechende Versorgungseinrichtung mehr oder weniger stark institutionalisiert ist. Struktur und Umfang des Angebots beeinflussen die Nachfrage nach Gesundheitsdienstleistungen (und damit die Ausgabenhöhe) aber oft entscheidend.

    [16] Eurostat-Angaben in Eckzahlen Gesundheit 2000

    Unterschiede in der therapeutischen Praxis. Ein Beispiel sind Entbindungen. Die perinatale Mortalität ist in Frankreich und den Niederlanden etwa gleich hoch (8,2 % bzw. 8,4 % im Jahr 1996), obwohl in Frankreich Krankenhausgeburten die Regel sind, während in den Niederlanden der Anteil der Hausgeburten bei knapp einem Drittel liegt (wobei die Zahl der Klinikgeburten in den letzten dreißig Jahren auch dort stark zugenommen hat). Es kann daher nicht von vornherein behauptet werden, dass die eine Methode der anderen überlegen wäre. Zudem lassen sich auch innerhalb eines Landes regionale Unterschiede feststellen. Dies betrifft nicht nur die angewandten Methoden oder die medizinischen Protokolle, sondern auch die offenkundige Effizienz von Dienstleistungen oder Behandlungsmethoden (gemessen z. B. an der Sterblichkeit nach Operationen).

    So haben zahlreiche Untersuchungen gezeigt, dass sich die durch Qualitätsdefizite verursachten Kosten insbesondere in Krankenhäusern (die bei den Gesundheitsausgaben den größten Posten ausmachen) durch Maßnahmen zur Qualitätsverbesserung senken lassen [17]. Mit der Messung von Kosten und Leistungen, der Untersuchung der Patientenzufriedenheit, der Evaluierung und Akkreditierung von Gesundheitsdienstleistungen wäre es möglich, diese Unterschiede zu erklären und ggf. zu korrigieren und somit die Gesamtqualität des Gesundheitswesens zu verbessern [18]. Bei der Durchführung derartiger Maßnahmen sind alle Partner einzubeziehen (Aufsichtsbehörden, Heil- und Pflegeberufe sowie Kostenträger einschließlich der Zusatzversicherungen).

    [17] Le coût de la qualité et de la non-qualité à l'hôpital, Bericht der ,Agence française pour l'accréditation et l'évaluation en santé" (ANAES), September 1998.

    [18] Beispiele sind A First Class Service: Quality in the new NHS" (UK), in dem insbesondere die Einrichtung eines ,National Institute for Clinical Excellence" vorgesehen ist, sowie die Einrichtung der ,Agence Nationale d'Accréditation et d'Evaluation en Santé" (F).

    Eine vergleichende Analyse von Gesundheitssystemen und Behandlungsmethoden, bei der sich ,gute Praktiken" herauskristallisieren ließen, wäre daher äußerst wünschenswert, um die Qualität der Gesundheitssysteme zu verbessern und damit die für die soziale Sicherheit zur Verfügung stehenden Ressourcen optimal nutzen zu können. Das dem Rat und dem Europäischen Parlament unterbreitete künftige Aktionsprogramm im Bereich der öffentlichen Gesundheit kann einen Beitrag zur Förderung von Qualität und ,guten Praktiken" im Rahmen der Gesundheitssysteme leisten.

    3. Langfristige Finanzierbarkeit

    Um eine qualitativ hochwertige Gesundheitsversorgung anbieten zu können, die mit dem wissenschaftlichen und technischen Fortschritt Schritt hält und allgemein zugänglich bleibt, müssen entsprechende finanzielle Mittel aufgewendet werden. Der Zwang zur Kosteneinsparung bei den Leistungen und der Nachfragedruck machen sich unabhängig von der Organisationsform des Gesundheitssystems bemerkbar, wirken sich aber unterschiedlich aus. Vereinfachend lässt sich sagen, dass es bei den als ,nationaler Gesundheitsdienst" ausgestalteten Systemen theoretisch leichter ist, die Ausgaben zu kontrollieren (da sie naturgemäß an ein Budget gebunden sind), doch führt der Nachfragedruck in diesem Fall zu längeren Wartezeiten [19], die teilweise von einer tatsächlichen Unzulänglichkeit des Versorgungsangebots zeugen. Bei den nach dem Versicherungsprinzip organisierten Systemen, bei denen die Leistungserbringer meist vom Kostenträger unabhängig sind, führt eine Nachfrage- und/oder Kostensteigerung zu einer Erhöhung der Ausgaben, die langfristig für die öffentlichen Finanzen untragbar werden kann - es sei denn, auch die Einnahmen steigen oder es werden Sparmaßnahmen durchgeführt, was bei den betreffenden Heilberufen oft auf Widerstand stößt. Darüber hinaus ist es angesichts der unterschiedlichen, gleichermaßen wichtigen Bedürfnisse, denen Rechnung zu tragen ist, schwierig zu entscheiden, wo Einsparungen möglich sind.

    [19] Das ,NHS High-Level Performance Framework" (UK) umfasst einen Indikator zur Messung der Wartezeiten (,Prozentsatz der Patienten mit einer Wartezeit von 12 Monaten und mehr).

    Im Übrigen haben die Ausgaben für das Gesundheitswesen zumindest bis 1999 deutlich langsamer zugenommen als das BIP. Seit 1999 scheinen sie jedoch in vielen Ländern wieder schneller als dieses zu steigen. Seit Anfang der 90-er Jahre sind nämlich zahlreiche Reformen durchgeführt worden [20], die sich klassischerweise zweier Ansätze bedienen bzw. diese teilweise - in unterschiedlichem Umfang - miteinander kombinieren:

    [20] Eine Übersicht über die Gesundheitssysteme und die jüngsten Reformen ist in Anhang 2 enthalten.

    Regulierung der Nachfrage durch eine Anhebung von Steuern oder Sozialversicherungsbeiträgen oder durch eine Erhöhung des Selbstkostenanteils (niedrigerer Erstattungssatz, Zuzahlungen)

    Regulierung des Angebots, sei es auf makroökonomischer Ebene (insbesondere durch die Festsetzung eines Budgets bzw. eine Deckung der Ausgaben für die Leistungserbringer), oder durch Maßnahmen zur Steigerung der makroökonomischen Effizienz des Angebots (gezielte Förderung des Wettbewerbs zwischen Kostenträgern und/oder Leistungserbringern (D), vertragliche Ausgestaltung der Beziehungen zwischen ,Käufern" und ,Anbietern" von Gesundheitsdienstleistungen (UK)

    Entscheidend ist es in diesem Zusammenhang, den konjunkturellen Effekt solcher Maßnahmen von ihrem strukturellen Effekt zu unterscheiden, d. h. zu erkennen, inwieweit sie geeignet sind, den Kostenanstieg einzudämmen, ohne die Qualität und Leistungsfähigkeit des Gesundheitssystems zu beeinträchtigen. Ein Erfahrungsaustausch, mit dem sich eine Bilanz der oftmals schon seit mehreren Jahren durchgeführten Maßnahmen ziehen ließe, wäre in dieser Beziehung hilfreich, um Vergleiche anstellen und Fortschritte erzielen zu können.

    Die meisten Kandidatenländer stehen dagegen vor einer ganz anderen Herausforderung. Viele von ihnen haben sich bemüht, die Gesamteffizienz und -qualität ihres Gesundheitssystems durch eine tiefgreifende Reform sowohl seiner Organisation als auch seiner Finanzierungsweise (und insbesondere des Anteils der öffentlichen und der privaten Finanzierung) zu erhöhen. Der Erfolg solcher Reformen hängt aber sehr stark davon ab, ob es gelingt, die finanzielle Tragfähigkeit der Systeme zu sichern, was wiederum von Wirtschaftsreformen und dem erfolgreichen Übergang zur Marktwirtschaft abhängt.

    Fazit

    Die Gesundheitssysteme in der Europäischen Union und den Kandidatenländern stehen vor der Herausforderung, drei Ziele gleichzeitig zu verwirklichen, nämlich den allgemeinen Zugang zur Gesundheitsversorgung, ein qualitativ hochwertiges Versorgungsangebot und die langfristige Finanzierbarkeit der Gesundheitssysteme zu gewährleisten.

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    1. Allgemeiner Zugang

    2. Qualitätsverbesserung 3. langfristige Finanzierbarkeit

    1. Sicherung des allgemeinen Zugangs zu einer hochwertigen Gesundheitsversorgung unter besonderer Berücksichtigung der Situation alter Menschen, die der Langzeitpflege bedürfen (Finanzierung, Anpassung des Versorgungsangebots insbesondere durch die Institutionalisierung der Langzeitpflege)

    2. Erhöhung von Transparenz und Qualität der Gesundheitssysteme insbesondere durch die Evaluierung von medizinischen Verfahren und Erzeugnissen sowie der Versorgungsstrukturen des Gesundheitswesens

    3. Fortsetzung der auf eine Kostendämpfung abzielenden Reformen in Verbindung mit politischen Maßnahmen zur Konsolidierung der öffentlichen Finanzen und zur Sicherung einer adäquaten Finanzierung der Gesundheitsversorgung

    Eine grundlegende Voraussetzung für die Verwirklichung dieser Ziele ist die Zusammenarbeit aller am Gesundheitssystem beteiligten Akteure wie der öffentlichen Stellen, der Angehörigen von Heil- und Pflegeberufen, der Sozialversicherungsträger, der Zusatzkrankenversicherungen, der Verbraucher und deren Vertreter. Dies wird oft durch die unterschiedlichen oder gar konträren Interessen und Denkweisen dieser verschiedenen Akteure erschwert.

    Anhang 1 : Der Beitrag der Gemeinschaftspolitiken

    Freier warenverkehr (artikel 28).

    Gesundheitserzeugnisse sind Waren, deren freier Verkehr nur aus zwingenden Gründen des Allgemeininteresses eingeschränkt werden darf (etwa zum Schutz der Gesundheit oder aus der Notwendigkeit heraus, das finanzielle Gleichgewicht der Gesundheitssysteme zu wahren, was als für die Aufrechterhaltung eines hochwertigen Versorgungsangebots erforderlich anerkannt wurde). Derartige Beschränkungen - und insbesondere die Ablehnung der Kostenerstattung bei Kauf eines Gesundheitsprodukts in einem anderen Mitgliedstaat als dem Versicherungsstaat - müssen begründet und dem verfolgten Ziel gegenüber verhältnismäßig sein.

    Freier personenverkehr (artikel 18, 39, 42 und 43).

    Im Hinblick auf die Verwirklichung des Rechts der Personen auf Freizügigkeit koordiniert die Verordnung 1408/71 die gesetzlichen Systeme der sozialen Sicherung der Mitgliedstaaten einschließlich ihrer Gesundheitssysteme. Darüber hinaus sehen zahlreiche Richtlinien über die Freizügigkeit von Arbeitnehmern und Selbständigen (auf die auch Angehörige von Heilberufen Anspruch haben) die gegenseitige Anerkennung der Diplome von Ärzten und anderen Heilberufen vor und legen die grundlegenden Anforderungen an deren Ausbildung fest.

    Freier dienstleistungsverkehr (artikel 49 und 50).

    Der Europäische Gerichtshof hat klargestellt, dass eine ambulant oder im Krankenhaus durchgeführte Behandlung eine Dienstleistung ist. Ihre grenzüberschreitende Erbringung darf somit nur aus zwingenden Gründen des Allgemeininteresses eingeschränkt werden (etwa zum Schutz der Gesundheit oder aus der Notwendigkeit heraus, das finanzielle Gleichgewicht der Gesundheitssysteme zu wahren, was als für die Aufrechterhaltung eines hochwertigen Versorgungsangebots erforderlich anerkannt wurde). Derartige Beschränkungen - und insbesondere die Ablehnung der Erstattung der Kosten für eine in einem anderen Mitgliedstaat als dem Versicherungsstaat in Anspruch genommene Behandlung - müssen begründet und dem verfolgten Ziel gegenüber verhältnismäßig sein.

    Funktionieren des binnenmarkts (artikel 95)

    Artikel 95 befasst sich mit der Angleichung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften, die die Errichtung und das Funktionieren des Binnen marktes zum Gegenstand haben - unter anderem auch, was Gesundheitserzeugnisse (pharmazeutische Produkte, medizinische Geräte) und Zusatzkrankenversicherungen betrifft.

    Wettbewerb (artikel 85 und 86).

    Die Krankenkassen und die mit der Verwaltung von Systemen der sozialen Sicherheit betrauten Einrichtungen erfuellen dann eine Aufgabe mit ausschließlich sozialem Charakter, wenn ihre Tätigkeit auf dem Grundsatz der nationalen Solidarität beruht und nicht auf Gewinnerzielung ausgerichtet ist und wenn die zu erbringenden Leistungen gesetzlich festgesetzt und von der Höhe der entrichteten Beiträge unabhängig sind. Ihre Tätigkeit stellt in diesem Fall keine Wirtschaftstätigkeit dar, so dass die entsprechenden Einrichtungen nicht als Unternehmen im Sinne von Artikel 85 und 86 des Vertrages anzusehen sind [21]. Können Tätigkeiten im Bereich der Gesundheitsversorgung hingegen als Wirtschaftstätigkeit im Sinne des Vertrages qualifiziert werden, so finden Artikel 85 und 86 auf sie Anwendung.

    [21] Verbundene Rechtssachen C-159/91 und C-160/91 (Poucet et Pistre)

    Koordinierung der wirtschaftspolitik (artikel 99)

    Die wirtschaftlichen und finanziellen Folgen der Überalterung der Bevölkerung werden im Rahmen des multilateralen Überwachungsverfahrens geprüft. In den vom europäischen Rat von Göteborg am 15. Juni 2001 verabschiedeten Grundzügen der Wirtschaftspolitik für das Jahr 2001 wird ausgeführt, dass ,die Mitgliedstaaten ehrgeizige Strategien ausarbeiten müssen, um die mit der Überalterung der Bevölkerung einhergehenden wirtschaftlichen und finanziellen Herausforderungen zu bewältigen. Die im Rahmen dieser Strategien durchgeführten Maßnahmen könnten insbesondere in einer Reform der Renten-, Gesundheits- und Altenpflegesysteme bestehen". Der Ausschuss für Wirtschaftspolitik unterstützt die Arbeiten zur Untersuchung der wirtschaftlichen und finanziellen Aspekte der Überalterung der Bevölkerung.

    Zusammenarbeit der mitgliedstaaten und abstimmung ihres vorgehens auf dem gebiet der sozialen sicherheit (artikel 140)

    In Artikel 2 EG-Vertrag heißt es: ,Aufgabe der Gemeinschaft ist es, durch die Errichtung eines Gemeinsamen Marktes und einer Wirt schafts- und Währungsunion sowie durch die Durchführung der (...) gemeinsamen Politiken (...) in der ganzen Gemeinschaft (...) ein hohes Beschäfti gungs niveau und ein hohes Maß an sozialem Schutz (...) zu fördern". Dementsprechend hat die Kommission in ihrer Mitteilung ,Eine konzertierte Strategie zur Modernisierung des Sozialschutzes" (KOM(99) 347 endg.) die Sicherung einer hohen Qualitätsansprüchen genügenden und langfristig finanzierbaren Gesundheitsversorgung zu einem der vier Hauptziele der europäischen Zusammenarbeit auf dem Gebiet der sozialen Sicherheit erklärt. In seinen Schlussfolgerungen vom 29. November 1999 billigte der Rat die in dieser Mitteilung genannten Ziele und rief zur europäischen Zusammenarbeit auf diesem Gebiet auf, das hinsichtlich der Ausgestaltung der Systeme und ihrer Finanzierungsmodalitäten in die Zuständigkeit der Mitgliedstaaten fällt.

    Öffentliche gesundheit (artikel 152)

    Dem EG-Vertrag zufolge ist bei der Festlegung und Durchführung aller Gemeinschaftspolitiken und -maßnahmen ein hohes Gesundheitsschutzniveau zu sichern. Im Bereich der öffentlichen Gesundheit besteht die Rolle der Gemeinschaft darin, die Politik der einzelnen Staaten zu ergänzen, sei es durch die Förderung der zwischenstaatlichen Zusammenarbeit oder durch die Unterstützung der nationalen Maßnahmen zur Verbesserung der öffentlichen Gesundheit, zur Verhütung von Krankheiten und zur Reduzierung von gesundheitlichen Risiken für den Menschen. In der Kommissionsmitteilung über die gesundheitspolitische Strategie der Europäischen Gemeinschaft [22] wird ausgeführt, wie diese dazu beitragen wird, die wichtigsten Herausforderungen, mit denen die Gesundheitssysteme konfrontiert sind, zu bewältigen und dem Wunsch der Bürger nach einem effizienten Schutz ihrer Gesundheit zu entsprechen. Diese Strategie wird mit einem neuen Aktionsprogramm für 2001 - 2006 unterstützt. Gemeinschaftsmaßnahmen in diesem Bereich anerkennen uneingeschränkt die Verantwortung der Mitgliedsstaaten für die Organisation und Bereitstellung der Gesundheitsdienste und ärztlichen Versorgung.

    [22] KOM(2000) 285 endg. vom 22. Mai 2000.

    Forschung und technologische entwicklung (Titel XVIII)

    Eine der 23 Leitaktionen des fünften Rahmenprogramms für Forschung und Entwicklung befasst sich mit den medizinischen und gesellschaftlichen Aspekten der Überalterung und mit altersbedingten Behinderungen. Im Rahmen dieser Leitaktion soll unter anderem die Effizienz und Qualität von Gesundheitsdiensten und sozialen Pflegediensten für alte Menschen untersucht und ein Vergleich zwischen den Finanzierungsmodalitäten von Langzeitpflege und Renten angestellt werden. Darüber hinaus haben das 4. und 5. Rahmenprogramm die Entwicklung von elektronischen Instrumenten unterstützt, sowohl für die Steuerung von klinischen Tests, die Ferneingabe von Daten, den Zugang zu wissenschaftlicher Literatur, die Entwicklung von medizinischen Referenzen und die Sicherung der Qualität. Im Rahmen des 5. Rahmenprogramms werden Forschungsprojekte über die Anpassung dieser Instrumente an die besonderen Bedürfnisse der älteren Menschen entwickelt.

    Anhang 2 : Gesundheitssysteme und Gesundheitspolitik in der Europäischen Union

    >PLATZ FÜR EINE TABELLE>

    Source: OECD Health Data 2001, Health care & Cost Containment in the EU, edited by Elias Mossialos & Julian Le Grand, Ashgate, 1999

    >PLATZ FÜR EINE TABELLE>

    Source: Health care & Cost Containment in the EU, op.cit.; European Commission

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