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Document 52001DC0506

Bericht der Kommission - Dritter Bericht der Kommission über die Unionsbürgerschaft

/* KOM/2001/0506 endg. */

52001DC0506

Bericht der Kommission - Dritter Bericht der Kommission über die Unionsbürgerschaft /* KOM/2001/0506 endg. */


BERICHT DER KOMMISSION - Dritter Bericht der Kommission über die Unionsbürgerschaft

ZUSAMMENFASSUNG

Zentraler Gegenstand des vorliegenden Berichts sind die im zweiten Teil des EG-Vertrags vorgesehenen Rechte. Darüber hinaus befasst sich der Bericht mit den Fortschritten, die in Bereichen, die in direktem Zusammenhang mit der Unionsbürgerschaft im weiteren Sinn stehen (z.B. Schutz der Grundrechte, einschließlich der Bekämpfung jeglicher Form rechtswidriger Diskriminierung), erzielt wurden.

In diesem Zusammenhang verdienen zwei Texte besondere Aufmerksamkeit: der Vorschlag für eine Richtlinie über das Recht der Unionsbürger und ihrer Familienangehörigen, sich im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten frei zu bewegen und aufzuhalten, sowie die Charta der Grundrechte der Europäischen Union.

Der Vorschlag für eine Richtlinie über das Aufenthaltsrecht

Der Vorschlag für eine Richtlinie über das Recht der Unionsbürger und ihrer Familienangehörigen, sich im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten frei zu bewegen und aufzuhalten, der am 23. Mai 2001 von der Kommission angenommen wurde, berücksichtigt die neue rechtliche und politische Sachlage, die durch die Einführung der Unionsbürgerschaft geschaffen wurde. Mit Hilfe des Vorschlags sollen u.a. die in diesem Bereich bestehenden Rechtsinstrumente durch ein einziges ersetzt, die mit der Ausübung dieses Rechts verbundenen Bedingungen und Formalitäten flexibler und einfacher gestaltet sowie die Einschränkung dieser Rechte aus Gründen der öffentlichen Ordnung, Sicherheit und Gesundheit geklärt werden.

Die große Neuerung des Vorschlags besteht darin, dass ein Unionsbürger nach vier Jahren ununterbrochenen Aufenthalts das Recht auf Daueraufenthalt im Aufnahmemitgliedstaat erwirbt. Einmal erworben, ist dieses Recht nicht mehr an Bedingungen geknüpft.

Der Richtlinienvorschlag erleichtert und vereinfacht die mit der Ausübung des Rechts verbundenen Bedingungen und Formalitäten erheblich. Er beschreibt und klärt die Möglichkeit, die Freizügigkeit und das Aufenthaltsrecht aus Gründen der öffentlichen Ordnung, Sicherheit oder Gesundheit zu versagen oder zu beenden.

Er bietet somit eine Antwort auf die grundsätzlichen Probleme und Behinderungen bei der Ausübung der Freizügigkeit, die wiederholte Male von der Kommission festgestellt wurden.

Die Charta der Grundrechte

Am 3. und 4. Juni 1999 einigten sich die Staats- und Regierungschefs darauf, eine Charta der Grundrechte zu errichten, um die außergewöhnliche Bedeutung und Tragweite dieser Rechte für die Unionsbürger auf sichtbare Weise zu verankern.

Um diese Aufgabe zu erfuellen, beschloss der Europäische Rat, ein eigenes Gremium ("Konvent") aus Vertretern des Europäischen Parlaments, der nationalen Parlamente und Regierungen sowie der Kommission einzuberufen.

Vom 17. Dezember 1999 (erste Sitzung) bis zum 2. Oktober 2000 (Vorlage auf der Tagung des Europäischen Rats in Biarritz) leistete der Konvent eine beachtliche Arbeit; es gelang ihm, einen breiten Konsens für einen ehrgeizigen, innovativen und zugleich pragmatischen Entwurf für eine Charta zu erzielen.

Die Charta wurde in Nizza von den drei Gemeinschaftsorganen proklamiert. Sie wurde nicht in die Verträge aufgenommen; ihre Rechtsnatur ist im Anschluss an die zur Vorbereitung der Regierungskonferenz 2004 eingeleitete öffentliche Debatte zu untersuchen.

Die Charta fasst erstmals sämtliche Personenrechte in ein und demselben Text zusammen: bürgerliche und politische Rechte, wirtschaftliche und soziale Rechte sowie die Rechte der Unionsbürger. Sie umfasst 54 Artikel und eine Präambel. Abgesehen von den allgemeinen Bestimmungen, die am Ende des Textes (Artikel 51 bis 54) angeführt werden, sind die Artikel nach sechs gemeinsamen Werten gegliedert: Würde des Menschen (Artikel 1 bis 5), Freiheiten (Artikel 6 bis 19), Gleichheit (Artikel 20 bis 26), Solidarität (Artikel 27 bis 38), Bürgerrechte (Artikel 39 bis 46) und justizielle Rechte (Artikel 47 bis 50).

Es ist darauf hinzuweisen, dass gemäß Artikel 51 der Charta ihre Bestimmungen für die Organe und Einrichtungen der Union sowie für die Mitgliedstaaten ausschließlich bei der Durchführung des Rechts der Union gelten.

Kapitel V der Charta über die Rechte der Bürger umfasst die Rechte aus dem zweiten Teil des EG-Vertrags: aktives und passives Wahlrecht bei den Wahlen zum Europäischen Parlament (Artikel 39), aktives und passives Wahlrecht bei den Kommunalwahlen (Artikel 40), das Recht, den Bürgerbeauftragten zu befassen (Artikel 43), das Recht, eine Petition an das Europäische Parlament zu richten (Artikel 44), Freizügigkeit und Aufenthaltsfreiheit (Artikel 45) sowie diplomatischer und konsularischer Schutz (Artikel 46). Dieses Kapitel behandelt ferner das in Artikel 255 EG-Vertrag vorgesehene Recht auf Zugang zu Dokumenten (Artikel 42), und - angesichts der immer größeren Auswirkungen gerechter Verwaltungsverfahren auf den Schutz der Rechte und die Wahrung der Interessen der Bürger - das Recht auf eine gute Verwaltung (Artikel 41) -- eine Neuerung der Charta, die sich an den in der umfassenden Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs in diesem Bereich festgelegten Grundsätzen ausrichtet.

Aktives und passives Wahlrecht bei den Wahlen zum Europäischen Parlament und bei den Kommunalwahlen

Die Kommission stellt fest, dass die Beteiligung der Unionsbürger im jeweiligen Mitgliedstaat des Wohnsitzes an den Wahlen zum Europäischen Parlament im Juni 1999 sehr niedrig war (9 %), obwohl sie über der von 1994 lag und in allen Mitgliedstaaten außer Deutschland angestiegen ist.

Die Kommission ermutigt alle Mitgliedstaaten, ein System für den direkten und persönlichen Kontakt mit den Wählern der Gemeinschaft einzurichten, und neue Wege zu beschreiten, wie es bei der Bereitstellung von Antragsformularen für die Eintragung ins Wählerverzeichnis beim Kontakt mit lokalen oder nationalen Behörden bereits der Fall ist.

Bezüglich der Kommunalwahlen wird die Kommission Anfang März 2002 einen Bericht über die Anwendung der Richtlinie und die Entwicklung der Wählerschaft seit ihrem Inkrafttreten vorlegen.

Recht auf diplomatischen und konsularischen Schutz

Die von den Regierungsvertretern der Mitgliedstaaten zur Umsetzung dieses Rechts getroffenen Entscheidungen sind nicht in Kraft getreten, da nicht alle Mitgliedstaaten die für die Anwendung des Rechts notwendigen Verfahren in ihr nationales Recht übernommen haben.

Gleichwohl scheinen alle Mitgliedstaaten praktische Maßnahmen getroffen zu haben, damit Unionsbürger in einem Drittstaat, in dem ihr Herkunftsstaat keine Vertretung hat, diplomatischen und konsularischen Schutz genießen.

Recht, eine Petition an das Europäische Parlament zu richten, und Recht, einen Bürgerbeauftragten zu befassen

Die Zahl der an das Parlament gerichteten Petitionen ist leicht rückläufig (3.274 im Zeitraum 1997-2000 gegenüber 3.628 in den Jahren 1994-1997), bleibt aber auf hohem Niveau.

Die große Zahl der für unzulässig erklärten Petitionen zeigt, dass die Bürger keine klare Vorstellung von den Kompetenzen der Union oder von den mit der Unionsbürgerschaft verbundenen Rechten haben.

Die Zahl der an den Bürgerbeauftragten gerichteten Beschwerden hat im Zeitraum 1997-1999 kontinuierlich zugenommen (1.181 Beschwerden im Jahr 1997, 1.372 im Jahr 1998 und 1.577 im Jahr 1999). Allerdings ist die hohe Zahl von Beschwerden zu beachten, die für unzulässig erklärt wurden (1997: 73 %, 1998: 69 %, 1999: 73 %), weil sie nicht in den Aufgabenbereich des europäischen Bürgerbeauftragten fallen.

Maßnahmen zur Bekämpfung von Rassismus

1997 wurde zum Europäischen Jahr gegen den Rassismus erklärt. Dies war Anlass für wichtige Initiativen und substantielle Fortschritte im Kampf gegen den Rassismus. Dazu gehörten der Aktionsplan gegen den Rassismus, die Bildung eines europäischen Netzes antirassistischer Organisationen sowie die Einrichtung einer Europäischen Stelle zur Beobachtung von Rassismus und Fremdenfeindlichkeit. Der Rassismus stellt eine Gefahr für unsere europäischen Gesellschaftsordnungen dar. Im Kampf gegen dieses Übel kommt den europäischen Institutionen eine wichtige Rolle zu.

Antidiskriminierungsmaßnahmen

Die Kommission hat mehrere Rechtsinstrumente zur Anwendung von Artikel 13 des Vertrags zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft angenommen. Die Richtlinie 2000/43/EG strebt das Verbot jeglicher Diskriminierung aufgrund von Rasse oder ethnischer Herkunft in verschiedenen Bereichen wie Beschäftigung, Bildung, Sozialschutz, Gesundheitsdienste sowie Zugang zu und Versorgung mit Gütern und Dienstleistungen in allen Mitgliedstaaten an. Die Richtlinie 2000/78/EG verfolgt das Ziel, allgemeine Rahmenbedingungen für den Kampf gegen die Diskriminierung aus Gründen der Religion oder der Weltanschauung, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Ausrichtung in Beschäftigung und Beruf zu schaffen. Durch den Beschluss 2000/750/EG schließlich wurde ein Aktionsprogramm der Gemeinschaft zur Bekämpfung von Diskriminierungen aufgelegt.

Diese Rechtsakte zeugen von dem Willen der Gemeinschaft, sich für mehr Gleichheit in der Gesellschaft einzusetzen. Sie verfolgen das pragmatische Konzept, sich auf die grundlegenden Bereiche zu konzentrieren, in denen sich Diskriminierung bemerkbar macht.

Information der Bürger

Die Notwendigkeit, die Bürger besser über ihre Rechte zu unterrichten, wird im vorliegenden Bericht wiederholt betont.

In den letzten Jahren sind wichtige Initiativen ergriffen worden, so die Einleitung des ,Dialogs mit den Bürgern und Unternehmen", die Schaffung von ,Europa Direkt" und die Einführung des ,Wegweiserdiensts" für die Bürger Europas.

1. EINLEITUNG

2. DIE UNIONSBÜRGERSCHAFT

3. RECHTE AUFGRUND DER UNIONSBÜRGERSCHAFT

3.1. Freizügigkeit und Niederlassungsfreiheit

3.1.1. Vorschlag für eine Richtlinie über das Recht, sich im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten frei zu bewegen und aufzuhalten

3.1.2. Anwendung der Richtlinien über das Aufenthaltsrecht von Nichterwerbstätigen, Rentnern und Studenten

3.1.3. Die Mitteilung der Kommission über die Sondervorschriften aus Gründen der öffentlichen Ordnung, Sicherheit oder Gesundheit

3.1.4. Mobilität zu Zwecken der allgemeinen und beruflichen Bildung und der Forschung

3.2. Das aktive und passive Wahlrecht im Mitgliedstaat des Wohnsitzes

3.2.1. Kommunalwahlen

3.2.2. Wahlen zum Europäischen Parlament

3.3. Recht auf diplomatischen und konsularischen Schutz

3.4. Petitionsrecht

3.5. Der Europäische Bürgerbeauftragte

4. GRUNDRECHTE

4.1. Die Charta der Grundrechte der Europäischen Union

4.1.1. Die Erarbeitung im Konvent

4.1.2. Der Inhalt der Charta

4.1.3. Die zukünftigen Entwicklungen der Charta

4.2. Rechtsinstrumente gegen Diskriminierung

4.3. Das Programm Daphne

4.4. Maßnahmen zur Bekämpfung des Rassismus

5. DIE INFORMATION DER UNIONSBÜRGER

1. Einleitung

Die Kommission erstattet dem Europäischen Parlament, dem Rat und dem Wirtschafts- und Sozialausschuss alle drei Jahre über die Anwendung dieses Teils Bericht. In dem Bericht wird der Fortentwicklung der Union Rechnung getragen. (Artikel 22 EG-Vertrag)

In Anwendung dieser Bestimmung wurden bisher zwei Berichte angenommen. Der erste [1] bezog sich auf das Jahr 1993. Der zweite [2] behandelte den Zeitraum von 1994 bis 1996.

[1] KOM(93) 702 endg.

[2] KOM(97) 230 endg.

Obschon der vorliegende dritte Bericht über die Unionsbürgerschaft eigentlich nur die Jahre 1997, 1998 und 1999 abdecken müsste, war die Kommission der Ansicht, dass er zusätzlich zwei wesentlichen Entwicklungen im Bereich der Unionsbürgerschaft Rechnung tragen sollte: der Proklamation der Charta der Grundrechte (auf der Tagung des Europäischen Rats in Nizza im Dezember 2000) und der Annahme des Vorschlags für die Richtlinie [3] über die Rechte der Unionsbürger und ihrer Familienangehörigen, sich im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten frei zu bewegen und aufzuhalten ("Neufassung" des Aufenthaltsrechts) durch die Kommission.

[3] KOM(2001) 257 endg.

Folglich befasst sich dieser dritte Bericht mit einem längeren Zeitraum, der sich bis zum Zeitpunkt der Annahme des Vorschlags über die Überarbeitung des Aufenthaltsrechts durch die Kommission erstreckt.

Gemäß Artikel 22 EG-Vertrag konzentriert sich dieser Bericht auf die Anwendung der Bestimmungen des zweiten Teils des EG-Vertrags ("Die Unionsbürgerschaft"). Er behandelt somit die Tragweite der Unionsbürgerschaft, die Freizügigkeit und das Aufenthaltsrecht im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten, das aktive und passive Wahlrecht im Aufnahmemitgliedstaat bei Kommunalwahlen und Wahlen zum Europäischen Parlament, den diplomatischen und konsularischen Schutz sowie das Recht, eine Petition an das europäische Parlament und Beschwerden an den europäischen Bürgerbeauftragten zu richten.

Gemäß Artikel 17 Absatz 2 des Vertrags zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft haben die Unionsbürger die in diesem Vertrag vorgesehenen Rechte und Pflichten. Die Rechte, die im zweiten Teil des Vertrags ("Die Unionsbürgerschaft") festgehalten sind, bilden den Kern der Rechte der Unionsbürgerschaft. Allerdings räumt der EG-Vertrag den Unionsbürgern weitere, in den Verträgen vorgesehene Rechte ein wie das Verbot jeglicher Diskriminierung aus Gründen der Staatsangehörigkeit (Artikel 12).

Es ist somit gerechtfertigt, dass dieser dritte Bericht über die Unionsbürgerschaft ausführlich auf die spezifischen Rechte eingeht, die im zweiten Teil des EG-Vertrags vorgesehen werden, und dass er auch Themen behandelt, die mit der Unionsbürgerschaft, insbesondere mit dem Kampf gegen jede Form der Diskriminierung sowie generell mit dem Schutz der Grundrechte in der Union zusammenhängen.

2. Die Unionsbürgerschaft

Der Begriff ,Staatsbürgerschaft" ist schwer zu definieren, insbesondere in Hinblick auf seine Abgrenzung gegenüber der ,Staatsangehörigkeit" oder auch der ,Identität". Laut dem Philosophen Condorcet wird der Bürger nicht als solcher geboren, sondern erst zu diesem herangebildet. Im Hinblick auf die Unionsbürgerschaft hat der EG-Vertrag vorgesehen, dass man diese auf wesentlich prosaischerem Weg erlangt: Unionsbürger ist, wer die Staatsangehörigkeit eines Mitgliedstaates besitzt. Die Unionsbürgerschaft stellt demnach, wie es Kommentare betonen, ,übergeordnete" Bürgerrechte dar, die zu den nationalen und gegebenenfalls regionalen und lokalen Bürgerrechten hinzukommen und bildet eine Staatsbürgerschaft auf mehreren Ebenen. Dies ist im Vertrag von Amsterdam klar ausgedrückt, da zum ersten Absatz von Artikel 17 der Satz ,Die Unionsbürgerschaft ergänzt die nationale Staatsbürgerschaft, ersetzt sie aber nicht" hinzugefügt wurde.

Die Kommission stellt fest, dass der Zusammenhang zwischen der Staatsbürgerschaft eines Mitgliedstaats der Union und der Unionsbürgerschaft von den Bürgern nicht immer richtig verstanden wird. [4]

[4] Die Kommission erhält eine beachtliche Zahl von Briefen, in denen nach der Vorgehensweise gefragt wird, die zu befolgen ist, um Unionsbürger zu werden, ohne dabei die Staatsbürgerschaft eines Mitgliedstaates anzunehmen. In diesem Zusammenhang ist auch die Erklärung von Emil Scuka, dem Präsidenten des Internationalen Roma-Verbands, anlässlich einer Pressekonferenz im italienischen Senat am 4. Dezember 2000 interessant: ,Für die Roma in Europa ist die einzige wirklich geeignete Staatsbürgerschaft die Unionsbürgerschaft" (zitiert nach einer Meldung der Presseagentur Agence France Presse vom 4. Dezember 2000).

Es ist daher sinnvoll, darauf hinzuweisen,

- dass es jedem Mitgliedstaat obliegt, die Bedingungen für den Erwerb und den Verlust der Zugehörigkeit zu diesem Staat zu bestimmen. Die Erklärung Nr. 2 im Anhang des Vertrags von Maastricht (mit dem die Unionsbürgerschaft eingeführt wurde) drückt dies klar aus: bei Bezugnahme des Vertrags zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft auf die Staatsangehörigkeit der Mitgliedstaaten wird die Frage, welchem Mitgliedstaat eine Person angehört, allein durch Bezug auf das innerstaatliche Recht des betreffenden Mitgliedstaats geregelt;

- dass es kein gesondertes Verfahren gibt, um die Unionsbürgerschaft zu erlangen. Die Unionsbürgerschaft kann nur auf dem Weg über die Staatsbürgerschaft eines Mitgliedstaats erworben werden. Die Mitgliedstaaten sind nicht berechtigt, die Eigenschaft der Unionsbürgerschaft mit der Begründung zu bestreiten, dass die Betroffenen auch die Staatsangehörigkeit eines Drittstaats besitzen. [5]

[5] Rechtssache C-369/90, Micheletti, Urteil vom 7.7.1992, Sammlung der Rechtsprechung 1992, S. I-4239.

Die Unionsbürgerschaft ist gleichzeitig Legitimationsquelle des europäischen Integrationsprozesses in Hinblick auf eine verstärkte Teilnahme der Bürger und grundlegendes Element für die Entstehung eines Gefühls der Zugehörigkeit der Bürger zur Europäischen Union, d. h. einer echten europäischen Identität.

Bei der Beurteilung der Tragweite der Unionsbürgerschaft sollten Versuche, Parallelen zur nationalen Staatsbürgerschaft zu ziehen, vermieden werden. Aufgrund ihrer Entstehungsgeschichte und auch aufgrund der mit ihr verbundenen Rechte und Pflichten, ist die Unionsbürgerschaft sui generis nicht mit der nationalen Staatsbürgerschaft eines Mitgliedstaats vergleichbar.

Als neuartige, mehrfache Staatsangehörigkeit auf verschiedenen Ebenen spielt die Unionsbürgerschaft eine ergänzende Rolle zur nationalen Staatsbürgerschaft, ersetzt diese aber nicht.

3. Rechte aufgrund der Unionsbürgerschaft

3.1. Freizügigkeit und Niederlassungsfreiheit

3.1.1. Vorschlag für eine Richtlinie über das Recht, sich im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten frei zu bewegen und aufzuhalten

Artikel 18 EG-Vertrag räumt jedem Unionsbürger das Recht ein, sich frei im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten zu bewegen und aufzuhalten. Als Bestandteil des zweiten Teils des Vertrags hat dieses Recht den Wert eines persönlichen Grundrechts.

Wie im zweiten Bericht über die Unionsbürgerschaft betont wird, wird das Recht auf Einreise und Aufenthalt der Unionsbürger durch zwei Verordnungen (davon eine von der Kommission) und neun Richtlinien geregelt, die ein komplexes Rechtsgefüge bilden. Diese Rechtstexte, die sich auf unterschiedliche Artikel des EG-Vertrags stützen, gelten für unterschiedliche Gruppen von Personen und sehen in einigen Fällen spezifische Rechte vor, die nur für die bestimmte Gruppe, zu der ein Unionsbürger gehört, gelten.

Die Notwendigkeit einer Überarbeitung dieser Rechtsinstrumente im Lichte der Unionsbürgerschaft wurde von der Kommission [6] festgestellt, vom Europäischen Rat von Brüssel [7] im Dezember 1993 bestätigt und vom Europäischen Rat von Nizza [8] erneut bekräftigt.

[6] Bericht der Kommission an den Europäischen Rat über die Anpassung der geltenden Rechtsvorschriften an das Subsidiaritätsprinzip, KOM(93) 545 endg. vom 24.11.1993.

[7] Schlussfolgerungen des Rates -- Bull. EG Nr. 12, 1993, S. 14, Teil I Nummer 14.

[8] Schlussfolgerungen des Rates, dritter Gedankenstrich von Ziffer I Buchstabe h) der Anlage I.

Die im Zuge dieses Vorhabens aufgetretenen Schwierigkeiten sind bekannt und wurden im zweiten Bericht über die Unionsbürgerschaft eingehend beschrieben. [9]

[9] Siehe Abschnitt 4.3, Seite 17-18.

Die Kommission hat am 23. Mai 2001 einen Vorschlag für eine Richtlinie über das Recht der Unionsbürger und ihrer Familienangehörigen, sich im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten frei zu bewegen und aufzuhalten, verabschiedet. [10] Die rechtliche Grundlage dieses Textes bilden Artikel 12, Artikel 18 Absatz 2 sowie die Artikel 40, 44 und 52 des Vertrags. [11]

[10] KOM(2001) 257.

[11] Der Rückgriff auf die rechtlichen Grundlagen der Artikel 40, 44 und 52 (Personen, die im Aufnahmemitgliedstaat einer Erwerbstätigkeit nachgehen) war notwendig, um die für diese Personengruppe vorgesehenen Rechte beibehalten zu können.

Dieser Richtlinienvorschlag berücksichtigt die neue rechtliche und politische Sachlage, die durch die Einführung der Unionsbürgerschaft geschaffen wurde, sowie den Bericht der hochrangigen Sachverständigengruppe über die Freizügigkeit von Personen, die Mitteilung der Kommission über die Folgemaßnahmen zu den Empfehlungen der hochrangigen Sachverständigengruppe zu Fragen der Freizügigkeit [12], den Zweiten Bericht über die Unionsbürgerschaft, die Entschließungen des Europäischen Parlaments und die Entwicklung der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs.

[12] KOM(1998) 403.

Mit dem Richtlinienvorschlag werden folgende Ziele verfolgt:

- Ersetzen der verschiedenen bestehenden Rechtsinstrumente durch ein einziges;

- Erleichterung der Bedingungen und Formalitäten, die mit der Ausübung des Rechts durch die Unionsbürger, sich frei in den Mitgliedstaaten zu bewegen und aufzuhalten, verbunden sind;

- Einführung des Rechts auf Daueraufenthalt;

- Erleichterung des Rechts der Familienangehörigen auf Freizügigkeit und Aufenthalt;

- Klärung und Umschreibung der Beschränkungen dieser Rechte aus Gründen der öffentlichen Ordnung, Sicherheit und Gesundheit.

Der Richtlinienvorschlag gilt für alle Gruppen von Personen, die das Recht auf Aufenthalt genießen: unselbständige und selbständige Erwerbstätige, Studenten, Nichterwerbstätige und Rentner.

Er reduziert die Bedingungen und administrativen Formalitäten, die mit der Ausübung des Aufenthaltsrechts verbunden sind, auf ein Mindestmaß. Bei Aufenthalten von bis zu sechs Monaten reicht es, ein Ausweisdokument zu haben. Für einen Aufenthalt von über sechs Monaten hat der Unionsbürger durch eine einfache Erklärung dem Aufnahmemitgliedstaat zu versichern, dass er einer Erwerbstätigkeit nachgeht oder über ausreichende Existenzmittel und eine Krankenversicherung verfügt. Für einen ersten Aufenthaltszeitraum von bis zu vier Jahren wird der Aufenthaltstitel für die Unionsbürger aufgehoben und durch die Eintragung beim Einwohnermeldeamt des Aufenthaltsortes ersetzt.

Die große Neuerung des Vorschlags besteht darin, dass nach vier Jahren ununterbrochenen Aufenthalts der Unionsbürger das Recht auf Daueraufenthalt im Aufnahmemitgliedstaat erwirbt. Von da an ist dieses Recht nicht mehr an Bedingungen geknüpft. Es wird durch ein für diesen Zweck vorgesehenes Dokument festgestellt.

Der Vorschlag erleichtert auch die Ausübung des Rechts für Familienangehörige, sich im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten frei zu bewegen und aufzuhalten. Familienangehörige, die Staatsangehörige eines Drittstaates sind, genießen ebenfalls einen erhöhten Rechtsschutz unter bestimmten Bedingungen (beispielsweise wenn der für sie unterhaltspflichtige Unionsbürger stirbt oder wenn eine Ehe aufgelöst wird).

Schließlich umschreibt der Vorschlag ausführlich die Möglichkeit, das Aufenthaltsrecht aus Gründen der öffentlichen Ordnung, Sicherheit oder Gesundheit zu versagen oder zu beenden. Er sichert den Unionsbürgern einen besseren behördlichen und rechtlichen Schutz im Zusammenhang mit Maßnahmen, die ihr Aufenthaltsrecht beschränken. Er gewährt Minderjährigen und Personen, die das Recht auf Daueraufenthalt erworben haben und für die eine Ausweisung aufgrund der öffentlichen Ordnung ausgeschlossen ist, sogar einen lückenlosen Schutz. Er übernimmt und ersetzt in diesem Zusammenhang die Bestimmungen der Richtlinie 64/221/EWG des Rates vom 25. Februar 1964 zur Koordinierung der Sondervorschriften für die Einreise und den Aufenthalt von Ausländern, soweit sie aus Gründen der öffentlichen Ordnung, Sicherheit oder Gesundheit gerechtfertigt sind. [13]

[13] ABl. L 56 vom 4.4.1964, S. 850. Zuletzt geändert durch die Richtlinie 75/35/EWG (ABl. L 14 vom 20.1.1975, S. 14).

3.1.2. Anwendung der Richtlinien über das Aufenthaltsrecht von Nichterwerbstätigen, Rentnern und Studenten

Am 17. März 1999 hat die Kommission einen Bericht [14] über die Anwendung der Richtlinien 90/364/EWG [15] (Aufenthaltsrecht von Nichterwerbstätigen), 90/365/EWG [16] (Aufenthaltsrecht von Rentnern) und 93/96 [17] (Aufenthaltsrecht von Studenten) angenommen.

[14] KOM(1999)127 endg.

[15] ABl. L 180 vom 13.7.1990, S. 26.

[16] ABl. L 180 vom 13.7.1990, S. 28.

[17] ABl. L 317 vom 18.12.1993, S. 59. Die Richtlinie 93/96 wurde infolge der Annullierung der Richtlinie 90/366 durch den Europäischen Gerichtshof angenommen.

Die Umsetzung der Richtlinien hat sich in den meisten Mitgliedstaaten verzögert. So haben nur drei Mitgliedstaaten die Richtlinien zum vorgesehenen Termin (30. Juni 1992) in ihr nationales Recht übernommen. Der Europäische Gerichtshof hat in seinem Urteil vom 20. März 1997 [18] Deutschland verurteilt, da die erforderlichen Maßnahmen zur Umsetzung der Richtlinien 90/364 und 90/365 in nationales Recht innerhalb des vorgeschriebenen Zeitrahmens nicht getroffen wurden.

[18] Rechtssache C-96/95, Kommission gegen Bundesrepublik Deutschland, Sammlung der Rechtsprechung 1997, I-1653.

Der Inhalt der Umsetzungsvorschriften ließ ebenfalls zu wünschen übrig, so dass die Kommission gegen 14 Mitgliedstaaten Vertragsverletzungsverfahren wegen unkorrekter Umsetzung einleiten musste. Die meisten Verfahren wurden allerdings aufgrund der Änderungen, die von den Mitgliedstaaten in ihre Rechtsvorschriften -- mit unterschiedlicher Geschwindigkeit -- eingebracht wurden, eingestellt. Die Kommission musste jedoch beim Europäischen Gerichtshof Klage geben Italien erheben. In seinem Urteil vom 25. Mai 2000 [19] stellte der Europäische Gerichtshof fest, dass Italien seine Verpflichtungen kraft der Richtlinien 90/364, 90/365 und 93/96 nicht erfuellt hat, da die einzubringenden Nachweismittel beschränkt wurden und insbesondere verfügt wurde, dass bestimmte Dokumente von der Behörde eines andere Mitgliedstaats auszustellen oder mit einem Sichtvermerk zu versehen sind, ferner weil von Studenten eine Garantie für Existenzmittel in einer bestimmten Höhe verlangt wird, ohne ihnen klar die Wahl zwischen einer Erklärung oder einem zumindest gleichwertigen Mittel zu lassen, und schließlich weil die Verwendung einer Erklärung, wenn sie von Familienangehörigen begleitet werden, nicht zugelassen wird.

[19] Rechtssache C-424/98, Kommission gegen Italien, Sammlung der Rechtsprechung 2000, I-4001.

Die Mitgliedstaaten haben schließlich anerkannt, dass die Argumente der Kommission begründet waren, und in der Folge ihre Umsetzungsmaßnahmen geändert. Dennoch wurden die Vertragsverletzungsverfahren relativ langsam abgewickelt, was zur Folge hatte, dass die Unionsbürger aufgrund der mangelhaften Umsetzung der Richtlinien während einer verhältnismäßig langen Zeit auf einige ihrer Rechte verzichten mussten oder mit unbegründeten administrativen Schwierigkeiten konfrontiert waren.

Die Kommission ist der Ansicht, dass:

* die Bemühungen zur Information der Bürger über ihre Rechte im Bereich der Freizügigkeit zu verbessern sind;

* weiterhin streng auf die Einhaltung des geltenden Gemeinschaftsrechts zu achten ist, insbesondere durch Überwachung der Verwaltungspraktiken in den Mitgliedstaaten;

* das Gemeinschaftsrecht im Bereich der Freizügigkeit der Personen leichter verständlich zu machen und im Zusammenhang mit dem Begriff der Unionsbürgerschaft neu zu organisieren ist. Durch die Verabschiedung eines Vorschlags für eine Richtlinie über das Recht der Unionsbürger und ihrer Familienangehörigen, sich im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten frei zu bewegen und aufzuhalten, hat die Kommission am 23. Mai 2001 diesbezüglich bereits erste Maßnahmen ergriffen (siehe Abschnitt 3.1.1).

3.1.3. Die Mitteilung der Kommission über die Sondervorschriften aus Gründen der öffentlichen Ordnung, Sicherheit oder Gesundheit [20]

[20] KOM(1999) 372 endg. vom 19.7.1999.

Das Recht der Freizügigkeit, das alle Unionsbürger als ein persönliches Grundrecht außerhalb jeglichen wirtschaftlichen Zusammenhangs genießen, unterliegt Beschränkungen und Bedingungen, die im Vertrag und den für seine Umsetzung getroffenen Bestimmungen festgelegt sind.

Insbesondere Artikel 39 Absatz 3, Artikel 46 Absatz 1 und Artikel 55 EG-Vertrag ermöglichen den Mitgliedstaaten, die Freizügigkeit von Personen aus Gründen der öffentlichen Ordnung, Sicherheit oder Gesundheit zu beschränken. Diese Maßnahmen müssen in Übereinstimmung mit der Richtlinie 64/221/EWG des Rates vom 25. Februar 1964 [21] stehen.

[21] ABl. L 56 vom 4.4.1964, S. 850.

Da diese Richtlinie im Laufe der Jahre Gegenstand umfassender Auslegungen durch den Europäischen Gerichtshof war und sich durch die Einführung der Unionsbürgerschaft der Hintergrund dieser Auslegung geändert hat, beschloss die Kommission auch in Anbetracht der Lehren aus den zahlreichen Beschwerden der Bürger über die Anwendung der Richtlinie, eine Mitteilung anzunehmen, die auf die grundlegenden Schwierigkeiten bei der Anwendung dieser Richtlinie aufmerksam macht und Lösungsvorschlage für ihre Beseitigung bietet.

Die Kommission zieht in ihrer Mitteilung folgende Schlussfolgerungen:

* Die Anwendbarkeit nationaler Vorschriften aus Gründen der öffentlichen Ordnung, Sicherheit oder Gesundheit ist im Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft verankert. Damit wird den Mitgliedstaaten ein gewisser Ermessenspielraum garantiert.

* Bei der Anwendung der nationalen Definitionen und Kriterien auf jede Maßnahme, die aus Gründen der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit getroffen wird, ist dennoch das Gemeinschaftsrecht zu beachten. Insbesondere das persönliche Grundrecht der Unionsbürger auf Freizügigkeit in Verbindung mit dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit und der Achtung der Grundrechte muss Richtschnur für die nationalen Behörden sein, wenn sie eine Ausweisung aus ihrem Hoheitsgebiet erwägen.

* Jede Maßnahme, die aus Gründen der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit getroffen wird, muss durch eine tatsächliche und hinreichend schwere Gefährdung, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt, begründet sein und die durch das Gemeinschaftsrecht garantierten Grundrechte des Betroffenen wahren.

* Alle Sicherheiten administrativer und rechtlicher Natur, die die Richtlinie 64/221/EWG in der Auslegung des Gerichtshofs gewährt, sind strikt einzuhalten. Dies gilt auch für das Recht auf Unterrichtung über die Gründe für alle Maßnahmen und ihre Konsequenzen sowie für das Recht auf erneute Überprüfung der Rechtssache.

* Besonders wichtig ist die Gesamtbeurteilung der persönlichen Umstände (familiäre, soziale und kulturelle Bindung), bevor über eine Ausweisung eines Unionsbürgers oder eines seiner Familienangehörigen, unabhängig von dessen Staatsangehörigkeit, entschieden wird. Diese Beurteilung ist für jeden Fall einzeln vorzunehmen. Präventionsmaßnahmen allgemeiner Natur können nicht geltend gemacht werden. Frühere strafrechtliche Verurteilungen sind nur ein Aspekt der allgemeinen Beurteilung und rechtfertigen alleine noch keine Maßnahme aus Gründen der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit.

* Besonderes Augenmerk ist auf die Wahrung der Rechte zu richten; dazu gehören der Schutz des Familienlebens von dauerhaft ansässigen oder minderjährigen Unionsbürgern ebenso wie die Rechte der schwächsten Gruppe: Familienangehörige von Unionsbürgern aus Drittländern.

3.1.4. Mobilität zu Zwecken der allgemeinen und beruflichen Bildung und der Forschung

Zwei Rechtsakte berühren die Frage der Mobilität in den Bereichen der allgemeinen und beruflichen Bildung sowie der Forschung:

- Die Empfehlung des Europäischen Parlaments und des Rates über die Mobilität der Studierenden, in der Ausbildung stehenden Personen, jungen Freiwilligen, Lehrkräften und Ausbildern in der Gemeinschaft, die am 25. Juni 2001 angenommen wurde.

- Der von der französischen Präsidentschaft in Zusammenarbeit mit der Europäischen Kommission initiierte Aktionsplan für die Mobilität, der auf der Grundlage des Mandats des Europäischen Rates von Lissabon in Form einer Entschließung am 14. Dezember 2000 durch den Rat angenommen und vom Europäischen Rat von Nizza gebilligt wurde.

Die Mobilität der Betreffenden im Rahmen einer Ausbildungsmaßnahme, einer Lehrtätigkeit oder eines Freiwilligeneinsatzes wird immer mehr zu einem Argument für die Unionsbürgerschaft und zu einem Instrument für die kulturübergreifende und soziale Integration.

Die Empfehlung gründet sich auf die Artikel 149 und 150 EG-Vertrag und stellt auf die Beseitigung der großen Hindernisse ab, die immer noch in Bezug auf die Freizügigkeit von Studierenden, in der Ausbildung stehenden Personen, jungen Freiwilligen, Lehrkräften und Ausbildern bestehen. Den Mitgliedstaaten wird empfohlen, Strategien zur Aufnahme des Aspekts der grenzüberschreitenden Mobilität in ihre nationale Politik zugunsten der von dieser Empfehlung betroffenen Personen zu entwickeln.

In der Empfehlung und dem Aktionsplan wird die Kommission aufgefordert, beim Informationsaustausch über die Möglichkeiten grenzüberschreitender Mobilität für die jeweiligen Zielgruppen mit den Mitgliedstaaten zusammenzuarbeiten. Um den Überblick über die zur Verfügung stehenden Möglichkeiten zu erleichtern, wird die Einrichtung eines Portals im Internet empfohlen, das Zugang zu den verschiedenen Informationsquellen zum Thema Mobilität bietet.

Last but not least ist in der Empfehlung und dem Aktionsplan vorgesehen, dass alle zwei Jahre ein Bericht über Folgemaßnahmen auszuarbeiten und dem Parlament und dem Rat vorzulegen ist.

Im Rahmen der Verwirklichung eines Europäischen Forschungsraums arbeitet die Kommission auch an der Beseitigung der Hindernisse für die Mobilität von Forschern gemäß den Zielsetzungen des Europäischen Rates von Lissabon (23./24. März 2000). Im Juli 2000 richtete die Kommission eine hochrangige Sachverständigengruppe zur Verbesserung der Mobilität von Forschern ein. Diese Gruppe hat einen Bericht erarbeitet, auf dessen Grundlage die Kommission im Juni 2001 die Mitteilung "Eine Mobilitätsstrategie für den Europäischen Forschungsraum" [22] mit einer Reihe von Vorschlägen für einschlägige Maßnahmen vorgelegt hat.

[22] KOM(2001) 331 endgültig.

Das Recht der Unionsbürger, sich frei im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten zu bewegen und aufzuhalten, ist das zentrale Recht der Unionsbürgerschaft.

Die Beibehaltung der zahlreichen sektorbezogenen Rechtsvorschriften aus der Zeit vor der Einführung der Unionsbürgerschaft ist eine Erblast, der es sich zu entledigen gilt.

Der neue Vorschlag für eine Richtlinie über das Aufenthaltsrecht stellt auf eine Vereinfachung und größere Klarheit ab. Er geht die wichtigsten Probleme und Hindernisse bei der Ausübung dieses Rechts an, die zum einen in der Mitteilung über die Anwendung der Richtlinien über ,Nichterwerbstätige", ,Rentner" und ,Studierende" und zum anderen in der Mitteilung bezüglich Maßnahmen, die aus Gründen der öffentlichen Ordnung, Sicherheit oder Gesundheit ergriffen werden, angesprochen werden.

Dadurch wird die Ausübung dieses Grundrechts der Unionsbürgerschaft erleichtert und das Gemeinschaftsrecht vereinfacht, womit den Empfehlungen des Europäischen Parlaments und des Europäischen Rates Folge geleistet wird.

Für die zahlreichen Staatsangehörigen der Mitgliedstaaten, die für kürzere oder längere Zeit das Recht des freien Personenverkehrs ausüben, erhöht sich somit die praktische Tragweite der Unionsbürgerschaft.

3.2. Das aktive und passive Wahlrecht im Mitgliedstaat des Wohnsitzes

3.2.1. Kommunalwahlen

Artikel 19 Absatz 1 EG-Vertrag gewährt jedem Unionsbürger mit Wohnsitz in einem Mitgliedstaat, dessen Staatsangehörigkeit er nicht besitzt, in dem Mitgliedstaat, in dem er seinen Wohnsitz hat, das aktive und passive Wahlrecht bei Kommunalwahlen, wobei für ihn die selben Bedingungen gelten wie für die Angehörigen des betreffenden Mitgliedstaats.

Der Rat nahm am 19. Dezember 1994 die Richtlinie 94/80/EG [23] an, in der die Einzelheiten der Ausübung des aktiven und passiven Wahlrechts bei den Kommunalwahlen für Unionsbürger mit Wohnsitz in einem Mitgliedstaat, dessen Staatsangehörigkeit sie nicht besitzen, festgelegt sind. [24]

[23] ABl. L 368 vom 31.12.1994, S. 38.

[24] Der Inhalt dieser Richtlinie wird in Abschnitt 1.1 des Zweiten Berichts über die Unionsbürgerschaft, KOM(97) 230 endg. Ziff. 1.1. dargestellt.

Die Richtlinie 94/80/EG ist nun in allen Mitgliedstaaten umgesetzt. [25]

[25] Belgien war der letzte Mitgliedstaat, in dem sie umgesetzt wurde (Gesetz vom 27. Januar 1999). Der Europäische Gerichtshof hatte Belgien zuvor wegen der fehlenden Umsetzung verurteilt (Rechtssache C-323/97, Slg. 1998, Seite I-4281).

Im Zuge der Konformitätsprüfung der Umsetzungsvorschriften sah sich die Kommission zur Einleitung mehrerer Vertragsverletzungsverfahren aufgrund einer mangelhaften Umsetzung der Richtlinie veranlasst. Die Verfahren betrafen im Wesentlichen die Modalitäten der Eintragung in die Wählerverzeichnisse, aber auch die geforderten Kenntnisse der Landessprache oder zum Beispiel die Angabe der Staatsangehörigkeit der ausländischen Kandidaten auf den Stimmzetteln.

Infolge der von den betroffenen Mitgliedstaaten durchgeführten Änderungen konnten die meisten Verfahren abgeschlossen werden. Vier Verfahren sind noch anhängig. Sie betreffen Österreich, Portugal, Frankreich und Griechenland [26], wobei das Verfahren gegen Griechenland noch nicht geklärt ist.

[26] Portugal und Österreich haben ihre Absicht erklärt, ihre Rechtsvorschriften im Sinne der Empfehlungen der Kommission zu ändern.

Nach Artikel 13 der Richtlinie erstattet die Kommission dem Europäischen Parlament und dem Rat innerhalb eines Jahres, nachdem in allen Mitgliedstaaten Kommunalwahlen auf der Grundlage der Richtlinie durchgeführt worden sind, Bericht über die Anwendung dieser Richtlinie und über die seit ihrem Inkrafttreten erfolgte Entwicklung der Wählerschaft. Da die letzten Wahlen im März 2001 in Frankreich stattfanden, muss der diesbezügliche Bericht vor März 2002 angenommen werden.

3.2.2. Wahlen zum Europäischen Parlament

Das aktive und passive Wahlrecht der Unionsbürger bei den Wahlen zum Europäischen Parlament im Mitgliedstaat des Wohnsitzes ist in Artikel 19 Absatz 2 EG-Vertrag verankert und wurde durch die Richtlinie 93/109/EG [27] des Rates vom 6. Dezember 1993 über die Einzelheiten der Ausübung des aktiven und passiven Wahlrechts bei den Wahlen zum Europäischen Parlament für Unionsbürger mit Wohnsitz in einem Mitgliedstaat, dessen Staatsangehörigkeit sie nicht besitzen, umgesetzt.

[27] ABl. L 329 vom 30.12.1993, S. 34.

Obschon die Umsetzung der Richtlinie durch die Mitgliedstaaten insgesamt zufrieden stellend ist, mussten in einigen Fällen Vertragsverletzungsverfahren wegen mangelhafter Umsetzung eingeleitet werden.

Dabei war es nur in einem Fall notwendig, das in Artikel 226 des Vertrags vorgesehene Verfahren bis zu der mit Gründen versehenen Stellungnahme durchzuführen. Es handelt sich hierbei um das gegen die Bundesrepublik Deutschland eröffnete Verfahren. Die Kommission wandte sich dabei gegen das Erfordernis, dass die Unionsbürger vor jeder Wahl die Eintragung in das Wählerverzeichnis beantragen mussten, während Artikel 9 Absatz 4 der Richtlinie vorsieht, dass die Wahlberechtigten der Gemeinschaft, die in das Wählerverzeichnis eingetragen wurden, unter den gleichen Bedingungen wie nationale aktiv Wahlberechtigte so lange eingetragen bleiben, bis sie die Streichung aus diesem beantragen. Das Verfahren wurde nach erfolgter Änderung der deutschen Rechtsvorschriften zur Umsetzung der Richtlinie abgeschlossen.

Die Richtlinie 93/109/EG gelangte erstmals bei den Wahlen zum Europäischen Parlament im Juni 1994 zur Anwendung. [28] Gemäß Artikel 16 der Richtlinie 93/109/EG erstattete die Kommission dem Europäischen Parlament und dem Rat über die Anwendung der Richtlinie bei diesen Wahlen Bericht. [29]

[28] In Schweden fanden die ersten Wahlen zum Europäischen Parlament am 17. Dezember 1995 statt, in Österreich am 13. Oktober 1996 und in Finnland am 20. Oktober 1996.

[29] Dokument KOM(97) 731 endg.

Die Kommission verabschiedete am 18. Dezember 2000 eine Mitteilung über die Anwendung der Richtlinie bei den Wahlen im Juni 1999 [30], um auf die wichtigsten festgestellten Probleme aufmerksam zu machen, die in einigen Mitgliedstaaten entwickelten guten Praktiken zu fördern und so die Beteiligung der Unionsbürger am politischen Leben im Wohnsitzmitgliedstaat zu stärken.

[30] Dokument KOM(2001) 843 endg.

In der Mitteilung wird berichtet, dass die Wahlbeteiligung der Unionsbürger in ihrem Wohnsitzmitgliedstaat sehr niedrig (9 %) war, aber noch über der von 1994 (5,9 %) lag. Die Kommission hält fest, dass mit Ausnahme von Deutschland die Wahlbeteiligung in allen Mitgliedstaaten zunimmt. Im übrigen hat die sehr niedrige Eintragungsrate in den beiden Mitgliedstaaten mit der größten Zahl ausländischer Unionsbürger mit Wohnsitz in einem Mitgliedstaat, dessen Staatsangehörigkeit sie nicht besitzen (Frankreich und Deutschland [31]), den Unionsdurchschnitt gedrückt, der ohne Berücksichtigung dieser beiden Länder 17,3 % betragen hätte.

[31] In Frankreich und Deutschland leben 63 % der Unionsbürger, die ihren Wohnsitz in einem anderen Mitgliedstaat als ihrem Herkunftsstaat haben. Die Beteiligung betrug in Frankreich 4,9 % und in Deutschland 2,1 %.

Die Mitteilung konzentriert sich auf zwei Punkte: die Information der ausländischen Unionsbürger über die Existenz des passiven Wahlrechts und über die Modalitäten seiner Ausübung sowie die Funktionsweise des Systems für den Informationsaustausch zur Vermeidung der doppelten Stimmabgabe.

In Hinblick auf die Information der Unionsbürger ermutigt die Kommission alle Mitgliedstaaten, die noch kein System des direkten und persönlichen Kontakts über den Postweg mit den in ihrem Hoheitsgebiet lebenden ausländischen Wählern eingerichtet haben, dieses System einzuführen. [32] Die Mitgliedstaaten sollten die Eintragung in das Wählerverzeichnis durch die Möglichkeit der Rücksendung des entsprechenden Formulars auf dem Postweg so weit wie möglich erleichtern.

[32] Bei den Wahlen im Juni 1999 betrug die Beteiligungsrate in den Ländern, die dieses Informationssystem einsetzten, im Durchschnitt 23,5 %.

Nach Ansicht der Kommission müssen andere Möglichkeiten geprüft werden, insbesondere die Bereitstellung von Antragsformularen für die Eintragung in die Wählerverzeichnisse für ausländische Unionsbürger bei jedem Kontakt dieser Bürger mit lokalen oder nationalen Behörden. Die Anstrengungen müssen sich von nun an auf die Förderung und Erleichterung der Eintragung in die Wählerverzeichnisse des Wohnsitzmitgliedstaats konzentrieren sowie auf die Information über die Existenz des aktiven und passiven Wahlrechts. Diese Arbeit ist ständig zu leisten, wohingegen die traditionellen Informationskampagnen jeweils nur vor Wahlen durchgeführt werden.

In Bezug auf das System für den Informationsaustausch stellt die Kommission fest, dass es sich wieder einmal als nicht zufrieden stellend erwiesen hat. Zwei Faktoren haben zu dieser Situation geführt: die Nichteinhaltung der für die Durchführung des Austausches vorgesehenen Modalitäten in einigen Mitgliedstaaten und die Bestimmungen mancher Wahlgesetze der Mitgliedstaaten (insbesondere die unterschiedlichen Fristen für die Eintragung in das Wählerverzeichnis).

In Zusammenarbeit mit den zuständigen Behörden der Mitgliedstaaten wird sich die Kommission weiter bemühen, die praktische Durchführung des Austausches im geltenden Rechtsrahmen zu verbessern.

Die Unionsbürgerschaft gewährt den Bürgern das aktive und passive Wahlrecht im Wohnsitzmitgliedstaat für die Kommunalwahlen und die Wahlen zum Europäischen Parlament.

Hiervon betroffen sind rund fünf Millionen Menschen, von denen einige aufgrund ihres Wohnsitzes im Ausland auf das aktive und passive Wahlrecht im Mitgliedstaat ihrer Herkunft verzichten mussten.

Die Kommission stellt in diesem Bereich ein großes Informationsdefizit fest. Die vorliegenden Daten zeigen, dass bei Organisation einer gezielten und direkten Informationskampagne die Beteiligung an den Wahlen im Wohnsitzmitgliedstaat weit über dem Unionsdurchschnitt liegt.

Die Kommission fordert alle Mitgliedstaaten auf, ein System für den direkten und persönlichen Kontakt mit den Wählern der Gemeinschaft einzuführen und plädiert dafür, neue Wege zu beschreiten, insbesondere durch die Bereitstellung von ausführlichen Informationen beim Kontakt mit lokalen oder nationalen Behörden.

3.3. Recht auf diplomatischen und konsularischen Schutz

Artikel 20 EG-Vertrag begründet das Recht auf Schutz eines jeden Unionsbürgers im Hoheitsgebiet eines Drittlandes durch die diplomatischen und konsularischen Behörden eines jeden Mitgliedstaats unter denselben Bedingungen wie für Staatsangehörige dieses Staats. Er sieht zudem vor, dass die Mitgliedstaaten die notwendigen Regeln vereinbaren und die für diesen Schutz erforderlichen internationalen Verhandlungen einleiten.

Im zweiten Bericht über die Unionsbürgerschaft wurde die Annahme von drei Beschlüssen durch die im Rat vereinigten Vertreter der Regierungen der Mitgliedstaaten behandelt. Diese beziehen sich auf den Schutz der Bürger der Europäischen Union durch die diplomatischen und konsularischen Vertretungen [33], die von den Konsularbeamten anzuwendenden Durchführungsbestimmungen [34] und die Bestimmungen für die Ausarbeitung eines Rückkehrausweises [35].

[33] Beschluss 95/553/EG, ABl. L 314 vom 28.12.1995, S. 73.

[34] Nicht im Amtsblatt veröffentlicht.

[35] Beschluss 96/409/EG, ABl. L 168 vom 6.7.1996, S. 4.

Die drei Beschlüsse werden erst rechtskräftig, wenn sie von allen Mitgliedstaaten in ihr nationales Recht übernommen worden sind. Dies ist noch nicht der Fall.

Dennoch ist festzustellen, dass in der täglichen Praxis alle Mitgliedstaaten Maßnahmen ergriffen haben, die sicherstellen sollen, dass ihre diplomatischen und konsularischen Vertretungen den Unionsbürgern, die in einem Drittstaat keine Vertretung haben, entsprechenden Schutz bieten und bei Todesfällen, schweren Unfällen oder Erkrankungen, bei Festnahme oder Haft, für Opfer von Gewaltverbrechen, für eine Rückführung oder auf Ersuchen in anderen Fällen Hilfe gewähren.

Die Dokumente zur Verwirklichung dieses Rechts, das von der Charta der Grundrechte der Europäischen Union als Grundrecht [36] eingeführt wurde, sind noch immer nicht rechtsverbindlich, da einige Mitgliedstaaten die erforderlichen Rechtsvorschriften nicht auf nationaler Ebene umgesetzt haben.

[36] Artikel 46 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union, ABl. C 364 vom 18.12.2000, S. 1.

3.4. Petitionsrecht

Gemäß Artikel 21 EG-Vertrag besitzt jeder Unionsbürger das Petitionsrecht beim Europäischen Parlament nach Artikel 194 EG-Vertrag. Dieses Recht kommt in erster Linie den Unionsbürgern zugute, auch wenn es durch Artikel 194 auf alle natürlichen und juristischen Personen mit Wohnort oder satzungsmäßigem Sitz in einem Mitgliedstaat erweitert wird. Der Gegenstand der Petitionen muss im Tätigkeitsbereich der Gemeinschaft liegen und den Verfasser der Petition direkt betreffen. Obwohl der Petitionsausschuss bei der Entscheidung über die Zulässigkeit einer Petition einer großzügigen Auslegung folgt, werden viele Petitionen als unzulässig abgewiesen.

Petitionen stellen für Einzelpersonen eine wichtige Möglichkeit dar, ihre Anliegen von Einrichtungen der Gemeinschaft formell prüfen zu lassen. Auf diesem Weg werden auch viele Fälle aufgezeigt, in denen das Gemeinschaftsrecht von den Behörden der Mitgliedstaaten außer Acht gelassen wird, oder es wird auf Schwachstellen bzw. notwendige Änderungen gemeinschaftlicher Rechtsvorschriften aufmerksam gemacht.

Petitionen in den Sitzungsperioden 1997/1998, 1998/1999 und 1999/2000 [37]

[37] Quelle: Berichte über die Beratungen des Petitionsausschusses in den Sitzungsperioden 1996-1997 (A4-0190/97), 1997-1998 (A4-0250/98), 1998-1999 (A4-0117/90). Die Berichte sind auf der Website des Europäischen Parlaments abrufbar unter (http://www.europarl.eu.int/committees/peti_home.htm).

Im Zeitraum 1997-2000 gingen regelmäßig Petitionen beim Parlament ein. In der Sitzungsperiode 1997/1998 erhielt das Europäische Parlament insgesamt 1.311 Petitionen, 1998/1999 1.005 und 1999/2000 958 Petitionen. Die im zweiten Bericht verzeichnete Abnahme der Petitionen hat sich mit Ausnahme des Zeitraums 1997/1998, in dem die Zahl der Petitionen die des Vorjahrs überstieg, fortgesetzt.

Beim Parlament in den letzten zehn Jahren eingegangene Petitionen

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In den betreffenden drei Sitzungsperioden erklärte der Petitionsausschuss 1.767 (54 %) der insgesamt 3.275 Petitionen für zulässig. Einige Petitionen wurden an den Europäischen Bürgerbeauftragten weitergeleitet, für andere wiederum waren Behörden zuständig, die von der Europäischen Gemeinschaft unabhängig sind.

Der hohe Anteil der für unzulässig erklärten Petitionen ist auf mangelnde Informationen über die Zuständigkeiten der Union und ihrer Organe zurückzuführen. So stellte der Petitionsausschuss in seinem Bericht über die Sitzungsperiode 1999/2000 [38] fest: Eine Reihe von Petitionen wurden eingereicht, weil den Menschen nicht klar ist, welche Rechte sie als Bürger oder Gebietsansässige der EU haben.

[38] A5-0162/2000, S. 12.

Die insgesamt 920 Petitionen aus den drei Sitzungsperioden des Parlaments betrafen die Bürgerrechte, insbesondere soziale Angelegenheiten, die Freizügigkeit der Personen, steuerliche Fragen und die Anerkennung von Diplomen im Mitgliedstaat des Wohnsitzes. Die große Zahl von Petitionen zu den Rechten der Bürger zeigt, dass die Unionsbürger oft auf Probleme stoßen, wenn sie in einem anderen Mitgliedstaat wohnen.

3.5. Der Europäische Bürgerbeauftragte

Gemäß Artikel 21 Absatz 2 EG-Vertrag kann sich jeder Unionsbürger an den Bürgerbeauftragten wenden. Dessen Aufgabenbereich ist in Artikel 195 EG-Vertrag definiert. Jede natürliche oder juristische Person mit Wohnort oder satzungsmäßigem Sitz in der Europäischen Union hat das Recht, sich an den Bürgerbeauftragten zu wenden. Der Bürgerbeauftragte hat die Aufgabe, behauptete Missstände [39] in der Tätigkeit der Gemeinschaftsorgane und -einrichtungen zu prüfen. Der Bürgerbeauftragte kann keine Untersuchungen über Handlungen von nationalen Behörden oder anderen internationalen Einrichtungen durchführen.

[39] Der Europäische Bürgerbeauftragte definiert in seinem Jahresbericht 1997 den Begriff ,Missstand" folgendermaßen: ,Ein Missstand ergibt sich, wenn eine öffentliche Einrichtung nicht in Einklang mit für sie verbindlichen Regeln handelt". Auf Vorschlag des Petitionsausschusses (A4-0258/98) verabschiedete das Parlament einen Beschluss, in dem diese Definition befürwortet wird.

Der erste Europäische Bürgerbeauftragte, Herr Jacob Söderman, trat sein Amt Ende Dezember 1995 an und hat seither jährlich Tätigkeitsberichte [40] erstellt, die Informationen über die an den Bürgerbeauftragten gerichteten Beschwerden, die Bestimmungen über die Zulässigkeit der Beschwerden und die folgenden Verfahren enthalten.

[40] Alle diese Berichte sind auf der Website des Europäischen Bürgerbeauftragten unter folgender Adresse abrufbar: http://www.europarl.eu.int/ombudsman/report/de/default.htm.

Beschwerden im Zeitraum 1997-1999

Im Jahr 1997 erhielt der Europäische Bürgerbeauftragte 1.181 Beschwerden, von denen 1.067 von Unionsbürgern stammten. Nur 200 Beschwerden führten zu einer Untersuchung durch den Bürgerbeauftragten. [41] 1998 erhielt der Bürgerbeauftragte 1.372 Beschwerden, von den 1.237von Unionsbürgern eingereicht wurden. Davon führten 170 zu einer Untersuchung. Die Zahlen für 1999 zeigen 1.577 Beschwerden (1.458 von Unionsbürgern), die zu 201 Untersuchungen führten. In 59 Fällen des Jahres 1997, in 96 Fällen des Jahres 1998 und in 107 Fälle des Jahres 1999 wurde kein Missstand festgestellt.

[41] Der Bürgerbeauftragte beschäftigt sich jedes Jahr mit Beschwerden, die im Vorjahr nicht abgeschlossen wurden, leitet aber auch eigene Untersuchungen ein. Die Zahl der Untersuchungen kann daher beides umfassen und beschränkt sich nicht nur auf Beschwerden aus dem angegebenen Jahr.

Im Zeitraum 1997-1999 bezogen sich die Untersuchungen hauptsächlich auf die Europäische Kommission, das Parlament und der Rat. In dieser Hinsicht weist die Statistik für diese Zeit keine wesentlichen Unterschiede zu den Vorjahren auf.

Organe und Einrichtungen, die im Zeitraum 1997-1999 Gegenstand von Untersuchungen waren

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Der am häufigsten angeführte Missstand in der Zeit von 1997 bis 1999 war die mangelnde Transparenz bzw. die Auskunftsverweigerung. [42] Den zweithäufigsten Missstand bildeten vermeidbare Verzögerungen (1997 und 1999) und fahrlässiges Verhalten (1998). Andere häufig genannte Missstände waren Diskriminierungen, ungerechte Behandlung, Machtmissbrauch und Missachtung von Schutzrechten.

[42] 1999:23 %, 1998:30 %, 1997:25 %.

Die Statistik des Europäischen Bürgerbeauftragten zeigt, dass die Zahl der Unionsbürger, die Beschwerden an den Bürgerbeauftragten richten, seit 1996 von Jahr zu Jahr zunimmt. Der Anteil von Beschwerden, die in den Aufgabenbereich des Bürgerbeauftragten fallen, ist nicht in dem selben Maße gestiegen, scheint jedoch langsam zuzunehmen. Die Jahresberichte 1997-1999 vermeldeten allesamt einen hohen Anteil unzulässiger Beschwerden (73 % in den Jahren 1997 und 1999 sowie 69 % im Jahre 1998). Der Bürgerbeauftragte versucht, den Unionsbürgern in diesen Fällen zu helfen, indem er sie darüber berät, an welche Organe oder Einrichtungen sie sich wenden sollen (beispielsweise an das Europäische Parlament oder an einen lokalen oder nationalen Bürgerbeauftragten). In wenigen Fällen leitet er die Beschwerde mit Zustimmung des Beschwerdeführers an eine andere Institution weiter.

4. Grundrechte

Der vom vorliegenden Bericht erfasste Zeitraum wurde von der Proklamation der Charta der Grundrechte der Europäischen Union, der Einrichtung rechtlicher Instrumente zur Umsetzung von Artikel 13 EG-Vertrag und den im Rahmen des Europäischen Jahrs gegen den Rassismus ergriffenen Maßnahmen (1997) geprägt.

4.1. Die Charta der Grundrechte der Europäischen Union

Die Charta der Grundrechte der Europäischen Union wurde gemeinsam von der Präsidentin des Europäischen Parlaments, dem Präsidenten des Rates und dem Präsidenten der Kommission am Rande der Tagung des Europäischen Rats von Nizza am 7. Dezember 2000 proklamiert. Sie wurde im Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften veröffentlicht. [43]

[43] ABl. C 364 vom 18.12.2000, S. 1.

Diese Proklamation ist das Ergebnis des Beschlusses des Europäischen Rats von Köln am 3. und 4. Juni 1999, in dem sich die Staats- und Regierungschefs auf die Notwendigkeit einigten, im gegenwärtigen Entwicklungsstand der Union eine Charta der Grundrechte zu erstellen, um die überragende Bedeutung der Grundrechte und ihre Tragweite für die Unionsbürger sichtbar zu verankern. [44]

[44] Europäischer Rat von Köln, Schlussfolgerungen des Vorsitzes, Anhang IV.

4.1.1. Die Erarbeitung im Konvent

Für die Erarbeitung des Entwurfs der Charta hat der Europäische Rat beschlossen, ein eigenes Gremium, bestehend aus Vertretern des Europäischen Parlaments, der nationalen Parlamente und Regierungen sowie der Kommission, einzuberufen. Die Zusammensetzung dieses Gremiums, das bereits in Köln geplant worden war, wurde beim Europäischen Rat von Tampere am 15. und 16. Oktober 1999 festgelegt. Das Gremium, das im weiteren Verlauf beschloss, sich ,Konvent" zu nennen, bestand aus 62 Mitgliedern, die in vier Gruppen unterteilt werden können: 16 Mitglieder des Europäischen Parlaments, 30 Mitglieder der nationalen Parlamente, 15 Vertreter der Staats- und Regierungschefs und ein Vertreter der Kommission.

Auch der Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften und der Europäischem Rat entsandten Beobachter (darunter ein Vertreter des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte), um an den Arbeiten teilzunehmen. Der Wirtschafts- und Sozialausschuss, der Ausschuss der Regionen und der Europäische Bürgerbeauftragte wurden ebenfalls zur Stellungnahme eingeladen.

Die Kandidatenländer wurden vom Konvent angehört.

Die Arbeitsmethoden des Konvents wurden in den Schlussfolgerungen des Europäischen Rates von Tampere in groben Zügen festgelegt. Ein wesentliches Element dieser Methoden ist die Transparenz der Arbeiten. Auf der Tagung des Europäischen Rats in Tampere wurde der Grundsatz der Öffentlichkeit der Beratungen des Gremiums und der dabei vorgelegten Dokumente beschlossen. Diese Öffentlichkeit wurde insbesondere durch die Einrichtung einer Website [45] verwirklicht, über die die Unterlagen für die Erarbeitung der Charta der Öffentlichkeit zur Verfügung gestellt werden. Dadurch war auch eine enge Zusammenarbeit mit den Vertretern der Zivilgesellschaft möglich.

[45] http://db.consilium.eu.int/df/default.asp-lang=de.

Das Gremium hielt seine erste Sitzung am 17. Dezember 1999 in Brüssel ab. Bei dieser Gelegenheit wurde Herr Roman Herzog, der frühere Präsident der Bundesrepublik Deutschland, zum Vorsitzenden gewählt. Der Vorsitzende des Konvents konnte am 2. Oktober 2000 einen breiten Konsens zum Chartaentwurf feststellen und übermittelte ihn an den Präsidenten des Europäischen Rates. Bei ihrer informellen Zusammenkunft in Biarritz am 13. und 14. Oktober 2000 konnten sich die Staats- und Regierungschefs einstimmig mit diesem Entwurf einverstanden erklären.

Die Kommission verabschiedete zwei Mitteilungen, die am 13. September und am 11. Oktober 2000 veröffentlicht wurden. [46] Darin unterstützte die Kommission den Chartaentwurf, brachte gleichzeitig aber auch Anregungen zur Formulierung bestimmter Rechte im Entwurf oder zur Rechtsnatur der Charta vor.

[46] KOM(2000) 559 endg. und KOM(2000) 644 endg.

4.1.2. Der Inhalt der Charta

Die Charta fasst alle Personenrechte in einem Text zusammen: bürgerliche und politische Rechte, wirtschaftliche und soziale Rechte sowie die Rechte der Unionsbürger. Somit stellt sie das erste Rechtsinstrument über Grundrechte auf internationaler Ebene dar, in dem der Grundsatz der Unteilbarkeit der Rechte tatsächlich umgesetzt wird.

Diese Rechte sind bereits weitgehend verankert: in den Verfassungstraditionen und den gemeinsamen völkerrechtlichen Verpflichtungen der Mitgliedstaaten, im Vertrag über die Europäische Union und in den Gemeinschaftsverträgen, in der Europäischen Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten, in den von der Gemeinschaft und vom Europarat verabschiedeten Sozialchartas sowie in der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften und des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte.

Die Charta umfasst 54 Artikel sowie eine einleitende Präambel. Abgesehen von den allgemeinen Bestimmungen, die am Ende des Textes (Artikel 51 bis 54) angeführt werden, sind die Artikel nach sechs gemeinsamen Werten gegliedert: Würde des Menschen (Artikel 1 bis 5), Freiheiten (Artikel 6 bis 19), Gleichheit (Artikel 20 bis 26), Solidarität (Artikel 27 bis 38), Bürgerrechte (Artikel 39 bis 46) und justizielle Rechte (Artikel 47 bis 50).

Im Rahmen des vorliegenden Berichts macht die Kommission insbesondere auf die Rechte, die aus dem Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft übernommen wurden und in Kapitel V der Charta über die Bürgerrechte enthalten sind, aufmerksam: aktives und passives Wahlrecht bei den Wahlen zum Europäischen Parlament (Artikel 39), aktives und passives Wahlrecht bei den Kommunalwahlen (Artikel 40), das Recht auf Zugang zu Dokumenten (Artikel 42), das Recht, den Bürgerbeauftragten zu befassen (Artikel 43), das Recht, eine Petition an das Europäische Parlament zu richten (Artikel 44), Freizügigkeit und Aufenthaltsfreiheit (Artikel 45) sowie diplomatischer und konsularischer Schutz (Artikel 46). Kapitel V der Charta enthält auch das Recht auf eine gute Verwaltung (Artikel 41), mit dem den ständig zunehmenden Auswirkungen eines gerechten Verwaltungsverfahrens auf den Schutz der Rechte und die Wahrung der Interessen der Bürger Rechnung getragen werden soll. Dieses Recht richtet sich an den in der umfassenden Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs in diesem Bereich festgelegten Grundsätzen aus.

Die Charta sieht vor, dass die in ihr anerkannten Rechte, die in den Gemeinschaftsverträgen oder im Vertrag über die Europäische Union begründet sind, im Rahmen der darin festgelegten Bedingungen und Grenzen ausgeübt werden (Artikel 52 Absatz 2). Ebenso sieht sie vor, dass die Rechte, die den durch die Europäische Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten garantierten Rechten entsprechen, die gleiche Bedeutung und Tragweite wie die durch die Konvention verliehenen Rechte haben, und dass diese Bestimmung einem weiter reichenden Schutz durch das Recht der Union, einschließlich der Charta, nicht entgegenstehen kann (Artikel 52 Absatz 3).

4.1.3. Die zukünftigen Entwicklungen der Charta

Der Europäische Rat hat auf seiner Tagung in Nizza den Wunsch geäußert, dass die Charta eine möglichst weite Verbreitung unter den Unionsbürgern erfährt. Dies entspricht auch dem Ziel der Sichtbarkeit der Grundrechte und ist eine notwendige Voraussetzung für eine öffentliche Debatte über Europa.

Die Erklärung über die Zukunft der Union im Anhang des Entwurfs des Vertrags von Nizza erläutert neben den Punkten, die Gegenstand einer großen öffentlichen Debatte im Zuge der Vorbereitung der Regierungskonferenz 2004 sein sollen, auch den Status der Charta. In diesem Zusammenhang soll in Übereinstimmung mit den Schlussfolgerungen von Köln [47] die Tragweite der Charta geprüft werden.

[47] Europäischer Rat von Nizza, Schlussfolgerungen des Vorsitzes, Teil I Nummer 2.

Schon vor Abschluss dieser Arbeiten ist jedoch klar, dass - wie die Kommission in ihrer vorgenannten Mitteilung vom Oktober betont hat - die Charta aufgrund ihrer Proklamation ihre Wirkung entfalten muss (einschließlich auf rechtlicher Ebene). Das Europäische Parlament, der Rat und die Kommission können einen von den Quellen nationaler und europäischer Legitimität in einem gemeinsamen Gremium ausgearbeiteten Text, den sie selbst proklamiert haben, nicht unbeachtet lassen.

Die Proklamation der Charta der Grundrechte sowie die in ihr vorgenommene Aufzählung der von den Institutionen und Mitgliedstaaten bei der Anwendung des Gemeinschaftsrechts zu achtenden und zu schützenden Grundrechte sind ein klares Zeichen dafür, dass beim Aufbau der Europäischen Union künftig der Bürger im Mittelpunkt steht.

Das in den Verträgen verankerte Ziel, einen Raum der Freiheit, Sicherheit und des Rechts zu schaffen, macht es erforderlich, den Schutz der Bürgerrechte zu verbessern. Dieser Notwendigkeit trägt die Charta der Grundrechte Rechnung.

Die drei Gemeinschaftsorgane, die die Charta öffentlich proklamiert haben, werden sie in Zukunft kaum unbeachtet lassen können, und die Charta wird ungeachtet ihres rechtlichen Status einen unausweichlichen Bezugspunkt für die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs zu Fragen des Schutzes der Grundrechte auf Unionsebene bilden.

Aufgrund ihres Inhalts, ihrer rechtlich präzisen Formulierung und ihres hohen rechtlichen Werts wird die Charta in die Verträge aufzunehmen sein.

4.2. Rechtsinstrumente gegen Diskriminierung

Um wie angekündigt so rasch wie möglich Vorschläge für Durchführungsvorschriften zu Artikel 13 EG-Vertrag vorzulegen und dem vom Europäischen Parlament, von den Mitgliedstaaten und den Staats- und Regierungschefs diesbezüglich geäußerten Wunsch zu entsprechen, hat die Kommission dem Europäischen Rat in Tampere eine Mitteilung und drei Vorschläge unterbreitet, die auf die Bekämpfung der Diskriminierung in der Europäischen Union abstellen.

Am 29. Juni 2000 hat der Rat die Richtlinie 2000/43/EG [48] zur Anwendung des Gleichbehandlungsgrundsatzes ohne Unterschied der Rasse oder der ethnischen Herkunft angenommen. Ziel der Richtlinie ist es, in allen Mitgliedstaaten jegliche Diskriminierung aufgrund von Rasse oder ethnischer Herkunft in den verschiedenen Bereichen wie Beschäftigung, Bildung, Sozialschutz, Gesundheitsdienste sowie Zugang zu und Versorgung mit Gütern und Dienstleistungen zu verbieten.

[48] ABl. L 180 vom 19.7.2000, S. 22.

Am 27. November 2000 verabschiedete der Rat die Richtlinie 2000/78/EG [49] zur Festlegung eines allgemeinen Rahmens für die Verwirklichung der Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf. Diese Richtlinie verfolgt das Ziel, allgemeine Rahmenbedingungen für den Kampf gegen die Diskriminierung aus Gründen der Religion oder der Weltanschauung, einer Behinderung, des Alter oder der sexuellen Ausrichtung in Beschäftigung und Beruf zu schaffen.

[49] ABl. L 303 vom 2.12.2000, S. 16.

Am selben Tag verabschiedete der Rat den Beschluss 2000/750/EG [50] über die Erstellung eines Aktionsprogramms der Gemeinschaft zur Bekämpfung von Diskriminierungen (2001-2006), für das Mittel in Höhe von insgesamt 98,4 Mio. EUR bereitgestellt wurden.

[50] ABl. L 303 vom 2.12.2000, S. 23.

Das Programm unterstützt und ergänzt die Bemühungen auf der Ebene der Gemeinschaft und der Mitgliedstaaten, um die Maßnahmen zur Vorbeugung und Bekämpfung der einfachen und mehrfachen Diskriminierung zu fördern. Folgende Ziele werden mit diesem Programm verfolgt:

* Erreichung eines besseren Verständnisses der Fragen in Verbindung mit der Diskriminierung durch bessere Kenntnis des Phänomens und durch Prüfung der Wirksamkeit der politischen Maßnahmen und Praktiken;

* Entwicklung der Fähigkeit, die Diskriminierung effizient zu bekämpfen, insbesondere durch Verstärkung der Aktionsmittel der Einrichtungen und Förderung des Austauschs von Informationen und bewährten Verfahren sowie Zusammenarbeit in Netzen auf europäischer Ebene unter Berücksichtigung der Besonderheiten der verschiedenen Formen der Diskriminierung;

* Förderung und Verbreitung der im Kampf gegen die Diskriminierung eingesetzten Werte und Verhaltensweisen, unter anderem durch Sensibilisierungsmaßnahmen.

Diese Ziele sollen durch eine Strategie mit drei Schwerpunkten erreicht werden:

- verstärkte Analyse der Art der Diskriminierung und ihrer Auswirkungen in der Gemeinschaft;

- Unterstützung von Organisationen, die an der Bekämpfung bzw. Vorbeugung der Diskriminierung beteiligt sind, indem ihnen der Vergleich ihrer Konzepte mit in anderen Gebieten der Gemeinschaften gemachten Erfahrungen ermöglicht wird;

- Unterrichtung der wichtigsten Entscheidungsträger über die Möglichkeiten, die Wirksamkeit von Antidiskriminierungsmaßnahmen und -praktiken zu erhöhen.

Diese Rechtsakte zeugen von dem Willen der Gemeinschaft, sich für mehr Gleichheit in der Gesellschaft einzusetzen. Sie verfolgen das pragmatische Konzept, sich auf die grundlegenden Bereiche zu konzentrieren, in denen sich Diskriminierung bemerkbar macht.

4.3. Das Programm Daphne

Zum Thema Schutz der Grundrechte im Allgemeinen und Diskriminierungsverbot im Besonderen ist darauf hinzuweisen, dass die Kommission ein mehrjähriges Gemeinschaftsprogramm (2000-2003) geschaffen hat, dessen Ziel die Bekämpfung aller Arten von Gewalt gegen Kinder, Jugendliche und Frauen ist (Programm Daphne [51]). Diese Maßnahme ergänzt die Gesetzgebungstätigkeiten der Kommission durch finanzielle Unterstützung der öffentlichen oder privaten Einrichtungen der Union, die vor Ort gegen die sexuelle oder nichtsexuelle, physische oder psychische Gewalt kämpfen. Im Rahmen des Programms Daphne wurden seit 1997 bereits rund 200 Projekte finanziert, die allesamt auf Maßnahmen abzielten, die direkt den Opfern von Gewalt zugute kommen. Zwei Analysen der Auswirkungen dieser Projekte wurden 1999 und 2000 durchgeführt.

[51] Entscheidung Nr. 293/2000/EG des Europäischen Parlaments und des Rates, ABl. L 34 vom 9.2.2000, S. 1.

4.4. Maßnahmen zur Bekämpfung des Rassismus

1997, das Europäische Jahr gegen den Rassismus

Das Europäische Jahr gegen den Rassismus war ein weiterer Schritt zum Ausbau der Zusammenarbeit bei der Bekämpfung von Rassismus. Dabei gelang es, in der gesamten Europäischen Union Personen und Organisationen zu mobilisieren, wodurch wiederum ein günstiges Klima für politische Fortschritte geschaffen wurde. Als wichtigste Beispiele zu nennen sind in diesem Zusammenhang die Annahme neuer Rechtsvorschriften zum Diskriminierungsverbot nach dem Vertrag über die Europäische Union, die Einrichtung einer Europäischen Stelle zur Beobachtung von Rassismus und Fremdenfeindlichkeit in Wien, der Aktionsplan gegen den Rassismus sowie die als direktes Ergebnis des Europäischen Jahrs und eines enormen Mobilisierungsaufwands festzuhaltende Schaffung des Europäischen Netzes gegen Rassismus.

Aktionsplan gegen den Rassismus

Der Aktionsplan gegen den Rassismus [52], den die Kommission im März 1998 auf den Weg brachte, soll den Kampf gegen den Rassismus in den Mittelpunkt vieler Bereiche der europäischen Politik stellen und ist ausdrücklich als direkte Fortführung des Europäischen Jahrs und seiner Errungenschaften gedacht.

[52] KOM(1998) 183 endg. vom 25. März 1998.

Der Plan verfolgt vor allem die Erweiterung und Unterstützung der Zusammenarbeit mit -- aber auch unter -- den verschiedenen Partnern auf allen Ebenen zwecks Förderung von Vielfalt und Pluralismus.

Europäisches Netz gegen Rassismus

Während der Vorarbeiten zum Europäischen Jahr teilten mehrere antirassistische Organisationen der Kommission ihren Wunsch mit, ein europäisches Netz antirassistischer Organisationen zu gründen.

Die Vorbereitungen für die Schaffung einer solchen Struktur nahmen das ganze Jahr 1998 in Anspruch. Rund 250 Vertreter zahlreicher NRO nahmen vom 8. bis 10. Oktober 1998 an der konstituierenden Sitzung des Netzes teil und legten eine politische Tagesordnung und ein Aktionsprogramm auf europäischer Ebene sowie die Mittel zur Umsetzung des Programms fest.

Das Netz hat sich in erster Linie zum Ziel gesetzt, dem Kampf gegen Rassismus, Fremdenfeindlichkeit, Antisemitismus und Islamfeindlichkeit eine europäische Dimension zu geben, lokale oder nationale Initiativen mit europäischen Initiativen zu verknüpfen, einschlägige Erfahrungen auszutauschen, bestehende Initiativen auszubauen und neue Strategien zu entwickeln, um den Rassismus zu bekämpfen und die Gleichberechtigung sowie die Chancengleichheit zu fördern.

Das Netz führt europäische Kampagnen durch und arbeitet mit den europäischen Organen zusammen, um einen maximalen Einfluss der einschlägigen europäischen Politiken auf die Bekämpfung des Rassismus sicherzustellen. Darüber hinaus spielt das Netz eine wichtige Rolle im Zusammenhang mit dem Aktionsprogramm der Gemeinschaft zur Bekämpfung von Diskriminierungen (2001-2006) und bei der Umsetzung der auf der Grundlage von Artikel 13 EGV angenommenen Richtlinien zur Bekämpfung von Diskriminierungen.

Europäische Stelle zur Beobachtung von Rassismus und Fremdenfeindlichkeit

Die Aufgabe der Beobachtungsstelle [53] ist es, der Europäischen Gemeinschaft und ihren Mitgliedstaaten objektive, zuverlässige und vergleichbare Daten auf Gemeinschaftsebene über die Erscheinungsformen von Rassismus, Fremdenfeindlichkeit und Antisemitismus zur Verfügung zu stellen, damit angemessene Maßnahmen getroffen und Aktionsprogramme festgelegt werden können.

[53] Die Europäische Stelle zur Beobachtung von Rassismus und Fremdenfeindlichkeit wurde durch die Verordnung (EG) Nr. 1035/97 des Rates eingerichtet. Sie hat ihren Sitz in Wien.

Laut dem zweiten Bericht der Beobachtungsstelle [54], der im November 2000 veröffentlicht wurde, sind ethnische/rassische Minderheiten, Migranten und Flüchtlinge in allen Mitgliedstaaten rassistischen Verbrechen und Diskriminierungen ausgesetzt. Die von fremdenfeindlichen Gruppen verübten Verbrechen richten sich hauptsächlich gegen Migranten, Ausländer und die jüdische Gemeinschaft. In mehreren Mitgliedstaaten werden seit 1999 Diskriminierungen gegenüber Roma-Minderheiten verzeichnet.

[54] Abrufbar unter http://www.eumc.at/publications/ar99/AR99-DE.pdf.

Die meisten Diskriminierungen wurden 1999 auf dem Arbeitsplatz und dem Arbeitsmarkt festgestellt.

Der Rassismus im Internet hat in verschiedenen Mitgliedstaaten besondere Besorgnis ausgelöst, da das Internet von rassistischen Gruppen in hohem Maße und weitgehend ungestraft zur Verbreitung von rassistischem, antisemitischem, fremdenfeindlichem und hassbedingtem Gedankengut verwendet wird.

Diesem Bericht zufolge dürften die neuen europäischen Richtlinien, die auf Artikel 13 EG-Vertrag beruhen, wesentlich zur Besserung der Situation beitragen.

Zu den Aufgaben der Beobachtungsstelle gehört auch die Einrichtung und Koordinierung eines "europäischen Netzes zur Information über Rassismus und Fremdenfeindlichkeit". Die Zentraleinheit dieses Netzes arbeitet mit den auf nationaler Ebene zuständigen Organisationen, z.B. Hochschulforschungszentren, regierungsunabhängige Organisationen und Fachorganisationen zusammen. Aufgabe des Netzes ist es, einschlägige Daten und Informationen zu sammeln und zu analysieren sowie eine für die Öffentlichkeit zugängliche Datenbank zu erstellen. Damit ist das Netz eine Art Sammelbecken für Informationen, Kenntnisse und Erfahrungen, auf deren Grundlage Strategien zur Bekämpfung des Rassismus in Europa entwickelt werden.

5. Die Information der Unionsbürger

Das Projekt ,Dialog mit Bürgern" und "Dialog mit Unternehmen" ist die Fortsetzung der im zweiten Bericht über die Unionsbürgerschaft [55] beschriebenen Initiative ,Bürger Europas".

[55] KOM(97) 230 endg., S. 19.

Mit dem "Dialog mit Bürgern" und dem "Dialog mit Unternehmen" sollen die Menschen auf ihre Rechte in der Europäischen Union aufmerksam gemacht und eine bidirektionale Kommunikation mit den Bürgern hergestellt werden, um ein Feedback zu den Problemen, die sie bei der Wahrnehmung ihrer Rechte haben, zu erhalten.

Um die Bürger auf der Grundlage eines ständigen Dialogs mit diesen Informationen zu versorgen, wurde der Informationsdienst ,Europa Direkt" eingerichtet.

Die Websites von "Dialog mit Bürgern", "Dialog mit Unternehmen" und ,Europa Direkt" enthalten vielfältige Informationen und Anregungen.

Außerdem werden die Bürger mit Hilfe von Veröffentlichungen, die im Rahmen des Projekts erstellt werden, über ihre Rechte und die Möglichkeiten der Wahrnehmung dieser Rechte informiert.

Auf Anfrage der Bürger hat die Kommission die Leitfäden der Reihe "Bürger Europas" auf den neuesten Stand gebracht.

Darüber hinaus wurden neue Leitfäden veröffentlicht. Mit dem 2000 herausgegebenen Leitfaden "Wie Sie Ihre Rechte im Europäischen Binnenmarkt geltend machen" und den dazugehörenden landesbezogenen Informationsblättern sollen die Bürger beispielsweise über die Rechtsmittel informiert werden, mit denen sie ihre Rechte auf nationaler und auf Gemeinschaftsebene geltend machen können. Der 2001 veröffentlichte Leitfaden "Datenschutz in der Europäischen Union" informiert die Bürger über ihre Rechte im Zusammenhang mit der Sammlung und Verwertung personenbezogener Daten und zeigt auf, was sie bei Verstoß gegen diese Rechte tun können.

Die vorgenannten Leitfäden sind kostenlos und können beim Call-Center von Europa Direkt angefordert werden.

Das Call-Center von Europa Direkt bietet in allen Mitgliedstaaten kostenlose telefonische Auskunft sowie die direkte Beantwortung von Fragen per E-Mail, Brief oder Fax. Es bearbeitet Anfragen in allen 11 Amtssprachen und zu allen Politikbereichen der EU.

Europa Direkt ist eine erste Anlaufstelle für Menschen, die nicht wissen, wie oder wo sie Antworten auf ihre Fragen finden können. Sie ergänzt die in den Mitgliedstaaten bestehenden Informationsnetze insofern, als sie die Bürger zunächst mit grundlegenden Informationen versorgt und sie dann an die zahlreichen spezialisierten oder allgemeinen Informationsdienste weitervermittelt, die ihrem Anliegen am besten dienlich sein können.

Das Call-Center beantwortet alle allgemeinen Fragen über die Europäische Kommission und andere Institutionen der EU. Der interne Dienst von Europa Direkt bearbeitet Anfragen, die zusätzliche Recherchen erfordern.

Seit 1998 hat Europa Direkt mehr als 200.000 Anfragen zu allen Tätigkeitsbereichen der Europäischen Kommission und der anderen EU-Institutionen bearbeitet.

Fragen zu praktischen Problemen, die die Bürger bei der Wahrnehmung ihrer Rechte auf dem Binnenmarkt haben, werden an den ,Wegweiserdienst", einen juristischen Auskunftsdienst auf zweiter Ebene, weitergeleitet. Er ist nunmehr auch Teil des Programms "Dialog mit Bürgern und Unternehmen" und arbeitet mit einem Sachverständigenteam, das alle Sprachen der Europäischen Union abdeckt.

Ein Bericht des Wegweiserdienstes vom März 2000 zeigt, dass die Fragen nur in wenigen Fällen Probleme betreffen, die im Zusammenhang mit dem Vollzug des EG-Rechts stehen und in dessen Geltungsbereich fallen. Viele Fragen scheinen aus mangelndem Wissen der Bürger in bezug auf den Geltungsbereich des Gemeinschaftsrechts oder aus der Unsicherheit zu resultieren, welche Einrichtung auf nationaler oder EU-Ebene für die Lösung ihrer Probleme zuständig ist.

Im Zusammenhang mit dem Schutz ihrer Rechte neigen die Unionsbürger eindeutig dazu, zu große Erwartungen in die EG zu setzen, insbesondere wenn sie ihren Wohnsitz in einem anderen Mitgliedstaat haben. Auch bei Belangen, die offensichtlich nationalen Charakter haben, gehen sie häufig davon aus, dass die europäischen Einrichtungen zuständig sind und als supranationale Behörden im Interesse der Allgemeinheit eingreifen sollten.

Durch die Analyse der von den Bürgern genannten Schwierigkeiten kann die Kommission den Informationsbedarf der Bürger genauer erfassen und Mängel bei der Anwendung des Gemeinschaftsrechts aufdecken. Die Bearbeitung der an den "Wegweiserdienst" gerichteten Fragen wird in Kürze im Rahmen der breiter angelegten "Initiative zur interaktiven Ausarbeitung von Politiken" erfolgen, die die Kommission derzeit einführt.

Um die europäischen Organe den Bürgern näher zu bringen, führt die Europäische Kommission Informationsbesuche für jährlich etwa 40.000 Besucher durch.

Auf das ,Informationsdefizit" in Bezug auf die Tätigkeiten der Union wurde im vorliegenden Bericht wiederholt hingewiesen.

Eine widersinnige Folge dieses mangelnden Wissens ist, dass die Bürger annehmen, die Zuständigkeiten und Befugnisse der Union und insbesondere der Kommission wären weitreichender als sie es in Wirklichkeit sind.

Bestätigt wurde diese Feststellung durch die Erfahrungen des ,Wegweiserdienstes", die beim Bürgerbeauftragten eingereichten Beschwerden, die an das Europäische Parlament gerichteten Petitionen und die bei den Dienststellen der Kommission eingegangenen Briefen.

Die neuen Dienste ,Europa Direkt" und der im Rahmen des Binnenmarkts eingerichtete "Dialog mit Bürgern und Unternehmen", dessen Hauptbestandteil der "Wegweiserdienst" ist, gehen in die richtige Richtung: Sie vermitteln den Bürgern dezentral, rasch und einfach die Informationen, die sie benötigen. Dank dieser Dienste sollten auch die europäischen Organe in der Lage sein, bei der Aus- oder Überarbeitung politischer Maßnahmen der Gemeinschaft zu Gunsten der Bürger den Schwierigkeiten, denen diese sich bei der Ausübung ihrer Rechte gegenübersehen, stärker Rechnung zu tragen.

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