EUR-Lex Access to European Union law

Back to EUR-Lex homepage

This document is an excerpt from the EUR-Lex website

Document 32020R0672

Verordnung (EU) 2020/672 des Rates vom 19. Mai 2020 zur Schaffung eines Europäischen Instruments zur vorübergehenden Unterstützung bei der Minderung von Arbeitslosigkeitsrisiken in einer Notlage (SURE) im Anschluss an den COVID‐19‐Ausbruch

ST/7917/2020/INIT

ABl. L 159 vom 20.5.2020, p. 1–7 (BG, ES, CS, DA, DE, ET, EL, EN, FR, GA, HR, IT, LV, LT, HU, MT, NL, PL, PT, RO, SK, SL, FI, SV)

Legal status of the document In force

ELI: http://data.europa.eu/eli/reg/2020/672/oj

20.5.2020   

DE

Amtsblatt der Europäischen Union

L 159/1


VERORDNUNG (EU) 2020/672 DES RATES

vom 19. Mai 2020

zur Schaffung eines Europäischen Instruments zur vorübergehenden Unterstützung bei der Minderung von Arbeitslosigkeitsrisiken in einer Notlage (SURE) im Anschluss an den COVID‐19‐Ausbruch

DER RAT DER EUROPÄISCHEN UNION —

gestützt auf den Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union, insbesondere auf Artikel 122,

auf Vorschlag der Europäischen Kommission,

in Erwägung nachstehender Gründe:

(1)

Artikel 122 Absatz 1 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) ermöglicht es dem Rat, auf Vorschlag der Kommission und im Geiste der Solidarität zwischen den Mitgliedstaaten über die Maßnahmen zu beschließen, die der sozioökonomischen Lage infolge des COVID‐19‐Ausbruchs angemessen sind.

(2)

Nach Artikel 122 Absatz 2 AEUV kann der Rat einem Mitgliedstaat, der aufgrund außergewöhnlicher Ereignisse, die sich seiner Kontrolle entziehen, von Schwierigkeiten betroffen oder von gravierenden Schwierigkeiten ernstlich bedroht ist, finanziellen Beistand der Union gewähren.

(3)

Das Schwere Akute Respiratorische Syndrom Coronavirus 2 (SARS-CoV-2), das die Coronaviruserkrankung auslöst und von der Weltgesundheitsorganisation (WHO) kurz als COVID‐19 bezeichnet wird, ist ein neuer Coronavirusstrang, der bislang nicht beim Menschen festgestellt wurde. Der weltweite Ausbruch dieser Krankheit entwickelt sich mit großer Geschwindigkeit und wurde von der WHO zur Pandemie erklärt. Seit dem COVID‐19‐Ausbruch in der Union wurden in den Mitgliedstaaten bis zum 30. März 2020334 396 Fälle und 22 209 Todesfälle berichtet.

(4)

Zur Eindämmung des COVID‐19-Ausbruchs und dessen Folgen haben die Mitgliedstaaten außergewöhnliche Maßnahmen ergriffen. Die Wahrscheinlichkeit einer weiteren Ausbreitung von COVID‐19 in der Union wird als hoch eingeschätzt. Neben den Auswirkungen auf die öffentliche Gesundheit mit einer erheblichen Zahl an Todesfällen hat der Ausbruch von COVID‐19 die Wirtschaftssysteme der Mitgliedstaaten massiv erschüttert, zu gesellschaftlichen Verwerfungen geführt und die öffentlichen Ausgaben in einer wachsenden Zahl von Mitgliedstaaten in die Höhe getrieben.

(5)

Diese Ausnahmesituation, die sich der Kontrolle der Mitgliedstaaten entzieht und einen erheblichen Teil ihrer Erwerbsbevölkerung dazu zwingt, ihre Arbeit ruhen zu lassen, hat die öffentlichen Ausgaben durch die Mitgliedstaaten für Kurzarbeitsregelungen und ähnliche Maßnahmen insbesondere für Selbstständige sowie die Ausgaben für bestimmte gesundheitsbezogene Maßnahmen, insbesondere am Arbeitsplatz, unvermittelt und heftig ansteigen lassen. Um den besonderen Schwerpunkt des Instruments nach dieser Verordnung und damit seine Wirksamkeit zu wahren, können die gesundheitsbezogenen Maßnahmen für die Zwecke dieses Instruments diejenigen umfassen, die darauf abzielen, berufsbedingte Gefahren zu verringern und den Schutz von Arbeitnehmern und Selbstständigen am Arbeitsplatz zu gewährleisten, und gegebenenfalls bestimmte andere gesundheitsbezogene Maßnahmen. Die Bemühungen der Mitgliedstaaten, den unvermittelten und heftigen Anstieg der öffentlichen Ausgaben zu bewältigen, müssen erleichtert werden, bis der COVID‐19‐Ausbruch und seine Folgen für ihre Erwerbsbevölkerung unter Kontrolle sind.

(6)

Die Schaffung eines Europäischen Instruments zur vorübergehenden Unterstützung bei der Minderung von Arbeitslosigkeitsrisiken in einer Notlage (SURE) (im Folgenden "Instrument") im Anschluss an den COVID‐19‐Ausbruch dürfte es der Union ermöglichen, koordiniert, schnell und wirkungsvoll und im Geiste der Solidarität zwischen den Mitgliedstaaten auf die Krise am Arbeitsmarkt zu reagieren, dadurch die Beschäftigungsfolgen für den Einzelnen und die am stärksten betroffenen Wirtschaftszweige abzumildern und so die unmittelbaren Auswirkungen dieser Ausnahmesituation auf die öffentlichen Ausgaben durch die Mitgliedstaaten abzuschwächen.

(7)

Artikel 220 Absatz 1 der Verordnung (EU, Euratom) 2018/1046 des Europäischen Parlaments und des Rates (1) legt fest, dass finanzieller Beistand der Union für die Mitgliedstaaten in Form eines Darlehens erfolgen kann. Solche Darlehen sollten Mitgliedstaaten gewährt werden, in denen der COVID‐19‐Ausbruch ab dem 1. Februar 2020 aufgrund nationaler Maßnahmen zu einem unvermittelten und heftigen Anstieg der tatsächlichen und möglicherweise auch der geplanten öffentlichen Ausgaben geführt hat. Dieses Datum stellt die Gleichbehandlung aller Mitgliedstaaten sicher und sorgt dafür, dass tatsächliche und möglicherweise auch geplante Ausgabenerhöhungen, die mit den Auswirkungen auf den Arbeitsmarkt in Zusammenhang stehen, unabhängig davon, wann der COVID‐19-Ausbruch in jedem einzelnen Mitgliedstaat eingetreten ist, gedeckt sind. Die nationalen Maßnahmen, deren Einklang mit den einschlägigen Grundrechtsprinzipien vorausgesetzt wird, sollten unmittelbar mit der Schaffung oder Ausweitung von Kurzarbeitsregelungen oder ähnlichen Maßnahmen, einschließlich für Selbstständige getroffene Maßnahmen, oder mit bestimmten gesundheitsbezogenen Maßnahmen in Verbindung stehen. Kurzarbeitsregelungen sind öffentliche Programme, die es in wirtschaftlichen Schwierigkeiten befindlichen Unternehmen unter bestimmten Umständen ermöglichen, die Zahl der Arbeitsstunden ihrer Mitarbeiter vorübergehend herabzusetzen, wobei diese für die nicht geleisteten Stunden eine Einkommensunterstützung der öffentlichen Hand erhalten.

Ähnliche Regelungen gibt es für Einkommensersatzleistungen für Selbstständige. Mitgliedstaaten, die finanziellen Beistand beantragen, sollten einen Nachweis für einen unvermittelten und heftigen Anstieg ihrer tatsächlichen und möglicherweise auch ihrer geplanten öffentlichen Ausgaben für Kurzarbeitsregelungen oder ähnliche Maßnahmen erbringen. Wird finanzieller Beistand für gesundheitsbezogene Maßnahmen gewährt, so sollte der Mitgliedstaat, der finanziellen Beistand beantragt, auch Nachweise für die tatsächlichen oder geplanten Ausgaben im Zusammenhang mit den entsprechenden gesundheitsbezogenen Maßnahmen vorlegen.

(8)

Um den betroffenen Mitgliedstaaten zu günstigen Bedingungen ausreichende Finanzmittel zur Bewältigung der Folgen des COVID‐19‐Ausbruchs für ihren Arbeitsmarkt zu verschaffen, sollten die Anleihe- und Darlehenstransaktionen der Union im Rahmen des Instruments ausreichend hoch sein. Der von der Union gewährte finanzielle Beistand in Form von Darlehen sollte deshalb über die internationalen Kapitalmärkte finanziert werden.

(9)

Der COVID‐19‐Ausbruch hat die Wirtschaftssysteme der Mitgliedstaaten massiv erschüttert. Er erfordert daher kollektive Beiträge durch Mitgliedstaaten in Form von Garantien, mit denen die Darlehen aus dem Unionshaushalt abgesichert werden. Solche Garantien sind notwendig, damit die Union zur Unterstützung von arbeitsmarktpolitischen Maßnahmen der am stärksten unter Druck stehenden Mitgliedstaaten Darlehen in ausreichender Höhe vergeben kann. Um zu gewährleisten, dass die Eventualverbindlichkeit aus diesen Darlehen mit dem geltenden mehrjährigen Finanzrahmen (MFR) und den Eigenmittelobergrenzen vereinbar ist, sollten die von den Mitgliedstaaten bereitgestellten Garantien unwiderruflich, nicht an Auflagen geknüpft und unmittelbar abrufbar sein, während die Robustheit des Systems durch zusätzliche Sicherungen erhöht werden sollte. Im Einklang mit dem komplementären Charakter solcher Garantien und unbeschadet ihrer unwiderruflichen, nicht an Auflagen geknüpften und unmittelbar abrufbaren Natur wird von der Kommission erwartet, dass sie den für Mittel für Zahlungen vorhandenen Spielraum vor Abruf der von den Mitgliedstaaten bereitgestellten Garantien bis zur Eigenmittelobergrenze in dem Umfang ausschöpft, wie er von der Kommission unter Berücksichtigung unter anderem der gesamten Eventualverbindlichkeiten der Union, einschließlich im Rahmen der gemäß der Verordnung (EG) Nr. 332/2002 des Rates (2) eingeführten Zahlungsbilanzfazilität, als tragfähig erachtet wird. Die Kommission sollte die Mitgliedstaaten im Rahmen des entsprechenden Abrufs der Garantien über den Umfang unterrichten, zu dem der vorhandene Spielraum ausgeschöpft wurde. Die Notwendigkeit der von den Mitgliedstaaten bereitgestellten Garantien kann überprüft werden, falls eine Einigung über eine geänderte Eigenmittelobergrenze erzielt wird.

(10)

Bei den zusätzlichen Sicherungen, die die Robustheit des Systems erhöhen sollen, sollte es sich um ein konservatives Finanzmanagement, eine Obergrenze für das jährliche Engagement und eine ausreichende Diversifizierung des Darlehensportfolios handeln.

(11)

Die im Rahmen des Instruments vergebenen Darlehen sollten finanziellen Beistand im Sinne von Artikel 220 der Verordnung (EU, Euratom) 2018/1046 darstellen. Nach Artikel 282 Absatz 3 Buchstabe g jener Verordnung wird Artikel 220 jener Verordnung für die im Rahmen des Instruments vergebenen Darlehen erst ab dem Zeitpunkt der Anwendung des MFR für die Zeit nach 2020 gelten. Für die Anleihe- und Darlehenstransaktionen im Rahmen des Instruments sollten die Anforderungen in Artikel 220 Absatz 5 der Verordnung (EU, Euratom) 2018/1046 allerdings ab Inkrafttreten der vorliegenden Verordnung gelten.

(12)

Damit die Eventualverbindlichkeit, die sich aus den im Rahmen dieses Instruments gewährten Darlehen ergibt, mit dem geltenden MFR und den Eigenmittelobergrenzen vereinbar ist, müssen prudentielle Regeln festgelegt werden, die auch die Möglichkeit einer Ablösung der im Namen der Union ausgegebenen Anleihen vorsehen.

(13)

Aufgrund ihrer besonderen finanziellen Auswirkungen erfordern Beschlüsse zur Gewährung eines finanziellen Beistands auf der Grundlage dieser Verordnung die Ausübung von Durchführungsbefugnissen, die dem Rat übertragen werden sollten. Bei der Entscheidung über die Höhe eines Darlehens sollte der Rat auf Vorschlag der Kommission den bestehenden und erwarteten Bedarf des um Beistand ersuchenden Mitgliedstaats sowie Anträge auf finanziellen Beistand nach dieser Verordnung, die von anderen Mitgliedstaaten bereits eingereicht wurden oder noch eingereicht werden sollen, unter Beachtung der Grundsätze der Gleichbehandlung, der Solidarität, der Verhältnismäßigkeit und der Transparenz und unter uneingeschränkter Achtung der Zuständigkeit der Mitgliedstaaten berücksichtigen.

(14)

In Artikel 143 Absatz 1 des Abkommens über den Austritt des Vereinigten Königreichs Großbritannien und Nordirland aus der Europäischen Union und der Europäischen Atomgemeinschaft (3) (im Folgenden "Austrittsabkommen") wird die Haftung des Vereinigten Königreichs für dessen Anteil an den Eventualverbindlichkeiten der Union auf diejenigen Eventualverbindlichkeiten der Union aus Finanzoperationen beschränkt, die die Union vor dem Datum des Inkrafttretens des Austrittsabkommens getätigt hat. Jede Eventualverbindlichkeit der Union aus einem im Rahmen dieser Verordnung gewährten finanziellen Beistand entstünde nach dem Datum des Inkrafttretens des Austrittsabkommens. Aus diesem Grund sollte sich das Vereinigte Königreich nicht am finanziellen Beistand im Rahmen dieser Verordnung beteiligen.

(15)

Da das Instrument zeitlich auf den Umgang mit dem COVID‐19-Ausbruch begrenzt ist, sollte die Kommission alle sechs Monate beurteilen, ob die außergewöhnlichen Umstände, die Grund für die gravierenden wirtschaftlichen Störungen in den Mitgliedstaaten sind, nach wie vor bestehen, und dem Rat hierüber Bericht erstatten. Im Einklang mit der Rechtsgrundlage für die Annahme dieser Verordnung sollte kein finanzieller Beistand nach dieser Verordnung mehr bereitgestellt werden, sobald die COVID‐19‐Notlage überwunden ist. Zu diesem Zweck ist es angemessen, die Verfügbarkeit des Instruments zeitlich zu begrenzen. Der Rat sollte die Befugnis erhalten, den Zeitraum der Verfügbarkeit des Instruments auf Vorschlag der Kommission zu verlängern, wenn die außergewöhnlichen Ereignisse, die die Anwendung dieser Verordnung rechtfertigen, weiterhin andauern.

(16)

Die Europäische Zentralbank legte ihre Stellungnahme am 8. Mai 2020 vor.

(17)

Angesichts der Folgen des COVID‐19‐Ausbruchs und der Notwendigkeit, diesen durch sofortige Maßnahmen zu begegnen, sollte diese Verordnung am Tag ihrer Veröffentlichung im Amtsblatt der Europäischen Union in Kraft treten —

HAT FOLGENDE VERORDNUNG ERLASSEN:

Artikel 1

Gegenstand und Anwendungsbereich

(1)   Um die Folgen des COVID-19-Ausbruchs und die sozioökonomischen Auswirkungen einzudämmen, schafft diese Verordnung das Europäische Instrument zur vorübergehenden Unterstützung bei der Minderung von Arbeitslosigkeitsrisiken in einer Notlage (SURE), (im Folgenden "Instrument").

(2)   In dieser Verordnung werden die Bedingungen und Verfahren festgelegt, nach denen die Union finanziellen Beistand leisten kann gegenüber einem Mitgliedstaat, der von einer durch den COVID‐19‐Ausbruch verursachten gravierenden wirtschaftlichen Störung betroffen oder von dieser ernstlich bedroht ist, in erster Linie für die Finanzierung von Kurzarbeitsregelungen oder ähnlichen Maßnahmen, die auf den Schutz von Beschäftigten und Selbstständigen abzielen und damit Arbeitslosigkeit und Einkommensverluste verringern, sowie ergänzend für die Finanzierung bestimmter gesundheitsbezogener Maßnahmen, insbesondere am Arbeitsplatz.

Artikel 2

Komplementarität des Instruments

Das Instrument soll die nationalen Maßnahmen der betroffenen Mitgliedstaaten ergänzen, indem die Mitgliedstaaten durch finanziellen Beistand dabei unterstützt werden, den unvermittelten und heftigen Anstieg ihrer tatsächlichen und möglicherweise auch ihrer geplanten öffentlichen Ausgaben zur Abmilderung der unmittelbaren wirtschaftlichen, sozialen und gesundheitsbezogenen Auswirkungen der durch den COVID‐19‐Ausbruch bedingten Ausnahmesituation zu bewältigen.

Artikel 3

Bedingungen für die Inanspruchnahme des Instruments

(1)   Ein Mitgliedstaat kann die Union um finanziellen Beistand nach dem Instrument (im Folgenden "finanzieller Beistand") ersuchen, wenn seine tatsächlichen und möglicherweise auch seine geplanten öffentlichen Ausgaben seit dem 1. Februar 2020 aufgrund nationaler Maßnahmen, die unmittelbar mit Kurzarbeitsregelungen und ähnlichen Maßnahmen zur Bewältigung der sozioökonomischen Auswirkungen der durch den COVID‐19‐Ausbruch bedingten Ausnahmesituation in Verbindung stehen, unvermittelt und heftig angestiegen sind.

(2)   Die begünstigten Mitgliedstaaten nutzen den finanziellen Beistand in erster Linie für ihre nationalen Kurzarbeitsregelungen oder ähnliche Maßnahmen sowie gegebenenfalls zur Unterstützung einschlägiger gesundheitsbezogener Maßnahmen.

Artikel 4

Form des finanziellen Beistands

Der finanzielle Beistand erfolgt in Form eines Darlehens, das dem betreffenden Mitgliedstaat von der Union gewährt wird. Zu diesem Zweck und gemäß einem nach Artikel 6 Absatz 1 gefassten Durchführungsbeschluss des Rates ist die Kommission befugt, zum günstigsten Zeitpunkt im Namen der Union Mittel an den Kapitalmärkten oder bei Finanzinstituten aufzunehmen, um die Finanzierungskosten zu optimieren und ihr Ansehen als Emittent der Union an den Märkten zu wahren.

Artikel 5

Obergrenze des finanziellen Beistands

Der finanzielle Beistand darf für alle Mitgliedstaaten zusammengenommen nicht über 100 000 000 000 EUR hinausgehen.

Artikel 6

Verfahren für die Beantragung finanziellen Beistands

(1)   Der finanzielle Beistand wird durch einen auf Vorschlag der Kommission gefassten Durchführungsbeschluss des Rates gewährt.

(2)   Bevor die Kommission dem Rat einen solchen Vorschlag unterbreitet, konsultiert sie unverzüglich den betreffenden Mitgliedstaat, um sicherzugehen, dass dessen tatsächliche und möglicherweise auch geplante öffentliche Ausgaben unvermittelt und heftig angestiegen sind und dies unmittelbar auf Kurzarbeitsregelungen und ähnliche Maßnahmen sowie gegebenenfalls auf einschlägige gesundheitsbezogene Maßnahmen zurückzuführen ist, die der um finanziellen Beistand ersuchende Mitgliedstaat aufgrund der durch den COVID‐19‐Ausbruch bedingten Ausnahmesituation getroffen hat. Zu diesem Zweck legt der betreffende Mitgliedstaat der Kommission ausreichende Nachweise vor. Die Kommission vergewissert sich ferner, dass die prudentiellen Regeln gemäß Artikel 9 eingehalten sind.

(3)   Der in Absatz 1 genannte Durchführungsbeschluss des Rates umfasst:

a)

die Höhe des Darlehens, die maximale durchschnittliche Laufzeit, die Preisformel, die maximale Zahl der Tranchen, den Zeitraum der Verfügbarkeit sowie die sonstigen für die Gewährung des finanziellen Beistands notwendigen detaillierten Regeln;

b)

eine Beurteilung, ob der Mitgliedstaat die in Artikel 3 genannten Bedingungen einhält; und

c)

eine Beschreibung der nationalen Kurzarbeitsregelungen oder ähnlichen Maßnahmen sowie gegebenenfalls der einschlägigen gesundheitsbezogenen Maßnahmen, für die finanzieller Beistand gewährt werden kann.

(4)   Bei der Annahme eines Durchführungsbeschlusses nach Absatz 1 berücksichtigt der Rat den bestehenden und erwarteten Bedarf des um Beistand ersuchenden Mitgliedstaats sowie die Anträge auf finanziellen Beistand nach dieser Verordnung, die von anderen Mitgliedstaaten bereits eingereicht wurden oder noch eingereicht werden sollen, und wendet dabei die Grundsätze der Gleichbehandlung, der Solidarität, der Verhältnismäßigkeit und der Transparenz an.

Artikel 7

Auszahlung des im Rahmen des Instruments vergebenen Darlehens

Das im Rahmen des Instruments vergebene Darlehen (im Folgenden "Darlehen") wird in Tranchen ausgezahlt.

Artikel 8

Anleihe- und Darlehenstransaktionen

(1)   Die Anleihe- und Darlehenstransaktionen im Rahmen des Instruments werden in Euro abgewickelt.

(2)   Die Darlehenskonditionen werden in einer Darlehensvereinbarung zwischen dem begünstigten Mitgliedstaat und der Kommission (im Folgenden "Darlehensvereinbarung") vereinbart. Solche Vereinbarungen müssen die in Artikel 220 Absatz 5 der Verordnung (EU, Euratom) 2018/1046 genannten Bestimmungen enthalten.

(3)   Auf Antrag des begünstigten Mitgliedstaats kann die Kommission, wenn die Umstände eine Verbesserung des Darlehenszinssatzes gestatten, eine Refinanzierung ihrer gesamten ursprünglichen Anleihen oder eines Teils derselben oder eine Neuregelung der Finanzierungsbedingungen vornehmen.

(4)   Der Wirtschafts- und Finanzausschuss ist über eine Refinanzierung oder Neuregelung nach Absatz 3 zu unterrichten.

Artikel 9

Prudentielle Regeln für das Darlehensportfolio

(1)   Der Anteil der Darlehen, die an die drei Mitgliedstaaten mit dem höchsten Darlehensanteil vergeben werden, darf nicht über 60 Prozent der in Artikel 5 genannten Obergrenze hinausgehen.

(2)   Die von der Union in einem Jahr zahlbaren Beträge dürfen nicht über 10 Prozent der in Artikel 5 genannten Obergrenze hinausgehen.

(3)   Erforderlichenfalls kann die Kommission die im Namen der Union begebenen zugehörigen Anleihen durch die erneute Begebung von Anleihen ablösen.

Artikel 10

Verwaltung der Darlehen

(1)   Die Kommission trifft mit der Europäischen Zentralbank die für die Verwaltung der Darlehen notwendigen Modalitäten.

(2)   Der begünstigte Mitgliedstaat eröffnet für die Verwaltung des erhaltenen finanziellen Beistands ein Sonderkonto bei seiner nationalen Zentralbank. Ferner überweist er die im Rahmen der Darlehensvereinbarung fälligen Tilgungs- und Zinszahlungen 20 TARGET2‐Geschäftstage vor dem entsprechenden Fälligkeitstermin auf ein Konto bei dem Europäischen System der Zentralbanken.

Artikel 11

Beiträge zu dem Instrument in Form von Garantien der Mitgliedstaaten

(1)   Die Mitgliedstaaten können zu dem Instrument beitragen, indem sie das von der Union eingegangene Risiko durch eine Rückgarantie absichern.

(2)   Die Beiträge der Mitgliedstaaten erfolgen in Form unwiderruflicher, nicht an Auflagen geknüpfter und unmittelbar abrufbarer Garantien.

(3)   Die Kommission schließt mit jedem beitragenden Mitgliedstaat eine Vereinbarung über in Absatz 2 genannte unwiderrufliche, nicht an Auflagen geknüpfte und unmittelbar abrufbare Garantien. In solchen Vereinbarungen werden die Zahlungsbedingungen festgelegt.

(4)   Der Abruf der von den Mitgliedstaaten bereitgestellten Garantien erfolgt anteilig zu dem in Artikel 12 Absatz 1 genannten relativen Anteil jedes Mitgliedstaats am Bruttonationaleinkommen der Union. Kommt ein Mitgliedstaat einem Abruf ganz oder teilweise nicht rechtzeitig nach, so hat die Kommission das Recht, zusätzliche Garantien anderer Mitgliedstaaten abzurufen, um den entsprechenden Anteil des betreffenden Mitgliedstaats abzudecken. Solche Abrufe erfolgen anteilig zu dem in Artikel 12 Absatz 1 genannten relativen Anteil jedes der anderen Mitgliedstaaten am Bruttonationaleinkommen der Union und werden ohne Berücksichtigung des relativen Anteils des betreffenden Mitgliedstaats angepasst. Der Mitgliedstaat, der dem Abruf nicht nachgekommen ist, bleibt weiterhin verpflichtet, diesem nachzukommen. Den anderen Mitgliedstaaten werden die zusätzlichen Beiträge aus den Beträgen, die die Kommission von dem betreffenden Mitgliedstaat beigetrieben hat, zurückerstattet. Die von einem Mitgliedstaat abgerufene Garantie ist unter allen Umständen auf den Gesamtbetrag der von diesem Mitgliedstaat im Rahmen der in Absatz 3 genannten Vereinbarung geleisteten Garantie begrenzt.

(5)   Bevor die Kommission die von den Mitgliedstaaten bereitgestellten Garantien abruft, wird von ihr nach eigenem Ermessen und in ihrer Verantwortung als Unionsorgan, das gemäß Artikel 317 AEUV mit der Ausführung des Gesamthaushaltsplans der Union betraut ist, erwartet, dass sie prüft, inwieweit der bis zur Eigenmittelobergrenze für Mittel für Zahlungen vorhandene Spielraum in dem Umfang ausgeschöpft werden kann, wie er von der Kommission unter Berücksichtigung unter anderem der gesamten Eventualverbindlichkeiten der Union, einschließlich der gemäß Verordnung (EG) Nr. 332/2002 eingeführten Zahlungsbilanzfazilität, und der Tragfähigkeit des Gesamthaushaltsplans der Union als tragfähig erachtet wird. Diese Prüfung berührt nicht den Charakter der unwiderruflichen, nicht an Auflagen geknüpften und unmittelbar abrufbaren Garantien, die nach Absatz 2 bereitgestellt werden. Beim Abruf der Garantien unterrichtet die Kommission die Mitgliedstaaten über den Umfang, zu dem der Spielraum ausgeschöpft worden ist.

(6)   Die sich aus dem Abruf von den in Absatz 2 genannten Garantien ergebenden Beträge stellen externe zweckgebundene Einnahmen für das Instrument gemäß Artikel 21 Absatz 5 der Verordnung (EU, Euratom) 2018/1046 dar.

Artikel 12

Verfügbarkeit des Instruments

(1)   Das Instrument steht erst zur Verfügung, wenn alle Mitgliedstaaten gemäß Artikel 11 einen Beitrag in Höhe von mindestens 25 Prozent der in Artikel 5 genannten Obergrenze zu dem Instrument geleistet haben und der relative Anteil des Beitrags eines jeden Mitgliedstaats an den Gesamtbeiträgen der Mitgliedstaaten dem relativen Anteil dieses Mitgliedstaats am Gesamtbruttonationaleinkommen der Union entspricht, wie es aus Teil A Tabelle 3 Spalte 1 ("Einleitung und Finanzierung des Gesamthaushaltsplans") im Einnahmenteil des Haushalts für 2020 hervorgeht, der in dem am 27. November 2019 angenommenen Gesamthaushaltsplan der Union für das Haushaltsjahr 2020 (4) festgelegt ist.

(2)   Die Kommission unterrichtet den Rat, sobald das Instrument zur Verfügung steht.

(3)   Der Zeitraum der Verfügbarkeit des Instruments, während dessen ein Beschluss nach Artikel 6 Absatz 1 gefasst werden kann, endet am 31. Dezember 2022.

(4)   Wenn die Kommission in ihrem in Artikel 14 genannten Bericht zu dem Schluss kommt, dass die durch den COVID‐19‐Ausbruch verursachte gravierende wirtschaftliche Störung, die sich auf die Finanzierung von in Artikel 1 genannten Maßnahmen auswirkt, weiterhin besteht, kann der Rat auf Vorschlag der Kommission beschließen, den Zeitraum der Verfügbarkeit des Instruments jeweils um einen weiteren Zeitraum von sechs Monaten zu verlängern.

Artikel 13

Kontrollen und Prüfungen

(1)   Die Darlehensvereinbarung enthält die notwendigen Bestimmungen über die in Artikel 220 Absatz 5 der Verordnung (EU, Euratom) 2018/1046 verlangten Kontrollen und Prüfungen.

(2)   Beruht ein gemäß Artikel 3 Absatz 1 eingereichter Antrag auf finanziellen Beistand ganz oder teilweise auf geplanten öffentlichen Ausgaben, unterrichtet der begünstigte Mitgliedstaat die Kommission alle sechs Monate über die Ausführung dieser geplanten öffentlichen Ausgaben.

Artikel 14

Berichterstattung

(1)   Binnen sechs Monaten nach dem Tag, an dem das Instrument gemäß Artikel 12 verfügbar wird, und anschließend im Rahmen von Artikel 250 der Verordnung (EU, Euratom) 2018/1046 alle sechs Monate übermittelt die Kommission dem Rat, dem Europäischen Parlament, dem Wirtschafts- und Finanzausschuss und dem Beschäftigungsausschuss einen Bericht über die Nutzung des finanziellen Beistands, einschließlich der ausstehenden Beträge und des geltenden Zeitplans für die Tilgung im Rahmen des Instruments, und den Fortbestand der außergewöhnlichen Ereignisse, die die Anwendung der vorliegenden Verordnung rechtfertigen.

(2)   Dem in Absatz 1 genannten Bericht wird, falls erforderlich, ein Vorschlag für einen Durchführungsbeschluss des Rates zur Verlängerung des Zeitraums der Verfügbarkeit des Instruments beigefügt.

Artikel 15

Anwendbarkeit

(1)   Diese Verordnung findet auf das Vereinigte Königreich oder im Vereinigten Königreich keine Anwendung.

(2)   Wird in dieser Verordnung auf die Mitgliedstaaten verwiesen, so schließt dies das Vereinigte Königreich nicht ein.

Artikel 16

Inkrafttreten

Diese Verordnung tritt am Tag ihrer Veröffentlichung im Amtsblatt der Europäischen Union in Kraft.

Diese Verordnung ist in allen ihren Teilen verbindlich und gilt unmittelbar in jedem Mitgliedstaat.

Geschehen zu Brüssel am 19. Mai 2020.

Im Namen des Rates

Der Präsident

G. GRLIĆ RADMAN


(1)  Verordnung (EU, Euratom) 2018/1046 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 18. Juli 2018 über die Haushaltsordnung für den Gesamthaushaltsplan der Union, zur Änderung der Verordnungen (EU) Nr. 1296/2013, (EU) Nr. 1301/2013, (EU) Nr. 1303/2013, (EU) Nr. 1304/2013, (EU) Nr. 1309/2013, (EU) Nr. 1316/2013, (EU) Nr. 223/2014, (EU) Nr. 283/2014 und des Beschlusses Nr. 541/2014/EU sowie zur Aufhebung der Verordnung (EU, Euratom) Nr. 966/2012 (ABl. L 193 vom 30.7.2018, S. 1).

(2)  Verordnung (EG) Nr. 332/2002 des Rates vom 18. Februar 2002 zur Einführung einer Fazilität des mittelfristigen finanziellen Beistands zur Stützung der Zahlungsbilanzen der Mitgliedstaaten (ABl. L 53 vom 23.2.2002, S. 1).

(3)  ABl. L 29 vom 31.1.2020, S. 7.

(4)  Endgültiger Erlass (EU, Euratom) 2020/227 des Gesamthaushaltsplans der Europäischen Union für das Haushaltsjahr 2020 (ABl. L 57 vom 27.2.2020, S. 1).


Top