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Document 32020H1743

    Empfehlung (EU) 2020/1743 der Kommission vom 18. November 2020 zum Einsatz von Antigen-Schnelltests für die Diagnose von SARS-CoV-2-Infektionen

    C/2020/8037

    ABl. L 392 vom 23.11.2020, p. 63–68 (BG, ES, CS, DA, DE, ET, EL, EN, FR, HR, IT, LV, LT, HU, MT, NL, PL, PT, RO, SK, SL, FI, SV)

    ELI: http://data.europa.eu/eli/reco/2020/1743/oj

    23.11.2020   

    DE

    Amtsblatt der Europäischen Union

    L 392/63


    EMPFEHLUNG (EU) 2020/1743 DER KOMMISSION

    vom 18. November 2020

    zum Einsatz von Antigen-Schnelltests für die Diagnose von SARS-CoV-2-Infektionen

    DIE EUROPÄISCHE KOMMISSION —

    gestützt auf den Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union, insbesondere auf Artikel 292,

    in Erwägung nachstehender Gründe:

    (1)

    Gemäß Artikel 168 Absatz 7 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union (1) fallen die Festlegung der Gesundheitspolitik sowie die Organisation des Gesundheitswesens und die medizinische Versorgung in die Zuständigkeit der Mitgliedstaaten. Somit sind die EU-Mitgliedstaaten dafür zuständig, unter Berücksichtigung der epidemiologischen und sozialen Lage in den Ländern sowie der Zielgruppen für die Tests über die Entwicklung und Umsetzung von COVID-19-Teststrategien, einschließlich des Einsatzes von Antigen-Schnelltests, zu entscheiden.

    (2)

    Die Zahl der SARS-CoV-2-Infektionen steigt weiter, was die medizinischen Fachkräfte, die COVID-19-Tests durchführen, sowie die mit deren Auswertung befassten Labors unter Druck setzt; die Folge sind längere Durchlaufzeiten zwischen Testanforderung und Testergebnis. Zudem hat der verbesserte Zugang zu COVID-19-Testzentren und -diensten gegenüber dem Frühjahr 2020, als Europa seine erste Pandemiewelle erlebte, zu Nachfragespitzen bei den Tests geführt, die häufig die verfügbaren Testkapazitäten übersteigen.

    (3)

    Die wissenschaftliche und technische Entwicklung schreitet stetig voran und ermöglicht neue Erkenntnisse über die Eigenschaften des Virus und die Möglichkeiten, unterschiedliche Methoden und Ansätze für die COVID-19-Diagnose zu nutzen. Derzeitiger „Goldstandard“ für die COVID-19-Diagnostik ist der RT-PCR-Test, der sowohl von der Weltgesundheitsorganisation (WHO) als auch vom Europäischen Zentrum für die Prävention und die Kontrolle von Krankheiten (ECDC) (2) als die zuverlässigste Methode zur Testung auf eine Infektion erachtet wird.

    (4)

    Nun kommt zunehmend eine neue Generation schnellerer, kostengünstigerer Tests auf den europäischen Markt: die sogenannten Antigen-Schnelltests, die das Vorhandensein von Virusproteinen (Antigenen) nachweisen, können zur Feststellung einer bestehenden Infektion genutzt werden. Die Datenbank „COVID-19 In Vitro Diagnostic Devices and Test Methods“ der Europäischen Kommission umfasst 72 Antigen-Schnelltests mit CE-Kennzeichnung. (3)

    (5)

    Der derzeit geltende Rechtsrahmen für das Inverkehrbringen von Antigen-Schnelltests ist die Richtlinie 98/79/EG des Europäischen Parlaments und des Rates (4). Gemäß der Richtlinie muss der Hersteller von SARS-CoV-2-Antigen-Schnelltests eine technische Dokumentation vorlegen, die eindeutig belegt, dass der Test sicher ist und wie vom Hersteller vorgesehen wirkt; hierzu ist die Einhaltung der Anforderungen des Anhangs I der Richtlinie nachzuweisen. Anschließend kann der Hersteller eine EG-Konformitätserklärung ausstellen und eine CE-Kennzeichnung an seinem Produkt anbringen. Mit Wirkung vom 26. Mai 2022 wird die Richtlinie durch die Verordnung (EU) 2017/746 des Europäischen Parlaments und des Rates (5) über In-vitro-Diagnostika ersetzt. Die Verordnung sieht für Antigen-Schnelltests strengere Anforderungen an deren Leistung und eine gründliche Bewertung durch eine benannte Stelle vor.

    (6)

    Im Einklang mit den Leitlinien der Kommission für In-vitro-Tests zur Diagnose von COVID-19 (6) wird in der Koordinierungsgruppe Medizinprodukte der zuständigen Behörden der Mitgliedstaaten daran gearbeitet, eine kohärente Anwendung des Rechtsrahmens für das Inverkehrbringen von Tests, einschließlich Leitlinien für Hersteller gemäß der Richtlinie 98/79/EG, zu erleichtern. Darüber hinaus beabsichtigt die Kommission, mit Unterstützung durch die Koordinierungsgruppe Medizinprodukte gemeinsame Spezifikationen für COVID-19-Tests, einschließlich Antigen-Schnelltests (7), gemäß der Verordnung (EU) 2017/746 zu entwickeln und anzunehmen.

    (7)

    Am 15. April 2020 hat die Kommission Leitlinien für In-vitro-Tests zur Diagnose von COVID-19 und deren Leistung (8) angenommen, die einen Überblick über die COVID-19-Tests bieten und Erwägungen zur Leistung der Tests umfassen. In diesen Leitlinien wird darauf hingewiesen, dass gemäß der Richtlinie 98/79/EG der Hersteller die vorgesehene Zweckbestimmung des Produkts angeben muss und das Produkt so auszulegen und herzustellen ist, dass es für diese festgelegte Zweckbestimmung geeignet ist, einschließlich der vorgesehenen Anwender und klinischer Aspekte wie der Zielpopulation. Der Hersteller muss außerdem die Leistungsdaten des Produkts angeben, die dessen Zweckbestimmung entsprechen müssen. Die dem Produkt beigefügten Informationen müssen dem Schulungs- und Kenntnisstand der potenziellen Anwender Rechnung tragen.

    (8)

    Die WHO hat am 11. September 2020 vorläufige Leitlinien für den Einsatz von Antigen-Schnelltests zum Nachweis von COVID-19 (9) veröffentlicht, mit denen sie den Ländern im Hinblick auf die potenzielle Bedeutung solcher Tests und die Notwendigkeit einer sorgfältigen Testauswahl Hilfestellung leisten will. Wie die WHO betont, können die Antigen-Schnelltests zwar in einer Reihe von Situationen und Szenarien bei der Diagnose von SARS-CoV-2-Infektionen hilfreich sein, doch ist ihre klinische Leistung noch nicht optimal, weshalb Vorsicht geboten ist.

    (9)

    Unter den vorhandenen Modellen empfiehlt die WHO den Einsatz von Antigen-Schnelltests, die die Mindestleistungsanforderungen von ≥ 80 % Sensitivität und ≥ 97 % Spezifität erfüllen, und diese sollten insbesondere dann eingesetzt werden, wenn die Verfügbarkeit von RT-PCR-Tests vorübergehend eingeschränkt ist oder der klinische Nutzen aufgrund längerer Durchlaufzeiten entfällt. Der Einsatz von Antigen-Schnelltests bietet die Möglichkeit einer raschen Identifizierung derjenigen Personen, von denen das größte Risiko einer Verbreitung der Infektion ausgeht, insbesondere bei hohen Übertragungsraten innerhalb einer Gruppe.

    (10)

    Das ECDC hat Leitlinien zu geeigneten SARS-CoV-2-Teststrategien bereitgestellt, mit denen in verschiedenen epidemiologischen Situationen spezifische Ziele im Bereich der öffentlichen Gesundheit erreicht werden sollen. (10) Diese Leitlinien bilden den Rahmen, in dem Tests auf eine Infektion mit SARS-CoV-2 entscheidend dazu beitragen, zuverlässige Überwachungsdaten zu generieren, die Übertragung innerhalb von Gruppen zu kontrollieren, die Übertragung in einem Umfeld mit hohem Risiko zu verhindern und die Wiedereinschleppung des Virus in Gruppen, die eine dauerhafte Übertragungskontrolle erreicht haben, zu begrenzen.

    (11)

    Die meisten zurzeit verfügbaren Antigen-Schnelltests weisen gegenüber RT-PCR-Tests eine geringere Sensitivität auf. In den ECDC-Leitlinien (11) für den Einsatz von Antigen-Schnelltests werden die Eignung verschiedener Teststrategien in unterschiedlichen epidemiologischen Zusammenhängen und Situationen sowie die erwartete klinische Leistung auf der Grundlage derzeit verfügbarer Erkenntnisse festgelegt. Bislang belegen klinische Bewertungen von Antigen-Schnelltests im Vergleich mit dem als Goldstandard geltenden RT-PCR-Test eine Sensitivität von 29 % bis 93,9 % und eine Spezifität von 80,2 % bis 100 %. Die Sensitivität von Antigen-Schnelltests nimmt zu, wenn diese in Populationen, die bereits seit bis zu 5 Tagen Symptome aufweisen, angewandt und Proben mit hoher Viruslast getestet werden.

    (12)

    Antigen-Schnelltests können jedoch einen erheblichen Vorteil gegenüber RT-PCR-Tests bieten, was die geringere Komplexität der benötigten Ausrüstung, den geringeren Bedarf an hochqualifizierten Anwendern, den Preis und die Zeitnähe der Ergebnisse anbelangt, da sie von den Gesundheitsdiensten leicht anzuwenden sind und schnelle Ergebnisse liefern, was auch dazu beitragen wird, den Druck auf die Gesundheitssysteme zu verringern. So wird beispielsweise bei der gezielten Testung einer ganzen Population das Risiko, nicht alle Fälle festzustellen oder falsch negative Ergebnisse zu erhalten, durch die Zeitnähe der Ergebnisse und die Möglichkeit wiederholter Tests bei anfänglich negativen Personen ausgeglichen. Der prädiktive Wert eines positiven oder negativen Testergebnisses hängt von der Testleistung und der Infektionsprävalenz in der getesteten Population ab. Bei der Interpretation der Ergebnisse von Antigen-Schnelltests sollten diese Elemente daher gebührende Berücksichtigung finden.

    (13)

    Hinsichtlich des möglichen Einsatzes von Antigentests bei asymptomatischen Personen ist anzumerken, dass bislang nur sehr wenige Daten zur Leistung von Antigen-Schnelltests in diesem Kontext vorliegen. Außerdem werden in den Herstelleranweisungen zu den derzeit verfügbaren Antigen-Schnelltests asymptomatische Personen nicht als Zielpopulation aufgeführt.

    (14)

    Die Möglichkeit des Einsatzes von Antigen-Schnelltests bei Reisenden könnte unter Berücksichtigung der jüngsten wissenschaftlichen und technologischen Entwicklungen entsprechend der epidemiologischen Lage weiter in Erwägung gezogen werden. So entwickeln das ECDC und die Agentur der Europäischen Union für Flugsicherheit (EASA), wie in der Empfehlung der Kommission vom 28. Oktober 2020 zu COVID-19-Teststrategien angekündigt, gemeinsam ein Protokoll für sicherere Flugreisen, einschließlich eines gemeinsamen Testkonzepts für Flughäfen.

    (15)

    Eine wichtige Stelle für die Koordinierung bei Gesundheitskrisen, die von unionsweiter Bedeutung sind, ist der Gesundheitssicherheitsausschuss. Seine Aufgabe besteht darin, die Koordinierung und den Austausch bewährter Verfahren und Informationen im Bereich der Vorsorge- und Reaktionsplanung auf nationaler Ebene zu intensivieren. Der Einsatz von Antigen-Schnelltests wird bereits seit Anfang September 2020 diskutiert. Mehrere Mitgliedstaaten haben mit dem Einsatz von Antigen-Schnelltests begonnen und nutzen diese im Rahmen ihrer nationalen COVID-19-Teststrategien. Darüber hinaus führt die Mehrheit der Mitgliedstaaten derzeit Validierungsstudien oder Pilotprojekte zur Bewertung der klinischen Leistung von Antigen-Schnelltests unter bestimmten Bedingungen und in Bezug auf die Diagnose von SARS-CoV-2-Infektionen in bestimmten Zielpopulationen durch.

    (16)

    Die Empfehlung der Kommission vom 28. Oktober 2020 zu den COVID-19-Teststrategien, einschließlich des Einsatzes von Antigen-Schnelltests (12), bietet den Ländern eine Orientierungshilfe zu den wichtigsten Elementen, die bei nationalen, regionalen oder lokalen Teststrategien zu berücksichtigen sind. Die darin enthaltenen Empfehlungen legen den Schwerpunkt insbesondere auf den Umfang der COVID-19-Teststrategien, die als prioritär zu erachtenden Gruppen und die zu berücksichtigenden konkreten Situationen, und sie behandeln wesentliche Punkte, die mit den Kapazitäten und Ressourcen für die Tests zusammenhängen.

    (17)

    Empfohlen wird außerdem, dass sich die Mitgliedstaaten auf Kriterien für die Auswahl von Antigen-Schnelltests einigen, insbesondere solche Kriterien, die deren klinische Leistung betreffen wie Sensitivität und Spezifität, und eine Übereinkunft darüber erzielen, bei welchen Szenarien und in welchen Situationen der Einsatz von Antigen-Schnelltests sinnvoll ist, beispielsweise im Fall einer hohen Übertragungsrate innerhalb einer Gruppe.

    (18)

    Des Weiteren hat die Kommission in der Empfehlung ihre Absicht bekräftigt, gemeinsam mit den Mitgliedstaaten einen Rahmen für die Evaluierung, Zulassung und gegenseitige Anerkennung von Schnelltests sowie für die gegenseitige Anerkennung der Testergebnisse zu erarbeiten; hierzu soll die vorliegende Empfehlung einen Beitrag leisten.

    (19)

    Die Wirtschaftsakteure müssen die Anforderungen der geltenden EU-Rechtsvorschriften erfüllen. Durch die Erfüllung dieser Anforderungen und das Anbringen der CE-Kennzeichnung an einem Produkt erklärt ein Hersteller, dass sein Produkt alle rechtlichen Anforderungen an die CE-Kennzeichnung erfüllt und im gesamten EWR verkauft werden darf. Die Mitgliedstaaten haben die Möglichkeit, die Verfügbarkeit bestimmter Produkte zu beschränken, wenn sie der Auffassung sind, dass dies aus Gründen des Gesundheitsschutzes und der Sicherheit oder im Interesse der öffentlichen Gesundheit erforderlich ist. (13) Die Wahl der Tests auf nationaler Ebene hängt von der Verfügbarkeit der Tests und von den angewandten nationalen Teststrategien ab, beispielsweise davon, zu welchem Zweck und in welchen Kombinationen die Tests eingesetzt werden sollen, sowie davon, welches Leistungsniveau angesichts der epidemiologischen und klinischen Situation des betreffenden Mitgliedstaats, der betreffenden Region, der betreffenden Gesundheitseinrichtung oder der betreffenden Patientengruppe akzeptabel ist. Die Zusammenarbeit auf EU-Ebene bei der Bewertung der Erkenntnisse aus dem Einsatz dieser Tests in der klinischen Praxis, auch im Rahmen der Gemeinsamen Aktion des EUnetHTA, kann einen wichtigen Beitrag zu den nationalen Strategien leisten.

    (20)

    Wirksamen Tests kommt im Hinblick auf das reibungslose Funktionieren des Binnenmarktes eine Schlüsselrolle zu, da sie gezielte Isolierungs- oder Quarantänemaßnahmen möglich machen. Die gegenseitige Anerkennung von Antigen-Schnelltests würde es ermöglichen, im Einklang mit der Empfehlung (EU) 2020/1475 des Rates (14) für eine koordinierte Vorgehensweise bei der Beschränkung der Freizügigkeit aufgrund der COVID-19-Pandemie Beschränkungen der Freizügigkeit zu begrenzen.

    (21)

    Die Gesundheitsdienste der Mitgliedstaaten sollten die Ergebnisse von Antigen-Schnelltests gemäß den Leitlinien der vorliegenden Empfehlung gegenseitig anerkennen. Zur Förderung der gegenseitigen Anerkennung sollten die Mitgliedstaaten ihre gemeinsamen Diskussionen über nationale Teststrategien, insbesondere im Gesundheitssicherheitsausschuss, fortsetzen; hierbei sollten sie den Input des ECDC und anderer einschlägiger Kooperationsbemühungen, zum Beispiel der Gemeinsamen Aktion des EUnetHTA, berücksichtigen.

    (22)

    Die Zusammenarbeit der EU im Bereich der Bewertung von Gesundheitstechnologien (Health Technology Assessment, HTA) hat sich für die nationalen HTA-Behörden als hilfreich erwiesen, da sie zur Entwicklung von Leitlinien im Zusammenhang mit SARS-CoV-2, einschließlich des Einsatzes von Antigentests, geführt hat. Die Kommission hat vorgeschlagen, die Zusammenarbeit im Bereich der HTA auf EU-Ebene weiter zu intensivieren. (15) Die Anwendung eines EU-weiten HTA-Rahmens wäre ein wichtiges Instrument für die Zusammenarbeit, die Bündelung von Ressourcen, den Austausch von Fachwissen und die Bereitstellung von Nachweisen, die für fundierte Entscheidungen, auch über den Einsatz von Antigentests, unerlässlich sind.

    (23)

    Um den Mitgliedstaaten zusätzliche Unterstützung bei der Einführung von Antigen-Schnelltests zu leisten, hat die Kommission außerdem über das Europäische Soforthilfeinstrument 100 Mio. EUR für den Erwerb von Antigen-Schnelltests und deren Verteilung an die Mitgliedstaaten vorgesehen. Des Weiteren hat die Kommission ein gemeinsames Beschaffungsverfahren mit den Mitgliedstaaten eingeleitet, um den fairen und gleichberechtigten Zugang zu Antigen-Schnelltests zu erleichtern.

    (24)

    Diese Empfehlung stützt sich auf die neuesten Leitlinien des ECDC und der WHO. Sie kann angesichts neuer wissenschaftlicher Erkenntnisse, jüngster technologischer Entwicklungen und einer sich ändernden epidemiologischen Lage aktualisiert werden —

    HAT FOLGENDE EMPFEHLUNG ABGEGEBEN:

    1.   ZWECK DER EMPFEHLUNG

    (1)

    Diese Empfehlung enthält Leitlinien für die Mitgliedstaaten in Bezug auf den Einsatz von Antigen-Schnelltests zum Nachweis von SARS-CoV-2-Infektionen, wobei die Empfehlung vom 28. Oktober zu den COVID-19-Teststrategien als Grundlage dient.

    (2)

    Den Mitgliedstaaten wird empfohlen, in genau definierten Situationen, in denen der Einsatz von Antigentests sinnvoll ist, Antigen-Schnelltests zusätzlich zu RT-PCR-Tests durchzuführen, um die Verbreitung des Coronavirus einzudämmen, SARS-CoV-2-Infektionen festzustellen sowie Isolierungs- und Quarantänemaßnahmen zu begrenzen.

    (3)

    Die vorliegende Empfehlung trägt auch dazu bei, in Zeiten begrenzter Testkapazitäten den freien Personenverkehr und das reibungslose Funktionieren des Binnenmarkts zu gewährleisten.

    (4)

    Die Empfehlung legt den Schwerpunkt insbesondere darauf, welche Kriterien für die Auswahl von Antigen-Schnelltests gelten sollten, unter welchen Bedingungen der Einsatz von Antigen-Schnelltests sinnvoll ist und wer die Tests durchführen sollte, sowie auf die Validierung und die gegenseitige Anerkennung dieser Tests und ihrer Ergebnisse.

    2.   AUSWAHLKRITERIEN FÜR ANTIGEN-SCHNELLTESTS

    (5)

    Die Mitgliedstaaten sollten anstreben, Antigen-Schnelltests mit einer akzeptablen Testleistung, d. h. ≥ 80 % Sensitivität und ≥ 97 % Spezifität, einzusetzen, um möglichst viele falsch negative und falsch positive Testergebnisse zu vermeiden.

    (6)

    Antigen-Schnelltests sollten von geschulten medizinischen Fachkräften oder gegebenenfalls anderen geschulten Anwendern nach den Anweisungen des Herstellers durchgeführt werden. Ein kritischer, häufig vernachlässigter Aspekt ist die Probenahme. Außerdem sollten Protokolle für eine effiziente Probenahme und -handhabung zur Verfügung stehen.

    (7)

    Antigen-Schnelltests sollten innerhalb von fünf Tagen nach Auftreten der Symptome oder innerhalb von sieben Tagen nach der Exposition gegenüber einem bestätigten COVID-19-Fall durchgeführt werden.

    (8)

    Bevor sie den Einsatz von Antigen-Schnelltests genehmigen, sollten die Mitgliedstaaten dafür Sorge tragen, dass solche Tests mit einer CE-Kennzeichnung (16) versehen sind, und vor deren Einsatz in der klinischen Praxis sicherstellen, dass diese Tests — gemäß der vorliegenden Empfehlung — anhand der Standard-RT-PCR-Tests in der vorgesehenen Zielpopulation und unter den vorgesehenen Bedingungen validiert wurden.

    3.   EMPFOHLENE BEDINGUNGEN FÜR DEN EINSATZ VON ANTIGENTESTS

    (9)

    Wenn die Verfügbarkeit von RT-PCR-Tests vorübergehend begrenzt ist, kann der Einsatz von Antigen-Schnelltests bei Personen mit COVID-19-kompatiblen Symptomen in solchen Situationen in Erwägung gezogen werden, in denen der Anteil der Testpositivität hoch oder sehr hoch ist, etwa ≥ 10 %.

    (10)

    Der Einsatz von Antigen-Schnelltests kann empfohlen werden, um Personen — unabhängig davon, ob sie Symptome aufweisen — in Situationen zu testen, in denen der Anteil der Testpositivität voraussichtlich ≥ 10 % beträgt, z. B. im Zusammenhang mit der Kontaktnachverfolgung und der Untersuchung von Ausbrüchen.

    (11)

    Um die Auswirkungen von COVID-19 auf Gesundheits- und Pflegeeinrichtungen abzufedern, sollte der Einsatz von Antigen-Schnelltests beim Zutritt zu Gesundheitseinrichtungen sowie für die Triage symptomatischer Patient(inn)en oder Bewohner(innen) (bis zu fünf Tage nach Auftreten der Symptome), auch für die Einweisung von Patient(inn)en in Isolierstationen, erwogen werden.

    (12)

    Der Einsatz von Antigen-Schnelltests sollte darüber hinaus für einen zielgerichteten, populationsweiten Testansatz in Betracht gezogen werden, z. B. in lokalen Gemeinschaften und anderen Umgebungen mit hoher Prävalenz sowie im Kontext restriktiver Maßnahmen, um Personen mit hohem Übertragungspotenzial innerhalb einer Gruppe zu ermitteln und so den Druck auf die Gesundheitseinrichtungen zu verringern. In diesem Fall wird das Risiko, nicht alle Fälle festzustellen oder falsch negative Ergebnisse zu erhalten, durch die Zeitnähe der Ergebnisse und die Möglichkeit wiederholter Tests bei anfänglich negativen Personen ausgeglichen. Ein Bestätigungstest ermöglicht die weitere Untermauerung der Diagnose, wie in dieser Empfehlung dargelegt.

    (13)

    Bei hoher Prävalenz und/oder begrenzten RT-PCR-Testkapazitäten zur Ermittlung von Personen mit hohem Übertragungspotenzial sollte der Einsatz von Antigen-Schnelltests für die wiederholte Testung (z. B. alle 2-3 Tage) in Erwägung gezogen werden, und zwar bei Personal von Gesundheitseinrichtungen, in der häuslichen Pflege, von Sozial- und Langzeitpflegeeinrichtungen und geschlossenen Einrichtungen (z. B. Haftanstalten oder Aufnahmeeinrichtungen für Asylbewerber(innen) und Migrant(inn)en) sowie bei exponierten Beschäftigten in anderen relevanten Bereichen und Umgebungen (z. B. Fleischverarbeitungsbetriebe und Schlachthöfe).

    (14)

    Bei geringer Prävalenz sollte sich der Einsatz von Antigen-Schnelltests auf Situationen konzentrieren, in denen eine rasche Ermittlung infizierter Personen zur Bewältigung von Ausbrüchen und zur regelmäßigen Überwachung von (Hoch-) Risikogruppen wie medizinischem Personal oder Menschen in Langzeitpflegeeinrichtungen beiträgt. In solchen Situationen ist eine Bewertung des Risikos infolge nicht erkannter positiver Fälle und des Risikos der Verhängung von Isolierungs- und Quarantänemaßnahmen aufgrund falsch positiv erkannter Fälle vorzunehmen. Dieses Problem könnte durch einen Bestätigungstest beseitigt werden.

    (15)

    Wird in einer Population mit hoher Infektionsprävalenz ein Antigen-Schnelltest durchgeführt, so sollten negative Ergebnisse entweder durch einen RT-PCR-Test oder einen nochmaligen Antigen-Schnelltest bestätigt werden. Wird in einer Population mit geringer Infektionsprävalenz ein Antigen-Schnelltest durchgeführt, so sollten positive Ergebnisse entweder durch einen RT-PCR-Test oder einen nochmaligen Antigen-Schnelltest bestätigt werden. In beiden Fällen sind Durchführung und Wahl des Bestätigungstests von der Tolerierbarkeit des Risikos abhängig, das mit nicht erkannten positiven Fällen oder mit falsch positiv erkannten Fällen einhergeht.

    4.   TESTKAPAZITÄTEN UND -RESSOURCEN

    (16)

    Abgesehen von den vorstehenden Erwägungen hängt die Wahl eines bestimmten Diagnosetests auch von den vorhandenen Testkapazitäten ab. Kommt es zu Engpässen bei RT-PCR-Assays oder beträgt die Durchlaufzeit dieser Tests mehr als 24 Stunden, so kann die Wahl eines Antigen-Schnelltests, je nach dem vorgesehenen Zweck und der Tolerierbarkeit des mit den Leistungseinschränkungen dieses Tests verbundenen Risikos, gerechtfertigt sein.

    (17)

    Für die Probenahmen, Tests, Analysen und Meldung der Testergebnisse an das klinische Personal und die Gesundheitsbehörden auf lokaler, regionaler, nationaler und internationaler Ebene bedarf es geschulter medizinischer Fachkräfte und Laborkräfte. Die Herstelleranweisungen für die Probenahme, die sichere Handhabung, die Verwendung und die Entsorgung sind genau zu befolgen, auch was die Art der Proben und den vorgesehenen Zweck angeht. Bei der Probenahme, Handhabung und Verarbeitung der Proben müssen geeignete Biosicherheitsmaßnahmen getroffen werden. Die Mitgliedstaaten haben ausreichende Kapazitäten und Ressourcen für Probenahmen, Tests und Berichterstattung sicherzustellen. Um diese Kapazitäten zu gewährleisten, könnte es erforderlich sein, neben dem Gesundheitspersonal weitere Personen entsprechend zu schulen.

    (18)

    Medizinische Laboratorien, vor allem diejenigen Laboratorien, die zum EU-Netz gehören und von nationalen Stellen der Mitgliedstaaten auf Grundlage der harmonisierten Norm EN ISO 15189 „Medizinische Laboratorien — Anforderungen an Qualität und Kompetenz“ sowie möglicherweise weiterer Normen und Anforderungen akkreditiert wurden, erfüllen hohe Qualitätsanforderungen und könnten eine aktive Rolle beim Einsatz von Antigen-Schnelltests spielen. Die Akkreditierung gewährleistet auch, dass diese Laboratorien regelmäßig kontrolliert werden und den nötigen Qualitäts- und Kompetenzanforderungen entsprechen.

    (19)

    Wenn gegebenenfalls Antigen-Schnelltests eingesetzt werden, müssen Kapazitäten für RT-PCR-Bestätigungstests vorhanden sein.

    5.   VALIDIERUNG UND GEGENSEITIGE ANERKENNUNG

    (20)

    Die Mitgliedstaaten sollten für unabhängige Validierungen von Antigen-Schnelltests die vom ECDC entwickelten technischen Leitlinien (17) für den Einsatz von Antigen-Schnelltests zur Diagnose von COVID-19, insbesondere für die klinische Validierung dieser Tests, verwenden, um die Zuverlässigkeit und Vergleichbarkeit der Ergebnisse zu gewährleisten.

    (21)

    Die Überlegungen zu Validierungen von Antigen-Schnelltests, wie in den technischen Leitlinien des ECDC beschrieben, betreffen unter anderem Aspekte der Validierung von Tests unter ihrem Verwendungszweck ähnlichen Bedingungen, die Befolgung der Herstelleranweisungen, den Vergleich mit dem aktuellen Goldstandard RT-PCR, Elemente retrospektiver Ansätze und die Kategorisierung von Proben.

    (22)

    Die Mitgliedstaaten sollten dem ECDC und der Kommission, sobald verfügbar, ihre Validierungsergebnisse und die entsprechenden Teststrategien je nach Verwendungszweck mitteilen und diese so weit wie möglich mit denen der anderen Mitgliedstaaten in Einklang bringen; außerdem sollten sie alle etwaigen weiteren Informationen über Ergebnisse von Validierungsstudien zu Antigen-Schnelltests übermitteln, die unabhängig von Studien seitens der Testentwickler und -hersteller durchgeführt werden. Die Teststrategien sollten den neuen Informationen, die sich aus diesen Validierungsstudien ergeben, laufend Rechnung tragen und falls nötig entsprechend anpasst werden.

    (23)

    Die Kommission wird die bestehende Datenbank für COVID-19-Diagnosetests („COVID-19 In Vitro Diagnostic Devices and Test Methods“) um Informationen über Antigen-Schnelltests und die Ergebnisse von Validierungsstudien erweitern und sie laufend auf dem neuesten Stand halten.

    (24)

    Das ECDC wird in Zusammenarbeit mit den Kommissionsdienststellen und den Mitgliedstaaten die Validierung vorhandener und künftiger Arten von Schnelltests (z. B. mit unterschiedlichen Messtechniken oder Proben wie etwa Speichel) priorisieren und koordinieren, um die effiziente Einführung neuer Tests, die den erforderlichen Leistungskriterien genügen, in die Praxis zu erleichtern und den Druck auf die Test- und Gesundheitssysteme zu verringern.

    (25)

    Die Kommission wird die gemeinsame Arbeit und den Informationsaustausch zwischen den Mitgliedstaaten über auf nationaler Ebene durchgeführte Bewertungen von Gesundheitstechnologien bezüglich Antigen-Schnelltests erleichtern.

    (26)

    Die gegenseitige Anerkennung von Testergebnissen gemäß Nummer 18 der Empfehlung (EU) 2020/1475 ist für die Erleichterung des grenzüberschreitenden Verkehrs, der grenzüberschreitenden Kontaktnachverfolgung und der grenzüberschreitenden Behandlung erkrankter Personen von wesentlicher Bedeutung. Ergebnisse von Tests, die auf nationaler Ebene von einem Mitgliedstaat validiert wurden und den in dieser Empfehlung genannten Kriterien in Bezug auf Sensitivität und Spezifität entsprechen, sollten von den anderen Mitgliedstaaten anerkannt werden.

    Brüssel, den 18. November 2020

    Für die Kommission

    Stella KYRIAKIDES

    Mitglied der Kommission


    (1)  https://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/TXT/PDF/?uri=CELEX:12012E/TXT&from=DE

    (2)  https://www.ecdc.europa.eu/sites/default/files/documents/TestingStrategy_Objective-Sept-2020.pdf

    (3)  Stand vom 12. November 2020, https://covid-19-diagnostics.jrc.ec.europa.eu/devices?marking=Yes&principle=ImmunoAssay-Antigen&format=Rapid+diagnostic+test&manufacturer=&text_name=#form_content

    (4)  Richtlinie 98/79/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 27. Oktober 1998 über In-vitro-Diagnostika (ABl. L 331 vom 7.12.1998, S. 1).

    (5)  Verordnung (EU) 2017/746 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 5. April 2017 über In-vitro-Diagnostika und zur Aufhebung der Richtlinie 98/79/EG und des Beschlusses 2010/227/EU der Kommission (ABl. L 117 vom 5.5.2017, S. 176). Gemäß der Verordnung gilt eine mit ihrem Inkrafttreten (Mai 2017) beginnende Übergangszeit, während der die Konformität von In-vitro-Diagnostika entweder noch nach der Richtlinie 98/79/EG oder bereits nach der Verordnung bewertet werden kann.

    (6)  Mitteilung der Kommission „Leitlinien für In-vitro-Tests zur Diagnose von COVID-19 und deren Leistung“ (2020/C 122 I/01) (ABl. C 122 I vom 15.4.2020, S. 1).

    (7)  Diese gemeinsamen Spezifikationen können vor Geltungsbeginn der Verordnung (EU) 2017/746, d. h. vor dem 26. Mai 2022, auf freiwilliger Basis angewandt werden.

    (8)  Mitteilung der Kommission „Leitlinien für In-vitro-Tests zur Diagnose von COVID-19 und deren Leistung“ (2020/C 122 I/01) (ABl. C 122 I vom 15.4.2020, S. 1).

    (9)  https://apps.who.int/iris/bitstream/handle/10665/334253/WHO-2019-nCoV-Antigen_Detection-2020.1-eng.pdf?sequence=1&isAllowed=y

    (10)  ECDC. COVID-19 testing strategies and objectives. Veröffentlicht am 17. September 2020. Abrufbar unter https://www.ecdc.europa.eu/en/publications-data/covid-19-testing-strategies-and-objectives

    (11)  Guidance on a common validation protocol for rapid antigen tests, ECDC, Veröffentlichung am 18. November 2020 vorgesehen.

    (12)  C(2020) 7502.

    (13)  Artikel 8 und 13 der Richtlinie 98/79/EG.

    (14)  Empfehlung (EU) 2020/1475 des Rates vom 13. Oktober 2020 für eine koordinierte Vorgehensweise bei der Beschränkung der Freizügigkeit aufgrund der COVID-19-Pandemie (ABl. L 337 vom 14.10.2020, S. 3).

    (15)  Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates über die Bewertung von Gesundheitstechnologien und zur Änderung der Richtlinie 2011/24/EU (COM(2018) 51 final).

    (16)  Alle von den Mitgliedstaaten eingesetzten Antigen-Schnelltests sollten mit einer CE-Kennzeichnung versehen sein, ausgenommen die in Artikel 1 Absatz 5 der Richtlinie 98/79/EG genannten Produkte.

    (17)  ECDC technical guidance, Options for the use of rapid antigen tests for COVID-19, veröffentlicht am 18. November 2020.


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