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Document 32019H0905(19)

Empfehlung des Rates vom 9. Juli 2019 zum nationalen Reformprogramm der Niederlande 2019 mit einer Stellungnahme des Rates zum Stabilitätsprogramm der Niederlande 2019

ST/10172/2019/INIT

ABl. C 301 vom 5.9.2019, p. 112–116 (BG, ES, CS, DA, DE, ET, EL, EN, FR, HR, IT, LV, LT, HU, MT, NL, PL, PT, RO, SK, SL, FI, SV)

5.9.2019   

DE

Amtsblatt der Europäischen Union

C 301/112


EMPFEHLUNG DES RATES

vom 9. Juli 2019

zum nationalen Reformprogramm der Niederlande 2019 mit einer Stellungnahme des Rates zum Stabilitätsprogramm der Niederlande 2019

(2019/C 301/19)

DER RAT DER EUROPÄISCHEN UNION —

gestützt auf den Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union, insbesondere auf Artikel 121 Absatz 2 und Artikel 148 Absatz 4,

gestützt auf die Verordnung (EG) Nr. 1466/97 des Rates vom 7. Juli 1997 über den Ausbau der haushaltspolitischen Überwachung und der Überwachung und Koordinierung der Wirtschaftspolitiken (1), insbesondere auf Artikel 5 Absatz 2,

gestützt auf die Verordnung (EU) Nr. 1176/2011 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. November 2011 über die Vermeidung und Korrektur makroökonomischer Ungleichgewichte (2), insbesondere auf Artikel 6 Absatz 1,

auf Empfehlung der Europäischen Kommission,

unter Berücksichtigung der Entschließungen des Europäischen Parlaments,

unter Berücksichtigung der Schlussfolgerungen des Europäischen Rates,

nach Stellungnahme des Beschäftigungsausschusses,

nach Stellungnahme des Wirtschafts- und Finanzausschusses,

nach Stellungnahme des Ausschusses für Sozialschutz,

nach Stellungnahme des Ausschusses für Wirtschaftspolitik,

in Erwägung nachstehender Gründe:

(1)

Am 21. November 2018 hat die Kommission den Jahreswachstumsbericht angenommen, womit das Europäische Semester für die wirtschaftspolitische Koordinierung 2019 eingeleitet wurde. Dabei wurde der europäischen Säule sozialer Rechte, die am 17. November 2017 vom Europäischen Parlament, vom Rat und von der Kommission proklamiert wurde, gebührend Rechnung getragen. Die Prioritäten des Jahreswachstumsberichts wurden am 21. März 2019 vom Europäischen Rat gebilligt. Am 21. November 2018 nahm die Kommission auf der Grundlage der Verordnung (EU) Nr. 1176/2011 auch den Warnmechanismus-Bericht an, in dem sie die Niederlande als einen der Mitgliedstaaten nannte, für die eine eingehende Überprüfung durchzuführen sei. Am selben Tag nahm die Kommission auch eine Empfehlung für eine Empfehlung des Rates zur Wirtschaftspolitik des Euro-Währungsgebiets an, die am 21. März 2019 vom Europäischen Rat gebilligt wurde. Am 9. April 2019 nahm der Rat die Empfehlung zur Wirtschaftspolitik des Euro-Währungsgebiets (3) (im Folgenden „Empfehlung für das Euro-Währungsgebiet 2019“) an, die die fünf Euro-Währungsgebiet-Empfehlungen enthält.

(2)

Angesichts der engen Verflechtungen zwischen den Volkswirtschaften in der Wirtschafts- und Währungsunion sollten die Niederlande als Mitgliedstaat, dessen Währung der Euro ist, die vollständige und fristgerechte Umsetzung der Empfehlung für das Euro-Währungsgebiet 2019, die in den nachstehenden Empfehlungen 1 und 3 ihren Niederschlag findet, sicherstellen. Insbesondere werden Investitionsmaßnahmen und Maßnahmen zur Steigerung des Lohnwachstums zur Umsetzung der ersten Empfehlung für das Euro-Währungsgebiet (Abbau von Ungleichgewichten im Euro-Währungsgebiet) beitragen, steuerliche Maßnahmen werden dazu beitragen, die zweite Empfehlung für das Euro-Währungsgebiet (Bekämpfung der aggressiven Steuerplanung) anzugehen, und der Abbau der Verschuldungsanreize für private Haushalte stellt auf die vierte Empfehlung für das Euro-Währungsgebiet (Beendigung der verschuldungsfreundlichen Ausrichtung der Besteuerung) ab.

(3)

Der Länderbericht 2019 für die Niederlande wurde am 27. Februar 2019 veröffentlicht. Darin wurden die Fortschritte der Niederlande bei der Umsetzung der länderspezifischen Empfehlungen des Rates vom 13. Juli 2018 (4), bei der Umsetzung der länderspezifischen Empfehlungen der Vorjahre und bei der Verwirklichung der nationalen Ziele im Rahmen der Strategie Europa 2020 bewertet. Im Länderbericht wurde außerdem eine eingehende Überprüfung nach Artikel 5 der Verordnung (EU) Nr. 1176/2011 vorgenommen, deren Ergebnisse ebenfalls am 27. Februar 2019 veröffentlicht wurden. Auf der Grundlage ihrer Analyse gelangte die Kommission zu dem Schluss, dass in den Niederlanden makroökonomische Ungleichgewichte bestehen. Als Ursachen für Ungleichgewichte mit grenzüberschreitenden Auswirkungen sind vor allem die hohe private Verschuldung und der hohe Leistungsbilanzüberschuss zu sehen. Dank des Wirtschaftswachstums ist die Schuldenquote sowohl bei Unternehmen als auch bei privaten Haushalten weiterhin rückläufig, bleibt aber nach wie vor auf einem hohen Niveau. Die nominale Verschuldung der privaten Haushalte nimmt aufgrund steigender Wohnimmobilienpreise hingegen langsam zu.

(4)

Am 29. April 2019 übermittelten die Niederlande ihr nationales Reformprogramm 2019 und ihr Stabilitätsprogramm 2019. Um wechselseitigen Zusammenhängen Rechnung zu tragen, wurden beide Programme gleichzeitig bewertet.

(5)

Die einschlägigen länderspezifischen Empfehlungen wurden bei der Programmplanung der europäischen Struktur- und Investitionsfonds („ESI-Fonds“) für den Zeitraum 2014-2020 berücksichtigt. Gemäß Artikel 23 der Verordnung (EU) Nr. 1303/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates (5) kann die Kommission einen Mitgliedstaat zur Überarbeitung seiner Partnerschaftsvereinbarung und der jeweiligen Programme und zur Unterbreitung von Änderungsvorschlägen auffordern, wenn dies für die Förderung der Umsetzung der einschlägigen Empfehlungen des Rates notwendig ist. In den Leitlinien für die Anwendung von Maßnahmen zur Schaffung einer Verbindung zwischen der Wirksamkeit der ESI-Fonds und der ordnungsgemäßen wirtschaftspolitischen Steuerung hat die Kommission erläutert, wie sie diese Bestimmung anzuwenden gedenkt.

(6)

Die Niederlande befinden sich derzeit in der präventiven Komponente des Stabilitäts- und Wachstumspakts. In ihrem Stabilitätsprogramm 2019 geht die Regierung von einem Rückgang des gesamtstaatlichen Überschusses von 1,5 % des Bruttoinlandsprodukts (BIP) im Jahr 2018 auf 0,0 % des BIP im Jahr 2022 aus. Auf der Grundlage des neuberechneten strukturellen Saldos (6) wird das mittelfristige Haushaltsziel — ein strukturelles Defizit von 0,5 % des BIP — im gesamten Programmzeitraum weiter übertroffen. Dem Stabilitätsprogramm 2019 zufolge wird die staatliche Schuldenquote voraussichtlich von 52,4 % des BIP im Jahr 2018 auf 44,6 % des BIP im Jahr 2022 sinken. Das makroökonomische Szenario, das diesen Haushaltsprojektionen zugrunde liegt, ist plausibel. Ausgehend von der Frühjahrsprognose 2019 der Kommission wird der Überschuss des strukturellen Saldos voraussichtlich von 0,8 % des BIP im Jahr 2018 auf 0,7 % des BIP im Jahr 2019 und auf 0,2 % des BIP im Jahr 2020 zurückgehen, sodass das mittelfristige Haushaltsziel übertroffen wird. Der gesamtstaatliche Schuldenstand soll auch weiterhin auf einem festen Abwärtskurs bleiben. Insgesamt ist der Rat der Auffassung, dass die Niederlande die Bestimmungen des Stabilitäts- und Wachstumspakts in den Jahren 2019 und 2020 einhalten dürften. Gleichzeitig wäre es wichtig, unter Einhaltung des mittelfristigen Haushaltsziels die Haushalts- und Strukturpolitik zu nutzen, um einen Aufwärtstrend bei den Investitionen zu fördern.

(7)

Der projizierte Anstieg der öffentlichen Ausgaben für Langzeitpflege deutet auf ein mittleres Risiko für die langfristige Tragfähigkeit der öffentlichen Finanzen hin. Im Jahr 2015 hat die Regierung einen Großteil des Langzeitpflegesystems auf die kommunale Ebene übertragen, um die Effizienz des Systems zu steigern und die öffentlichen Ausgaben zu senken. Die Auswirkungen dieser Reform auf die Tragfähigkeit der öffentlichen Finanzen müssen überwacht werden.

(8)

Im November 2018 sind die Mittel des mit eigener Rechtspersönlichkeit ausgestatteten Einlagensicherungsfonds von einem Sonderkonto bei der niederländischen Zentralbank auf ein Konto des Finanzministeriums übertragen worden. Der niederländische Einlagensicherungsfonds wurde schrittweise aufgebaut und war bis dahin auf ein Volumen von rund 1 Mrd. EUR angewachsen; bis 2024 sollten Banken weitere 4 Mrd. EUR einzahlen, die gemäß der Richtlinie 2014/49/EU des Europäischen Parlaments und des Rates (7) vom 16. April 2014 über Einlagensicherungssysteme in einem diversifizierten Portfolio aus Vermögenswerten mit niedrigem Risiko angelegt werden sollten. Der Transfer des Fondskontos bewirkt eine Verringerung des Bruttoschuldenstands, hat aber keine Auswirkungen auf das öffentliche Defizit. Nach dem Transfer kann das Finanzministerium die Mittel zur Finanzierung von Staatsausgaben einsetzen, muss sie aber bereitstellen, wenn Auszahlungen an Einleger zu leisten sind oder Maßnahmen im Einklang mit dem gesetzlichen Mandat des Fonds finanziert werden müssen. Dies könnte Auswirkungen auf die Finanzstabilität haben.

(9)

Bei den niederländischen Haushalten sind sowohl umfangreiche illiquide Vermögenswerte in den Bereichen Wohneigentum und Altersvorsorge als auch eine hohe Verschuldung auszumachen. Durch die belasteten Bilanzen werden die Haushalte anfällig für finanzielle und wirtschaftliche Schocks. Die hohe Verschuldung der privaten Haushalte ist auf großzügige Steuererleichterungen für Hypothekenzinsen, aber auch auf das Fehlen eines gut funktionierenden mittleren Segments auf dem Mietwohnungsmarkt und eine hohe obligatorische Altersvorsorge zurückzuführen. Eine der wichtigsten Herausforderungen bei der Bekämpfung der hohen Verschuldung der privaten Haushalte ist es, die Probleme im Zusammenhang mit dem Wohnungsmarkt anzugehen, auf dem über Jahrzehnte hinweg starre Strukturen und Fehlanreize entstanden sind, die die Muster bei der Wohnungsfinanzierung und beim Sparverhalten in diesem Sektor geprägt haben. Seit 2012 wurde eine Reihe von Maßnahmen durchgeführt, mit denen diesen Problemen zum Teil begegnet wird. Die angekündigte Beschleunigung der Reduzierung des Umfangs, in dem Hypothekenzinsen von der Steuer abgesetzt werden können, wurde gesetzlich verankert und soll ab dem Jahr 2020 umgesetzt werden. Dennoch gibt es nach wie vor großzügige Steuererleichterungen für Hypothekenzahlungen, die auch weiterhin erhebliche Verschuldungsanreize für die Haushalte bewirken. Gleichzeitig ist der private Mietwohnungsmarkt, auf den 13 % des Gesamtwohnungsbestands entfallen und der als einziges Segment nicht gefördert wird, nach wie vor unterentwickelt. Da ein gut funktionierendes mittleres Segment auf dem Mietwohnungsmarkt fehlt, sehen sich die Haushalte eher dazu veranlasst, zu kaufen als zu mieten, was zu einer hohen Verschuldungsquote und finanzieller Anfälligkeit führt.

(10)

Das Rentensystem schneidet in Bezug auf die Angemessenheit der Renten- und Pensionshöhe sowie auf die finanzielle Tragfähigkeit zwar gut ab, weist aber Nachteile hinsichtlich Generationengerechtigkeit, Transparenz der Rentenansprüche und Flexibilität auf. Darüber hinaus sind die Beiträge zur betrieblichen Altersvorsorge hoch und schwanken abhängig davon, wie sich die Pensionsfonds entwickeln. Dies könnte eine prozyklische Auswirkung auf die Ausgaben der privaten Haushalte haben. Eine Reform des Rentensystems könnte während des gesamten Lebenszyklus zu niedrigeren gesetzlichen Rentenbeiträgen und einem stabileren Konsum (oder einer „Konsumglättung“) führen. Die Regierung beabsichtigt, die zweite Säule des Rentensystems umfassend zu reformieren, um die Absicherung zu verbessern und ein transparenteres, flexibleres und versicherungsmathematisch gerechteres System zu schaffen. Eine gleichzeitige Reform der für den Wohnungsmarkt relevanten Institute und des Rentensystems könnte die Bilanzen der privaten Haushalte entlasten und ihre Anfälligkeit für finanzielle und wirtschaftliche Schocks verringern. Dies würde sich positiv auf die Widerstandsfähigkeit der Gesamtwirtschaft und das Wirtschaftswachstum auswirken.

(11)

Trotz der niedrigen Arbeitslosigkeit, der hohen Quote unbesetzter Stellen und des zunehmenden Arbeitskräftemangels verharrt das nominale Lohnwachstum bislang auf moderatem Niveau (1,1 % im Jahr 2017 und 2,4 % im Jahr 2018). Die tarifvertraglichen Löhne haben sich im Jahr 2018 um durchschnittlich 2,1 % erhöht; die Löhne und Gehälter im öffentlichen Dienst sind hingegen schneller gestiegen (um 3 % im zweiten Halbjahr 2018). Ferner wurden Gehaltsabschlüsse erzielt, die für alle Beamten der Zentralregierung eine nominale Erhöhung um 7 % in zwei Jahren bewirken. Es wurden zusätzliche Mittel bereitgestellt, um die Gehälter der Volksschullehrer zu erhöhen. Darüber hinaus hat die Regierung mehrere haushaltspolitische Maßnahmen verabschiedet, mit denen die steuerliche Belastung des Faktors Arbeit verringert und das verfügbare Nettohaushaltseinkommen der Erwerbstätigen erhöht werden soll. Eine weitere Steigerung des verfügbaren Einkommens der Haushalte durch die Stärkung der Voraussetzungen für Lohnwachstum und durch die Reformierung der zweiten Säule des Rentensystems mit dem Ziel, das System transparenter, generationengerechter und widerstandsfähiger gegenüber Schocks zu gestalten, würde die Binnennachfrage stützen und zum Abbau der Ungleichgewichte im Euro-Währungsgebiet beitragen.

(12)

Die Bekämpfung der aggressiven Steuerplanung ist eine wesentliche Voraussetzung für effizientere und gerechtere Steuersysteme, wie in der Empfehlung für das Euro-Währungsgebiet 2019 eingeräumt wird. Da aggressive Steuerplanungsstrategien der Steuerzahler sich auch auf andere Mitgliedstaaten auswirken können, ist ergänzend zu den Rechtsvorschriften der Union auch ein koordiniertes Vorgehen auf nationaler Ebene erforderlich. Die Niederlande haben Maßnahmen gegen aggressive Steuerplanung ergriffen, aber das große Volumen der über die Niederlande geleisteten Dividenden-, Lizenzgebühr- und Zinszahlungen lässt darauf schließen, dass die Steuervorschriften des Landes von Unternehmen genutzt werden, um aggressive Steuerplanung zu betreiben. Ein Großteil der ausländischen Direktinvestitionen wird von „Zweckgesellschaften“ gehalten. Da auf ins Ausland fließende (also von in der Union Ansässigen an in Drittstaaten Ansässige geleistete) Lizenzgebühr- und Zinszahlungen keine Quellensteuern erhoben werden, fallen diese Zahlungen möglicherweise vollständig durch das Steuerraster, sofern sie auch im Empfängerland nicht besteuert werden. Die angekündigte Reformagenda im Steuerbereich, die Quellensteuern auf Lizenzgebühren- und Zinszahlungen im Falle von Missbrauch oder auf Zahlungen in Niedrigsteuergebiete vorsieht, ist ein positiver Schritt zur Verringerung der aggressiven Steuerplanung und sollte aufmerksam verfolgt werden.

(13)

Wenngleich das Beschäftigungswachstum in den vergangenen Jahren in erster Linie auf Zuwächse in den Bereichen befristete Beschäftigung und selbstständige Erwerbstätigkeit zurückzuführen war, hat das Beschäftigungswachstum bei den Arbeitnehmern mit unbefristeten Verträgen vor Kurzem das Beschäftigungswachstum bei der befristeten Beschäftigung überholt. Dennoch ist der Anteil flexibler Beschäftigungsformen, auf die ein erheblicher Teil des Arbeitsmarkts entfällt, nach wie vor hoch. Der hohe Anteil der befristeten Arbeitsverträge und die rasche Zunahme der Zahl der Selbstständigen ohne Angestellte sind vor dem Hintergrund großer Unterschiede bei den anwendbaren arbeitsrechtlichen Bestimmungen und dem Arbeitsschutz sowie der unterschiedlichen steuer- und sozialversicherungsrechtlichen Vorschriften zu sehen. Ein Maßnahmenpaket wurde erlassen (Gesetz für einen im Gleichgewicht befindlichen Arbeitsmarkt — „Wet Arbeidsmarkt in Balans“), um die Einstellung unbefristet Beschäftigter zu erleichtern und die Flexibilität flexibler Verträge einzuschränken. Es sollte genau beobachtet werden, wie diese Maßnahmen (die 2020 in Kraft treten sollen) umgesetzt werden. Darüber hinaus wurden Maßnahmen angekündigt, um die Verpflichtung der Arbeitgeber zu lockern, Gehaltszahlungen im Krankheitsfall zwei Jahre lang fortzusetzen. Bislang wurden jedoch keine weiteren konkreten Maßnahmen beschlossen. Infolgedessen schaffen einige dieser institutionellen Faktoren nach wie vor finanzielle Anreize für Arbeitnehmer, sich für eine selbstständige Tätigkeit bzw. für den Status eines Selbstständigen ohne Angestellte zu entscheiden. Selbstständige haben besonders häufig keinen ausreichenden Versicherungsschutz in den Bereichen Berufsunfähigkeit, Arbeitslosigkeit und Altersvorsorge; langfristig gesehen könnte dies die Tragfähigkeit des Sozialversicherungssystems beeinträchtigen. Zudem wurde die Durchsetzung von Maßnahmen gegen Scheinselbstständigkeit bis zum Jahr 2020 ausgesetzt.

(14)

Wenngleich der Arbeitsmarkt insgesamt gut funktioniert, stellt die Förderung gleicher Beschäftigungschancen und aktiver Eingliederung nach wie vor eine große Herausforderung dar, insbesondere in Bezug auf Menschen mit Migrationshintergrund, Personen, die am Rande des Arbeitsmarkts tätig sind, und Nichterwerbstätige. Darüber hinaus gibt es noch ungenutztes Arbeitskräftepotenzial, insbesondere bei der hohen Zahl teilzeitbeschäftigter Frauen.

(15)

Technische und digitale Kompetenzen und qualifizierte Fachkräfte sind von entscheidender Bedeutung für die Innovationsfähigkeit der niederländischen Wirtschaft und das Produktivitätswachstum. Deshalb muss stärker in die Ausbildung, u. a. im Bereich der digitalen Kompetenzen, investiert werden, und es müssen flexible Weiterbildungs- und Umschulungsmöglichkeiten gefördert werden. Zur Verbesserung der Innovationsfähigkeit der Gesellschaft sind zudem Investitionen zur Förderung der Bildung in den Bereichen Wissenschaft, Technologie, Ingenieurwesen und Mathematik erforderlich. Darüber hinaus sind verstärkte Investitionen in den Erwerb von Kompetenzen sowie in die allgemeine und berufliche Bildung von entscheidender Bedeutung, um den Zugang zum Arbeitsmarkt und die Beschäftigungsfähigkeit der Menschen am Rande des Arbeitsmarkts zu verbessern und gleichzeitig die Chancengleichheit und die aktive Eingliederung zu unterstützen.

(16)

Wenngleich die Investitionsintensität im Bereich Forschung und Entwicklung in den Niederlanden auf über 2 % angestiegen ist, liegt sie immer noch deutlich unter dem nationalen Ziel von 2,5 % und dem Niveau der Spitzengruppe. Bei der Produktivität zählen die Niederlande in vielen Sektoren zu den leistungsstärksten Ländern. Ob das Produktivitätswachstum sich fortsetzt, ist daher in hohem Maße von der Innovationstätigkeit abhängig. Auch zusätzliche Investitionen in Forschung, Entwicklung und Innovation, insbesondere im Privatsektor, wären dem Produktionswachstum förderlich.

(17)

Die Energiewende und die Verringerung der Treibhausgasemissionen erfordern erhebliche Investitionen, damit eine nachhaltigere und ressourceneffizientere wirtschaftliche Entwicklung gewährleistet ist. Die Niederlande werden ihre für 2020 gesetzten Ziele im Bereich der Verringerung der Treibhausgasemissionen wahrscheinlich übertreffen, doch die Erreichung der Ziele für 2030 wird zusätzliche Maßnahmen erfordern. Die für das Jahr 2020 gesteckten Ziele in den Bereichen Primärenergieeffizienz und erneuerbare Energien sind nicht ohne zusätzliche Maßnahmen zu erreichen. Das in der niederländischen Energievereinbarung für das Jahr 2023 gesetzte Ziel für erneuerbare Energien dürfte sich dank der Investitionen in Offshore-Windparks verwirklichen lassen. Bis Ende 2019 will die Regierung einen nationalen Energie- und Klimaplan annehmen, der einen Überblick über den Investitionsbedarf bis 2030 für die verschiedenen Dimensionen der Energieunion geben soll, u. a. für erneuerbare Energien, Energieeffizienz, Versorgungssicherheit, Klimaschutz und Anpassung an den Klimawandel.

(18)

Die Verkehrsüberlastung ist nach wie vor eine Herausforderung in den Niederlanden, einem dicht besiedelten und gut ausgestatteten Land, das mit dem größten Hafen der Union in Rotterdam und einem der größten Flughäfen in Schiphol für die Logistik in der Union eine wichtige Rolle spielt. Zusätzliche Infrastrukturarbeiten konnten zwar für Entlastung sorgen, doch die Herausforderung bleibt nach wie vor bestehen und ist mit hohen sozialen Kosten und staubedingten Zeitverlusten verbunden.

(19)

Die Programmplanung der Unionsfonds für den Zeitraum 2021-2027 könnte dazu beitragen, einigen der in den Empfehlungen festgestellten Erfordernisse, insbesondere in den in Anhang D des Länderberichts 2019 genannten Bereichen, nachzukommen. Dies würde es den Niederlanden ermöglichen, diese Fonds für die genannten Sektoren optimal zu nutzen.

(20)

Im Rahmen des Europäischen Semesters 2019 hat die Kommission die Wirtschaftspolitik der Niederlande umfassend analysiert und diese Analyse im Länderbericht 2019 veröffentlicht. Sie hat auch das Stabilitätsprogramm 2019, das nationale Reformprogramm 2019 sowie die Maßnahmen zur Umsetzung der an die Niederlande gerichteten Empfehlungen der Vorjahre bewertet. Dabei hat die Kommission nicht nur deren Relevanz für eine auf Dauer tragfähige Haushalts-, Sozial- und Wirtschaftspolitik in den Niederlanden berücksichtigt, sondern angesichts der Notwendigkeit, die wirtschaftspolitische Steuerung der Union insgesamt durch auf Unionsebene entwickelte Vorgaben für künftige nationale Entscheidungen zu verstärken, auch deren Übereinstimmung mit Unionsvorschriften und -leitlinien beurteilt.

(21)

Vor dem Hintergrund dieser Bewertung hat der Rat das Stabilitätsprogramm 2019 geprüft und ist zu der Auffassung gelangt (8), dass die Niederlande den Stabilitäts- und Wachstumspakt voraussichtlich einhalten werden.

(22)

Vor dem Hintergrund der eingehenden Überprüfung durch die Kommission und dieser Bewertung hat der Rat das nationale Reformprogramm 2019 und das Stabilitätsprogramm 2019 geprüft. Seine Empfehlungen gemäß Artikel 6 der Verordnung (EU) Nr. 1176/2011 spiegeln sich in den nachstehenden Empfehlungen 1 und 3 wider. Diese Empfehlungen tragen auch zur Umsetzung der Empfehlung für das Euro-Währungsgebiet 2019, insbesondere der ersten und vierten Empfehlung für das Euro-Währungsgebiet bei. Die in Empfehlung 3 genannten haushaltspolitischen Maßnahmen tragen unter anderem dazu bei, die mit dem Leistungsbilanzüberschuss verbundenen Ungleichgewichte anzugehen —

EMPFIEHLT, dass die Niederlande 2019 und 2020

1.   

die Verschuldungsanreize für private Haushalte und die Verzerrungen auf dem Wohnungsmarkt, u. a. durch Förderung der Entwicklung des privaten Mietsektors, abbauen; gewährleisten, dass die zweite Säule des Rentensystems transparenter, generationengerechter und widerstandsfähiger gegenüber Schocks wird; Strategien zur Erhöhung des verfügbaren Einkommens der Haushalte umsetzen und dabei unter anderem die Voraussetzungen für ein gesteigertes Lohnwachstum unter Berücksichtigung der Rolle der Sozialpartner optimieren; durch Umsetzung der angekündigten Maßnahmen gegen Mechanismen des Steuersystems vorgehen, die eine aggressive Steuerplanung, insbesondere über ins Ausland fließende Zahlungen, erleichtern;

2.   

die Anreize für eine Selbstständigkeit ohne Angestellte verringern und gleichzeitig einen angemessenen Sozialschutz für Selbstständige fördern und die Scheinselbstständigkeit angehen; das umfassende lebenslange Lernen stärken und die Qualifikationen, insbesondere derjenigen, die am Rande des Arbeitsmarkts stehen, und der Nichterwerbstätigen verbessern;

3.   

unter Einhaltung des mittelfristigen Haushaltsziels die Haushalts- und Strukturpolitik nutzen, um einen Aufwärtstrend bei den Investitionen zu fördern; den Schwerpunkt der investitionsbezogenen Wirtschaftspolitik auf Forschung und Entwicklung, insbesondere im Privatsektor, auf erneuerbare Energien, Energieeffizienz und Strategien zur Reduktion der Treibhausgasemissionen sowie auf die Beseitigung von Verkehrsengpässen legen.

Geschehen zu Brüssel am 9. Juli 2019.

Im Namen des Rates

Der Präsident

M. LINTILÄ


(1)  ABl. L 209 vom 2.8.1997, S. 1.

(2)  ABl. L 306 vom 23.11.2011, S. 25.

(3)  ABl. C 136 vom 12.4.2019, S. 1.

(4)  ABl. C 320 vom 10.9.2018, S. 80.

(5)  Verordnung (EU) Nr. 1303/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 17. Dezember 2013 mit gemeinsamen Bestimmungen über den Europäischen Fonds für regionale Entwicklung, den Europäischen Sozialfonds, den Kohäsionsfonds, den Europäischen Landwirtschaftsfonds für die Entwicklung des ländlichen Raums und den Europäischen Meeres- und Fischereifonds sowie mit allgemeinen Bestimmungen über den Europäischen Fonds für regionale Entwicklung, den Europäischen Sozialfonds, den Kohäsionsfonds und den Europäischen Meeres- und Fischereifonds und zur Aufhebung der Verordnung (EG) Nr. 1083/2006 des Rates (ABl. L 347 vom 20.12.2013, S. 320).

(6)  Konjunkturbereinigter Saldo ohne einmalige und befristete Maßnahmen nach Neuberechnung der Kommission anhand der gemeinsamen Methodik.

(7)  Richtlinie 2014/49/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. April 2014 über Einlagensicherungssysteme (ABl. L 173 vom 12.6.2014, S. 149).

(8)  Gemäß Artikel 5 Absatz 2 der Verordnung (EG) Nr. 1466/97.


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