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Document 32019H0905(06)

Empfehlung des Rates vom 9. Juli 2019 zum nationalen Reformprogramm Estlands 2019 mit einer Stellungnahme des Rates zum Stabilitätsprogramm Estlands 2019

ST/10159/2019/INIT

ABl. C 301 vom 5.9.2019, p. 30–34 (BG, ES, CS, DA, DE, ET, EL, EN, FR, HR, IT, LV, LT, HU, MT, NL, PL, PT, RO, SK, SL, FI, SV)

5.9.2019   

DE

Amtsblatt der Europäischen Union

C 301/30


EMPFEHLUNG DES RATES

vom 9. Juli 2019

zum nationalen Reformprogramm Estlands 2019 mit einer Stellungnahme des Rates zum Stabilitätsprogramm Estlands 2019

(2019/C 301/06)

DER RAT DER EUROPÄISCHEN UNION —

gestützt auf den Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union, insbesondere auf Artikel 121 Absatz 2 und Artikel 148 Absatz 4,

gestützt auf die Verordnung (EG) Nr. 1466/97 des Rates vom 7. Juli 1997 über den Ausbau der haushaltspolitischen Überwachung und der Überwachung und Koordinierung der Wirtschaftspolitiken (1), insbesondere auf Artikel 5 Absatz 2,

auf Empfehlung der Europäischen Kommission,

unter Berücksichtigung der Entschließungen des Europäischen Parlaments,

unter Berücksichtigung der Schlussfolgerungen des Europäischen Rates,

nach Stellungnahme des Beschäftigungsausschusses,

nach Stellungnahme des Wirtschafts- und Finanzausschusses,

nach Stellungnahme des Ausschusses für Sozialschutz,

nach Stellungnahme des Ausschusses für Wirtschaftspolitik,

in Erwägung nachstehender Gründe:

(1)

Am 21. November 2018 nahm die Kommission den Jahreswachstumsbericht an, mit dem das Europäische Semester für die wirtschaftspolitische Koordinierung 2019 eingeleitet wurde. Dabei wurde der am 17. November 2017 vom Europäischen Parlament, vom Rat und von der Kommission proklamierten Europäischen Säule sozialer Rechte gebührend Rechnung getragen. Die Prioritäten des Jahreswachstumsberichts wurden am 21. März 2019 vom Europäischen Rat gebilligt. Am 21. November 2018 nahm die Kommission auf der Grundlage der Verordnung (EU) Nr. 1176/2011 des Europäischen Parlaments und des Rates (2) auch den Warnmechanismus-Bericht an, in dem sie Estland nicht als einen der Mitgliedstaaten nannte, für die eine eingehende Überprüfung durchzuführen sei. Am selben Tag nahm die Kommission auch eine Empfehlung für eine Empfehlung des Rates zur Wirtschaftspolitik des Euro-Währungsgebiets an, die am 21. März 2019 vom Europäischen Rat gebilligt wurde. Am 9. April 2019 nahm der Rat die Empfehlung zur Wirtschaftspolitik des Euro-Währungsgebiets (3) (im Folgenden „Empfehlung für das Euro-Währungsgebiet 2019“) an, die die fünf Euro-Währungsgebiet-Empfehlungen enthält.

(2)

Als Mitgliedstaat, dessen Währung der Euro ist, und angesichts der engen Verflechtungen zwischen den Volkswirtschaften in der Wirtschafts- und Währungsunion sollte Estland die vollständige und fristgerechte Umsetzung der Empfehlung für das Euro-Währungsgebiet 2019, die in den unten genannten Empfehlungen 2 und 3 ihren Niederschlag findet, sicherstellen. Insbesondere werden Maßnahmen zur Ausrichtung der investitionsbezogenen Wirtschaftspolitik auf die spezifizierten Bereiche dazu beitragen, der zweiten Euro-Währungsgebiet-Empfehlung in Bezug auf die Investitionsförderung nachzukommen.

(3)

Der Länderbericht 2019 für Estland wurde am 27. Februar 2019 veröffentlicht. Darin wurden die Fortschritte Estlands bei der Umsetzung der länderspezifischen Empfehlungen des Rates vom 13. Juli 2018 (4), bei der Umsetzung der Empfehlungen der Vorjahre und bei der Verwirklichung seiner nationalen Ziele im Rahmen von Europa 2020 bewertet.

(4)

Am 30. Mai 2019 übermittelte Estland sein nationales Reformprogramm 2019 und am 30. April 2019 sein Stabilitätsprogramm 2019.

(5)

Bei der Programmplanung der Europäischen Struktur- und Investitionsfonds (im Folgenden „ESI-Fonds“) für den Zeitraum 2014-2020 wurden die einschlägigen länderspezifischen Empfehlungen berücksichtigt. Nach Artikel 23 der Verordnung (EU) Nr. 1303/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates (5) kann die Kommission einen Mitgliedstaat zur Überarbeitung seiner Partnerschaftsvereinbarung und der jeweiligen Programme und zur Unterbreitung von Änderungsvorschlägen auffordern, wenn dies zur Förderung der Umsetzung der einschlägigen Empfehlungen des Rates notwendig ist. In den Leitlinien für die Anwendung von Maßnahmen zur Schaffung einer Verbindung zwischen der Wirksamkeit der ESI-Fonds und der ordnungsgemäßen wirtschaftspolitischen Steuerung hat die Kommission erläutert, wie sie diese Bestimmung anzuwenden gedenkt.

(6)

Estland befindet sich derzeit in der präventiven Komponente des Stabilitäts- und Wachstumspakts. Das Stabilitätsprogramm 2019 wurde unter Annahme einer unveränderten Politik vorgelegt. In dem Programm ist in Bezug auf den gesamtstaatlichen Haushaltssaldo vorgesehen, dass nach dem Defizit von 0,6 % des Bruttoinlandsprodukts (BIP) im Jahr 2018 in den Jahren 2019 und 2020 ein Defizit von 0,2 % bzw. 0,3 % des BIP erzielt und 2022 ein Defizit von 0,7 % verzeichnet wird. Auf der Grundlage des neuberechneten strukturellen Saldos (6) dürfte das mittelfristige Haushaltsziel — ein strukturelles Defizit von 0,5 % des BIP — während des vom Stabilitätsprogramm 2019 erfassten Zeitraums nicht erreicht werden. Danach soll die gesamtstaatliche Schuldenquote bis 2022 auf 5,3 % des BIP zurückgehen. Das diesen Haushaltsprojektionen zugrunde liegende makroökonomische Szenario ist günstig. Die zur Erreichung der anvisierten Defizitziele erforderlichen Maßnahmen wurden nicht spezifiziert, was mit einem Risiko hinsichtlich der veranschlagten Einnahmen verbunden ist.

(7)

Angesichts der Herbstprognose 2018 der Kommission, in der für 2019 ein Wert näher am mittelfristigen Haushaltsziel projiziert wurde, sollte die nominale Wachstumsrate der gesamtstaatlichen Nettoprimärausgaben im Einklang mit den Vorschriften für die Aufhebung des Einfrierens der erforderlichen Anpassung 4,9 % nicht überschreiten, was einer jährlichen strukturellen Anpassung von 0,3 % im Jahr 2019 entspricht. Die Kommission geht in ihrer Frühjahrsprognose 2019 davon aus, dass 2019 die Gefahr einer erheblichen Abweichung von dieser Anforderung besteht.

(8)

Angesichts der für Estland prognostizierten Produktionslücke von 2,7 % des BIP und eines BIP-Wachstums, das den Prognosen zufolge unter der geschätzten Potenzialwachstumsrate liegen wird, sollte die nominale Wachstumsrate der gesamtstaatlichen Nettoprimärausgaben im Jahr 2020 4,1 % nicht überschreiten; dies steht im Einklang mit der strukturellen Anpassung von 0,6 % des BIP nach der gemeinsam vereinbarten Anpassungsmatrix hinsichtlich der Anforderungen des Stabilitäts- und Wachstumspakts. Die Kommission geht in ihrer Frühjahrsprognose 2019 davon aus, dass 2020 bei einer unveränderten Politik die Gefahr einer erheblichen Abweichung von dieser Anforderung besteht. Insgesamt ist der Rat der Auffassung, dass die erforderlichen Maßnahmen ab 2019 ergriffen werden sollten, um die Vorgaben des Stabilitäts- und Wachstumspakts einzuhalten.

(9)

Vor dem Hintergrund großer Geldwäscheskandale ist die Verhinderung von Geldwäsche für Estland zu einer Priorität geworden. Estland hat die Rechtsvorschriften zur Bekämpfung der Geldwäsche verschärft, und die Einlagen Gebietsfremder sind im estnischen Bankensektor anteilsmäßig erheblich zurückgegangen. Allerdings bestehen nach wie vor Herausforderungen. Die estnische Regierung führte zwar zusätzliche Maßnahmen und Leitlinien für eine stärkere Prävention in diesem Bereich ein, eine Gesetzesinitiative zum Ausbau der Kapazitäten zur Beaufsichtigung der Geldwäschebekämpfung wurde vom estnischen Parlament jedoch noch nicht verabschiedet. Nach Annahme dieser Maßnahmen sollte auf eine wirksame Umsetzung geachtet werden.

(10)

Qualifikationsdefizite und ein Missverhältnis zwischen Qualifikationsangebot und -nachfrage zählen zu den Haupthindernissen für Unternehmensinvestitionen und schränken höhere Produktivitätsgewinne ein. In den vergangenen Jahren hat Estland zwar umfassende Reformen durchgeführt, die Arbeitsmarkttrends und der Rückgang der Bevölkerung im erwerbsfähigen Alter stellen aber langfristige Herausforderungen für das System der allgemeinen und beruflichen Bildung dar. Dazu zählen eine nach wie vor hohe Quote vorzeitiger Schul- und Ausbildungsabgänge, die nicht abgeschlossene Reorganisation des Schulnetzes, die für den Arbeitsmarkt zu wenig relevante Hochschulbildung bzw. berufliche Aus- und Weiterbildung sowie die Herausforderungen, die mit der Alterung der Lehrerschaft und der geringen Attraktivität des Berufs zusammenhängen. Trotz steigender Teilnahme an Maßnahmen der Erwachsenenbildung erfolgen Weiterqualifizierungs- und Umschulungsmaßnahmen zu langsam, um mit den Arbeitsmarkttrends Schritt zu halten. Die zu geringe Innovationsfähigkeit ist das zentrale Element des ermittelten Qualifikationsbedarfs. Das Schulungsangebot der Unternehmen im Bereich der digitalen Kompetenzen ist trotz des hohen Anteils an Spezialisten für Informations- und Kommunikationstechnologien beschränkt. Ein — auch durch Investitionen in die Berufsberatung — für den Arbeitsmarkt relevanter gestaltetes Schul- und Berufsbildungssystem, Maßnahmen zur Senkung der Zahl der vorzeitigen Schul- und Ausbildungsabgänge und eine bessere Antizipation des Qualifikationsbedarfs würden dazu beitragen, dass die Menschen über die richtigen Kompetenzen verfügen. Wenn darüber hinaus die Arbeitsbedingungen der Lehrkräfte, die Unterrichtsqualität und die angesichts demografischer und wirtschaftlicher Trends ergriffenen bildungspolitischen Maßnahmen optimiert würden, so wäre dies der Kapazität des Schul- und Berufsbildungssystems förderlich.

(11)

Armut, soziale Ausgrenzung und Einkommensungleichheit sind — insbesondere bei älteren Menschen — trotz gewisser Verbesserungen nach wie vor weitverbreitet. Rund 42 % der über 65-Jährigen waren 2017 von Armut und sozialer Ausgrenzung bedroht, im Unionsdurchschnitt waren es im Vergleich dazu 15 %. Die Armut wird durch Sozialleistungen nach wie vor nicht wirksam eingedämmt, und das Netz der sozialen Sicherheit ist schwach ausgeprägt. Der Bereitstellung bezahlbarer und qualitativ guter sozialer Dienstleistungen wird dadurch beeinträchtigt, dass die Koordinierung zwischen dem Gesundheits- und dem Sozialwesen zu wünschen übrig lässt, und dass die Kommunen in sehr unterschiedlichem Ausmaß in der Lage sind, den Bedarf an sozialen Dienstleistungen zu ermitteln und zu decken. Der Einzelne muss auch einen großen Teil der Kosten der von den Behörden erbrachten Dienstleistungen übernehmen. Die von Estland für die Langzeitpflege getätigten öffentlichen Ausgaben betrugen weniger als die Hälfte des Unionsdurchschnitts (0,6 % des BIP gegenüber 1,6 % des BIP im Jahr 2016). Es gibt weder Präventivmaßnahmen noch ein Unterstützungssystem zur Entlastung informeller Pflegepersonen. Der Anteil an Menschen mit medizinischen Versorgungslücken gehört nach wie vor mit zu den höchsten in der Union (11,7 %), was darauf hindeutet, dass es Probleme hinsichtlich der Zugänglichkeit und Wirksamkeit des Gesundheitswesens gibt. Wie diese Herausforderungen zeigen, ist es notwendig, bezahlbare und qualitativ gute Leistungen der Sozial- und Gesundheitsdienste auf integrierte Weise anzubieten und einen umfassenden Rahmen für die Langzeitpflege zu entwickeln. Durch Investitionen zur Förderung der sozialen Inklusion, die auch in die soziale Infrastruktur fließen, würde das inklusive Wachstum angekurbelt.

(12)

Das 2017 bei 25,6 % und damit leicht über dem Vorjahreswert liegende geschlechtsspezifische Lohngefälle gehört weiterhin zu den höchsten in der Union. Außerdem wirkt sich die Elternschaft deutlich stärker auf die Beschäftigung von Frauen aus als im Unionsdurchschnitt (25,2 bzw. 9,0 %). Lange Elternurlaube führen häufig dazu, dass Frauen im Berufsleben langsamer aufsteigen als Männer. Frauen sind — auch mit höheren Bildungsabschlüssen als Männer — tendenziell in schlechter bezahlten Branchen und Berufen tätig. Durch in jüngster Zeit ergriffene Maßnahmen wurde das Elternurlaubs- und Sozialleistungssystem flexibler, sodass Eltern leichter auf den Arbeitsmarkt zurückkehren können. Kinderbetreuungsangebote wurden stärker in Anspruch genommen. Da aber das geschlechtsspezifische Lohngefälle nur teilweise auf Faktoren wie Wirtschaftszweig, Beruf, Alter, Berufserfahrung oder Arbeitszeit zurückgeführt werden kann, bleibt eine Lücke von 20 % (gegenüber 11,5 % im Unionsdurchschnitt), die sich nicht erklären lässt. Durch eine transparente Entlohnung könnten die Gründe für dieses hohe geschlechtsspezifische Lohngefälle leichter nachvollziehbar werden. Weitere Investitionen in die Kinderbetreuung und in Maßnahmen der aktiven Arbeitsmarktpolitik wären der Frauenbeschäftigung förderlich. Darüber hinaus ist es in einem breiteren Kontext nach wie vor von Bedeutung, die Zusammenarbeit mit den Sozialpartnern zu suchen und deren Kapazitäten auszubauen.

(13)

Aufgrund der Randlage und der geringen Bevölkerungsdichte ist ein gut funktionierendes und vernetztes Verkehrssystem für die Wirtschafts- und Exporttätigkeit Estlands von zentraler Bedeutung. Die Verkehrsinfrastruktur Estlands lässt in Bezug auf Vernetzung und Nachhaltigkeit einiges zu wünschen übrig. Der Schienenverkehr und der intermodale Verkehr sind nach wie vor unterentwickelt. Überdies haben die Treibhausgasemissionen durch den Straßenverkehr in den letzten fünf Jahren zugenommen. Durch weitere innovative und nachhaltige Lösungen könnten sich Probleme lösen lassen, die mit Verkehrsüberlastung und öffentlichem Verkehr zusammenhängen. Die Synchronisierung des estnischen Stromnetzes mit dem kontinentaleuropäischen Netz ist für die Sicherheit der Stromversorgung im gesamten Ostseeraum von zentraler Bedeutung. Investitionen in die Infrastruktur würden die estnischen Unternehmen wettbewerbsfähiger machen.

(14)

Da in Estland — insbesondere vom Privatsektor — wenig in Forschung und Entwicklung investiert wird, liegt das Land in Sachen Produktivität zurück. Während 2017 die öffentlichen Forschungs- und Entwicklungsausgaben leicht unter dem Unionsdurchschnitt lagen, beliefen sich die diesbezüglichen Unternehmensinvestitionen nur auf 0,61 % des BIP, was etwa der Hälfte des Unionsdurchschnitts entspricht. Der Anteil von Unternehmen, insbesondere von kleinen und mittleren Unternehmen (KMU), die Forschungs- und Innovationstätigkeiten melden, ist gering. Die nicht für Forschung und Entwicklung vorgesehenen Innovationsausgaben sind rückläufig, und Wissenschaft und Unternehmen kooperieren nur in geringem Umfang. Einiger dieser Faktoren wirken sich negativ auf die Innovationsleistung und die Produktivität des Landes aus. Durch gezieltere Investitionen in Forschung, Entwicklung und Innovation, auch in die Digitalisierung und Automatisierung von Unternehmen, würden die Produktivität und die Wettbewerbsfähigkeit Estlands gesteigert werden. Dies könnte auch durch eine bessere Prioritätensetzung bei wirtschaftlich relevanten Forschungsthemen erreicht werden. Die estnischen Behörden haben einige Maßnahmen gegen die Unzulänglichkeiten im Forschungs- und Innovationssystem konzipiert und umgesetzt, die sich bislang jedoch nur als begrenzt wirksam erwiesen.

(15)

Die Herausforderungen in den Bereichen Ressourcen- und Energieeffizienz wurden noch nicht bewältigt. Die Ökoinnovationsleistung Estlands spiegelt das Potenzial des Landes nicht in vollem Umfang wider, und der kombinierte Ökoinnovationswert von 60 liegt 40 % unter dem Unionsdurchschnitt. Trotz einiger in den letzten Jahren erzielter Verbesserungen schneidet Estland bei der Ressourcenproduktivität etwa dreimal schlechter ab als der Unionsdurchschnitt und vergrößert seinen Abstand zur übrigen Union. Nur ein geringer Teil der KMU Estlands ergreift Maßnahmen für mehr Ressourceneffizienz und Umweltbewusstsein. Außerdem ist die Wirtschaft mit einem deutlich über dem Unionsdurchschnitt liegenden Energieverbrauch sehr energieintensiv. Alle Regionen Estlands sind bei der Verbesserung der Ressourcen- und Energieeffizienz im Rückstand. Mit 0,4 % im Jahr 2017 lag Estland weit unter dem auf nationaler Ebene im Verkehrssektor angestrebten Anteil an erneuerbaren Energien von 10 %. Die Wirtschaft würde durch die Förderung der Ressourcen- und Energieeffizienz, insbesondere in der Bauwirtschaft, und die Unterstützung der Kreislaufwirtschaft, unter anderem durch mehr Investitionen, wettbewerbsfähiger und nachhaltiger werden.

(16)

Die Dauer von Insolvenzverfahren beträgt in Estland etwa drei Jahre, und die Erlösquote liegt knapp über 40 %. Dadurch bleiben Arbeitskräfte und Finanzmittel in weniger produktiven Unternehmen gebunden. Dies ist wiederum Investitions- und Finanzierungsanreizen abträglich. Die Rahmenbedingungen für Insolvenzen sollten unbedingt reformiert werden, um die Insolvenzverfahren zu verkürzen und die Erlösquote für Gläubiger zu steigern. Diesbezüglich könnte insbesondere ins Auge gefasst werden, Restrukturierungsverfahren vor und nach Insolvenzen zu erleichtern und die stückweise Liquidation von Unternehmen zu vermeiden.

(17)

Einige der in den Empfehlungen festgestellten Lücken, insbesondere in den in Anhang D des Länderberichts für 2019 aufgeführten Bereichen, könnten bei entsprechender Programmplanung für den Zeitraum 2021-2027 auch im Rahmen der Unionsfonds angegangen werden. Dies würde es Estland ermöglichen, diese Fonds unter Berücksichtigung der regionalen Unterschiede optimal für die ermittelten Sektoren zu nutzen.

(18)

Im Rahmen des Europäischen Semesters 2019 hat die Kommission die Wirtschaftspolitik Estlands umfassend analysiert und diese Analyse im Länderbericht 2019 veröffentlicht. Sie hat auch das Stabilitätsprogramm 2019, das nationale Reformprogramm 2019 und die Maßnahmen zur Umsetzung der an Estland gerichteten Empfehlungen der Vorjahre bewertet. Dabei hat die Kommission nicht nur deren Relevanz für eine auf Dauer tragfähige Haushalts-, Sozial- und Wirtschaftspolitik in Estland berücksichtigt, sondern angesichts der Notwendigkeit, die wirtschaftspolitische Steuerung der Union insgesamt durch auf Unionsebene entwickelte Vorgaben für künftige nationale Entscheidungen zu verstärken, auch deren Übereinstimmung mit Unionsvorschriften und -leitlinien beurteilt.

(19)

Vor dem Hintergrund dieser Bewertung hat der Rat das Stabilitätsprogramm 2019 geprüft; seine Stellungnahme hierzu (7) spiegelt sich insbesondere in der nachstehenden Empfehlung 1 wider —

EMPFIEHLT, dass Estland 2019 und 2020

1.   

sicherstellt, dass die nominale Wachstumsrate der gesamtstaatlichen Nettoprimärausgaben im Jahr 2020 4,1 % nicht überschreitet, was einer jährlichen strukturellen Anpassung von 0,6 % des BIP entspricht; die effektive Überwachung und Durchsetzung des Rahmens zur Geldwäschebekämpfung gewährleistet;

2.   

Maßnahmen gegen Qualifikationsdefizite ergreift und Innovationen durch ein leistungsfähigeres und für den Arbeitsmarkt relevanter gestaltetes System der allgemeinen und beruflichen Bildung fördert; das System der sozialen Sicherheit und den Zugang zu bezahlbaren und integrierten Sozialdiensten verbessert; Maßnahmen zur Verringerung des geschlechtsspezifischen Lohngefälles — auch durch mehr Lohntransparenz — trifft;

3.   

die investitionsbezogene Wirtschaftspolitik schwerpunktmäßig auf eine nachhaltige Verkehrs- und Energieinfrastruktur einschließlich Verbundnetze, auf die Forschungs- und Innovationsförderung sowie auf die Ressourcen- und Energieeffizienz ausrichtet, ohne dabei regionale Unterschiede außer Acht zu lassen.

Geschehen zu Brüssel am 9. Juli 2019.

Im Namen des Rates

Der Präsident

M. LINTILÄ


(1)  ABl. L 209 vom 2.8.1997, S. 1.

(2)  Verordnung (EU) Nr. 1176/2011 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. November 2011 über die Vermeidung und Korrektur makroökonomischer Ungleichgewichte (ABl. L 306 vom 23.11.2011, S. 25).

(3)  ABl. C 136 vom 12.4.2019, S. 1.

(4)  ABl. C 320 vom 10.9.2018, S. 24.

(5)  Verordnung (EU) Nr. 1303/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 17. Dezember 2013 mit gemeinsamen Bestimmungen über den Europäischen Fonds für regionale Entwicklung, den Europäischen Sozialfonds, den Kohäsionsfonds, den Europäischen Landwirtschaftsfonds für die Entwicklung des ländlichen Raums und den Europäischen Meeres- und Fischereifonds sowie mit allgemeinen Bestimmungen über den Europäischen Fonds für regionale Entwicklung, den Europäischen Sozialfonds, den Kohäsionsfonds und den Europäischen Meeres- und Fischereifonds und zur Aufhebung der Verordnung (EG) Nr. 1083/2006 des Rates (ABl. L 347 vom 20.12.2013, S. 320).

(6)  Konjunkturbereinigter Saldo ohne einmalige und befristete Maßnahmen nach Neuberechnung der Kommission anhand der gemeinsamen Methodik.

(7)  Gemäß Artikel 5 Absatz 2 der Verordnung (EG) Nr. 1466/97.


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