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Document 32010H0133

Empfehlung der Kommission vom 2. März 2010 zur Prävention und Reduzierung von Ethylcarbamat in Steinobstbränden und Steinobsttrestern und zur Überwachung des Ethylcarbamatgehalts in diesen Getränken (Text von Bedeutung für den EWR)

ABl. L 52 vom 3.3.2010, p. 53–57 (BG, ES, CS, DA, DE, ET, EL, EN, FR, IT, LV, LT, HU, MT, NL, PL, PT, RO, SK, SL, FI, SV)

Legal status of the document In force

ELI: http://data.europa.eu/eli/reco/2010/133/oj

3.3.2010   

DE

Amtsblatt der Europäischen Union

L 52/53


EMPFEHLUNG DER KOMMISSION

vom 2. März 2010

zur Prävention und Reduzierung von Ethylcarbamat in Steinobstbränden und Steinobsttrestern und zur Überwachung des Ethylcarbamatgehalts in diesen Getränken

(Text von Bedeutung für den EWR)

(2010/133/EU)

DIE EUROPÄISCHE KOMMISSION —

gestützt auf den Vertrag zur Arbeitsweise der Europäischen Union, insbesondere auf Artikel 292,

in Erwägung nachstehender Gründe:

(1)

Das Wissenschaftliche Gremium für Kontaminanten in der Lebensmittelkette bei der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) nahm am 20. September 2007 ein wissenschaftliches Gutachten zu Ethylcarbamat und Blausäure in Lebensmitteln und Getränken an (1). In diesem Gutachten leitete das Gremium für verschiedene Lebensmittel- und Getränkeverbrauchsszenarien „Margins of Exposure“ (MOE) für Ethylcarbamat ab. Aufgrund der MOE-Werte kam das Gremium zu dem Schluss, dass Ethylcarbamat in alkoholischen Getränken gesundheitlich bedenklich ist, insbesondere was Steinobstbrände betrifft, und empfahl, Maßnahmen zu treffen, um die Konzentration von Ethylcarbamat in diesen Getränken zu senken. Da Blausäure eine wichtige Vorstufe bei der Bildung von Ethylcarbamat in Steinobstbränden und Steinobsttrestern ist, schloss das Gremium, dass ein Schwerpunkt der Maßnahmen auf Blausäure und andere Vorstufen von Ethylcarbamat gelegt werden sollte, um die Bildung von Ethylcarbamat während der Haltbarkeitsdauer dieser Produkte zu verhindern.

(2)

Der maximale Blausäuregehalt in Steinobstbränden und Steinobsttrestern wurde in der Verordnung (EG) Nr. 110/2008 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 15. Januar 2008 zur Begriffsbestimmung, Bezeichnung, Aufmachung und Etikettierung von Spirituosen sowie zum Schutz geografischer Angaben für Spirituosen und zur Aufhebung der Verordnung (EWG) Nr. 1576/89 (2) festgelegt. Diese Verordnung sieht vor, dass der maximale Blausäuregehalt bei Steinobstbränden und Steinobsttrestern 7 g/hl r. A. (70 mg/l) nicht überschreiten darf.

(3)

Zur Umsetzung der EFSA-Empfehlungen wird ein „Verhaltenskodex zur Prävention und Reduzierung des Ethylcarbamatgehalts in Steinobstbränden und Steinobsttrestern“ als geeignetes Mittel angesehen. Der Kodex empfiehlt bewährte Herstellungsverfahren (GMP), deren Einsatz nachweislich zu einem geringeren Ethylcarbamatgehalt führen kann. Das Ziel eines Ethylcarbamatgehalts von 1 mg/l in trinkfertigen Spirituosen ist realistisch und kann bei der Anwendung bewährter Verfahren erreicht werden.

(4)

Während eines Zeitraums von drei Jahren sollte der Ethylcarbamatgehalt in Steinobstbränden und Steinobsttrestern überwacht werden; die Ergebnisse sollten genutzt werden, um die Auswirkungen des Verhaltenskodex drei Jahre nach seiner Umsetzung zu bewerten. Weiterhin sollte die Möglichkeit der Festlegung eines Höchstgehalts bewertet werden —

HAT DIE FOLGENDE EMPFEHLUNG ERLASSEN:

Es wird empfohlen, dass die Mitgliedstaaten

1.

die erforderlichen Maßnahmen ergreifen, damit der „Verhaltenskodex zur Prävention und Reduzierung des Ethylcarbamatgehalts in Steinobstbränden und Steinobsttrestern“, wie im Anhang dieser Empfehlung beschrieben, von allen umgesetzt wird, die an Herstellung, Verpackung, Transport und Lagerung von Steinobstbränden und Steinobsttrestern beteiligt sind;

2.

sicherstellen, dass angemessene Maßnahmen ergriffen werden, um einen möglichst geringen Ethylcarbamatgehalt in Steinobstbränden und Steinobsttrestern zu erreichen, wobei als Zielwert 1 mg/l angestrebt wird;

3.

den Ethylcarbamatgehalt in Steinobstbränden und Steinobsttrestern 2010, 2011 und 2012 überwachen, um die Auswirkungen des Verhaltenskodexes zu bewerten, der im Anhang zu dieser Empfehlung enthalten ist;

4.

jeweils am 1. Juni jedes Jahres die Überwachungsdaten des vorangegangenen Jahres der EFSA zusammen mit den von der EFSA geforderten Angaben und in dem verlangten Format übermitteln;

5.

im Rahmen des Überwachungsprogramms die Probenahmeverfahren befolgen, die im Teil B des Anhangs zur Verordnung (EG) Nr. 333/2007 der Kommission vom 28. März 2007 zur Festlegung der Probenahmeverfahren und Analysemethoden für die amtliche Kontrolle des Gehalts an Blei, Cadmium, Quecksilber, anorganischem Zinn, 3-MCPD und Benzo(a)pyren in Lebensmitteln (3) dargelegt werden;

6.

Ethylcarbamatanalysen entsprechend den Kriterien ausführen, die in Anhang III der Verordnung (EG) Nr. 882/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29. April 2004 über amtliche Kontrollen zur Überprüfung der Einhaltung des Lebensmittel- und Futtermittelrechts sowie der Bestimmungen über Tiergesundheit und Tierschutz (4) unter den Punkten 1 und 2 aufgeführt werden.

Brüssel, den 2. März 2010

Für die Kommission

John DALLI

Mitglied der Kommission


(1)  Ethylcarbamat und Blausäure in Lebensmitteln und Getränken — Wissenschaftliches Gutachten des Gremiums für Kontaminanten, abgegeben auf Ersuchen der Kommission, The EFSA Journal (2007) Nr. 551, S. 1. http://www.efsa.europa.eu/en/scdocs/doc/Contam_ej551_ethyl_carbamate_en_rev.1,3.pdf

(2)  ABl. L 39 vom 13.2.2008, S. 16.

(3)  ABl. L 88 vom 29.3.2007, S. 29.

(4)  ABl. L 165 vom 3.4.2004, S. 1.


ANHANG

Verhaltenskodex zur Prävention und Reduzierung des Ethylcarbamatgehalts in Steinobstbränden und Steinobsttrestern

EINLEITUNG

1.

Ethylcarbamat ist eine Verbindung, die von Natur aus in fermentierten Lebensmitteln und alkoholischen Getränken wie Brot, Jogurt, Sojasoße, Wein, Bier und vor allem in hauptsächlich aus Kirschen, Pflaumen, Mirabellen und Aprikosen hergestellten Steinobstbränden und Steinobsttrestern vorkommt.

2.

Ethylcarbamat kann aus verschiedenen Substanzen entstehen, die in Lebensmitteln und Getränken enthalten sind, wie Hydrogencyanid (oder Blausäure), Harnstoff, Citrullin und andere N-Carbamoyl-Verbindungen. Wahrscheinlich ist Cyanat in den meisten Fällen die letzte Vorstufe und reagiert mit Ethanol zu Ethylcarbamat.

3.

In Steinobstdestillaten (Steinobstbränden und Steinobsttrestern) kann Ethylcarbamat aus Blausäureglykosiden entstehen, die natürlicher Bestandteil der Steine sind. Beim Einmaischen der Früchte können die Kerne zerbrechen und Blausäureglykoside aus den Steinen mit den Enzymen der Obstmaische in Kontakt kommen. Die Blausäureglykoside werden dann zu Blausäure/Cyaniden abgebaut. Bei einer längeren Lagerung der fermentierten Maische können auch intakte Steine Blausäure abgeben. Während des Destillationsvorgangs kann sich die Blausäure in allen Fraktionen anreichern. Unter Lichteinfluss wird Cyanid zu Cyanat oxidiert, das mit Ethanol zu Ethylcarbamat reagiert. Wenn die Reaktion einmal ausgelöst wurde, kann sie nicht mehr gestoppt werden.

4.

Eine starke Reduzierung des Ethylcarbamatgehalts kann auf zwei unterschiedliche Weisen erreicht werden. Erstens ist es möglich, die Konzentration der wichtigsten Vorläufersubstanzen zu verringern. Zweitens lässt sich die Reaktionsneigung dieser Substanzen zur Bildung von Cyanat abzuschwächen. Die zentralen Einflussfaktoren sind dabei die Konzentration der Vorstufen (wie Blausäure und Cyanide) und die Lagerbedingungen, wie Lichtexposition und Temperatur.

5.

Auch wenn noch keine enge Korrelation zwischen dem Gehalt von Blausäure und Ethylcarbamat hergestellt werden konnte, führen offensichtlich unter bestimmten Bedingungen hohe Konzentrationen von Blausäure zu einem höheren Ethylcarbamatgehalt. Ein möglicher Anstieg der Ethylcarbamatbildung wurde mit einem Blausäuregehalt im endgültigen Destillat von 1 mg/l oder mehr in Verbindung gebracht (1), (2).

6.

Teil I enthält Einzelheiten zum Herstellungsprozess, Teil II spezielle Empfehlungen auf der Grundlage bewährter Herstellungsverfahren (GMP).

I.   BESCHREIBUNG DES HERSTELLUNGSPROZESSES

7.

Der Herstellungsprozess von Obstbränden und Obsttrestern umfasst das Einmaischen und die Fermentierung der gesamten Frucht sowie die anschließende Destillation. Der Prozess läuft typischerweise folgendermaßen ab:

Zerquetschen der gesamten reifen Frucht;

Fermentierung der Maische in Edelstahltanks oder anderen geeigneten Fermentierungsbehältern;

Überführung der fermentierten Maische in die Destillationsanlage, häufig ein Kupferkessel;

Erhitzen der fermentierten Maische mithilfe einer geeigneten Methode, um den Alkohol langsam zu verdampfen;

Abkühlen des Alkoholdampfes in einer geeigneten Kolonne (z. B. aus Edelstahl), in der er kondensiert und aufgefangen wird;

Trennung dreier verschiedenen Alkoholfraktionen: Vorlauf, Mittellauf („Herzstück“) und Nachlauf.

8.

Während der Destillation verdampft der Vorlauf als Erstes. Er ist in der Regel am lösungsmittel- oder lackähnlichen Geruch zu erkennen. Diese Faktion ist im Allgemeinen nicht für den Verbrauch geeignet und sollte entsorgt werden.

9.

In der Mitte des Destillationsprozesses (Mittellauf oder „Herzstück“) wird der in allen Spirituosen hauptsächlich enthaltene Ethylalkohol (Ethanol) abgeschieden. Dieser Teil des Destillationsvorgangs, in dem der Anteil an anderen flüchtigen Verbindungen als Ethanol am geringsten ist und in dem die reinsten Obstaromen vorkommen, wird immer aufgefangen.

10.

Der Nachlauf der Destillation enthält Essigsäure und Fuselöle, die sich häufig durch unangenehme Gerüche (Essig und Pflanzen) auszeichnen. Er wird ebenfalls entfernt, kann aber erneut destilliert werden, da er immer noch Ethanol enthält.

II.   EMPFOHLENE VERFAHREN AUF DER GRUNDLAGE BEWÄHRTER HERSTELLUNGSVERFAHREN (GMP)

Rohstoffe und Vorbereitung der Obstmaische

11.

Die Auswahl der Rohstoffe und die Vorbereitung der Obstmaische sollten darauf ausgerichtet sein, die Freisetzung von Blausäure zu verhindern.

12.

Das Steinobst sollte von hoher Qualität und weder mechanisch beschädigt noch mikrobiologisch verdorben sein.

13.

Die Früchte sollten vorzugsweise entsteint werden.

14.

Wenn die Früchte nicht entsteint werden, sollten sie behutsam zerquetscht werden, um das Beschädigen der Steine zu vermeiden.

Fermentierung

15.

Den eingemaischten Früchten sollten ausgewählte Hefestämme für die Alkoholherstellung entsprechend den Anweisungen für die Verwendung hinzugefügt werden.

16.

Die eingemaischten fermentierten Früchte sollten unter Einsatz hoher Hygienestandards behandelt werden; die Lichtexposition sollte minimiert werden. Die fermentierte Obstmaische sollte vor der Destillierung möglichst kurz gelagert werden, da bei längerer Lagerung der Maische die Blausäure auch aus intakten Steinen austreten kann.

Destillationsanlagen

17.

Die Destillationsanlagen und der Destillationsprozess müssen so ausgelegt sein, dass keine Blausäure in das Destillat gelangt.

18.

Die Destillationsanlagen sollten mit automatischen Spülvorrichtungen und Kupferkatalysatoren ausgestattet sein. Die automatischen Spülvorrichtungen sorgen dafür, dass der Destillierapparat sauber bleibt, während die Kupferkatalysatoren die Blausäure binden, bevor sie in das Destillat übergeht.

19.

Automatische Spülvorrichtungen sind bei einer diskontinuierlichen Destillation nicht erforderlich. Die Destillationsanlage sollte nach festgelegten Verfahren systematisch und gründlich gereinigt werden.

20.

In bestimmten Fällen — wenn keine Kupferkatalysatoren oder andere spezielle Cyanidabscheider verwendet werden — können Kupferverbindungen der fermentierten Obstmaische vor der Destillierung hinzugefügt werden. Die Aufgabe der Kupferverbindungen besteht in der Bindung der Blausäure. Kupferverbindungen sind in Fachgeschäften erhältlich und sollten sehr vorsichtig entsprechend der Gebrauchsanweisung eingesetzt werden.

Destillationsvorgang

21.

Steine, die sich in der fermentierten Maische abgelagert haben, sollten nicht in die Destillationsanlage gepumpt werden.

22.

Die Destillation sollte so ausgeführt werden, dass der Alkohol langsam verdampft (z. B. durch die Verwendung von Dampf als Heizquelle anstelle einer direkten Flamme).

23.

Die erste Fraktion des Destillats, der Vorlauf, sollte sorgfältig abgeschieden werden.

24.

Der Mittellauf (das „Herzstück“), sollte aufgefangen und dunkel gelagert werden. Wenn der Alkoholgehalt 50 % Vol. im Sammelgefäß erreicht, sollte auf den Nachlauf umgeschaltet werden, damit Ethylcarbamat, das sich eventuell gebildet hat, mit dem Nachlauf abgeschieden wird.

25.

Der abgetrennte Nachlauf, der möglicherweise Ethylcarbamat enthält, sollte aufgefangen werden; wenn er für eine erneute Destillation verwendet wird, sollte er separat destilliert werden.

Überprüfung des Destillats, erneute Destillation und Lagerung

Blausäure

26.

Die Destillate sollten regelmäßig auf ihren Blausäuregehalt überprüft werden. Die Bestimmung sollte mithilfe geeigneter Tests erfolgen, d. h. entweder mit Schnelltests zur Bestimmung des Blausäuregehalts oder alternativ durch ein Speziallabor.

27.

Übersteigt die Konzentration von Blausäure im Destillat 1 mg/l, empfiehlt sich ggf. eine erneute Destillation mit Katalysatoren oder Kupferverbindungen (vgl. Punkte 18 und 20).

28.

Destillate, die einen Blausäuregehalt von annähernd 1 mg/l aufweisen, sollten idealerweise ebenfalls erneut destilliert werden, oder, wenn dies nicht möglich ist, in lichtundurchlässigen Flaschen oder Umkartons und so kurz wie möglich gelagert werden, um die Bildung von Ethylcarbamat während der Lagerung zu verhindern.

Ethylcarbamat

29.

Eine Untersuchung auf Ethylcarbamat wird für Destillate empfohlen, in denen die Verbindung bereits entstanden sein könnte (z. B. in Destillaten mit unbekanntem Herstellungsablauf, erhöhtem Cyanidgehalt und bei Lagerung bei Licht). Der Ethylcarbamatgehalt kann nur durch ein Speziallabor getestet werden.

30.

Wenn das Destillat einen Ethylcarbamatgehalt aufweist, der das angestrebte Niveau von 1 mg/l übersteigt, sollte das Destillat ggf. erneut destilliert werden.


(1)  Christoph, N., Bauer-Christoph, C., Maßnahmen zur Reduzierung des Ethylcarbamatgehaltes bei der Herstellung von Steinobstbränden (I), Kleinbrennerei 11, 1998; S. 9-13.

(2)  Christoph, N., Bauer-Christoph, C., Maßnahmen zur Reduzierung des Ethylcarbamatgehaltes bei der Herstellung von Steinobstbränden (II), Kleinbrennerei 1, 1999; S. 5-13.


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