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Document 32010A0602(04)

    Stellungnahme des Rates zum aktualisierten Konvergenzprogramm Polens für 2009-2012

    ABl. C 143 vom 2.6.2010, p. 17–21 (BG, ES, CS, DA, DE, ET, EL, EN, FR, IT, LV, LT, HU, MT, NL, PL, PT, RO, SK, SL, FI, SV)

    Legal status of the document In force

    2.6.2010   

    DE

    Amtsblatt der Europäischen Union

    C 143/17


    STELLUNGNAHME DES RATES

    zum aktualisierten Konvergenzprogramm Polens für 2009-2012

    2010/C 143/04

    DER RAT DER EUROPÄISCHEN UNION —

    gestützt auf den Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union,

    gestützt auf die Verordnung (EG) Nr. 1466/97 des Rates vom 7. Juli 1997 über den Ausbau der haushaltspolitischen Überwachung und der Überwachung und Koordinierung der Wirtschaftspolitiken (1), insbesondere auf Artikel 9 Absatz 3,

    auf Empfehlung der Kommission,

    nach Anhörung des Wirtschafts- und Finanzausschusses —

    GIBT FOLGENDE STELLUNGNAHME AB:

    (1)

    Am 26. April 2010 hat der Rat das aktualisierte Konvergenzprogramm Polens für den Zeitraum 2009 bis 2012 geprüft.

    (2)

    Mit einem Anstieg des realen BIP um schätzungsweise 1,7 % war Polen das einzige EU-Land, das 2009 ein Positivwachstum verzeichnete. Zurückzuführen ist dies auf eine Reihe günstiger Faktoren, wie solide Eckdaten bei Ausbruch der Krise, ein gut kapitalisierter und solider Finanzsektor, ein relativ geringer Öffnungsgrad der Wirtschaft, eine erhebliche Abwertung der polnischen Währung in einem frühen Stadium der Krise sowie eine rechtzeitig eingeleitete der Situation angemessene Geld- und Finanzpolitik.

    Auch wenn einige dieser wachstumsfördernden Faktoren nicht von Dauer sind — der Spielraum für eine konjunkturstützende Finanzpolitik ist weitgehend verschwunden und der Wechselkurs steigt nun wieder — haben sich die Wirtschaftsaussichten Polens in den vergangenen Monaten deutlich verbessert. Die größte Herausforderung der kommenden Jahre besteht darin, wieder zu dauerhaft tragfähigen öffentlichen Finanzen zurückzukehren und einen nachhaltigen Aufholprozess zu sichern, ohne die finanzpolitische und gesamtwirtschaftliche Stabilität zu gefährden. Polen hat die Zeiten günstiger Konjunktur (2006-2008) nicht zur Konsolidierung seiner öffentlichen Finanzen genutzt, und das strukturelle öffentliche Defizit (d. h. der konjunkturbereinigte Saldo ohne Anrechnung einmaliger und sonstiger befristeter Maßnahmen, der nach der gemeinsamen Methodik anhand der Daten des aktualisierten Programms berechnet wird) hat 2009 schätzungsweise 7 % des BIP erreicht. Ausgehend von der polnischen Datenmeldung vom April 2009, wonach das Land 2008 ein öffentliches Defizit von 3,9 % des BIP verzeichnete, stellte der Rat am 7. Juli 2009 das Bestehen eines übermäßigen Defizits fest und empfahl, dieses Defizit bis 2012 zu korrigieren.

    (3)

    Auch wenn der im Zuge der Krise verzeichnete Rückgang beim tatsächlichen BIP zum großen Teil konjunkturbedingt ist, wurde auch die Höhe des Produktionspotenzials negativ beeinflusst. Darüber hinaus kann die Krise das Potenzialwachstum durch niedrigere Investitionen, restriktivere Kreditvergabe und steigende strukturelle Arbeitslosigkeit auch mittelfristig beeinträchtigen, auch wenn sich all dies in Polen aufgrund der geringeren Kapitalvernichtung und des flexibleren Arbeitsmarkts weniger stark auswirken dürfte. Hinzu kommt, dass die Folgen der Wirtschaftskrise die nachteiligen Auswirkungen der Bevölkerungsalterung auf das Produktionspotenzial und die langfristige Tragfähigkeit der öffentlichen Finanzen verschärfen. Vor diesem Hintergrund ist es von entscheidender Bedeutung, dass die Strukturreformen beschleunigt werden, um das Potenzialwachstum zu stützen. Vor allem angesichts der niedrigen Beschäftigungsquote in Polen und dem Bedarf an Reformen zur Abstützung des laufenden Aufholprozesses müssen weitere Reformen eingeleitet werden, die die Erwerbsbeteiligung fördern, die Rahmenbedingungen für die Unternehmen verbessern und Anreize für private F&E-Ausgaben geben.

    (4)

    Nach dem makroökonomischen Basisszenario, das den Haushaltsprojektionen des Programms zugrunde liegt, soll sich das reale BIP-Wachstum von 1,7 % im Jahr 2009 auf 3 % im Jahr 2010, 4,5 % im Jahr 2011 und 4,2 % im Jahr 2012 beschleunigen. Diese Annahmen erscheinen angesichts der aktuell verfügbaren Informationen (2) für 2010 leicht optimistisch und für 2011 und 2012 dann optimistisch. Darüber hinaus enthält das Programm aber auch ein alternatives „Risikoszenario“ mit einem niedrigeren realen BIP-Wachstum (d. h. 2,7 % im Jahr 2010, 3,7 % im Jahr 2011 und 3,5 % im Jahr 2012), das plausibler erscheint. Unter Berücksichtigung neuerer Informationen ist die im Programm für den Zeitraum 2010 bis 2012 projizierte allmähliche Erholung der Beschäftigungslage plausibel, insbesondere weil die zügige Anpassung der Reallöhne die Auswirkungen des Abschwungs auf die Beschäftigung abzufedern scheint. Die Inflationsprojektionen des Programms, die von einem durch Währungsaufwertung und anhaltenden Lohndruck bedingten Rückgang der Inflation auf rund 2 % im Jahr 2010 und einem anschließenden, der verbesserten Wirtschaftslage entsprechenden moderaten Anstieg ausgehen, sind realistisch.

    (5)

    Das öffentliche Defizit für 2009 wird im Programm auf 7,2 % des BIP veranschlagt. Die erhebliche Verschlechterung gegenüber dem Defizit von 3,6 % des BIP im Jahr 2008 ist zu einem großen Teil durch die Auswirkungen der Krise auf die öffentlichen Finanzen bedingt, darüber hinaus aber auch den Konjunkturmaßnahmen im Umfang von rund 2 % des BIP zuzuschreiben, die die Regierung 2009 in Einklang mit dem Europäischen Konjunkturprogramm eingeleitet hat. Diese Maßnahmen bestanden hauptsächlich aus einer (2007 beschlossenen) Einkommensteuersenkung, einer Aufstockung der öffentlichen Investitionen und einer Indexierung der Sozialleistungen. Andererseits wäre das Defizit 2009 ohne die defizitsenkenden Maßnahmen im Umfang von schätzungsweise rund 1,5 Prozentpunkten (Senkung von Verwaltungsausgaben und Erhöhung der Dividenden staatseigener Unternehmen) sogar noch höher ausgefallen. Trotz dieser Maßnahmen verschlechterte sich der strukturelle Saldo 2009 um mehr als 2 Prozentpunkte des BIP, was auch auf Ausgabenüberschreitungen in einigen Teilsektoren des Sektors Staat (3) und auf eine ungünstige Wachstumszusammensetzung zurückzuführen ist.

    Obwohl das strukturelle Defizit einen hohen Stand erreicht hat und ein rapides Wiederanziehen der Wirtschaftstätigkeit projiziert wird, sieht das Programm nur eine allmähliche Ausstiegsstrategie mit einer moderaten Haushaltskonsolidierung im Zeitraum 2010 bis 2011 vor.

    (6)

    Für 2010 geht das Programm von einem leichten Rückgang des öffentlichen Defizits auf 6,9 % des BIP aus. Erreicht werden soll dies durch eine erhebliche Steigerung der Einnahmenquote (um 2,2 Prozentpunkte), durch die der deutliche Anstieg der Ausgabenquote (um 1,9 Prozentpunkte), der hauptsächlich auf eine Erhöhung der Investitionsausgaben (zum Teil aus EU-Mitteln finanziert) zurückzuführen ist, mehr als ausgeglichen würde. Wichtigste Konsolidierungsmaßnahmen sind die Erhöhung bestimmter Verbrauch- und Quasi-Verbrauchsteuern (im Umfang von rund 0,2 % des BIP) und eine Eindämmung des Lohn- und Gehaltswachstums im zentralstaatlichen Haushalt (im Umfang von 0,3 % des BIP), die insgesamt 0,5 % des BIP ausmachen. Die Verbesserung des strukturellen Saldos wird auf 0,8 Prozentpunkte des BIP geschätzt und wäre auch auf eine günstige Wachstumszusammensetzung zurückzuführen, die eine höhere Steuerelastizität als üblich nach sich zöge. Die Konsolidierungsanstrengung, die sich aus den derzeitigen Plänen ableiten lässt, liegt unter dem vom Rat im Juli 2009 für den Zeitraum 2010-2012 empfohlenen jährlichen Durchschnitt (von mindestens 1,25 Prozentpunkten des BIP).

    (7)

    Hauptziel der mittelfristigen Haushaltsstrategie des Programms ist es, das Defizit gemäß der Ratsempfehlung nach Artikel 104 Absatz 7 EGV bis 2012 unter den Referenzwert von 3 % des BIP abzusenken. Doch soll ein erheblicher Teil der geplanten Korrektur erst in den letzten Programmjahren stattfinden: So soll sich der Nominalsaldo 2010 um 0,3 Prozentpunkte des BIP, 2011 um 1 Prozentpunkt des BIP und 2012 um 3 Prozentpunkte des BIP verbessern. Der strukturelle Saldo soll sich 2010 und 2011 um je 0,8-0,9 Prozentpunkte des BIP jährlich und 2012 dann um 3 Prozentpunkte verbessern. Zum Ausgleich dafür, dass die Ausgangsposition für das Nominaldefizit 2009 schlechter ist als zur Zeit der Ratsempfehlung angenommen, soll die durchschnittliche jährliche strukturelle Konsolidierungsanstrengung im Zeitraum 2010-2012 bei rund 1½ Prozentpunkten des BIP und damit leicht über dem vom Rat im Rahmen des Defizitverfahrens empfohlenen Wert liegen. Die für die Jahre 2011-2012 geplante Konsolidierung ist vorwiegend ausgabengestützt, aber nicht hinreichend durch konkrete Maßnahmen unterlegt. Die Auswirkungen der im „Plan für Entwicklung und Konsolidierung der Finanzen“ vom 29. Januar 2010 angekündigten Maßnahmen, auf die im Konvergenzprogramm eingehend Bezug genommen wird, gehen im Zeitraum 2011 bis 2012 per Saldo insgesamt nicht über 0,5 % des BIP hinaus (4). Die Entschlossenheit der Regierung, das mittelfristige Ziel, d. h. einen strukturellen Saldo von – 1 % des BIP zu erreichen, wird im Programm erneuert. Angesichts der jüngsten Projektionen und Schuldenstanddaten gibt dieses mittelfristige Ziel die Zielsetzungen des Pakts mehr als ausreichend wieder. Dem Programm zufolge soll es im Programmzeitraum aber nicht mehr erreicht werden.

    (8)

    Die Haushaltsergebnisse könnten im gesamten Programmzeitraum schlechter ausfallen als im Programm projiziert. Erstens könnte das reale BIP-Wachstum hinter den Projektionen zurückbleiben, so dass auch die Steuereinnahmen geringer ausfallen als erwartet. Sollte das vorsichtigere und plausiblere Alternativszenario eintreten, würde das Defizit 2012 dem Programm zufolge bei annähernd 5 % des BIP liegen und das übermäßige Defizit nicht innerhalb der vom Rat gesetzten Frist korrigiert. Zweitens werden die Haushaltsziele 2011 und 2012 nicht durch konkrete Maßnahmen gestützt. Angesichts des Wahlmarathons der kommenden zwei Jahre (Präsidentschafts- und Kommunalwahlen im Herbst 2010, Parlamentswahlen im Herbst 2011) stellt sich die Frage, wann diese Maßnahmen festgelegt und umgesetzt werden sollen. Drittens weist Polen bei der Erreichung der in den sukzessiven Konvergenzprogrammaktualisierungen genannten gesamtstaatlichen Ausgabenziele eine gemischte Bilanz auf, und neue Initiativen zur Stärkung des finanzpolitischen Rahmens könnten sich als unzureichend erweisen, um dies im Programmzeitraum zu ändern. Die vorgeschlagene neue „befristete“ Ausgabenregel, die bis zur Einführung der „zielorientierten“ Ausgabenregel angewandt werden soll, erfasst nur einen äußerst kleinen Teil der Staatsausgaben (weniger als 15 %) und wird selbst bei vollständiger Einhaltung nur eine geringe jährliche Korrektur bewirken (in den Jahren 2011 und 2012 weniger als 0,2 % des BIP jährlich) (5). Alles in allem könnten die Haushaltsergebnisse schlechter ausfallen als im Programm projiziert.

    (9)

    Der öffentliche Bruttoschuldenstand hat 2009 schätzungsweise 50,7 % des BIP erreicht, gegenüber 47,2 % im Vorjahr. Diese Quote soll vor allem wegen hoher Haushaltsdefizite im Programmzeitraum um 5 Prozentpunkte ansteigen und 2012 rund 56 % des BIP erreichen, damit aber immer noch unter dem im EG-Vertrag festgelegten Referenzwert bleiben. Begrenzt werden soll der Anstieg der Schuldenquote durch die für 2010 geplanten erheblichen Privatisierungserlöse. Angesichts nach wie vor schwacher Marktbedingungen und der Tatsache, dass Privatisierungspläne in der Vergangenheit nicht die erhofften Ergebnisse gebracht haben, könnten die Erlöse allerdings hinter den Erwartungen zurückbleiben. In ihrer Herbstprognose 2009 gingen die Kommissionsdienststellen gestützt auf ein anderes makroökonomisches Szenario und unter der Annahme einer unveränderten Politik davon aus, dass die Schuldenquote 2011 die Schwelle von 60 % des BIP überschreiten wird. Auch wenn diese Prognose angesichts neuerer Daten eher hoch erscheint, könnte die Schuldenquote in den nächsten Jahren doch höher sein als im Programm unterstellt.

    (10)

    Mittelfristige Schuldenprojektionen bis 2020, die davon ausgehen, dass das BIP-Wachstum langsam wieder die vor der Krise projizierten Raten erreicht und die Steuerquoten wieder auf Vorkrisenniveau zurückkehren, und die den projizierten Anstieg der alterungsbedingten Ausgaben beinhalten, zeigen, dass die im Programm anvisierte Haushaltsentwicklung in der dargestellten Form und bei unveränderter Politik mehr als ausreicht, um die Schuldenquote bis 2020 zu stabilisieren. Im Programm werden Reformen zur Stärkung der langfristigen Tragfähigkeit der öffentlichen Finanzen genannt (Einbeziehung der uniformierten Berufe in das reformierte allgemeine Rentensystem, Renteneintrittsalter, Sozialversicherungsfonds für Landwirte und Kürzung der Leistungen für Behinderte). Auch wenn diese Maßnahmen für den Haushaltssaldo und die Entwicklungen am Arbeitsmarkt auf lange Sicht außerordentlich wichtig sind, sollen sie doch nur schrittweise umgesetzt werden, so dass sie sich im Programmzeitraum nicht signifikant auf den Haushaltshaltssaldo auswirken.

    (11)

    Die langfristigen Auswirkungen der Bevölkerungsalterung auf die öffentlichen Haushalte liegen erheblich unter dem EU-Durchschnitt, was auch im projizierten Rückgang der öffentlichen Rentenausgaben zum Ausdruck kommt. Dennoch führt die Haushaltsposition 2009 auf lange Sicht zu einer deutlichen Tragfähigkeitslücke. Die schon im Programm vorgesehene mittelfristige Sicherung höherer Primärüberschüsse würde dazu beitragen, die Risiken für die langfristige Tragfähigkeit der öffentlichen Finanzen, die im Tragfähigkeitsbericht der Kommission von 2009 (6) als mittelhoch eingestuft wurden, zu verringern.

    (12)

    Der finanzpolitische Rahmen Polens kann noch verbessert werden. Polen verfügt nur über eine Form von Haushaltsvorschrift. Diese basiert auf drei Schuldenstandsschwellen (50 %, 55 % bzw. 60 % des BIP, wobei Letztere in der polnischen Verfassung festgeschrieben ist), deren Überschreitung progressive Haushaltskonsolidierungsmaßnahmen nach sich zieht. Der institutionelle Rahmen stellt keine ausreichende Ausgabenkontrolle sicher und führt immer wieder zu Ausgabenüberschreitungen. 2009 leitete die Regierung Schritte zur Verbesserung des finanzpolitischen Rahmens ein. Die bestehende Schuldenregel wurde restriktiver gefasst und zusätzliche Bestimmungen über die Art von Maßnahmen aufgenommen, die zu treffen sind, wenn der öffentliche Schuldenstand (nationale Definition, nicht die des ESVG95) über 55 % des BIP hinausgeht. Der Planungshorizont für den zentralstaatlichen Haushalt wurde von 3 auf 4 Jahre erweitert. Im Sektor Gesamtstaat wurden einige Umstrukturierungen vorgenommen, die darauf abzielten, die Transparenz des öffentlichen Rechnungswesens zu erhöhen. Als Letztes beabsichtigt die Regierung, den finanzpolitischen Rahmen u. a. durch eine „befristete“ und eine „zielgerichtete“ Ausgabenregel stärken. Doch würde die „befristete“ Regel nur den nicht verbindlichen Teil des zentralstaatlichen Haushalts erfassen (ohne öffentliche Investitionen), auf den zurzeit weniger als 15 % der gesamtstaatlichen Ausgaben entfallen. Auch wenn solche Vorkehrungen künftige Konsolidierungsanstrengungen erleichtern, so können sie nicht die Maßnahmen ersetzen, die zur Stützung des im Programm vorgesehenen Konsolidierungskurses benötigt werden.

    (13)

    Ein Blick auf die Zusammensetzung der öffentlichen Ausgaben zeigt, dass der Anteil der Sozialausgaben in Polen relativ hoch, der Anteil der Ausgaben in bestimmten wachstumsfördernden Kategorien (Innovation, F&E) und im Gesundheitswesen demgegenüber aber relativ niedrig ist. Auch die Effizienz der öffentlichen Ausgaben in Bereichen wie dem Gesundheits- oder dem Bildungswesen scheint verbesserungsfähig. Was die Einnahmenseite angeht, so liegt die Steuerlast dicht am EU-Durchschnitt, wenngleich dem komplexen Steuer- und Steuererhebungssystem eine weitere Vereinfachung gut täte. Seit 2005 stellt die polnische Regierung schrittweise auf eine ergebnisorientierte Haushaltsführung um, wodurch sich in den kommenden Jahren sowohl die Effizienz als auch die Wirksamkeit der Staatsausgaben erhöhen dürften. Im Haushalt 2010 wurde die ergebnisorientierte Haushaltsführung noch ausgeweitet und erfasst nun auch weitere Teile des Sektors Gesamtstaat sowie weitere Ausgabenkategorien. Der erste zentralstaatliche Haushalt mit vollständig ergebnisorientierter Haushaltsführung ist für 2013 geplant.

    (14)

    Alles in allem steht die im Programm dargelegte Haushaltsstrategie 2010 weitgehend mit den Ratsempfehlungen nach Artikel 104 Absatz 7 EGV vom 7. Juli 2009 in Einklang. Angesichts der Risiken könnte die Haushaltsstrategie ab 2011 nicht mehr mit den Ratsempfehlungen vereinbar sein. Die für den Zeitraum 2010-2012 geplante durchschnittliche strukturelle Konsolidierungsanstrengung von 1,5 % des BIP jährlich liegt leicht über dem vom Rat im Rahmen des Defizitverfahrens empfohlenen Wert. Allerdings soll die Haushaltskonsolidierung zu einem großen Teil erst gegen Programmende erfolgen, beruhen die Defizitziele auf optimistischen Wachstumsannahmen, und die geplanten Einsparungen sind nicht durch hinreichend konkrete Maßnahmen gestützt. Angesichts des guten wirtschaftlichen Abschneidens Polens in der Krise, der von den Behörden ab 2010 projizierten Erholung, des hohen strukturellen Haushaltsdefizits und des von der Regierung verfolgten Ziels, das übermäßige Defizit bis 2012 zu korrigieren, sollte die Konsolidierungsstrategie eine frühzeitigere Anpassung vorsehen. 2010 sollte der Haushalt rigoros umgesetzt werden, wobei die Planungen für die laufenden Primärausgaben wann immer möglich unterschritten und unerwartete Einnahmen für den Defizitabbau genutzt werden sollten. Die von der Regierung für die Jahre 2011 und 2012 anvisierten Defizitziele müssten durch umfangreiche zusätzliche Maßnahmen abgestützt werden, was auch eine angemessene Marge für den Fall bieten dürfte, dass das makroökonomische Basisszenario des Programms sich als unzutreffend erweist.

    (15)

    Das Programm enthält alle im Verhaltenskodex für die Stabilitäts- und Konvergenzprogramme vorgeschriebenen und die meisten fakultativen Angaben (7). In seinen Empfehlungen nach Artikel 104 Absatz 7 EGV vom 7. Juli 2009 hatte der Rat Polen ebenfalls aufgefordert, in einem gesonderten Kapitel seiner Konvergenzprogrammfortschreibungen über Fortschritte bei der Umsetzung der Ratsempfehlungen zu berichten. Dieser Empfehlung ist Polen teilweise nachgekommen. Nicht hinreichend ausgeführt wurden insbesondere die Maßnahmen, die notwendig sind, um das Defizit bis 2012 unter den Referenzwert abzusenken, und die Reformen, mit denen die laufenden Primärausgaben in den kommenden Jahren eingedämmt werden sollen.

    Alles in allem lässt sich daraus der Schluss ziehen, dass Polen zwar plant, sein übermäßiges Defizit in Einklang mit der Ratsempfehlung im Rahmen des Defizitverfahrens bis 2012 zu korrigieren, die Haushaltskorrektur aber vorwiegend gegen Programmende erfolgen soll — da der größte Teil des Defizitabbaus für 2012 vorgesehen ist — und für die Defizitziele des Programms sowohl einnahmen- wie ausgabenseitig erhebliche Abwärtsrisiken bestehen. Angesichts der von den Behörden ab 2010 projizierten Erholung und des hohen strukturellen öffentlichen Defizits sollte die Konsolidierungsstrategie eine frühzeitigere Anpassung vorsehen. Risiken für die Haushaltsziele erwachsen aus den optimistischen Annahmen für das reale BIP-Wachstum, dem Fehlen umfangreicher, hinreichend konkreter Maßnahmen zur Abstützung der Haushaltsziele ab 2011, der Tatsache, dass Ausgabenplanungen in der Vergangenheit nicht eingehalten wurden, und den bevorstehenden Wahlen. Die Absicht, den finanzpolitischen Rahmen insbesondere durch neue Ausgabenregeln zu stärken, ist zu begrüßen. Bei der „befristeten“ Ausgabenregel wäre größerer Ehrgeiz angebracht und es sollte insbesondere ein größerer Teil der Staatsfinanzen von der Regel erfasst werden.

    In Anbetracht der vorstehenden Bewertung und der Empfehlung nach Artikel 104 Absatz 7 EGV vom 7. Juli 2009 sowie der Notwendigkeit, nachhaltige Konvergenz zu gewährleisten, wird Polen aufgefordert,

    i)

    den Haushalt 2010 rigoros umzusetzen, die Planungen für die laufenden Primärausgaben wann immer möglich zu unterschreiten und unerwartete Einnahmen für den Defizitabbau zu nutzen;

    ii)

    die für 2011 vorgesehene Haushaltsanpassung zu verstärken, um die durchschnittliche jährliche Konsolidierungsanstrengung von 1,25 % des BIP gemäß der Empfehlung nach Artikel 104 Absatz 7 zu erreichen, und darauf vorbereitet sein, 2011 und 2012 weitere Konsolidierungsmaßnahmen zu ergreifen, falls die Risiken, die aus der Tatsache resultieren, dass dem Programm ein optimistischeres Szenario zugrunde liegt als der Empfehlung nach Artikel 104 Absatz 7 EGV, tatsächlich eintreten;

    iii)

    den finanzpolitischen Rahmen weiter verstärken und zu diesem Zweck u. a. eine Ausgabenregel einzuführen, die einen größeren Teil der gesamtstaatlichen Primärausgaben abdeckt als die im Konvergenzprogramm präsentierte „befristete“ Regel und angemessene Überwachungs- und Durchsetzungsmechanismen vorsieht. Dazu wäre es erforderlich, den Anteil der obligatorischen Ausgaben an den Gesamtausgaben zu senken.

    Polen wird ferner aufgefordert, bei seiner nächsten Konvergenzprogrammaktualisierung in dem vom Rat in seiner Empfehlung nach Artikel 104 Absatz 7 vom 7. Juli 2009 geforderten gesonderten Kapitel über die Fortschritte bei der Korrektur des übermäßigen Defizits präzisere Informationen zu liefern.

    Gegenüberstellung zentraler makroökonomischer und budgetärer Projektionen

     

    2008

    2009

    2010

    2011

    2012

    Reales BIP

    (Veränderung in %)

    KP Febr. 2010

    5,0

    1,7

    3,0

    4,5

    4,2

    KOM Nov. 2009

    5,0

    1,2

    1,8

    3,2

    k.A.

    KP Dez. 2008

    5,1

    3,7

    4,0

    4,5

    k.A.

    HVPI Inflation

    (%)

    KP Febr. 2010

    4,2

    4,0

    2,1

    2,7

    3,2

    KOM Nov. 2009

    4,2

    3,9

    1,9

    2,0

    k.A.

    KP Dez. 2008

    4,2

    2,9

    2,5

    2,5

    k.A.

    Produktionslücke (8)

    (% des BIP-Potenzials)

    KP Febr. 2010

    2,4

    –0,4

    –1,7

    –1,5

    –1,5

    KOM Nov. 2009 (9)

    2,6

    –0,4

    –2,2

    –2,3

    k.A.

    KP Dez. 2008

    1,0

    –0,1

    –0,6

    –0,5

    k.A.

    Finanzierungsüberschuss/ -defizit gegenüber dem Rest der Welt

    (% des BIP)

    KP Febr. 2010

    –4,0

    –0,1

    –1,1

    –0,0

    –0,8

    KOM Nov. 2009

    –4,0

    –0,2

    –0,3

    –0,7

    k.A.

    KP Dez. 2008

    –4,0

    –1,8

    –1,3

    –1,5

    k.A.

    Gesamtstaatliche Einnahmen

    (% des BIP)

    KP Febr. 2010

    39,6

    37,4

    39,6

    40,3

    40,3

    KOM Nov. 2009

    39,6

    37,6

    38,6

    38,3

    k.A.

    KP Dez. 2008

    39,8

    40,7

    40,0

    39,7

    k.A.

    Gesamtstaatliche Ausgaben

    (% des BIP)

    KP Febr. 2010

    43,3

    44,6

    46,5

    46,2

    43,3

    KOM Nov. 2009

    43,3

    44,0

    46,1

    45,9

    k.A.

    KP Dez. 2008

    42,6

    43,2

    42,4

    41,7

    k.A.

    Gesamtstaatlicher Haushaltssaldo

    (% des BIP)

    KP Febr. 2010

    –3,6

    –7,2

    –6,9

    –5,9

    –2,9

    KOM Nov. 2009

    –3,6

    –6,4

    –7,5

    –7,6

    k.A.

    KP Dez. 2008

    –2,7

    –2,5

    –2,3

    –1,9

    k.A.

    Primärsaldo

    (% des BIP)

    KP Febr. 2010

    –1,4

    –4,8

    –4,2

    –3,1

    –0,2

    KOM Nov. 2009

    –1,4

    –3,8

    –4,6

    –4,6

    k.A.

    KP Dez. 2008

    –0,3

    0,1

    0,2

    0,5

    k.A.

    Konjunkturbereinigter Saldo (8)

    (% des BIP)

    KP Febr. 2010

    –4,6

    –7,0

    –6,2

    –5,3

    –2,3

    KOM Nov. 2009

    –4,7

    –6,3

    –6,6

    –6,7

    k.A.

    KP Dez. 2008

    –3,1

    –2,5

    –2,1

    –1,7

    k.A.

    Struktureller Saldo (10)

    (% des BIP)

    KP Febr. 2010

    –4,6

    –7,0

    –6,2

    –5,3

    –2,3

    KOM Nov. 2009

    –4,7

    –6,4

    –6,6

    –6,7

    k.A.

    KP Dez. 2008

    –3,1

    –2,5

    –2,3

    –1,7

    k.A.

    Öffentlicher Bruttoschuldenstand

    (% des BIP)

    KP Febr. 2010

    47,2

    50,7

    53,1

    56,3

    55,8

    KOM Nov. 2009

    47,2

    51,7

    57,0

    61,3

    k.A.

    KP Dez. 2008

    45,9

    45,8

    45,5

    44,8

    k.A.

    Konvergenzprogramm (KP), Herbstprognose der Kommissionsdienststellen (KOM), Berechnungen der Kommissionsdienststellen.


    (1)  ABl. L 209 vom 2.8.1997, S. 1. Die Dokumente, auf die in diesem Text verwiesen wird, sind im Internet abrufbar unter: http://ec.europa.eu/economy_finance/sgp/index_de.htm

    (2)  Diese Bewertung beruht insbesondere auf der Herbstprognose 2009 der Kommissionsdienststellen, aber auch auf neueren Daten, insbesondere der Zwischenprognose der Kommissionsdienststellen vom Februar 2010.

    (3)  Hiervon ausgenommen ist der Teilsektor Zentralstaat, in dem trotz höherer Einnahmen nicht alle Ausgaben ausgeschöpft wurden.

    (4)  Die im ersten, dem Präsidenten vorgelegten Reformpaket dargelegten Auswirkungen der Ausgabenregel sind in dem Wert von 0,5 % des BIP enthalten.

    (5)  Das Programm sieht die Einführung von zwei Ausgabenregeln vor: Erstens eine „befristete“ Regel, die nur einen kleinen Teil der gesamtstaatlichen Ausgaben abdeckt und die so lange in Kraft bleiben soll, bis das mittelfristige Ziel (ein strukturelles öffentliches Defizit von 1 % des BIP) erreicht ist. Danach plant die Regierung die Einführung einer „zielorientierten“ Ausgabenregel, die das strukturelle Defizit bei 1 % des BIP halten soll und einen größeren Teil der Staatsausgaben erfassen würde.

    (6)  In seinen Schlussfolgerungen vom 10. November 2009 zur Tragfähigkeit der öffentlichen Finanzen rief der Rat die Mitgliedstaaten auf, „bei ihren kommenden Stabilitäts- und Konvergenzprogrammen einen Schwerpunkt auf Strategien zu legen, die auf Tragfähigkeit ausgerichtet sind“, und ersuchte die Kommission, „zusammen mit dem Ausschuss für Wirtschaftspolitik und dem Wirtschafts- und Finanzausschuss die Methoden zur Bewertung der langfristigen Tragfähigkeit der öffentlichen Finanzen rechtzeitig für den nächsten Tragfähigkeitsbericht weiterzuentwickeln“, der 2012 geplant ist.

    (7)  Es fehlen insbesondere die Schätzungen des Beitrags der einzelnen Produktionsfaktoren zum Potenzialwachstum und die langfristigen Projektionen für bestimmte Datenreihen.

    (8)  Produktionslücken und konjunkturbereinigte Salden nach Neuberechnungen der Kommissionsdienststellen anhand von Programmdaten.

    (9)  Ausgehend von einem geschätzten Potenzialwachstum von 5,0 %, 4,2 %, 3,7 % bzw. 3,3 % im Zeitraum 2008-2011.

    (10)  Konjunkturbereinigter Saldo ohne Anrechnung einmaliger und sonstiger befristeter Maßnahmen. Nach der jüngsten Programmfortschreibung gibt es keine einmaligen Maßnahmen, während einmalige Maßnahmen nach der Herbstprognose 2009 der Kommissionsdienststellen im Jahr 2009 0,1 % des BIP ausmachen und das Defizit senken.

    Quelle:

    Konvergenzprogramm (KP), Herbstprognose der Kommissionsdienststellen (KOM), Berechnungen der Kommissionsdienststellen.


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