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Document 32010A0601(03)

Stellungnahme des Rates zum aktualisierten Stabilitätsprogramm Italiens für 2009-2012

ABl. C 142 vom 1.6.2010, p. 13–18 (BG, ES, CS, DA, DE, ET, EL, EN, FR, IT, LV, LT, HU, MT, NL, PL, PT, RO, SK, SL, FI, SV)

Legal status of the document In force

1.6.2010   

DE

Amtsblatt der Europäischen Union

C 142/13


STELLUNGNAHME DES RATES

zum aktualisierten Stabilitätsprogramm Italiens für 2009-2012

2010/C 142/03

DER RAT DER EUROPÄISCHEN UNION —

gestützt auf den Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union,

gestützt auf die Verordnung (EG) Nr. 1466/97 des Rates vom 7. Juli 1997 über den Ausbau der haushaltspolitischen Überwachung und der Überwachung und Koordinierung der Wirtschaftspolitiken (1), insbesondere auf Artikel 5 Absatz 3,

auf Empfehlung der Kommission,

nach Anhörung des Wirtschafts- und Finanzausschusses —

GIBT FOLGENDE STELLUNGNAHME AB:

(1)

Am 26. April 2010 prüfte der Rat das aktualisierte Stabilitätsprogramm Italiens für den Zeitraum 2009 bis 2012.

(2)

Während die geringe Verschuldung des Haushaltssektors und ein relativ solider Finanzsektor einen gewissen Schutz vor der Weltfinanzkrise boten, wurde die italienische Wirtschaft schon lange vor dem weltweiten Abschwung durch tief verwurzelte Strukturschwächen, die ein unbefriedigendes Produktivitätswachstum bewirkten, geschwächt. Das BIP, das fünf Quartale in Folge geschrumpft war, erholte sich im dritten Quartal 2009, ging jedoch im vierten Quartal wieder leicht zurück. Die Rezession wirkt sich zeitverzögert auf den Arbeitsmarkt aus: 2009 zeigten sich ihre Auswirkungen mehr in Bezug auf geleistete Arbeitsstunden als auf die Beschäftigtenzahl. Viele Arbeitnehmer, vor allem aus dem am stärksten betroffenen produzierenden Gewerbe, bezogen zur Ergänzung der aufgrund der Kurzarbeit geringeren Löhne Mittel aus dem Lohnergänzungsfonds. Die Regierung hat angesichts der sehr hohen Staatsverschuldung in einem zunehmend risikoscheuen Umfeld angemessen auf die Krise reagieren. Seit dem letzten Quartal 2008 hat die Regierung verschiedene Maßnahmen verabschiedet, um die Stabilität des Finanzsektors zu stützen, Vertrauen wiederherzustellen sowie notleidende Unternehmen und private Haushalte zu entlasten. Nach Schätzungen der Regierung wurden die Konjunkturmaßnahmen vollständig durch die Umschichtung vorhandener Mittel und Einnahmenerhöhungen finanziert und hatten keine Auswirkungen auf das Defizit. Ungeachtet des vorsichtigen finanzpolitischen Kurses der Regierung hat sich der Konjunkturabschwung erheblich auf die öffentlichen Finanzen Italiens ausgewirkt. Die gesamtstaatliche Defizitquote verdoppelte sich zwischen 2008 und 2009 auf 5,3 % des BIP (bestätigt durch die am 1. März 2010 veröffentlichten Schätzungen des Statistischen Amtes). Zusammen mit der sehr hohen gesamtstaatlichen Schuldenquote führte dies dazu, dass der Rat am 2. Dezember 2009 das Vorliegen eines übermäßigen Defizits in Italiens feststellte und für dessen Beendigung eine Frist bis 2012 setzte. Die wichtigste Herausforderung für die italienische Wirtschaftspolitik in den kommenden Jahren besteht — neben der haushaltspolitischen Konsolidierung, die eine Voraussetzung für die Tragfähigkeit der öffentlichen Finanzen darstellt — darin, die rasche und dauerhafte Erholung des Produktivitätswachstums zu unterstützen, um die Wettbewerbsfähigkeit wiederherzustellen und das geringe potenzielle BIP-Wachstum des Landes zu steigern. Weit reichende Strukturreformen sind der Schlüssel zur Bewältigung der Produktivitätsprobleme. Zur kurzfristigen Wiederherstellung der Wettbewerbsfähigkeit muss außerdem sichergestellt werden, dass Lohn- und Produktivitätsentwicklung besser miteinander in Einklang gebracht werden.

(3)

Auch wenn der im Zuge der Krise verzeichnete Rückgang beim tatsächlichen BIP zum großen Teil konjunkturell bedingt ist, wurde auch die Höhe des Produktionspotenzials negativ beeinflusst. Über niedrigere Investitionen, knappere Kredite und steigende strukturelle Arbeitslosigkeit könnte die Krise das Potenzialwachstum außerdem auch mittelfristig beeinträchtigen. Zudem verschärfen die Auswirkungen der Wirtschaftskrise die negativen Folgen der Bevölkerungsalterung für das Produktionspotenzial und die langfristige Tragfähigkeit der öffentlichen Finanzen. Vor diesem Hintergrund ist es unverzichtbar, das Tempo der Strukturreformen zu beschleunigen, um das Potenzialwachstum zu stützen. Für Italien ist es wichtig, Reformen in folgenden Bereichen durchzuführen: Marktwettbewerb, Unternehmensumfeld, Qualität der öffentlichen Dienstleistungen und Funktionieren des Arbeitsmarktes einschließlich der Umschichtung der Sozialausgaben im Hinblick auf die Schaffung eines breiter angelegten und einheitlicheren Systems der Arbeitslosenunterstützung.

(4)

Nach dem makroökonomischen Szenario des Programms wird das reale BIP 2010 wieder ein positives Wachstum von 1,1 % aufweisen, verglichen mit – 4,8 % im Jahr 2009 (– 5 % nach der am 1. März 2010 veröffentlichten Schätzung des Statistischen Amtes), und im restlichen Programmzeitraum auf 2 % ansteigen. Bei einer Beurteilung anhand der derzeit verfügbaren Informationen (2) scheint dieses Szenario auf günstigen Wachstumsannahmen zu beruhen. Die Inflationsprojektionen des Programms erscheinen realistisch. Die Projektionen für das Beschäftigungswachstum und die Arbeitslosenquote fallen in Einklang mit den Projektionen für ein höheres reales BIP günstiger aus als in der Herbstprognose 2009 der Kommissionsdienststellen.

(5)

In dem Programm wird das gesamtstaatliche Defizit für 2009 auf 5,3 % des BIP veranschlagt. Diese wesentliche Verschlechterung gegenüber dem Defizit von 2,7 % des BIP 2008 ist weitgehend den Auswirkungen der Krise auf die öffentlichen Finanzen zuzuschreiben. Im Einklang mit dem Europäischen Konjunkturprogramm wurden mehrere Konjunkturprogramme mit einem Gesamtumfang von 0,7 % des BIP im Jahr 2009 verabschiedet, die nach Angaben der Behörden vollständig aus der Umschichtung vorhandener Mittel und Einnahmenerhöhungen finanziert werden. Laut dem Programm soll die Haushaltspolitik — im Hinblick auf die Korrektur des übermäßigen Defizits bis 2012 — bereits im Jahr 2010 leicht sowie in den Jahren 2011 und 2012 deutlich restriktiver werden. Dies steht in Einklang mit der vom Rat befürworteten Ausstiegsstrategie und trägt auch der sehr hohen gesamtstaatlichen Schuldenquote Rechnung.

(6)

Für 2010 sieht das Programm eine Senkung des gesamtstaatlichen Defizits um 0,3 BIP-Prozentpunkte auf 5,0 % des BIP vor, was sich — sofern in dieser Form ausgeführt — weitgehend mit den Empfehlungen des Rates gemäß Artikel 126 Absatz 7 vom 2. Dezember 2009 decken würde. Die Einnahmenquote wird voraussichtlich um 0,5 Prozentpunkte sinken, was auch auf das Auslaufen der einmaligen einnahmensteigernden Maßnahmen zurückzuführen ist, die sich 2009 auswirkten. Die Ausgabenquote soll mit 0,8 BIP-Prozentpunkten deutlicher sinken, vor allem dank der Ausgabenzurückhaltung, die mit dem im Sommer 2008 verabschiedeten Haushaltspaket 2009-2011 beschlossen wurde. Dies wird deutlich durch den nachlassenden Anstieg der Primärausgaben, der 2010 lediglich bei 0,6 % liegen soll, und den Rückgang der öffentlichen Investitionen nach der raschen Zunahme, die 2009 zu verzeichnen war. Der Haushalt 2010 enthält einige Maßnahmen, die über die im 2008 verabschiedeten Haushaltspaket für 2009-2011 geplanten Maßnahmen hinausgehen und nach Angaben der Behörden haushaltsneutral sind. Er enthält auch einige neue expansive Maßnahmen, die sich auf rund 0,4 % des BIP belaufen und auf die Unterstützung von Arbeitnehmern mit geringem Einkommen, die Finanzierung zusätzlicher Gesundheits- und Sozialausgaben sowie Militärmissionen im Ausland gerichtet sind. Hauptfinanzierungsquelle sind die 2009 verzeichneten einmaligen Einnahmen (0,35 % des BIP) aus der Sondersteuer auf illegal ins Ausland verbrachte Vermögenswerte (scudo fiscale), da aufgrund dieses positiven Ergebnisses im Haushalt 2010 beschlossen wurde, die Erhebung einiger auf 0,25 % des BIP geschätzter Einkommensteuern von 2009 auf 2010 zu verschieben.

Die zusätzlichen expansiven Maßnahmen bedeuten eine leichte Abweichung von den Empfehlungen für 2010, wenngleich es sich um einen geringen Betrag handelt, der nach Angaben der Behörden vollständig durch eine Umverteilung der einmaligen Einnahmen aus dem „scudo fiscale“ finanziert wird. Nach der Verschlechterung um 0,25 BIP-Prozentpunkt im Jahr 2009 dürfte sich der strukturelle Haushaltssaldo, d. h. der konjunkturbereinigte Saldo ohne einmalige und sonstige befristete Maßnahmen, nach der gemeinsamen Methodik im Jahr 2010 um 0,5 BIP-Prozentpunkt verbessern, was vor allem auf die Ausgabenzurückhaltung zurückzuführen ist.

(7)

Hauptziel der mittelfristigen Haushaltsstrategie des Programms ist es, das Defizit bis 2012 (die vom Rat festgesetzte Frist für die Korrektur des übermäßigen Defizits) unter den Referenzwert von 3 % des BIP zu senken, wobei die Defizitziele für 2011 und 2012 auf 3,9 % bzw. 2,7 % des BIP festgesetzt sind. Um die Ziele zu erreichen, plant die Regierung — über die bereits mit dem Haushaltspaket 2009-2011 verabschiedeten Maßnahmen in Höhe von 0,4 BIP-Prozentpunkten im Jahr 2011 und weiteren 0,8 BIP-Prozentpunkten 2012 hinaus — zusätzliche Konsolidierungsanstrengungen. Zu den hinter dieser zusätzlichen Konsolidierung stehenden umfassenden Maßnahmen werden keine Angaben gemacht, was die Bewertung der Zusammensetzung der geplanten Anpassung erschwert. Der Primärsaldo soll 2011 bei 1,3 % des BIP und 2012 bei 2,7 % des BIP liegen. Die jährliche strukturelle Konsolidierung soll bei 0,5 BIP-Prozentpunkt im Jahr 2011 und einem ¾ BIP-Prozentpunkt im Jahr 2012 liegen. Die Haushaltsanpassung dürfte somit etwas zu weit ans Ende des Programmzeitraums verlagert sein. In dem Programm wird die Verpflichtung auf das mittelfristige Ziel einer strukturell ausgeglichenen Haushaltsposition bekräftigt. Angesichts der jüngsten Projektionen und Daten zum Schuldenstand gibt das mittelfristige Ziel die Zielsetzungen des Pakts wider; dem Programm zufolge soll es im Programmzeitraum aber nicht mehr erreicht werden.

(8)

Insgesamt könnten die Haushaltsergebnisse schlechter ausfallen als im Programm vorgesehen. Diese Möglichkeit verstärkt sich gegen Ende des Programmszeitraums. Zunächst einmal könnte das reale BIP-Wachstum im Zeitraum 2010-2012 geringer als im Programm angenommen ausfallen. In diesem Zusammenhang deutet die im Rahmen des Programms durchgeführte Sensitivitätsanalyse darauf hin, dass ein um 0,5 % geringeres jährliches BIP-Wachstum im Programmzeitraum zu einem um 0,7 BIP-Prozentpunkte höheren Gesamtdefizit im Jahr 2012 (3,4 % des BIP gegenüber dem Ziel von 2,7 %) und aufgrund der Auswirkungen auf das Wachstumspotenzial zu einer um 0,5 Prozentpunkt niedrigeren strukturellen Anpassung im Zeitraum 2010-2012 führen würde. Zweitens hängt das Erreichen der Haushaltsziele 2011 und 2012 von der Festlegung und Durchführung weiterer Konsolidierungsanstrengungen ab; im Programm werden jedoch die umfassenden Maßnahmen nicht genannt, die für das Gelingen dieser geplanten zusätzlichen Anpassung gegenüber dem Trendszenario erforderlich sind, das auf unveränderten Rechtsvorschriften basiert. Zudem neigt das Programm zu einer Unterbewertung der tatsächlichen Ausgabentrends und damit des Umfangs der Konsolidierungsmaßnahmen, die erforderlich sind, um die Haushaltsziele zu erreichen. Drittens wird — noch bevor es überhaupt um die erforderlichen zusätzlichen Konsolidierungsanstrengungen geht — das Erreichen der Trendprognosen, die das im Sommer 2008 verabschiedete Haushaltspaket für den Zeitraum 2009-2011 einschließen, eine Herausforderung sein, da hier bereits eine erhebliche Ausgabenbeschränkung geplant ist. In diesem Zusammenhang deutet die bisherige Entwicklung darauf hin, dass Ausgabenüberschreitungen auf zentralstaatlicher und kommunaler Ebene nicht auszuschließen sind, vor allem bei den laufenden Primärausgaben, die im vergangenen Jahrzehnt durchschnittlich um 4,5 % anstiegen. Um die im Finanzpaket vom Sommer 2008 festgelegten strengen Ausgabenziele einhalten zu können, müssen die Anstrengungen im Hinblick auf Ausgabenkürzungen, Effizienzsteigerung und Verbesserung der Dienstequalität intensiviert werden.

(9)

Der öffentliche Bruttoschuldenstand liegt deutlich über dem im Vertrag vorgesehenen Referenzwert und soll bis 2010 tendenziell ansteigen. Nach dem Zuwachs im Jahr 2008 wird im Programm davon ausgegangen, dass die Schuldenquote 2009 um 9,3 Prozentpunkte auf 115,1 % des BIP anstieg (115,8 % in den am 1. März 2010 veröffentlichen Schätzungen des Statistischen Amtes), was vor allem auf die hohe Zinsbelastung und die drastische Schrumpfung des realen BIP zurückzuführen ist, die nur teilweise durch den immer noch erheblichen BIP-Deflatoreffekt ausgeglichen werden. Die Verschuldung erhöhte sich auch durch den erstmals seit 1991 zu verzeichnenden negativen Primärsaldo und die vor allem aufgrund der vorsorglichen Akkumulierung liquider Finanzanlagen durch die Staatskasse erforderliche Bestandsanpassung. 2010 soll dem Programm zufolge die Schuldenquote um weitere 1,8 Prozentpunkte ansteigen, da die schuldensteigernden Auswirkungen der Zinsbelastung nur teilweise durch das unterstellte positive Wachstum des realen BIP und den BIP-Deflator ausgeglichen werden. Es wird davon ausgegangen, dass die Schuldenquote 2011 und 2012 vor allem dank der erwarteten positiven Primärsalden und der unterstellten Beschleunigung des realen BIP-Wachstums einem Abwärtstrend bis auf 114,6 % des BIP folgen wird. Die Schuldenquote könnte sich, vor allem nach 2010, auch weniger günstig als im Programm angenommen entwickeln in Anbetracht der Risiken, mit denen der Konsolidierungspfad behaftet ist und die sich angesichts der Möglichkeit, dass das reale BIP-Wachstum hinter den Programmannahmen zurückbleibt, noch erhöhen.

(10)

Mittelfristige Schuldenprojektionen, die davon ausgehen, dass das BIP-Wachstum langsam wieder die vor der Krise projizierten Raten erreicht und die Steuerquoten wieder auf Vorkrisenniveau zurückkehren, und die den projizierten Anstieg der alterungsbedingten Ausgaben beinhalten, zeigen, dass die im Programm anvisierte Haushaltsstrategie in ihrer jetzigen Form und ohne politische Änderung nicht zu einer Stabilisierung der Schuldenquote bis 2020 führen würde.

(11)

Die langfristigen Auswirkungen der Bevölkerungsalterung auf die öffentlichen Haushalte sind eindeutig geringer als im EU-Durchschnitt, da die Rentenausgaben nach der vollständigen Umsetzung der Reformen weniger stark ansteigen als im EU-Durchschnitt. Dennoch zählt der Anteil der Rentenausgaben am BIP weiterhin zu den höchsten in der EU. Die im Programm veranschlagte Haushaltsposition für 2009 würde nicht zur Stabilisierung der derzeitigen Schuldenquote ausreichen. Das Erreichen hoher Primärüberschüsse würde daher dazu beitragen, die Risiken für die langfristige Tragfähigkeit der öffentlichen Finanzen zu verringern, die im Tragfähigkeitsbericht der Kommission für 2009 (3) als mittlere Risiken eingestuft wurden.

(12)

Die Haushaltsführung in Italien hat sich seit dem Beitritt zum Euro-Währungsgebiet dank der durch den Vertrag und den Stabilitäts- und Wachstumspakt auferlegten Haushaltszwänge erheblich verbessert. Es besteht jedoch in verschiedener Hinsicht noch Raum für eine Verbesserung des finanzpolitischen Rahmens. Erst kürzlich wurden einige Initiativen zur Verbesserung der Haushaltführung in Italien eingeleitet. Um die traditionell kurzfristige Ausrichtung der Haushaltspläne anzugehen verabschiedete die Regierung zunächst im Sommer 2008 ein Dreijahrespaket, in dem nicht nur die jährlichen Ziele für einzelne Ausgaben- und Einnahmenposten, sondern auch die für das Erreichen dieser Ziele erforderlichen umfassenden Maßnahmen dargelegt werden. Den Behörden zufolge wurde diese Initiative angesichts der mit dem Wirtschaftsabschwung verbundenen Unsicherheit für den Haushalt 2010 nicht wiederholt. Allerdings ist der dreijährige Haushaltshorizont durch das 2009 verabschiedete Rahmengesetz zur Reform des Haushaltsverfahrens gesetzlich verankert. Eine weitere Verbesserung brachte die Vereinfachung der Struktur des Staatshaushalts, die eine einfachere und stärker politikorientierte Mittelverteilung ermöglicht.

Zudem wurden Schritte zur Verbesserung der Ausgabenkontrolle durch eingehende Überprüfung der Ausgaben auf Ebene der Ministerien eingeleitet. Die beiden letztgenannten Verbesserungen wurden außerdem in das Rahmengesetz aufgenommen und sind damit dauerhafter Bestandteil des Haushaltsverfahrens. Es bleibt abzuwarten, ob die praktische Durchführung dieser Reform, die einige Jahre dauern wird, die erwarteten Ergebnisse in Bezug auf eine bessere Ausgabenkontrolle und Haushaltsführung liefern wird. Eine große Herausforderung für die Haushaltsführung wird künftig die Ausgestaltung und Umsetzung des neuen Rahmens für den Fiskalföderalismus darstellen, durch den die Rechenschaftspflicht der Kommunalverwaltungen sichergestellt und die Effizienz gefördert werden soll.

(13)

Zu den positiven Entwicklungen zählen die Durchführung der Rentenreformen und die 2009 eingeführte schrittweise Anhebung des Renteneintrittsalters der weiblichen Staatsbediensteten; dennoch liegt der Schwerpunkt der Sozialausgaben weiterhin auf den hohen Rentenausgaben. Dies geht zu Lasten anderer Sozialausgaben sowie produktiverer Ausgaben zur Unterstützung von Forschung und Innovation, was sich wiederum negativ auf das Wachstumspotenzial auswirken könnte. Da die Konsolidierungsstrategie im Programmzeitraum von einer ausgabenseitigen Anpassung abhängt, sind erhebliche Effizienzgewinne erforderlich, um eine Beeinträchtigung der Qualität der erbrachten Dienste zu verhindern. Die jüngsten Anstrengungen zur Steigerung von Effizienz und Kostenwirksamkeit der öffentlichen Verwaltung und zur Reform der Oberstufen-Lehrpläne könnten mittel- bis langfristig positive Haushaltergebnisse bewirken.

(14)

Die im Programm dargelegte Haushaltsstrategie 2010 entspricht im Großen und Ganzen den Empfehlungen des Rates nach Artikel 126 Absatz 7. In Anbetracht der für die Haushaltsziele bestehenden Risiken kann es allerdings sein, dass die Haushaltsstrategie ab 2011 nicht mehr mit den Ratsempfehlungen in Einklang steht. Vor allem müssen die Defizitziele für 2011-2012 durch konkrete Maßnahmen untermauert und die Pläne für den gesamten Zeitraum ausreichend verstärkt werden, um Risiken bewältigen zu können, die infolge eines möglicherweise schwächeren BIP-Wachstums oder aufgrund von etwaigen Ausgabenüberschreitungen eintreten können. Diese Schlussfolgerung gilt auch für die im Programm vorgesehene strukturelle Haushaltsanpassung, die hinter den Empfehlung des Rates zurückbleiben könnte. Vor diesem Hintergrund müssen ein angemessener Umgang mit diesen Risiken und die vollständige Umsetzung der Konsolidierungspläne gewährleistet sein, da sich die Haushaltsstrategie ansonsten als unzureichend erweisen könnte, um die sehr hohe gesamtstaatliche Schuldenquote in den Jahren 2011-2012 wieder auf einen rückläufigen Pfad zu bringen.

(15)

Was die im Verhaltenskodex für die Stabilitäts- und Konvergenzprogramme vorgesehenen Daten angeht, so weist das Programm sowohl bei den obligatorischen als auch bei den fakultativen Angaben gewisse Lücken auf. (4) In seinen Empfehlungen vom 2. Dezember 2009 nach Artikel 126 Absatz 7 zur Beendigung des übermäßigen Defizits forderte der Rat Italien auch auf, in einem gesonderten Kapitel der Stabilitätsprogrammfortschreibungen über Fortschritte bei der Umsetzung der Ratsempfehlungen zu berichten. Italien kam dieser Empfehlung nur teilweise nach, da zu den umfassenden Maßnahmen, die für diese für 2011-2012 geplante zusätzlichen Konsolidierung erforderlich sind, keine Angaben gemacht werden.

Alles in allem soll dem Programm zufolge das Defizit 2010 geringfügig von 5,3 % im Jahr 2009 auf 5 % des BIP zurückgehen, was vor allem auf die im Sommer 2008 verabschiedete und durch den Haushalt 2010 bestätigte ausgabenseitige Konsolidierung zurückzuführen ist. Danach wird das Defizit voraussichtlich bis 2012 (die vom Rat festgesetzte Frist für die Korrektur des übermäßigen Defizits) unter 3 % sinken. Die Strategie beruht auf i) der weiteren Umsetzung der im Sommer 2008 angenommen ausgabenseitigen Konsolidierung im Zeitraum 2009-2011 und ii) einer zusätzlichen Konsolidierungsanstrengung von 0,4 BIP-Prozentpunkten im Jahr 2011 und weiteren 0,8 Prozentpunkten im Jahr 2012, was jedoch nicht durch umfassende Maßnahmen untermauert wird. Die Bruttoschuldenquote dürfte sich von etwas über 115 % des BIP im Jahr 2009 auf rund 117 % des BIP im Jahr 2010 erhöhen. Danach soll sie in Einklang mit den geplanten Haushaltszielen und den Wachstumsannahmen auf 114,6 % des BIP im Jahr 2012 fallen. Defizit und Schuldenquoten könnten jedoch höher als geplant ausfallen. Die makroökonomischen Annahmen des Programms sind insgesamt eher günstig. Außerdem wird abgesehen von den fehlenden Maßnahmen zur Absicherung der geplanten zusätzlichen Konsolidierungsanstrengungen schon das Erreichen der Trendprognosen eine große Herausforderung darstellen, da diese bereits eine erhebliche Ausgabenzurückhaltung voraussetzen. In diesem Zusammenhang deutet die bisherige Entwicklung darauf hin, dass Ausgabenüberschreitungen nicht auszuschließen sind. Eine große Herausforderung für die Haushaltsführung wird darin bestehen, die Reform des Haushaltsverfahrens und die Vorschriften für den Fiskalföderalismus so durchzuführen bzw. anzuwenden, dass die Rechenschaftspflicht der Kommunalverwaltungen sichergestellt und die Haushaltsdisziplin gefördert wird. Neben der haushaltspolitischen Konsolidierung, die nicht zuletzt angesichts der sehr hohen Schuldenquote eine Voraussetzung für die Tragfähigkeit der öffentlichen Finanzen darstellt, besteht eine weitere wichtige Herausforderung für die italienische Wirtschaftspolitik in den kommenden Jahren darin, die rasche und dauerhafte Erholung des Produktivitätswachstums zu unterstützen, um die Wettbewerbsfähigkeit wiederherzustellen und das geringe potenzielle BIP-Wachstum des Landes zu steigern.

In Anbetracht der vorstehenden Bewertung und der Empfehlung nach Artikel 126 Absatz 7 AEUV vom 2. Dezember 2009 wird Italien aufgefordert,

i)

die geplante Haushaltsanpassung rigoros umzusetzen, insbesondere die Haushaltskonsolidierung 2010 wie geplant durchzuführen und die für 2011 und 2012 geplante Konsolidierung durch konkrete Maßnahmen zu untermauern und bereit zu sein, die erforderlichen Konsolidierungsmaßnahmen zu ergreifen, falls das der Empfehlung nach Artikel 126 Absatz 7 zugrunde liegende makroökonomische Szenario zutrifft; wie in der Empfehlung im Rahmen des Defizitverfahrens vorgeschrieben alle über die Konsolidierungsanstrengungen hinausgehenden Möglichkeiten, einschließlich der durch bessere wirtschaftliche Bedingungen gegebenen Möglichkeiten, zu nutzen, um die Bruttoschuldenquote schneller auf den Referenzwert von 60 % des BIP zurückzuführen;

ii)

zu gewährleisten, dass durch die Umsetzung der Reform des Haushaltsverfahrens die Bedingungen für die Ausgabenkontrolle verbessert werden, das Ziel solider öffentlicher Finanzen aufrecht erhalten und durch die Vorschriften für den Fiskalföderalismus die Rechenschaftspflicht der Kommunalverwaltungen verbessert und die Effizienz gefördert wird.

Ferner wird Italien angesichts des indikativen Charakters der Einnahmen- und Ausgabenprojektionen der späteren Jahre aufgefordert, die Datenvorgaben des Verhaltenskodex besser einzuhalten und im VÜD-Kapitel der kommenden Stabilitätsprogrammfortschreibungen weitere Informationen über Maßnahmen zur Absicherung der geplanten Konsolidierungsanstrengungen in diesen Jahren zu liefern.

Gegenüberstellung zentraler makroökonomischer und budgetärer Projektionen

 

2008

2009

2010

2011

2012

Reales BIP

(Veränderung in %)

SP Jan. 2010

–1,0

–4,8

1,1

2,0

2,0

KOM Nov. 2009

–1,0

–4,7

0,7

1,4

k.A.

SP Febr. 2009

–0,6

–2,0

0,3

1,0

k.A.

HVPI-Inflation

(%)

SP Jan. 2010

3,5

0,8

1,5

2,0

2,0

KOM Nov. 2009

3,5

0,8

1,8

2,0

k.A.

SP Febr. 2009

3,5

1,2

1,7

2,0

k.A.

Produktionslücke (5)

(% des BIP-Potenzials)

SP Jan. 2010

1,1

–4,0

–3,5

–2,5

–1,6

KOM Nov. 2009 (6)

1,3

–3,6

–3,2

–2,5

k.A.

SP Febr. 2009

0,3

–2,3

–2,7

–2,5

k.A.

Finanzierungsüberschuss/-defizit gegenüber dem Rest der Welt

(% des BIP)

SP Jan. 2010

–2,9

–1,8

–1,6

–1,3

–1,3

KOM Nov. 2009

–2,9

–2,3

–2,3

–2,3

k.A.

SP Febr. 2009

–1,6

–1,3

–1,1

–0,9

k.A.

Gesamtstaatliche Einnahmen (7)

(% des BIP)

SP Jan. 2010

46,0

46,4

45,9

45,5

45,6

KOM Nov. 2009

46,0

46,3

45,5

45,4

k.A.

SP Febr. 2009

46,4

46,8

46,8

46,4

k.A.

Gesamtstaatliche Ausgaben (7)

(% des BIP)

SP Jan. 2010

48,8

51,7

50,9

49,9

49,5

KOM Nov. 2009

48,8

51,6

50,8

50,5

k.A.

SP Febr. 2009

49,0

50,5

50,0

49,5

k.A.

Gesamtstaatlicher Haushaltssaldo

(% des BIP)

SP Jan. 2010

–2,7

–5,3

–5,0

–3,9

–2,7

KOM Nov. 2009

–2,7

–5,3

–5,3

–5,1

k.A.

SP Febr. 2009

–2,6

–3,7

–3,3

–2,9

k.A.

Primärsaldo

(% des BIP)

SP Jan. 2010

2,4

–0,5

–0,1

1,3

2,7

KOM Nov. 2009

2,4

–0,5

–0,6

0,1

k.A.

SP Febr. 2009

2,5

1,3

1,9

2,6

k.A.

Konjunkturbereinigter Saldo (5)

(% des BIP)

SP Jan. 2010

–3,3

–3,2

–3,2

–2,7

–1,9

KOM Nov. 2009

–3,4

–3,5

–3,7

–3,8

k.A.

SP Febr. 2009

–2,7

–2,6

–1,9

–1,6

k.A.

Struktureller Saldo (8)

(% des BIP)

SP Jan. 2010

–3,5

–3,8

–3,3

–2,7

–1,9

KOM Nov. 2009

–3,6

–3,7

–3,7

–3,7

k.A.

SP Febr. 2009

–2,9

–2,7

–2,0

–1,7

k.A.

Öffentlicher Bruttoschuldenstand

(% des BIP)

SP Jan. 2010

105,8

115,1

116,9

116,5

114,6

KOM Nov. 2009

105,8

114,6

116,7

117,8

k.A.

SP Febr. 2009

105,9

110,5

112,0

111,6

k.A.

Stabilitätsprogramm (SP), Herbstprognose 2009 der Kommissionsdienststellen (KOM), Berechnungen der Kommissionsdienststellen.


(1)  ABl. L 209 vom 2.8.1997, S. 1. Die Dokumente, auf die in diesem Text verwiesen wird, sind im Internet abrufbar unter: http://ec.europa.eu/economy_finance/sgp/index_de.htm

(2)  In der vorliegenden Bewertung werden namentlich die Prognose der Kommissionsdienststellen vom Herbst 2009 sowie deren Zwischenprognose vom Februar 2010, aber auch andere, neuere Daten berücksichtigt.

(3)  Der Rat ruft in seinen Schlussfolgerungen vom 10.November 2009 zur Tragfähigkeit der öffentlichen Finanzen „die Mitgliedstaaten … auf, bei ihren kommenden Stabilitäts- und Konvergenzprogrammen einen Schwerpunkt auf Strategien zu legen, die auf Tragfähigkeit ausgerichtet sind“, und „ersucht die Kommission, zusammen mit dem Ausschuss für Wirtschaftspolitik und dem Wirtschafts- und Finanzausschuss, die Methoden zur Bewertung der langfristigen Tragfähigkeit der öffentlichen Finanzen rechtzeitig für den nächsten Tragfähigkeitsbericht weiterzuentwickeln“, der 2012 vorgesehen ist.

(4)  Im Programm wird insbesondere nicht dargelegt, welche Maßnahmen die zum Erreichen der mittelfristigen Haushaltsziele erforderliche zusätzliche geplante Konsolidierung untermauern sollen. Daher stehen die im Programm für 2011 und 2012 aufgeführten Ausgaben- und Einnahmenquoten nicht mit den Haushaltszielen in Einklang. Außerdem werden keine fakultativen Daten zu den gesamtstaatlichen Ausgaben nach Ausgabenbereichen (Tabelle 3 in Anhang 2 des Verhaltenskodex) und zu den liquiden Finanzanlagen und zur Nettofinanzverschuldung (Tabelle 4 in Anhang 2 des Verhaltenskodex) vorgelegt.

(5)  Produktionslücken und konjunkturbereinigte Salden nach Neuberechnungen der Kommissionsdienststellen anhand von Programmdaten.

(6)  Ausgehend von einem geschätzten Wachstumspotenzial von 0,4 %, 0,2 %, 0,3 % bzw. 0,7 % im Zeitraum 2008-2011.

(7)  Bei den im Programm genannten Einnahmen- und Ausgabendaten handelt es sich um Trends auf der Grundlage unveränderter Rechtsvorschriften. Die angestrebten gesamtstaatlichen Haushaltssalden umfassen weitere Maßnahmen, die sich mit 0,4 % des BIP im Jahr 2011 und weiteren 0,8 % des BIP im Jahr 2012 positiv auswirken.

(8)  Konjunkturbereinigter Saldo ohne einmalige und sonstige befristete Maßnahmen. Einmalige und sonstige befristete Maßnahmen machen 2008 0,2 % des BIP, 2009 0,6 % des BIP und 2010 0,1 % des BIP aus und werden sich dem jüngsten Programm zufolge alle defizitsenkend auswirken. In der Herbstprognose 2009 der Kommissionsdienststellen machen die einmaligen und sonstigen befristeten Maßnahmen sowohl 2008 als auch 2009 0,2 % des BIP aus (defizitsenkend), während sie im Jahr 2010 bei 0 % des BIP und im Jahr 2011 bei 0,1 % (defiziterhöhend) liegen.

Quelle:

Stabilitätsprogramm (SP), Herbstprognose 2009 der Kommissionsdienststellen (KOM), Berechnungen der Kommissionsdienststellen.


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