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Document 32023R1225

Delegierte Verordnung (EU) 2023/1225 der Kommission vom 22. Juni 2023 über befristete außergewöhnliche Maßnahmen zur Abweichung von bestimmten Vorschriften der Verordnung (EU) Nr. 1308/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates zur Behebung der Marktstörungen im Weinsektor einiger Mitgliedstaaten und zur Abweichung von der Delegierten Verordnung (EU) 2016/1149 der Kommission

C/2023/4035

ABl. L 160 vom 26.6.2023, p. 12–18 (BG, ES, CS, DA, DE, ET, EL, EN, FR, GA, HR, IT, LV, LT, HU, MT, NL, PL, PT, RO, SK, SL, FI, SV)

Legal status of the document In force

ELI: http://data.europa.eu/eli/reg_del/2023/1225/oj

26.6.2023   

DE

Amtsblatt der Europäischen Union

L 160/12


DELEGIERTE VERORDNUNG (EU) 2023/1225 DER KOMMISSION

vom 22. Juni 2023

über befristete außergewöhnliche Maßnahmen zur Abweichung von bestimmten Vorschriften der Verordnung (EU) Nr. 1308/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates zur Behebung der Marktstörungen im Weinsektor einiger Mitgliedstaaten und zur Abweichung von der Delegierten Verordnung (EU) 2016/1149 der Kommission

DIE EUROPÄISCHE KOMMISSION —

gestützt auf den Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union,

gestützt auf die Verordnung (EU) Nr. 1308/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 17. Dezember 2013 über eine gemeinsame Marktorganisation für landwirtschaftliche Erzeugnisse und zur Aufhebung der Verordnungen (EWG) Nr. 922/72, (EWG) Nr. 234/79, (EG) Nr. 1037/2001 und (EG) Nr. 1234/2007 des Rates (1), insbesondere auf Artikel 219 in Verbindung mit Artikel 228,

in Erwägung nachstehender Gründe:

(1)

Die derzeitige Wirtschaftslage ist gekennzeichnet durch allgemein hohe Lebenshaltungskosten, die sich auf den Verbrauch und den Absatz von Wein auswirken, sowie durch gestiegene Betriebsmittelkosten für die landwirtschaftliche Erzeugung und die Weinverarbeitung, die sich auf die Weinpreise auswirken. Durch diese Umstände drohen erhebliche Störungen des Weinmarkts der Union, da mehrere wichtige Erzeugermitgliedstaaten davon betroffen sind, dass die vorhandenen Weinbestände auf ein Niveau anwachsen, das angesichts der bevorstehenden Ernte- und Erzeugungsperiode droht, nicht länger tragfähig zu sein, und dass die Weinerzeuger mit finanziellen Schwierigkeiten und Liquiditätsproblemen zu kämpfen haben.

(2)

Die weltweite Inflation und der damit verbundene Rückgang der Kaufkraft der Verbraucher verschärfen den allgemeinen Abwärtstrend beim Weinverbrauch in den letzten Jahren weiter. Für das laufende Wirtschaftsjahr wird der Rückgang des Weinkonsums im Vergleich zur Marktlage vor der COVID-19-Pandemie auf 7 % in Italien, 10 % in Spanien, 15 % in Frankreich, 22 % in Deutschland und 34 % in Portugal geschätzt. Besonders betroffen davon sind bestimmte Segmente des Weinmarkts, nämlich Rot- und Roséweine.

(3)

Die verfügbaren Zahlen zeigen geringere Weinverkäufe im laufenden Wirtschaftsjahr, die mit der rückläufigen Inlandsnachfrage einhergehen, so z. B. einen Rückgang der Verkäufe um 5,3 % in Spanien und Frankreich, wobei die Verkäufe in einigen stark betroffenen Gebieten im Vergleich zum gleichen Zeitraum des vorangegangenen Wirtschaftsjahres um 25 % bis 35 % zurückgingen. Gleichzeitig haben sich im Zeitraum von Januar bis April 2023 die Weinausfuhren der Union im Vergleich zum selben Zeitraum des Jahres 2022 um 8,5 % verringert.

(4)

Der allgemeine Anstieg der wichtigsten Betriebsmittelkosten für die landwirtschaftliche Erzeugung, wie Kosten für Düngemittel, Energie und Flaschen für die Weinerzeugung, der teilweise auch auf den Angriffskrieg Russlands gegen die Ukraine zurückzuführen ist, hat zu einem außergewöhnlichen Anstieg der Produktionskosten geführt, der in einigen Mitgliedstaaten durchschnittlich auf 30 % bis 40 % geschätzt wird. Diese Umstände setzen die Weinerzeuger in der Union weiter unter Druck, sodass sie weniger Kapazitäten für Marketingmaßnahmen und Investitionen haben. Darüber hinaus deuten die verfügbaren Daten darauf hin, dass es – trotz der steigenden Kosten während des gesamten Zyklus der Weinerzeugung – bei bestimmten Weinen in den von der Krise am stärksten betroffenen Regionen im Vergleich zur Situation vor COVID-19 zu einem abrupten Preisverfall kommen wird, z. B. einem Preisrückgang zwischen 10 % und 26 % in einigen Regionen Frankreichs.

(5)

Die Kombination dieser Faktoren läuft auf einen allgemeinen Rückgang der Nachfrage und des Absatzes von Unionsweinen hinaus, zumal gleichzeitig die Erzeugung in der Union im Vergleich zum vorangegangenen Wirtschaftsjahr um 4 % zugenommen hat und das Niveau der Anfangsbestände bereits hoch war (+ 2 % gegenüber dem Durchschnitt der letzten fünf Jahre). Wenn nicht rasch Maßnahmen ergriffen werden, um das wachsende Überangebot zu verringern, drohen schwere Marktstörungen, da spätestens mit der neuen Ernte ein erhebliches allgemeines Marktungleichgewicht entsteht, wenn die Weinerzeuger keine Lagerkapazitäten für die neue Erzeugung mehr haben und gezwungen sind, zu noch niedrigeren Preisen zu verkaufen.

(6)

Aus den derzeitigen Marktgegebenheiten ergeben sich im Weinsektor momentan in verschiedenen Erzeugungsregionen unterschiedlich starke Marktstörungen, da der Weinmarkt der Union sehr fragmentiert ist. Die Marktstörungen sind in bestimmten Regionen mehrerer Mitgliedstaaten besonders ausgeprägt und betreffen vor allem die Marktsegmente für Rot- und Roséweine. Beispiele für diese Heterogenität des Marktes sind beispielsweise um 27 % höhere Bestände im Vergleich zum Fünfjahresdurchschnitt in der spanischen Extremadura, um 24 % bzw. 14 % höhere Bestände als im Vorjahr in den Regionen Lissabon und Alentejo in Portugal und um 26 % höhere Bestände für Roséweine zu Beginn des laufenden Wirtschaftsjahres im Vergleich zum vorangegangenen Wirtschaftsjahr im Languedoc-Roussillon in Frankreich.

(7)

Zudem war die Lage auf dem Weinmarkt der Union aufgrund früherer Handelsbeschränkungen, eines Rückgangs des Verbrauchs während der COVID-19-Pandemie und mehrerer extremer Wetterereignisse zuvor bereits schwierig, insbesondere in den Jahren 2019, 2020 und 2021. Die derzeitigen schwierigen Umstände haben einem bereits fragilen Sektor einen weiteren Schlag versetzt und führen zu erheblichen Einkommensverlusten für alle Akteure in diesem Sektor. Die Weinerzeuger in den am stärksten betroffenen Regionen der Mitgliedstaaten haben mit finanziellen Schwierigkeiten und Liquiditätsproblemen zu kämpfen. Daher ist auch diesbezüglich sofortiges Handeln erforderlich, um wirksam auf die derart heterogene Marktlage zu reagieren, indem es den Mitgliedstaaten erlaubt wird, einen Teil der für ihre nationalen Stützungsprogramme im Weinsektor zugewiesenen Finanzmittel umzuschichten und den verschiedenen in diesem Sektor tätigen Akteuren eine gezieltere Unterstützung zu bieten.

(8)

Indem ein Teil der Weinmengen, für die es keine geeigneten Absatzmöglichkeiten gibt, vom Markt der am stärksten betroffenen Regionen genommen wird, sollte es gelingen, die Marktungleichgewichte abzubauen und zu verhindern, dass sich die derzeitigen Störungen zu einer schwerwiegenderen oder länger anhaltenden Störung des gesamten Weinsektors der Union auswachsen. In begründeten Fällen sollte die Destillation von Wein vorübergehend eine förderfähige Maßnahme im Rahmen der Stützungsprogramme im Weinsektor sein, um zur Verbesserung des Marktgleichgewichts und der wirtschaftlichen Lage der Weinerzeuger in den am stärksten betroffenen Erzeugungsregionen beizutragen. Zur Vermeidung von Wettbewerbsverzerrungen sollte der gewonnene Alkohol nicht im Lebensmittel- und Getränkesektor, sondern nur in der Industrie, einschließlich Desinfektion und Pharmazeutik, und im Energiebereich verwendet werden dürfen. Um Missbrauch oder Überkompensation im Zuge der Einführung dieser außergewöhnlichen Maßnahme zu vermeiden, sollten die Mitgliedstaaten dazu verpflichtet werden, die Maßnahme auf die Regionen mit einem bestehenden Marktungleichgewicht auszurichten, sie auf objektive Kriterien zu stützen und keinen Ausgleich vorzusehen, der über die jüngsten Marktpreise hinausgeht.

(9)

Die Maßnahme „grüne Weinlese“ gemäß Artikel 47 der Verordnung (EU) Nr. 1308/2013 dient als Maßnahme zur Marktsteuerung, wenn mit einer übermäßigen Erzeugung von Trauben zu rechnen ist. Um die Marktteilnehmer bei der Reaktion auf die derzeitigen Marktgegebenheiten zu unterstützen und das Risiko zu verringern, dass sich die Situation im kommenden Wirtschaftsjahr wiederholt, sollte bei der Durchführung dieser Maßnahme im Haushaltsjahr 2023 eine gewisse Flexibilität eingeräumt werden. Insbesondere ist es als außergewöhnliche Maßnahme erforderlich, Abweichungen von Artikel 47 Absätze 1 und 3 der Verordnung (EU) Nr. 1308/2013 vorzusehen, um die vollständige Vernichtung oder Entfernung noch unreifer Traubenbüschel in einem Teil eines Betriebs zu ermöglichen, sofern diese Maßnahme auf ganzen Parzellen durchgeführt wird, und eine befristete Anhebung des Höchstbeitrags der Union zu dieser Maßnahme vorzusehen.

(10)

Die Aufnahme der „Krisendestillation“ als förderfähige Maßnahmen sowie die für die „grüne Weinlese“ eingeführte Flexibilität stellen eine Form der finanziellen Unterstützung dar, für die jedoch keine zusätzliche Finanzierung durch die Union benötigt wird, da die in Anhang VII der Verordnung (EU) 2021/2115 des Europäischen Parlaments und des Rates (2) festgesetzten Haushaltsobergrenzen für die nationalen Stützungsprogramme im Weinsektor für das Haushaltsjahr 2023 weiterhin gelten. Die Mitgliedstaaten können daher nur beschließen, den betreffenden Maßnahmen höhere Beträge zuzuweisen, solange die jährliche Mittelausstattung gemäß diesem Anhang eingehalten wird. Die finanzielle Unterstützung für die vorstehend genannten Krisenmaßnahmen zielt somit darauf ab, den Sektor in der derzeitigen instabilen Marktlage zu unterstützen, ohne zusätzliche Mittel mobilisieren zu müssen.

(11)

Um die Wirksamkeit der Finanzmittel der Union, die für diese Krisenmaßnahmen bereitgestellt werden können, zu erhöhen, sollte es den Mitgliedstaaten gestattet sein, die finanzielle Unterstützung der Union durch nationale Zahlungen aufzustocken, die bis zu 50 % der Unterstützung für die beiden in dieser Verordnung vorgesehenen Krisenmaßnahmen abdecken.

(12)

Die negative Marktentwicklung, der Kostenanstieg und die daraus resultierenden Liquiditätsprobleme der Marktteilnehmer im Weinsektor erschweren die Durchführung der Maßnahmen der nationalen Stützungsprogramme für Wein, und das zu einem Zeitpunkt, zu dem eine bessere Marktausrichtung des Sektors dringend notwendig ist. Um eine wirksame Durchführung der Programme angesichts der im Weinsektor herrschenden Markt- und Wirtschaftslage zu gewährleisten, ist es angebracht, den Höchstbeitrag der Union für die Maßnahmen „Absatzförderung“, „Umstrukturierung und Umstellung von Rebflächen“, „grüne Weinlese“ und „Investitionen“ vorübergehend zu erhöhen.

(13)

Darüber hinaus ist es wichtig, den Begünstigten eine angemessene Flexibilität bei der Durchführung ihrer Vorhaben im Rahmen der nationalen Stützungsprogramme einzuräumen, damit sie auf die derzeitigen Marktunsicherheiten reagieren und die Vorhaben erforderlichenfalls anpassen können. Diese Flexibilität stellt eine weitere Marktstützungsmaßnahme dar, um zu verhindern, dass sich die derzeitigen wirtschaftlichen Störungen zu einer schwerwiegenderen oder länger anhaltenden Störung des Weinmarktes der Union auswachsen, und stellt sicher, dass die anderen in dieser Verordnung festgelegten außergewöhnlichen Maßnahmen, sobald sie von einem Mitgliedstaat beschlossen wurden, auch auf der Ebene der Begünstigten wirksam umgesetzt werden können. Daher ist es als weitere außergewöhnliche Maßnahme erforderlich, von der Delegierten Verordnung (EU) 2016/1149 der Kommission (3) abzuweichen und es den Mitgliedstaaten zu erlauben, den Begünstigten eine gewisse Flexibilität einzuräumen, um die geplanten Vorhaben nach einem vereinfachten Verfahren anzupassen und in hinreichend begründeten Fällen zuzulassen, dass sie nur teilweise durchgeführt werden.

(14)

Sofern die Gründe für die Anwendung erhöhter Finanzsätze der Union für bestimmte Maßnahmen und für eine gewisse Flexibilität bei der Verwaltung der Programme mit der derzeitigen wirtschaftlichen Lage im Weinsektor zusammenhängen, ist es angebracht, da es sich um befristete Maßnahmen handelt, ihre Anwendung auf Vorhaben zu beschränken, die im Haushaltsjahr 2023 begonnen haben. Diese Maßnahmen sollten hingegen beispielsweise nicht für Vorhaben gelten, die in früheren Haushaltsjahren durchgeführt und erst im Haushaltsjahr 2023 gezahlt wurden.

(15)

Aus Gründen äußerster Dringlichkeit, angesichts der anhaltenden Marktstörungen sowie der kurzen Zeit, die den Mitgliedstaaten zur Umsetzung der in dieser Verordnung vorgesehenen Maßnahmen im laufenden Haushaltsjahr zur Verfügung steht, und um eine weitere Verschlechterung der Marktlage zu verhindern, ist es erforderlich, unverzüglich Maßnahmen zu ergreifen. Einerseits muss das Überangebot in den am stärksten betroffenen Regionen so bald wie möglich, in jedem Fall aber vor Beginn der neuen Ernte, d. h. bis Ende August oder Anfang September 2023 vom Markt genommen werden, denn andernfalls würde sich die Marktlage weiter verschlechtern, und das derzeitige Ungleichgewicht würde sich im neuen Wirtschaftsjahr fortsetzen, was zu einer anhaltenden Krise auf dem gesamten Weinmarkt der Union führen könnte. Andererseits müssen alle in der vorliegenden Verordnung enthaltenen Maßnahmen vor Ablauf der derzeitigen nationalen Stützungsprogramme für Wein durchgeführt werden, die gemäß Artikel 5 Absatz 7 der Verordnung (EU) 2021/2117 des Europäischen Parlaments und des Rates (4) nur bis zum 15. Oktober 2023 gelten. Gemäß der genannten Bestimmung gelten die Artikel 39 bis 54 der Verordnung (EU) Nr. 1308/2013 nach dem 31. Dezember 2022 weiterhin für Ausgaben und Zahlungen für Vorhaben, die vor dem 16. Oktober 2023 ausgeführt wurden. Daher bestünde die Gefahr, dass verspätetes Handeln die Durchführung der Maßnahmen im Haushaltsjahr 2023, dem letzten Jahr der Durchführung der laufenden nationalen Stützungsprogramme im Weinsektor, für die betroffenen Mitgliedstaaten erschweren oder sogar unmöglich machen würde.

(16)

Aus den vorstehend angeführten Gründen äußerster Dringlichkeit sollte diese Verordnung nach dem Dringlichkeitsverfahren des Artikels 228 der Verordnung (EU) Nr. 1308/2013 erlassen werden.

(17)

Da es umgehender Maßnahmen bedarf, sollte die vorliegende Verordnung am Tag ihrer Veröffentlichung im Amtsblatt der Europäischen Union in Kraft treten —

HAT FOLGENDE VERORDNUNG ERLASSEN:

Artikel 1

Befristete Abweichung von Artikel 43 und Artikel 44 Absatz 3 der Verordnung (EU) Nr. 1308/2013

(1)   Abweichend von Artikel 43 der Verordnung (EU) Nr. 1308/2013 kann die in Artikel 2 der vorliegenden Verordnung genannte Maßnahme im Rahmen von Stützungsprogrammen im Weinsektor finanziert werden.

(2)   Abweichend von Artikel 44 Absatz 3 der Verordnung (EU) Nr. 1308/2013 können die Mitgliedstaaten mit nationalen Zahlungen bis zu 50 % der gemäß Artikel 2 der vorliegenden Verordnung und Artikel 47 der Verordnung (EU) Nr. 1308/2013 gewährten Unterstützung finanzieren.

Artikel 2

Befristete Krisendestillation von Wein

(1)   Die Unterstützung für die Destillation von Wein kann unter den in diesem Artikel festgelegten Bedingungen gewährt werden. Diese Unterstützung muss verhältnismäßig, vom Mitgliedstaat hinreichend begründet und auf die am stärksten betroffenen Weine und Erzeugungsregionen gemäß Unterabsatz 2 ausgerichtet sein. Sie kann auf nationaler oder regionaler Ebene für Rot- oder Roséweine einzeln oder für beide Farben zusammen gewährt werden, wobei es sich um Weine mit geschützter Ursprungsbezeichnung oder geschützter geografischer Angabe oder Weine ohne geschützte Ursprungsbezeichnung oder geschützte geografische Angabe handeln kann.

Die Mitgliedstaaten, die sich für die Durchführung dieser Maßnahme entscheiden, weisen für jede Art und Farbe von förderfähigem Wein nach, dass auf regionaler oder nationaler Ebene eine oder mehrere der folgenden Marktgegebenheiten zutrifft/zutreffen:

a)

erheblicher Anstieg der zuletzt verfügbaren Weinbestände auf der Ebene der Erzeugung im Vergleich zur durchschnittlichen Menge der Lagerbestände zum gleichen Zeitpunkt in den vorangegangenen fünf Wirtschaftsjahren oder im Vergleich zu den durchschnittlichen Lagerbeständen zum gleichen Zeitpunkt in den vorangegangenen fünf Wirtschaftsjahren unter Ausschluss des höchsten und des niedrigsten Werts;

b)

erheblicher Rückgang des durchschnittlichen Marktpreises auf Produktionsebene für das laufende Wirtschaftsjahr im Vergleich zum Durchschnittspreis der drei vorangegangenen Wirtschaftsjahre oder im Vergleich zum Durchschnittspreis der fünf vorangegangenen Wirtschaftsjahre unter Ausschluss des höchsten und des niedrigsten Werts der Jahresdurchschnitte;

c)

erheblicher Rückgang der kumulierten Marktverkäufe auf Produktionsebene für das laufende Wirtschaftsjahr im Vergleich zum Durchschnitt im gleichen Zeitraum der drei vorangegangenen Wirtschaftsjahre oder im Vergleich zum Durchschnitt im gleichen Zeitraum der fünf vorangegangenen Wirtschaftsjahre unter Ausschluss des höchsten und des niedrigsten kumulierten Werts, sofern dieser Rückgang nicht auf eine verringerte Erzeugung zurückzuführen ist.

(2)   Zur Vermeidung von Wettbewerbsverzerrungen darf Alkohol aus der unterstützten Destillation gemäß Absatz 1 nur in der Industrie, einschließlich Desinfektion oder Pharmazeutik, oder im Energiebereich verwendet werden.

(3)   Die Unterstützung gemäß Absatz 1 darf nur Unternehmen im Weinsektor, die die in Anhang VII Teil II der Verordnung (EU) Nr. 1308/2013 genannten Erzeugnisse erzeugen oder vermarkten, Weinerzeugerorganisationen, Vereinigungen von zwei oder mehr Erzeugern, Branchenverbänden oder Weinbauerzeugnisse verarbeitenden Brennereien gewährt werden.

(4)   Förderfähig sind nur die Kosten für die Lieferung von Wein an die Brennereien und für die Destillation dieses Weins. Der im Rahmen dieser Maßnahme zu destillierende Wein muss seinen Ursprung in der Union haben und den Anforderungen an die Vermarktung in der Union sowie den einschlägigen Produktspezifikationen für Weine mit geschützter Ursprungsbezeichnung oder geschützter geografischer Angabe entsprechen.

(5)   Die Mitgliedstaaten können in ihren nationalen Stützungsprogrammen Prioritätskriterien für die Begünstigten festlegen. Solche Prioritätskriterien müssen auf der spezifischen Strategie und den konkreten Zielen des Stützungsprogramms basieren und objektiv und nicht diskriminierend sein.

(6)   Die Mitgliedstaaten legen Vorschriften über das Antragsverfahren für die Unterstützung gemäß Absatz 1 fest, darunter Vorschriften über

a)

die natürlichen und juristischen Personen, die einen Antrag stellen können;

b)

die Einreichung und Auswahl der Anträge, einschließlich der Fristen für die Einreichung der Anträge, für die Prüfung der Eignung der vorgeschlagenen Maßnahmen und für die Mitteilung der Ergebnisse des Auswahlverfahrens an die Marktteilnehmer;

c)

die Überprüfung der Einhaltung der Vorschriften über förderfähige Maßnahmen und die in Absatz 4 genannten Kosten sowie Prioritätskriterien im Falle der Anwendung von Prioritätskriterien;

d)

die Auswahl der Anträge, einschließlich der Gewichtung der einzelnen Prioritätskriterien im Falle der Anwendung von Prioritätskriterien;

e)

Regelungen für Vorschusszahlungen und Sicherheitsleistungen.

(7)   Die Mitgliedstaaten setzen den Betrag der den Begünstigten gewährten Unterstützung anhand von Kriterien fest, die objektiv und nicht diskriminierend sind. Die Höhe der Unterstützung wird je nach Fall auf regionaler oder nationaler Ebene für jede Art und Farbe von förderfähigem Wein gemäß Absatz 1 festgesetzt. Der Betrag der Unterstützung darf 80 % des niedrigsten monatlichen Durchschnittspreises nicht überschreiten, der auf Ebene der Erzeugung im Wirtschaftsjahr 2022/23 für jede Art und Farbe von förderfähigem Wein, für den die Maßnahme gilt, in der betreffenden Region bzw. im Hoheitsgebiet des Mitgliedstaats festgestellt wurde. Liegen keine festgestellten Marktpreise vor, so können sie von einer zuständigen Behörde des betreffenden Mitgliedstaats auf der Grundlage der besten verfügbaren Daten geschätzt werden.

(8)   Die Artikel 1, 2, 43, 48 bis 54 und 56 der Delegierten Verordnung (EU) 2016/1149 der Kommission (5) sowie die Artikel 1, 2, 3, 19 bis 23 und 25 bis 31, Artikel 32 Absatz 1 Unterabsatz 2 und die Artikel 33 bis 40 der Durchführungsverordnung (EU) 2016/1150 der Kommission (6) gelten sinngemäß für die Beihilfe für die Unterstützung der Krisendestillation von Wein.

(9)   Die Mitgliedstaaten melden der Kommission bis zum 31. August 2023 die Arten und die Farbe des förderfähigen Weins und die Regionen, für die die Maßnahme gelten soll, sowie die Begründung gemäß Absatz 1, die gemäß Absatz 7 anzuwendenden Ausgleichsbeträge und deren Begründung sowie die Mengen, die voraussichtlich destilliert werden.

Artikel 3

Befristete Abweichung von Artikel 47 Absatz 1 der Verordnung (EU) Nr. 1308/2013 betreffend die grüne Weinlese

Abweichend von Artikel 47 Absatz 1 der Verordnung (EU) Nr. 1308/2013 bezeichnet im Haushaltsjahr 2023 der Ausdruck „grüne Weinlese“ die vollständige Vernichtung oder Entfernung noch unreifer Traubenbüschel auf der Gesamt- oder einer Teilfläche des Betriebs, sofern die grüne Weinlese auf ganzen Parzellen erfolgt.

Artikel 4

Befristete Abweichung von Artikel 45 Absatz 3, Artikel 46 Absatz 6, Artikel 47 Absatz 3 und Artikel 50 Absatz 4 der Verordnung (EU) Nr. 1308/2013 betreffend die Finanzierungssätze

(1)   Abweichend von Artikel 45 Absatz 3 der Verordnung (EU) Nr. 1308/2013 beträgt die Unionsbeteiligung an den Informations- oder Absatzförderungsmaßnahmen im Haushaltsjahr 2023 höchstens 60 % der förderfähigen Ausgaben.

(2)   Abweichend von Artikel 46 Absatz 6 der Verordnung (EU) Nr. 1308/2013 darf die Unionsbeteiligung an den tatsächlichen Kosten der Umstrukturierung und Umstellung von Rebflächen im Haushaltsjahr 2023 60 % dieser Kosten nicht überschreiten. In weniger entwickelten Regionen darf die Unionsbeteiligung an den Umstrukturierungs- und Umstellungskosten 80 % dieser Kosten nicht überschreiten.

(3)   Abweichend von Artikel 47 Absatz 3 Satz 2 der Verordnung (EU) Nr. 1308/2013 darf die Unterstützung für die grüne Weinlese im Haushaltsjahr 2023 60 % der Summe der direkten Kosten der Vernichtung oder Entfernung von Traubenbüscheln und der Einkommenseinbußen aufgrund dieser Vernichtung oder Entfernung nicht überschreiten.

(4)   Abweichend von Artikel 50 Absatz 4 der Verordnung (EU) Nr. 1308/2013 gelten im Haushaltsjahr 2023 für die Unionsbeteiligung im Zusammenhang mit den förderfähigen Investitionskosten folgende Beihilfehöchstsätze:

a)

60 % in weniger entwickelten Regionen;

b)

50 % in anderen Regionen als weniger entwickelten Regionen;

c)

80 % in den Regionen in äußerster Randlage nach Artikel 349 AEUV;

d)

75 % auf den kleineren Inseln des Ägäischen Meeres im Sinne von Artikel 1 Absatz 2 der Verordnung (EU) Nr. 229/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates (7).

Artikel 5

Befristete Abweichung von der Delegierten Verordnung (EU) 2016/1149

(1)   Abweichend von Artikel 22 der Delegierten Verordnung (EU) 2016/1149 darf die grüne Weinlese im Haushaltsjahr 2023 das zweite Jahr oder mehr in Folge auf derselben Parzelle angewandt werden.

(2)   Abweichend von Artikel 53 Absatz 1 der Delegierten Verordnung (EU) 2016/1149 gilt für das Haushaltsjahr 2023:

a)

Die Mitgliedstaaten können zulassen, dass Begünstigte ohne vorherige Genehmigung durch die zuständigen Behörden Änderungen des ursprünglich genehmigten Vorhabens vornehmen, wenn diese spätestens am 15. Oktober 2023 erfolgen und sofern sie sich nicht auf die Förderfähigkeit eines Teils des Vorhabens und seine Gesamtziele auswirken und der Gesamtbetrag der genehmigten Unterstützung für das Vorhaben nicht überschritten wird. Diese Änderungen werden der zuständigen Behörde von den Begünstigten innerhalb der von den Mitgliedstaaten gesetzten Fristen mitgeteilt;

b)

die Mitgliedstaaten können in hinreichend begründeten Fällen den Begünstigten gestatten, Änderungen vorzulegen, die spätestens am 15. Oktober 2023 erfolgen und die das Ziel des Gesamtvorhabens verändern, das bereits im Rahmen der Maßnahmen gemäß den Artikeln 45, 46, 50 und 51 der Verordnung (EU) Nr. 1308/2013 genehmigt wurde, sofern alle laufenden Einzelmaßnahmen, die Teil eines Gesamtvorhabens sind, abgeschlossen werden. Diese Änderungen werden der zuständigen Behörde von den Begünstigten innerhalb der von den Mitgliedstaaten gesetzten Frist mitgeteilt und bedürfen der vorherigen Genehmigung durch die zuständige Behörde.

(3)   Abweichend von Artikel 54 Absatz 1 der Delegierten Verordnung (EU) 2016/1149 wird im Falle, dass der zuständigen Behörde eine Änderung eines bereits genehmigten Vorhabens gemäß Absatz 2 Buchstabe b mitgeteilt und von dieser genehmigt wurde, die Unterstützung für die bisher im Rahmen dieses Vorhabens durchgeführten einzelnen Aktionen gezahlt, sofern diese Aktionen vollständig durchgeführt und Verwaltungs- und gegebenenfalls Vor-Ort-Kontrollen gemäß Kapitel IV Abschnitt 1 der Durchführungsverordnung (EU) 2016/1150 der Kommission (8) unterzogen wurden.

(4)   Abweichend von Artikel 54 Absatz 4 Unterabsätze 3, 4, 5 und 6 der Delegierten Verordnung (EU) 2016/1149 berechnen die Mitgliedstaaten im Haushaltsjahr 2023 bei spätestens am 15. Oktober 2023 eingereichten Zahlungsanträgen in Fällen, in denen im Rahmen des Artikels 46 der Verordnung (EU) Nr. 1308/2013 unterstützte Vorhaben nicht auf der Gesamtfläche durchgeführt werden, für die eine Unterstützung beantragt wurde, die zu zahlende Unterstützung anhand der bei Vor-Ort-Kontrollen im Anschluss an die Durchführung ermittelten Fläche.

Artikel 6

Anwendung der befristeten außergewöhnlichen Marktmaßnahmen

Die Artikel 1, 2 und 3 gelten für Vorhaben, die von den zuständigen Behörden der Mitgliedstaaten ab dem Tag des Inkrafttretens dieser Verordnung ausgewählt und die spätestens am 15. Oktober 2023 durchgeführt werden.

Die Artikel 4 und 5 gelten für Vorhaben, deren Durchführung im Haushaltsjahr 2023 begonnen hat.

Artikel 7

Inkrafttreten

Diese Verordnung tritt am Tag ihrer Veröffentlichung im Amtsblatt der Europäischen Union in Kraft.

Diese Verordnung ist in allen ihren Teilen verbindlich und gilt unmittelbar in jedem Mitgliedstaat.

Brüssel, den 22. Juni 2023

Für die Kommission

Die Präsidentin

Ursula VON DER LEYEN


(1)  ABl. L 347 vom 20.12.2013, S. 671.

(2)  Verordnung (EU) 2021/2115 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 2. Dezember 2021 mit Vorschriften für die Unterstützung der von den Mitgliedstaaten im Rahmen der Gemeinsamen Agrarpolitik zu erstellenden und durch den Europäischen Garantiefonds für die Landwirtschaft (EGFL) und den Europäischen Landwirtschaftsfonds für die Entwicklung des ländlichen Raums (ELER) zu finanzierenden Strategiepläne (GAP-Strategiepläne) und zur Aufhebung der Verordnung (EU) Nr. 1305/2013 sowie der Verordnung (EU) Nr. 1307/2013 (ABl. L 435 vom 6.12.2021, S. 1).

(3)  Delegierte Verordnung (EU) 2016/1149 der Kommission vom 15. April 2016 zur Ergänzung der Verordnung (EU) Nr. 1308/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates in Bezug auf die nationalen Stützungsprogramme im Weinsektor und zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 555/2008 der Kommission (ABl. L 190 vom 15.7.2016, S. 1).

(4)  Verordnung (EU) 2021/2117 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 2. Dezember 2021 zur Änderung der Verordnungen (EU) Nr. 1308/2013 über eine gemeinsame Marktorganisation für landwirtschaftliche Erzeugnisse, (EU) Nr. 1151/2012 über Qualitätsregelungen für Agrarerzeugnisse und Lebensmittel, (EU) Nr. 251/2014 über die Begriffsbestimmung, Beschreibung, Aufmachung und Etikettierung von aromatisierten Weinerzeugnissen sowie den Schutz geografischer Angaben für aromatisierte Weinerzeugnisse und (EU) Nr. 228/2013 über Sondermaßnahmen im Bereich der Landwirtschaft zugunsten der Regionen in äußerster Randlage der Union (ABl. L 435 vom 6.12.2021, S. 262).

(5)  Delegierte Verordnung (EU) 2016/1149 der Kommission vom 15. April 2016 zur Ergänzung der Verordnung (EU) Nr. 1308/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates in Bezug auf die nationalen Stützungsprogramme im Weinsektor und zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 555/2008 der Kommission (ABl. L 190 vom 15.7.2016, S. 1).

(6)  Durchführungsverordnung (EU) 2016/1150 der Kommission vom 15. April 2016 mit Durchführungsbestimmungen zur Verordnung (EU) Nr. 1308/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates in Bezug auf die nationalen Stützungsprogramme im Weinsektor (ABl. L 190 vom 15.7.2016, S. 23).

(7)  Verordnung (EU) Nr. 229/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. März 2013 über Sondermaßnahmen im Bereich der Landwirtschaft zugunsten der kleineren Inseln des Ägäischen Meeres und zur Aufhebung der Verordnung (EG) Nr. 1405/2006 des Rates (ABl. L 78 vom 20.3.2013, S. 41).

(8)  Durchführungsverordnung (EU) 2016/1150 der Kommission vom 15. April 2016 mit Durchführungsbestimmungen zur Verordnung (EU) Nr. 1308/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates in Bezug auf die nationalen Stützungsprogramme im Weinsektor (ABl. L 190 vom 15.7.2016, S. 23).


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