EUROPÄISCHE KOMMISSION
Brüssel, den 18.11.2022
COM(2022) 710 final
MITTEILUNG DER KOMMISSION AN DAS EUROPÄISCHE PARLAMENT, DEN RAT, DEN EUROPÄISCHEN WIRTSCHAFTS- UND SOZIALAUSSCHUSS UND DEN AUSSCHUSS DER REGIONEN
über eine gestärkte EU-Interoperabilitätspolitik im öffentlichen Sektor
Verknüpfung öffentlicher Dienste, Unterstützung der öffentlichen Politik und Schaffung öffentlichen Nutzens
Auf dem Weg zu einem „interoperablen Europa“
{SWD(2022) 710 final}
Inhaltsverzeichnis
1.
Hintergrund
2.
Steuerung der interoperablen Digitalisierung des öffentlichen Sektors
2.1
Was ist Interoperabilität?
2.2
Warum ist die Verbesserung der Interoperabilität für die EU wichtig?
3.
Beschleunigter Ausbau der EU-Zusammenarbeit im Bereich der Interoperabilität
3.1
Aufbau einer gemeinsamen Interoperabilitäts-Governance
3.2
Einbeziehung aller Regierungs- und Verwaltungsebenen
3.3
Förderung der Innovation und der GovTech-Zusammenarbeit
3.4
Beobachtung der Auswirkungen
4.
Konzeptionsinhärente Interoperabilität und Digitaltauglichkeit der EU-Politik
4.1
Gestaltung der EU-Politik im digitalen Zeitalter
4.2
Schwerpunkt Interoperabilitätsfinanzierung
4.3
Integration der Interoperabilität in die Daten- und Innovationspolitik der EU
4.4
Entwicklung der internationalen Zusammenarbeit bei der Interoperabilität im öffentlichen Sektor
1.Hintergrund
Interoperable digitale öffentliche Dienste sind für eine erfolgreiche Digitalisierung des Binnenmarkts der Europäischen Union unverzichtbar. Die Wirtschaft und die Gesellschaft haben viel zu gewinnen, wenn sie dafür sorgen, dass sich der digitale Umbau des öffentlichen Sektors in Europa auf inklusive, faire und offene, nachhaltige, wertorientierte und interoperable Weise vollzieht. Vom digitalen Wandel im öffentlichen Sektor geht eine erhebliche Schub- und Sogwirkung auf die Digitalisierung der europäischen Wirtschaft und Gesellschaft aus. Das Gewicht und das Potenzial des öffentlichen Sektors im Hinblick auf einen werteorientierten „europäischen Weg“ des digitalen Wandels wurden von den EU-Regierungen und den lokalen und regionalen Gemeinschaften
anerkannt und im Digitalen Kompass der EU bekräftigt, in dem der öffentliche Sektor als einer von vier Kernpunkten genannt wird, die den digitalen Zielpfad der EU abstecken. So sind digitale öffentliche Verwaltungen zu einem besonderen Schwerpunkt der nationalen Aufbau- und Resilienzpläne geworden, die Investitionen in Höhe von insgesamt 47 Mrd. EUR vorsehen.
Durch eine größere Konzentration auf die Interoperabilität des öffentlichen Sektors werden auch die Aufbaubemühungen und die Resilienz Europas gefördert, indem öffentliche Verwaltungen und politische Maßnahmen, aber auch Menschen und Unternehmen wirksam miteinander verbunden werden, um nahtlose Dienstleistungsangebote und Datenströme zu ermöglichen. Dazu gehört die Anpassung der EU-Politik an das digitale Zeitalter, die Gewährleistung einer wirksamen Politikumsetzung mit digitalen Mitteln und die Interoperabilität schon ab der Phase der Politikgestaltung in enger Partnerschaft zwischen politischen Entscheidungsträgern und IKT-Experten. Dies umfasst auch den Aufbau einer positiven Schleife der Innovationszusammenarbeit bei der Gestaltung und Bereitstellung digitaler öffentlicher Dienste.
Diese Mitteilung ist dem Vorschlag für ein „Gesetz für ein interoperables Europa“ beigefügt, das darauf abzielt, eine gemeinsame Interoperabilitäts-Governance zu schaffen und den gemeinsamen Aufbau eines Ökosystems aus Interoperabilitätslösungen in der gesamten EU zu erleichtern. Die gemeinsame Entwicklung von Lösungen wie auch die Weitergabe und Weiterverwendung bewährter Instrumente stellt den schnellen und kosteneffizienten Ansatz für die Gestaltung digitaler öffentlicher Dienste dar. Eine verstärkte Zusammenarbeit im Bereich der Interoperabilität ist entscheidend, wenn es darum geht, das Transformationspotenzial des öffentlichen Sektors voll auszuschöpfen, eine Fragmentierung zu vermeiden und die Konnektivität und Datenweitergabe zu verbessern. Auf diese Weise wird der vorgeschlagene Politikrahmen dazu beitragen, die digitale Souveränität Europas zu wahren und die digitale Subsidiarität zu stärken. Die Stärkung der Interoperabilitätspolitik der EU-Regierungen dient der Verwirklichung der Prioritäten der Kommission und ihrer Digitalpolitik, um so den öffentlichen Sektor Europas für das digitale Zeitalter zu rüsten.
2.Steuerung der interoperablen Digitalisierung des öffentlichen Sektors
2.1Was ist Interoperabilität?
Die Interoperabilität des öffentlichen Sektors ermöglicht es, dass Verwaltungen zusammenarbeiten und dass öffentliche Dienste grenzüberschreitend, sektorübergreifend und über organisatorische Schranken hinweg funktionieren. Dies kommt allen Menschen und Unternehmen zugute, die auf solche verbundenen Dienste angewiesen sind. Interoperabilität kommt auch den Gemeinschaften und Verwaltungen selbst zugute, die bei ihren Entscheidungen auf vertrauenswürdige Daten aus verschiedenen öffentlichen oder privaten Quellen angewiesen sind und politische Ziele verwirklichen müssen, die häufig grenzüberschreitend und sektorübergreifend miteinander verknüpft sind. Interoperabilität spielt sowohl innerhalb als auch zwischen Organisationen und Politikbereichen eine wichtige Rolle, insbesondere, wenn diese in enger Beziehung zum öffentlichen Sektor stehen, wie in den Bereichen Justiz und Inneres, Steuern und Zoll, Verkehr, Umwelt und Landwirtschaft oder Gesundheit oder auch bei der Regulierung der Unternehmen und der Wirtschaft. In der Digital- und Datenpolitik der EU ist die Interoperabilität ein Dauerthema.
Öffentliche Dienste werden auf verschiedenen Ebenen erbracht und genutzt, vor allem auf lokaler, aber auch regionaler, nationaler und europäischer Ebene. Sie funktionieren selten voneinander isoliert, weil der Zugang zu Registern verschiedener Ebenen oder Sektoren erforderlich ist, um Daten austauschen und den Endnutzern den gewünschten Dienst erbringen zu können. Dabei befindet sich ein großer Teil dieser Daten außerhalb des betreffenden Politikbereichs, einer bestimmten öffentlichen Verwaltung und zunehmend auch außerhalb der Landesgrenzen. Deshalb bilden öffentliche Dienste in Europa zunehmend ein neues „Netz von Netzen“ weitgehend souveräner Akteure auf allen Regierungsebenen, die jeweils ihren eigenen Rechtsrahmen und ihren eigenen Auftrag haben, aber dennoch alle miteinander verknüpft sind. Analog zu den bestehenden transeuropäischen Verkehrs- und Energienetzen bilden die öffentlichen Dienste ihr eigenes transeuropäisches Netz, das auf Interoperabilität beruht.
Bisweilen wird Interoperabilität als rein technische Angelegenheit angesehen. Eine Betrachtung der technischen Aspekte allein reicht jedoch nicht aus, um Verwaltungen, Datenströme und Dienstleistungen wirksam miteinander zu verknüpfen. Notwendig ist vielmehr, die technischen Verbindungskapazitäten und das semantische Verständnis für den Austausch und die Verarbeitung der betreffenden Daten zu gewährleisten und den nötigen organisatorischen und rechtlichen Rahmen zu schaffen, z. B. im Hinblick auf Auskunftsrechte und den Austausch oder die Weiterverwendung von Daten. Im Interesse der Koordinierung und Kohärenz erfordert Interoperabilität auch einen integrierten Governance-Ansatz. Diese grundlegenden Bedingungen – bzw. „Schichten“ – der Interoperabilität sind im Europäischen Interoperabilitätsrahmen (EIF) festgelegt, einem konzeptionellen Modell, das im Jahr 2004 von Fachleuten des digitalen öffentlichen Sektors aus ganz Europa entwickelt und seitdem zweimal aktualisiert wurde. Im Zusammenspiel mit einer zunehmend vernetzten Welt ist die Interoperabilität in diesem Zeitraum zu einem wesentlichen Aspekt des digitalen Wandels der Verwaltungen und Dienste geworden.
Der EIF ist heute der allgemein anerkannte Politikrahmen für die Interoperabilität in der EU und darüber hinaus. Angesichts seines besonderen Zwecks, nämlich dem gemeinsamen öffentlichen Wohl zu dienen, muss diese Interoperabilitätsgrundlage transparent, inklusiv, fair und sicher sowie fest in den Werten der EU verankert sein. Interoperabilität ermöglicht es den Akteuren des öffentlichen Sektors, unter Wahrung der Souveränität und Subsidiarität Verbindungen einzugehen, zusammenzuarbeiten und Daten auszutauschen.
2.2Warum ist die Verbesserung der Interoperabilität für die EU wichtig?
Eine höhere Leistungsfähigkeit des öffentlichen Sektors dank vollständiger Umsetzung der Interoperabilität auf allen Verwaltungsebenen könnte zu einem Anstieg des BIP der EU um schätzungsweise 0,4 % führen. Personen könnten bis zu 24 Mio. Stunden pro Jahr oder 543 Mio. EUR einsparen. Unternehmen könnten 30 Mrd. Stunden oder 568 Mrd. EUR pro Jahr einsparen. Die geschätzten jährlichen Kosteneinsparungen, die auf grenzüberschreitende Interoperabilität zurückzuführen sind, betragen zwischen 5,5 Mio. und 6,3 Mio. EUR für die Bürger und zwischen 5,7 Mrd. und 19,2 Mrd. EUR für die Unternehmen.
Fallstudien belegen auch, dass sich die Interoperabilität über Effizienzsteigerungen hinaus auch auf andere öffentliche Werte positiv auswirkt. So wird beispielsweise durch proaktive öffentliche Dienste oder eine mehrsprachige semantische Unterstützung der Zugang zu öffentlichen Diensten und ihre Inklusivität verbessert und daher auch das Vertrauen der Öffentlichkeit gestärkt.
Interoperabilität ist gerade in Krisenzeiten von entscheidender Bedeutung, wie die COVID-19-Pandemie verdeutlicht hat. Interoperabilität war nicht nur für die Ausstellung EU-weit zugänglicher digitaler COVID-19-Zertifikate, sondern auch für den Echtzeit-Datenaustausch über verfügbare Betten in den Intensivstationen der Krankenhäuser erforderlich. Interoperabilität hilft dem Staat, selbst flexibler zu sein und über Sektoren und Verwaltungsebenen hinweg den Zugang zu Informationen in Echtzeit zu gewährleisten; sie ist bei der Bewertung der Wirksamkeit der Politik hilfreich und bietet Anreize für kontinuierliche Innovationen, gemeinsame Anstrengungen und das Schließen von Lücken zwischen verschiedenen Politikbereichen.
Der derzeitige politische Rahmen einer unverbindlichen Zusammenarbeit im Bereich der Interoperabilität ist jedoch nicht geeignet, diese geschätzten Vorteile optimal zur Geltung zu bringen. Fachleute für digitale Verwaltung und digitale Daten haben zwar – mit bemerkenswertem Engagement – einen weitreichenden gemeinsamen EU-Besitzstand in Bezug auf die Interoperabilität entwickelt, der praktische Verfahren und Konzepte der Zusammenarbeit, weiterverwendbare Lösungen, offene Spezifikationen und Werkzeuge zur Unterstützung nationaler Reformbemühungen und bestehender EU-Maßnahmen umfasst, jüngere Bewertungen haben aber gezeigt, dass dieser rein freiwillige Ansatz für die Zusammenarbeit doch erhebliche Beschränkungen aufweist.
Allzu oft werden digitale Aspekte und Fragen des Datenzugangs und der Datenweitergabe zu spät im politischen Entscheidungsprozess behandelt. Interoperabilitätserwägungen gehören nicht zu den Kernanliegen öffentlicher Dienste. Daraus ergeben sich hohe Risiken und Kosten bei der Umsetzung, verpasste Chancen und schlimmstenfalls eine Untergrabung groß angelegter Vorhaben, die von der Digitalisierung abhängen. Öffentliche Verwaltungen können nur dann interoperabel sein, wenn frühzeitig in der Phase der Politikgestaltung die richtigen Bewertungen vorgenommen und die richtigen Entscheidungen getroffen werden. Wenn nichts unternommen wird, um die Interoperabilität zu verbessern, könnte die EU die Gelegenheit verpassen, die Verwaltungslasten erheblich zu verringern. Dies würde die Resilienz der öffentlichen Verwaltungen verringern, ihre Innovationsfähigkeit mindern und im schlimmsten Fall dazu führen, dass sie in Krisenzeiten handlungsunfähig würden. Die grenzüberschreitende Zusammenarbeit der öffentlichen Verwaltungen muss so natürlich und nahtlos werden wie der grenzüberschreitende Bahnverkehr oder grenzüberschreitende Energieflüsse zwischen nationalen Netzen. Die Reaktion auf die COVID-19-Pandemie hat lediglich verdeutlicht, wie wichtig ein stabiles digitales Zusammenwirken des öffentlichen Sektors über Grenzen und Wirtschaftszweige hinweg ist.
Vor diesem Hintergrund und angesichts der wachsenden Dynamik des digitalen Wandels haben die für den Umbau des öffentlichen Sektors zuständigen EU-Minister und die obersten IT-Beauftragten der Mitgliedstaaten zunehmend zum Ausdruck gebracht, dass die europäische Zusammenarbeit im Bereich der Interoperabilität gestärkt werden muss. Sie fordern eine stabile Organisationsstruktur, eine generelle Anwendung des EIF und die Benennung allgemein anerkannter und offener Spezifikationen und Lösungen, die sich zur Weiterverwendung eignen. Außerdem fordern sie einen Ansatz der „konzeptionsinhärenten Interoperabilität“ und eine bessere Koordinierung von Erprobungen und Innovationen im öffentlichen Sektor sowie eine bessere Zusammenarbeit mit dem Privatsektor („GovTech“). Mit dem Vorschlag der Kommission für eine verstärkte EU-Interoperabilitätspolitik im öffentlichen Sektor wird auf diese Notwendigkeit eingegangen.
3.Beschleunigter Ausbau der EU-Zusammenarbeit im Bereich der Interoperabilität
3.1Aufbau einer gemeinsamen Interoperabilitäts-Governance
Der Schwerpunkt des vorgeschlagenen Gesetzes für ein interoperables Europa liegt auf dem Aufbau eines strukturierten, transparenten und inklusiven Rahmens für die Zusammenarbeit, der die Anpassungsfähigkeit und die Innovationskapazität bietet, die der öffentliche Sektor in einem dynamischen technischen, gesellschaftlichen und politischen Kontext benötigt. Interoperabilität kann weder von oben nach unten durch eine einzelne Stelle erzwungen, noch von unten nach oben von einzelnen Akteuren erreicht werden. Sie erfordert eine wirksame bereichsübergreifende Zusammenarbeit zwischen politischen Entscheidungsträgern und politischen Akteuren aller Regierungs- und Verwaltungsebenen. Außerdem erfordert sie einen offenen, aber stabilen und integrierten Governance-Rahmen, der die Subsidiarität durch eine wirksame Beteiligung und Mitverantwortung gewährleistet, der auch künftig tragfähig sein wird, denn was interoperabel konzipiert ist, veraltet weniger schnell, einen Rahmen, der das Transformationspotenzial des öffentlichen Sektors verwirklicht und die öffentlichen Werte wahrt. Dieser Rahmen für die Zusammenarbeit soll mit dem vorgeschlagenen Gesetz für ein interoperables Europa geschaffen werden. Es sieht die Einrichtung eines Beirats für ein interoperables Europa vor, der aus den für den digitalen Wandel zuständigen zentralen Behörden der Mitgliedstaaten und den EU-Organen bestehen und die gemeinsamen Interoperabilitätsbemühungen lenken soll. Darüber hinaus sieht es eine offene Gemeinschaft für ein interoperables Europa vor, die sich aus Fachleuten, Praktikern und interessierten Kreisen zusammensetzen und für Transparenz und für die Verbindung zur Praxis an der Basis sorgen soll.
Wegen des raschen Tempos der technischen Entwicklung und der sich ständig wandelnden politischen Bedürfnisse ist Interoperabilität ein bewegliches Ziel. Um es zu erreichen, wird ein spezieller, innovationsfreundlicher und offener Rechtsrahmen gebraucht, der langfristige regulatorische und technische Bindungen verhindert. Andere Möglichkeiten, wie etwa eine gesetzliche Festschreibung heute eingesetzter Technik, könnten künftige Innovationen untergraben und würden es den Verwaltungen erschweren, sich an sich ändernde Bedürfnisse und an neue Technik anzupassen. Interoperabilitätspolitik und ‑regulierung müssen als solche stets innovativ und digitaltauglich sein. Mit dem vorgeschlagenen Gesetz für ein interoperables Europa soll ein solcher integrierter Innovationsrahmen für den öffentlichen Sektor geschaffen werden.
Der Europäische Interoperabilitätsrahmen (EIF) ist das Referenzinstrument für die Umsetzung der Interoperabilität im öffentlichen Sektor. Damit er stets seine Gültigkeit behält, muss er regelmäßig überprüft und aktualisiert werden. Außerdem bedarf es einer Weiterentwicklung der Umsetzungsempfehlungen und der Unterstützung, beispielsweise in Bezug auf die künftigen sektorspezifischen Datenräume der EU, und zwar in enger Abstimmung mit dem Europäischen Dateninnovationsrat und den Anforderungen des kommenden Datengesetzes. Das vorgeschlagene Gesetz für ein interoperables Europa sieht eine solche regelmäßige Aktualisierung im Einklang mit einer innovationsfreundlichen und digitaltauglichen Regulierung vor.
3.2Einbeziehung aller Regierungs- und Verwaltungsebenen
Eine gestärkte Interoperabilitäts-Governance in der EU, die von den Mitgliedstaaten und der EU gemeinsam getragen wird, bietet einen dringend benötigten verbesserten Politik- und Unterstützungsrahmen zur Erreichung der Reformziele für den öffentlichen Sektor in der EU. Diese Bemühungen müssen gemeinsam auf allen Regierungs- und Verwaltungsebenen unternommen werden, um den reichhaltigen Besitzstand im Bereich der Interoperabilität, der aus Konzepten, Leitlinien, Spezifikationen und weiterverwendbaren Elementen besteht, aufrechtzuerhalten und zu aktualisieren.
Die angemessene Einbeziehung und Vertretung regionaler Körperschaften und lokaler Gemeinschaften ist eine Voraussetzung, und zwar nicht nur, weil sie die „erste und letzte Meile“ bei der Erbringung öffentlicher Dienste darstellen, sondern auch, um die beträchtlichen Innovationskapazitäten der Städte und Regionen nutzbar zu machen. Hier kommt der öffentlich-privaten Innovations- und Dienstleistungszusammenarbeit eine wichtige Rolle zu. Bewegungen wie die „Living-in-EU“-Initiative sowie eine erweiterte Projektzusammenarbeit wie etwa „Offene und agile intelligente Städte“ (OASC) verdeutlichen den großen Bedarf an Zusammenarbeit im Bereich der Interoperabilität und die Bereitschaft zur Beteiligung auf regionaler und lokaler Ebene. Die Vielfalt lokal entwickelter Interoperabilitätslösungen und das dabei vorhandene Fachwissen sind ein wichtiger Vorteil und sollten systematisch in Katalogen anerkannter und allgemein verfügbarer Interoperabilitätsressourcen erfasst werden. Aus diesem Grund sollten im Rahmen der vorgeschlagenen künftigen Interoperabilitäts-Governance der EU Vertreter lokaler und regionaler Gebietskörperschaften und gesellschaftlicher Gruppen in den künftigen Beirat für ein interoperables Europa einbezogen werden und sollten Fachleute aller Regierungs- und Verwaltungsebenen aktiv dazu ermuntert werden, sich an der Arbeit der künftigen Gemeinschaft für ein interoperables Europa zu beteiligen.
Um insbesondere den lokalen und regionalen Gegebenheiten Rechnung zu tragen, hat die Kommission in enger Zusammenarbeit mit privaten und öffentlichen Beteiligten einen „Europäischen Interoperabilitätsrahmen für intelligente Städte und Gemeinschaften“ (EIF4SCC) aufgestellt, der vollständig auf den EIF abgestimmt ist. Nach ausführlicher öffentlicher Diskussion und Konsultation wird diese Spezialisierung des EIF in der dieser Mitteilung beigefügten Arbeitsunterlage der Kommissionsdienststellen vorgestellt. Die Kommission ermuntert Experten und Praktiker aus anderen Politikbereichen, diesem Beispiel der Anpassung des EIF an spezifische und/oder sektorale Anwendungsfälle zu folgen. Die künftige Interoperabilitäts-Governance wird die Aufgabe haben, die vollzogene Angleichung der spezialisierten Interoperabilitätsrahmen an den EIF zu beurteilen. So wurde beispielsweise in der Vergangenheit bereits eine Spezialisierung des EIF für die Zwecke der digitalen Gesundheitsdienste entwickelt. Traditionell spielt Interoperabilität auch in der Umweltpolitik, im Bereich Justiz und Inneres oder im Verkehrswesen eine wichtige Rolle.
3.3Förderung der Innovation und der GovTech-Zusammenarbeit
Bei der Technologieintegration nicht den Anschluss zu verlieren, ist für den öffentlichen Sektor eine ständige Herausforderung. Öffentliche Stellen werden zwar häufig wegen ihrer geringen Risikobereitschaft beim Einsatz von Technik kritisiert, doch müssen sie in ihrer einzigartigen Rolle, dem Interesse der Allgemeinheit zu dienen, auch eine besondere Sorgfalt bei der Übernahme neuer Technik und bei deren rechtmäßiger, fairer und vertrauenswürdiger Verwendung an den Tag legen. Dennoch hat neue Technik das Potenzial, öffentliche Dienstleistungen leichter zugänglich, inklusiver und effizienter denn je zu machen. Es ist ebenso schwierig wie wichtig, eine kontinuierliche digitale Innovation im öffentlichen Sektor zu gewährleisten.
In ganz Europa gibt es bereits Hunderte von Aktivitäten zum Testen und Erproben digitaler Technik im öffentlichen Sektor. Es kommt darauf an, mehr über die Vorteile und die Risiken solcher neuen Technik zu erfahren. Die Kommission richtet daher eine Beobachtungsstelle für innovative öffentliche Dienste ein, um Trends zu analysieren und bewährte wie auch schlechte Verfahren zu ermitteln, um Informationen über die Einführung neu aufkommender Technik zu gewinnen und eine konzeptionsinhärente Interoperabilität zu gewährleisten. Die Beobachtungsstelle wird untersuchen, wie Prozesse und Leitungsstrukturen des öffentlichen Sektors durch Technologien wie künstliche Intelligenz verändert werden. Diese Betrachtung wird sowohl den EU-Organen als auch den nationalen und lokalen Behörden dabei helfen, fundierte Entscheidungen über die Einführung neuer Technik zu treffen.
Europa verfügt über florierende regionale Ökosysteme aus innovativen kleinen Technologie- und Start-up-Unternehmen, die unter anderem durch ein Netz digitaler Innovationszentren und den Europäischen Innovationsrat unterstützt werden. Offen verfügbare, weiterverwendbare und anerkannte Interoperabilitätsressourcen sind wichtige Vorteile für kleine innovative Unternehmen und für Initiativen der Zivilgesellschaft, die mit dem öffentlichen Sektor zusammenarbeiten.
Die öffentlich-private Zusammenarbeit im „GovTech“- und „CivicTech“-Bereich regt Innovationen im öffentlichen Sektor an, dient der technologischen Souveränität Europas und eröffnet neue Wege für die Vergabe öffentlicher Aufträge. Der Zugang zu öffentlichen Aufträgen ist ein zentrales Anliegen kleinerer Unternehmen, damit sie expandieren und Anerkennung erhalten sowie stabile Betriebserträge erzielen können. Die GovTech-Unterstützung bildet einen speziellen Aktionsbereich sowohl im Programm Digitales Europa als auch im vorgeschlagenen Gesetz für ein interoperables Europa und ist vollständig auf den EU-Rahmen zur Innovationsförderung abgestimmt. Die Wirtschaft wird über den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss in die Tätigkeiten des künftigen Beirats für ein interoperables Europa eingebunden und wird aufgerufen, sich der künftigen Gemeinschaft für ein interoperables Europa anzuschließen.
3.4Beobachtung der Auswirkungen
Die Folgenabschätzung in Bezug auf eine künftige Interoperabilitätspolitik hat gezeigt, wie schwierig es ist, einschlägige Daten zu erheben und eine Kosten-Nutzen-Schätzung der Interoperabilität vorzunehmen, denn es handelt sich um Tätigkeiten, die nicht selbst das eigentliche Ziel, sondern ein wichtiges Instrument zur Unterstützung der Digitalisierung des öffentlichen Sektors sind. Dennoch ist es nützlich, die Interoperabilitätsreife zu messen, um Investitionen besser lenken und Fortschritte besser abschätzen zu können. Für die digitale Verwaltung gibt es je nach Nutzer, Sektor oder geografischem Schwerpunkt eine Vielzahl von Berichterstattungs- und Überwachungsinstrumenten. Diese Instrumente sind jedoch nicht immer aufeinander abgestimmt oder ausreichend miteinander verbunden, und ihre Ergebnisse werden selten in einem leicht verwendbaren maschinenlesbaren Format dargestellt. Außerdem können sie eine erhebliche Belastung für die Verwaltungen verursachen, wie die von der Kommission eingesetzte Expertengruppe für die Interoperabilität öffentlicher Dienste hervorgehoben hat.
Deshalb ist es wichtig, transparente und weiterverwendbare, digitaltaugliche Berichterstattungs- und Überwachungsinstrumente zu entwickeln, die zur Verwirklichung der Ziele der digitalen Dekade beitragen. Bestehende Beobachtungs- und Überwachungsformate sollten in eine Logik der einmaligen Erfassung integriert werden, sodass vorhandene Daten und Erhebungen möglichst weiterverwendet und die Ergebnisse in maschinenlesbaren Formaten öffentlich zugänglich gemacht werden. Schon allein für sich ist dies ein Aspekt der digitaltauglichen Politikgestaltung mit weiterverwendbaren, integrierten und übertragbaren Instrumenten und Konzepten zum Nutzen der Praktiker und der politischen Entscheidungsträger.
Der Kommissionsvorschlag für ein Gesetz für ein interoperables Europa
-begründet für den EU-Besitzstand auf dem Gebiet der Interoperabilität eine strukturierte EU-weite Zusammenarbeit im Bereich der Interoperabilität und Mitverantwortung mit den Mitgliedstaaten durch die Einrichtung eines Beirats für ein interoperables Europa, in den die Mitgliedstaaten Fachleute aus der Praxis der digitalen Verwaltung entsenden; ruft ferner die Gemeinschaft für ein interoperables Europa als offenes Forum von Fachleuten und interessierten Kreisen ins Leben, die in Fragen der Interoperabilität und der Innovation im öffentlichen Sektor beraten sollen;
-beauftragt den Beirat für ein interoperables Europa mit der Ausarbeitung des neuen EIF und dessen künftiger Weiterentwicklung;
-führt – unter Wahrung der Verhältnismäßigkeit – eine verpflichtende Interoperabilitätsbewertung für jede Änderung oder Neueinführung eines Informationssystems oder einer Systemkomponente von grenzüberschreitender Bedeutung ein, soweit diese eine elektronische Erbringung oder Verwaltung öffentlicher Dienste ermöglichen;
-führt Kataloge anerkannter Interoperabilitätsressourcen ein, die von Verwaltungen und bei der Politikgestaltung weiterverwendet werden können, z. B. digitale Werkzeuge, Spezifikationen oder Lösungen;
-stärkt die Interoperabilitätsunterstützung für digitaltaugliche EU-Maßnahmen und für gemeinsame GovTech-Innovationsprojekte.
Die Kommission wird
-auf Vorschlag des künftigen Beirats für ein interoperables Europa einen erneuerten EIF annehmen, in dessen Mittelpunkt konkrete Umsetzungsempfehlungen, auch für EU-Datenräume, in enger Abstimmung mit dem Europäischen Dateninnovationsrat stehen werden;
-die Entwicklung sektoraler Interoperabilitätsspezialisierungen im Einklang mit dem EIF unterstützen, z. B. des EIF für intelligente Städte und Gemeinden (EIF4SCC), der parallel zu dieser Mitteilung veröffentlicht wird;
-ein enges Zusammenwirken ihrer Tätigkeiten in der GovTech-Zusammenarbeit und zur Unterstützung mit EU-Innovationsinstrumenten wie den digitalen Innovationszentren, dem Europäischen Innovationsrat (EIC), den europäischen Innovationsökosystemen (EIE) und dem Europäischen Technologieinstitut (EIT) gewährleisten;
-dafür sorgen, dass die Berichterstattung und Überwachung im Bereich der Interoperabilität vollständig auf die einschlägigen Politik-Überwachungssysteme der EU abgestimmt und erforderlichenfalls in diese integriert wird, insbesondere den DESI (Index für die digitale Wirtschaft und Gesellschaft), den Prozess der digitalen Dekade, die Nachverfolgung der Berliner Erklärung und die Beobachtung der nationalen Aufbau- und Resilienzpläne).
4.Konzeptionsinhärente Interoperabilität und Digitaltauglichkeit der EU-Politik
4.1Gestaltung der EU-Politik im digitalen Zeitalter
Digitale Aspekte im Allgemeinen und die Interoperabilität im Besonderen werden traditionell an technische Sachverständige delegiert und überhaupt nur nachgelagert, verspätet oder sogar erst nach Abschluss des politischen Entscheidungsprozesses betrachtet. Dies birgt hohe Risiken und verursacht hohe Kosten bei der Politikumsetzung aufgrund unbeabsichtigter Hindernisse und Einschränkungen. Um dieses Problem zu überwinden, muss bei der Politikgestaltung ein systemischer Ansatz der konzeptionsinhärenten Interoperabilität verfolgt werden.
Der Zyklus der Politikgestaltung und ‑umsetzung verläuft zunehmend datengetrieben und digital und erstreckt sich von der Vorausschau und Folgenabschätzung über die Erhebung und Beobachtung von Daten bis hin zu Diensten und Instrumenten. Die Maßnahmen der EU-Politik weisen immer mehr digitale Aspekte auf. Politische Ziele, Datensätze und digitale Lösungen sind eng miteinander verflochten, sodass die Gestaltung und Umsetzung der EU-Politik nur dann wirksam und effizient sein kann, wenn sie von einer Partnerschaft zwischen politischen Entscheidungsträgern und IKT-Fachleuten getragen wird. Diese Partnerschaft muss im Prozess der Politikgestaltung und ‑entwicklung so früh wie möglich beginnen.
In der eigenen Digitalstrategie der Kommission und ihrer Agenda für bessere Rechtsetzung
wird digitales Denken fest in den EU-Politikzyklus integriert, wodurch der Grundsatz „standardmäßig digital“ in der Politikgestaltung gefördert wird. Digitalaspekte und Interoperabilitätsaspekte müssen in allen Phasen berücksichtigt werden: Politikgestaltung, Konsultationen der Interessenträger, Folgenabschätzungen, Politikumsetzung, Überwachung und Bewertung.
Die „Digital-Checks“ als spezielle und sich entwickelnde Komponente des Instrumentariums der Kommission für eine bessere Rechtsetzung sollen politischen Entscheidungsträgern helfen, bereits frühzeitig die relevanten Digitalaspekte einer Maßnahme zu erkennen und anzugehen. Solche Kontrollen müssen Hand in Hand mit einer strukturellen fachlichen Beratung gehen, z. B. zu Themen wie Systemarchitektur, Daten- und Cloud-Technik sowie Datenschutz und Cybersicherheit. Die Weiterverwendung von Daten aus verlässlichen Quellen, die Weiterverwendung bestehender Lösungen und die Einführung innovativer Technik werden die Umsetzung vereinfachen und ressourceneffizienter machen und gleichzeitig den Weg für Datenanalysen, sichere und geschützte Datenströme, künstliche Intelligenz und neue Technologien ebnen. Dieses praktische Herangehen hat sein Potenzial zur Vereinfachung und Verringerung des Verwaltungsaufwands bereits unter Beweis gestellt.
In Legislativvorschlägen wird es verstärkt um Interoperabilität, eine systematische Bewertung der Übereinstimmung mit dem EIF (und gegebenenfalls dessen Spezialisierungen) und die Ermittlung von Möglichkeiten der Weiterverwendung interoperabler Systeme, Konzepte und Komponenten gehen. Dies ermöglicht es der Kommission und den Mitgliedstaaten, Datenerhebungs- und Überwachungsverfahren besser zu strukturieren und die Entwicklung doppelter und widersprüchlicher Systeme, eine Bindung an bestimmte Anbieter und nicht nachhaltige IKT-Praktiken zu vermeiden. Die im Rahmen des Gesetzes für ein interoperables Europa vorgeschlagene strukturierte Zusammenarbeit öffentlicher Verwaltungen in allen EU-Mitgliedstaaten soll eine fachliche Beratung in Bezug auf EU-Maßnahmen ergeben, die sich erheblich auf die digitalen Infrastrukturen der Mitgliedstaaten auswirken und eine rechtzeitige Umsetzung der EU-Politik ermöglichen werden.
Eine digitaltaugliche und konzeptionsinhärent interoperable Politikgestaltung wird das Entstehen wirklich transeuropäischer digitaler Dienste für die Menschen, die Unternehmen und die öffentliche Politik fördern, was für den digitalen Binnenmarkt von großer Bedeutung ist. Sie wird grenzüberschreitend das Vertrauen stärken, wie beispielsweise im Falle der digitalen COVID-19-Zertifikate der EU, der sicheren digitalen Identität, des Binnenmarkt-Informationssystems (IMI) und einer wachsenden Zahl grenzüberschreitender Dienste, die durch das zentrale digitale Zugangstor ermöglicht werden.
Die Kommission hat sich zwar zu einer digitaltauglichen Politikgestaltung verpflichtet und wird ihre Anwendung auf ihre Politikinitiativen und Legislativvorschläge sicherstellen, dies ist aber nur der Anfang. Damit die EU-Rechtsvorschriften vollständig digitaltauglich und konzeptionsinhärent interoperabel werden, ist es wichtig, dass unter voller Achtung der Rollen der einzelnen Organe ein gemeinsames Verständnis zwischen den beiden Gesetzgebern angestrebt und schließlich auch erreicht wird. Die gemeinsame Interoperabilitäts-Governance der EU im Rahmen des vorgeschlagenen Gesetzes für ein interoperables Europa ist ein wesentliches Instrument, um auf dieses gemeinsame Verständnis hinzuwirken.
4.2Schwerpunkt Interoperabilitätsfinanzierung
Im Rahmen der EU-Programme werden gezielt Mittel für die Erforschung, Entwicklung und Pflege von Interoperabilitätsressourcen des öffentlichen Sektors in der EU bereitgestellt, wozu beispielsweise Instrumente für die Interoperabilitätsbewertung, semantische Vokabulare, GovTech-Komponenten oder weiterverwendbare Bausteine für den Datenaustausch und die elektronische Identität gehören. Es ist wichtig, dass IT-Praktiker und politische Akteure in den Mitgliedstaaten, die ja letztlich die Endnutzer dieser Ressourcen und für die Umsetzung verantwortlich sind, in Bezug auf die Prioritäten der EU-Förderung im Bereich der Interoperabilität beratend tätig werden. Der künftige Beirat für ein interoperables Europa wird damit beauftragt, zu allen für notwendig erachteten Maßnahmen zur Umsetzung oder Innovationsförderung Beratung anzubieten, wie es im vorgeschlagenen Gesetz für ein interoperables Europe vorgesehen ist.
Mit EU-Fördermitteln für die Interoperabilität wird auch die Umsetzung anderer EU-Maßnahmen unterstützt, die für die digitale Verwaltung von Bedeutung sind, wie z. B. des einheitlichen digitalen Zugangstors, der eID-Brieftasche oder der lokalen digitalen Zwillinge. Mit den Strukturfonds, der Aufbau- und Resilienzfazilität, der Fazilität „Connecting Europe“ und dem Instrument für technische Unterstützung (TSI) unterstützt die EU Investitionen in die Modernisierung des öffentlichen Sektors in den Mitgliedstaaten. Das EU-Netz der öffentlichen Verwaltungen entwickelt derzeit ehrgeizige Modernisierungspläne. Der Vorschlag für die digitale Dekade und das Instrument für technische Unterstützung sehen Mehrländerprojekte zur Unterstützung des digitalen Wandels und ein Konsortium für eine europäische Digitalinfrastruktur (EDIC) vor. Solche Modernisierungs- und Reformunterstützungsvorhaben sollten frühzeitig koordiniert werden und dem Interoperabilitätsbedarf Rechnung tragen, z. B. durch regelmäßigen Austausch und Beratung mit den Praktikern der künftigen Gemeinschaft für ein interoperables Europa.
4.3Integration der Interoperabilität in die Daten- und Innovationspolitik der EU
Die Interoperabilitätspolitik ist eine notwendige Ergänzung der entstehenden Daten- und Digitalpolitik der EU. Sie baut auf den Rechtsvorschriften über die Verfügbarkeit und den Austausch von Daten auf und ergänzt diese aus der Sicht des öffentlichen Sektors. Zudem unterstützt sie zentrale gemeinsame Instrumente wie „data.europa.eu“, das offizielle Portal für Daten zu Europa. Sie kann auch das semantische Fachwissen bereitstellen, das für den Aufbau von Datenräumen und die Cloud-Politik der EU benötigt wird. Dementsprechend und damit die gestärkte EU-Interoperabilitätspolitik ihre volle Wirksamkeit entfalten kann, muss ein enges Zusammenwirken mit den einschlägigen operativen und regulatorischen Strukturen der Digitalpolitik, insbesondere mit dem Europäischen Dateninnovationsrat, gewährleistet werden. Im Digitalen Kompass 2030, dem Referenzrahmen für die Digitalpolitik der EU, wird die digitale Verwaltung als einer ihrer Hauptvektoren anerkannt. Die gestärkte EU-Interoperabilitätspolitik ist so konzipiert, dass sie den damit verbundenen Prozess der digitalen Dekade unterstützt.
EU-Interoperabilitätsressourcen stehen grundsätzlich als offene Spezifikationen oder quelloffene Software zur Verfügung. Sie müssen offen sein, damit sie von öffentlichen Verwaltungen aller Ebenen, die interoperable Systeme und Dienste schaffen, sowie von Partnern aus dem Privatsektor und der Industrie, die mit diesen Verwaltungen zusammenarbeiten, leicht weiterverwendet werden können. Auch wenn Quelloffenheit nicht der einzige Ansatz für die Schaffung von Interoperabilität ist, sollten alle von der EU geförderten Projekte für öffentliche Dienste standardmäßig quelloffen sein. Deshalb sieht das vorgeschlagene Gesetz für ein interoperables Europa auch den Zugang zu weiterverwendbaren Lösungen und Programmcode vor, wo dies zweckmäßig und möglich ist. Die Kommission selbst stellt ebenfalls Programmcode als quelloffene Software zur Verfügung und trägt zu Open-Source-Projekten bei. Eine spezielle öffentliche Lizenz der EU (EUPL) steht in allen EU-Amtssprachen zur Verfügung, mit einem Lizenzassistenten, der online rechtliche Hilfestellung gibt. Zusammen mit den Open-Source-Programmbüros (OSPOs) oder ähnlichen Stellen, die in den Verwaltungen der Mitgliedstaaten eingerichtet worden sind, werden der Beirat für ein interoperables Europa und die Gemeinschaft für ein interoperables Europa den Austausch bewährter Verfahren unterstützen und dabei helfen, weiterverwendbare Lösungen zu finden und den Entwicklungsbedarf zu ermitteln.
Für die Weiterentwicklung des EU-Besitzstands im Bereich der Interoperabilität und für die Gewährleistung eines offenen, inklusiven und werteorientierten digitalen Wandels ist ein enges Zusammenwirken mit den Normungsgremien und Normungstätigkeiten besonders wichtig. In dem Maße, wie die EU ihren erneuerten Rahmen für die Normungspolitik umsetzt, wird sich der Beirat für ein interoperables Europa auch systematisch mit den diesbezüglichen Interoperabilitätsaspekten im öffentlichen Sektor zu befassen haben. Dazu gehört auch ein Beitrag zur Normung in dringenden Bereichen des öffentlichen Sektors und zur Stärkung der Rolle der EU bei der Aufstellung von Normen für öffentliche Dienste.
In der kürzlich veröffentlichten Innovationsagenda der Kommission wird die positive Rolle des öffentlichen Sektors – nicht nur als Regulierer, sondern auch als Beschaffer und Erprobungspartner – bei der Stärkung der Innovationskapazität der EU hervorgehoben. In der Agenda wird das Potenzial der Interoperabilität betont, zum Experimentieren in kontrollierten Umgebungen (Reallaboren) im öffentlichen Sektor angeregt und zur GovTech-Zusammenarbeit aufgerufen.
4.4Entwicklung der internationalen Zusammenarbeit bei der Interoperabilität im öffentlichen Sektor
Die Interoperabilitätspolitik der EU ist traditionell offen für die Zusammenarbeit mit internationalen Partnern, insbesondere jenen in der Nachbarschaft der EU, sowie mit internationalen Organisationen. Interoperabilität ist naturgemäß grenzenlos, und die Interoperabilitätsressourcen der EU stehen in aller Welt offen zur Weiterverwendung zur Verfügung. Dies gilt insbesondere für den EIF, auf den auch international Bezug genommen wird. Um die wertebasierte internationale Zusammenarbeit in Bezug auf die digitale Verwaltung weiterzuentwickeln, ist es wichtig, die bestehende Interoperabilitätszusammenarbeit mit internationalen Organisationen wie der OECD, den Vereinten Nationen und der Weltbank sowie mit gleich gesinnten globalen Partnern zu pflegen und auszubauen.
Von besonderer Bedeutung ist dabei die Vertiefung der bestehenden Zusammenarbeit mit der Nachbarschaft der EU. Montenegro, Nordmazedonien und die Ukraine sind bereits langjährige Partner beim Ausbau der EU-Interoperabilitätszusammenarbeit, und weitere Länder haben großes Interesse an einer Beteiligung an diesen gemeinsamen Bemühungen bekundet. Der digitale Wandel der Verwaltung hat für die Partner im Erweiterungs- und Nachbarschaftskontext eine hohe Priorität, und die Kommission ermuntert sie dazu, ein hohes Maß an Interoperabilität im Einklang mit den EU-Normen anzustreben. Die Vertiefung der Zusammenarbeit untermauert die Integration im Zuge der Heranführungspolitik und der Wirtschaftspartnerschaft und sollte daher ein struktureller Bestandteil der Instrumente der Nachbarschaftspolitik der EU sein. Die Entwicklung der internationalen Zusammenarbeit ist keine Einbahnstraße, denn sie ermöglicht es der EU gleichzeitig auch, von und mit ihren Partnern zu lernen und von ihren oft sehr fortgeschrittenen Lösungen, Fachkenntnissen und Erfahrungen zu profitieren.
Die Kommission
-wird die digitalen Aspekte in die verschiedenen Phasen der Festlegung, Entwicklung, Annahme und Umsetzung politischer Maßnahmen einbeziehen, wie in ihrer Digitalstrategie dargelegt;
-wird den EIF in ihrer operativen Tätigkeit und ihrer politischen Entscheidungspraxis anwenden und von den Mitgliedstaaten rechtzeitig Rückmeldungen dazu einholen, welche potenziellen Probleme bei der Umsetzung von Politikvorschlägen mit erheblichen digitalen und interoperablen Aspekten auftreten könnten;
-fordert die beiden gesetzgebenden Organe nachdrücklich auf, Grundsätze für eine digitaltaugliche Politikgestaltung zu billigen und dafür zu sorgen, dass den digitalen Aspekten in den verschiedenen Phasen des EU-Politikzyklus ausreichend Aufmerksamkeit gewidmet wird;
-wird sicherstellen, dass gemeinsame Interoperabilitätsressourcen (Instrumente, Spezifikationen, Lösungen) weiterverwendet und in Finanzierungsinstrumenten verankert werden, und zwar insbesondere im Hinblick auf den Umbau des öffentlichen Sektors (z. B. TSI, Strukturfonds, Nachbarschafts- und Heranführungshilfe und Aufbau- und Resilienzfazilität);
-wird für eine enge Verknüpfung der Interoperabilitäts-Governance mit den bestehenden Mechanismen für Daten, Normung und sektorale Governance sorgen, insbesondere mit dem Europäischen Dateninnovationsrat und den Initiativen zur Modernisierung des öffentlichen Sektors;
-wird sicherstellen, dass der künftige Beirat für ein interoperables Europa an der Ausarbeitung von Interoperabilitätsmaßnahmen mitwirkt, die im Rahmen des diesbezüglichen Abschnitts „Interoperabilität“ des Programms Digitales Europa finanziert werden;
-wird die internationale Zusammenarbeit im Bereich der Interoperabilität vertiefen, insbesondere im Rahmen ihrer Nachbarschaftspolitik und mit internationalen Organisationen.