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Document 62010CJ0383
Leitsätze des Urteils
Leitsätze des Urteils
1. Mitgliedstaaten – Verbliebene Zuständigkeiten – Direkte Besteuerung – Verpflichtung, bei der Ausübung dieser Zuständigkeit das Unionsrecht zu beachten
2. Freier Dienstleistungsverkehr – Beschränkungen – Steuerrecht – Nationale Regelung, nach der eine Steuerbefreiung nur auf von gebietsansässigen Banken gezahlte Zinsen anwendbar ist, nicht jedoch auf von gebietsfremden Banken gezahlte Zinsen – Rechtfertigung mit der Notwendigkeit, die Wirksamkeit der steuerlichen Überwachung zu gewährleisten – Unzulänglichkeit der auf der Ebene des Unionsrechts zur Verfügung stehenden Instrumente der Zusammenarbeit – Allgemeine Vermutung der Steuerhinterziehung oder der Steuerflucht – Nicht gegeben
(Art. 56 AEUV; EWR-Abkommen, Art. 36; Richtlinie 77/799 des Rates)
1. Siehe Text der Entscheidung.
(vgl. Randnr. 40)
2. Ein Mitgliedstaat verstößt gegen seine Verpflichtungen aus Art. 56 AEUV und Art. 36 des EWR-Abkommens, wenn er eine Regelung einführt und beibehält, die für von gebietsfremden Banken gezahlte Zinsen eine insofern diskriminierende Besteuerung vorsieht, als eine Steuerbefreiung ausschließlich auf von gebietsansässigen Banken gezahlte Zinsen Anwendung findet.
Nationale Rechtsvorschriften, die für Zinsen aus Spareinlagen eine unterschiedliche Steuerregelung vorsehen, je nachdem ob die Zinsen von in einem Mitgliedstaat ansässigen Banken gezahlt werden oder nicht, schaffen ein Hindernis für den freien Dienstleistungsverkehr. Sie haben die Wirkung, in einem Mitgliedstaat ansässige Personen davon abzuhalten, Dienstleistungen von in anderen Mitgliedstaaten ansässigen Banken in Anspruch zu nehmen und bei nicht im Wohnmitgliedstaat ansässigen Banken Sparkonten zu eröffnen oder beizubehalten. Eine Steuerregelung, die den freien Dienstleistungsverkehr behindert, kann durch die Notwendigkeit, die Wirksamkeit der steuerlichen Kontrollen zu gewährleisten, und die Bekämpfung von Steuerhinterziehung und Steuerumgehung gerechtfertigt sein, sofern sie dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit genügt, also geeignet ist, die Erreichung des mit ihr verfolgten Ziels zu gewährleisten, und nicht über das dazu Erforderliche hinausgeht.
Eine Rechtfertigung mit der Unzulänglichkeit der auf der Ebene des Unionsrechts zur Verfügung stehenden Instrumente der Zusammenarbeit greift jedoch nicht, wenn die durch die Richtlinie 77/799 über die gegenseitige Amtshilfe zwischen den zuständigen Behörden der Mitgliedstaaten im Bereich der direkten Steuern vorgesehenen Mechanismen ausreichen, um einen Mitgliedstaat in die Lage zu versetzen, die Richtigkeit der Erklärungen der Steuerpflichtigen über ihre Einkünfte, die sie in einem anderen Mitgliedstaat erzielt haben, zu kontrollieren. Etwaige Schwierigkeiten beim Einholen der erforderlichen Informationen oder Defizite, die bei der Kooperation ihrer Steuerverwaltungen auftreten können, stellen keine Rechtfertigung für die Beschränkung der durch den Vertrag garantierten Grundfreiheiten dar. Die zuständigen Steuerbehörden wären nämlich durch nichts daran gehindert, von den Steuerpflichtigen die Nachweise zu verlangen, die sie für die zutreffende Festsetzung der betreffenden Steuern als erforderlich ansehen, und gegebenenfalls bei Nichtvorlage dieser Nachweise die beantragte Steuerbefreiung zu verweigern.
Überdies kann die Gefahr einer doppelten Steuerbefreiung und somit implizit die Bekämpfung von Steuerhinterziehung und Steuerumgehung nur dann als Rechtfertigungsgrund angeführt werden, wenn sie auf rein künstliche Gestaltungen abzielt, die auf eine Umgehung des Steuerrechts gerichtet sind, was jede allgemeine Vermutung einer Steuerhinterziehung ausschließt. Eine allgemeine Vermutung der Steuerhinterziehung oder der Steuerflucht genügt also nicht, um eine steuerliche Maßnahme zu rechtfertigen, die die Ziele des Vertrags beeinträchtigt.
(vgl. Randnrn. 44, 45, 47, 49, 51-54, 61, 64, 75 und Tenor)
Rechtssache C-383/10
Europäische Kommission
gegen
Königreich Belgien
„Vertragsverletzung eines Mitgliedstaats — Art. 56 AEUV und 63 AEUV — Art. 36 und 40 EWR-Abkommen — Steuerrecht — Steuerbefreiung, die auf von gebietsansässigen Banken gezahlte Zinsen anwendbar ist, nicht jedoch auf von gebietsfremden Banken gezahlte Zinsen“
Leitsätze – Urteil des Gerichtshofs (Fünfte Kammer) vom 6. Juni 2013
Mitgliedstaaten – Verbliebene Zuständigkeiten – Direkte Besteuerung – Verpflichtung, bei der Ausübung dieser Zuständigkeit das Unionsrecht zu beachten
Freier Dienstleistungsverkehr – Beschränkungen – Steuerrecht – Nationale Regelung, nach der eine Steuerbefreiung nur auf von gebietsansässigen Banken gezahlte Zinsen anwendbar ist, nicht jedoch auf von gebietsfremden Banken gezahlte Zinsen – Rechtfertigung mit der Notwendigkeit, die Wirksamkeit der steuerlichen Überwachung zu gewährleisten – Unzulänglichkeit der auf der Ebene des Unionsrechts zur Verfügung stehenden Instrumente der Zusammenarbeit – Allgemeine Vermutung der Steuerhinterziehung oder der Steuerflucht – Nicht gegeben
(Art. 56 AEUV; EWR-Abkommen, Art. 36; Richtlinie 77/799 des Rates)
Siehe Text der Entscheidung.
(vgl. Randnr. 40)
Ein Mitgliedstaat verstößt gegen seine Verpflichtungen aus Art. 56 AEUV und Art. 36 des EWR-Abkommens, wenn er eine Regelung einführt und beibehält, die für von gebietsfremden Banken gezahlte Zinsen eine insofern diskriminierende Besteuerung vorsieht, als eine Steuerbefreiung ausschließlich auf von gebietsansässigen Banken gezahlte Zinsen Anwendung findet.
Nationale Rechtsvorschriften, die für Zinsen aus Spareinlagen eine unterschiedliche Steuerregelung vorsehen, je nachdem ob die Zinsen von in einem Mitgliedstaat ansässigen Banken gezahlt werden oder nicht, schaffen ein Hindernis für den freien Dienstleistungsverkehr. Sie haben die Wirkung, in einem Mitgliedstaat ansässige Personen davon abzuhalten, Dienstleistungen von in anderen Mitgliedstaaten ansässigen Banken in Anspruch zu nehmen und bei nicht im Wohnmitgliedstaat ansässigen Banken Sparkonten zu eröffnen oder beizubehalten. Eine Steuerregelung, die den freien Dienstleistungsverkehr behindert, kann durch die Notwendigkeit, die Wirksamkeit der steuerlichen Kontrollen zu gewährleisten, und die Bekämpfung von Steuerhinterziehung und Steuerumgehung gerechtfertigt sein, sofern sie dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit genügt, also geeignet ist, die Erreichung des mit ihr verfolgten Ziels zu gewährleisten, und nicht über das dazu Erforderliche hinausgeht.
Eine Rechtfertigung mit der Unzulänglichkeit der auf der Ebene des Unionsrechts zur Verfügung stehenden Instrumente der Zusammenarbeit greift jedoch nicht, wenn die durch die Richtlinie 77/799 über die gegenseitige Amtshilfe zwischen den zuständigen Behörden der Mitgliedstaaten im Bereich der direkten Steuern vorgesehenen Mechanismen ausreichen, um einen Mitgliedstaat in die Lage zu versetzen, die Richtigkeit der Erklärungen der Steuerpflichtigen über ihre Einkünfte, die sie in einem anderen Mitgliedstaat erzielt haben, zu kontrollieren. Etwaige Schwierigkeiten beim Einholen der erforderlichen Informationen oder Defizite, die bei der Kooperation ihrer Steuerverwaltungen auftreten können, stellen keine Rechtfertigung für die Beschränkung der durch den Vertrag garantierten Grundfreiheiten dar. Die zuständigen Steuerbehörden wären nämlich durch nichts daran gehindert, von den Steuerpflichtigen die Nachweise zu verlangen, die sie für die zutreffende Festsetzung der betreffenden Steuern als erforderlich ansehen, und gegebenenfalls bei Nichtvorlage dieser Nachweise die beantragte Steuerbefreiung zu verweigern.
Überdies kann die Gefahr einer doppelten Steuerbefreiung und somit implizit die Bekämpfung von Steuerhinterziehung und Steuerumgehung nur dann als Rechtfertigungsgrund angeführt werden, wenn sie auf rein künstliche Gestaltungen abzielt, die auf eine Umgehung des Steuerrechts gerichtet sind, was jede allgemeine Vermutung einer Steuerhinterziehung ausschließt. Eine allgemeine Vermutung der Steuerhinterziehung oder der Steuerflucht genügt also nicht, um eine steuerliche Maßnahme zu rechtfertigen, die die Ziele des Vertrags beeinträchtigt.
(vgl. Randnrn. 44, 45, 47, 49, 51-54, 61, 64, 75 und Tenor)