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Document 61987CJ0302
Leitsätze des Urteils
Leitsätze des Urteils
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1.Nichtigkeitsklage - Klagerecht natürlicher oder juristischer Personen nach Artikel 173 Absatz 2 EWG-Vertrag - Keine Inanspruchnahme durch das Parlament
( EWG-Vertrag, Artikel 4 und 173 Absatz 2 )
2.Untätigkeitsklage - Klagerecht der Organe - Parlament - Kein Zusammenhang mit dem Recht zur Erhebung einer Nichtigkeitsklage
( EWG-Vertrag, Artikel 173 Absatz 1 und 175 Absatz 1 )
3.Untätigkeitsklage - Aufforderung an das Organ, tätig zu werden - Ausdrückliche Weigerung, tätig zu werden, die die Untätigkeit andauern lässt - Zulässigkeit der Klage
( EWG-Vertrag, Artikel 175 )
4 . Verfahren - Streithilfe - Dem Parlament zustehendes Recht - Kein Zusammenhang mit dem Recht zur Erhebung einer Nichtigkeitsklage
( EWG-Vertrag, Artikel 173 Absatz 1; Satzung des Gerichtshofes der EWG, Artikel 37 )
5.Nichtigkeitsklage - Anfechtbare Handlungen - Handlungen des Parlaments, die Rechtswirkungen gegenüber Dritten entfalten sollen - Keine Auswirkungen auf das Recht des Parlaments, Nichtigkeitsklage gegen die Handlungen der anderen Organe zu erheben
( EGKS-Vertrag, Artikel 33 und 38; EWG-Vertrag, Artikel 173 Absatz 1 )
6.Nichtigkeitsklage - Anfechtbare Handlungen - Handlungen des Parlaments, die Rechtswirkungen gegenüber Dritten entfalten sollen - Feststellung des Präsidenten des Parlaments, daß der Haushaltsplan endgültig festgestellt ist - Keine Auswirkungen auf das Recht des Parlaments, Nichtigkeitsklage gegen die Handlungen der anderen Organe zu erheben
( EWG-Vertrag, Artikel 173 Absatz 1 und 203 )
7.Nichtigkeitsklage - Kein Klagerecht des Parlaments
( EWG-Vertrag, Artikel 173 Absatz 1 )
1 . Dem Parlament kann nicht die Befugnis zur Erhebung einer Nichtigkeitsklage nach Artikel 173 Absatz 2 EWG-Vertrag zuerkannt werden .
Artikel 173 stellt nämlich das Klagerecht der Organe, das in Absatz 1 geregelt ist, dem Klagerecht der einzelnen, nämlich natürlicher und juristischer Personen, gegenüber, dessen Voraussetzungen in Absatz 2 festgelegt sind . Das Parlament, das eines der in Artikel 4 EWG-Vertrag genannten Gemeinschaftsorgane ist, ist keine juristische Person .
Im übrigen wäre das System des Artikels 173 Absatz 2 ohnehin ungeeignet für eine Nichtigkeitsklage des Parlaments . Die Kläger, auf die sich Artikel 173 Absatz 2 bezieht, müssen nämlich unmittelbar und individuell vom Inhalt der angefochtenen Handlung betroffen sein . Es ist jedoch nicht der Inhalt der Handlung, der das Parlament beschweren kann, sondern die Nichteinhaltung der Verfahrensregeln, die seine Mitwirkung vorschreiben . Im übrigen betrifft Artikel 173 Absatz 2 nur eine begrenzte Kategorie von Handlungen, nämlich solche mit individueller Geltung, während das Parlament erreichen möchte, daß ihm ein Klagerecht gegen Handlungen mit allgemeiner Geltung zuerkannt wird .
2 . Dem Parlament ist, wie sich aus dem Wortlaut von Artikel 175 Absatz 1 EWG-Vertrag ergibt, das Recht verliehen worden, die Untätigkeit der Kommission oder des Rates feststellen zu lassen und auf diese Weise dafür zu sorgen, daß eine Lähmung der Entscheidungsmechanismen, die es an der Ausübung seiner Befugnisse hindern könnte, beendet wird . Aus diesem Recht, eine Untätigkeit feststellen zu lassen, ergibt sich nicht, daß dem Parlament auch die Möglichkeit eingeräumt werden müsste, eine Nichtigkeitsklage zu erheben .
Es besteht kein notwendiger Zusammenhang zwischen Nichtigkeitsklage und Untätigkeitsklage . Das ergibt sich daraus, daß es die Untätigkeitsklage dem Europäischen Parlament erlaubt, die Annahme von Akten herbeizuführen, die nicht in jedem Fall Gegenstand einer Nichtigkeitsklage sein können . So kann das Europäische Parlament, solange der Rat noch keinen Haushaltsentwurf vorgelegt hat, ein Urteil erlangen, das die Untätigkeit des Rates feststellt, während der Entwurf, der eine vorbereitende Handlung darstellt, nicht nach Artikel 173 angefochten werden könnte .
3 . Gegenüber einer Weigerung des Rates oder der Kommission, auf eine Aufforderung nach Artikel 175 EWG-Vertrag hin tätig zu werden, so ausdrücklich diese Weigerung auch sein mag, kann der Gerichtshof auf der Grundlage dieses Artikels angerufen werden, da sie die Untätigkeit nicht beendet .
4 . Aus dem dem Parlament durch Artikel 37 der Satzung des Gerichtshofes der EWG zuerkannten Recht, den beim Gerichtshof anhängigen Rechtsstreitigkeiten beizutreten, ergibt sich nicht, daß dem Parlament das Recht zur Erhebung einer Nichtigkeitsklage zusteht .
Es besteht nämlich kein notwendiger Zusammenhang zwischen dem Recht zum Streitbeitritt und der Möglichkeit der Klageerhebung . Zum einen setzt das Beitrittsrecht nach Artikel 37 Absatz 2 nur "ein berechtigtes Interesse am Ausgang eines bei dem Gerichtshof anhängigen Rechtsstreits" voraus, während die Zulässigkeit einer Nichtigkeitsklage einzelner davon abhängt, daß die Handlung, deren Nichtigerklärung sie beantragen, an sie gerichtet ist oder daß sie zumindest unmittelbar und individuell von dieser Handlung betroffen sind . Zum anderen kann das Parlament nach Artikel 37 Absatz 1 Rechtsstreitigkeiten wie etwa solchen, in denen es um Vertragsverletzungen der Mitgliedstaaten geht, beitreten, während die Möglichkeit, diese Rechtsstreitigkeiten vor den Gerichtshof zu bringen, der Kommission und den Mitgliedstaaten vorbehalten ist .
5 . Um das System des Vertrages zu wahren, mit dem ein umfassendes System des Rechtsschutzes gegen Handlungen der Gemeinschaftsorgane geschaffen werden sollte, ist es zwar geboten, daß die Handlungen des Parlaments, die derartige Wirkungen entfalten, Gegenstand einer Nichtigkeitsklage sein können, doch schließt dies keineswegs ein, daß dem Parlament das Recht zuerkannt werden müsste, selbst eine solche Klage gegen die Handlungen des Rates oder der Kommission zu erheben .
Im System der Verträge ist das Parlament, wie der Vergleich zwischen den Artikeln 33 und 38 EGKS-Vertrag zeigt, auch dann, wenn seine Handlungen einer Rechtmässigkeitskontrolle unterstellt worden sind, gleichwohl nicht ermächtigt worden, von sich aus eine direkte Klage gegen die Handlungen der anderen Organe zu erheben .
6 . Das in Artikel 203 EWG-Vertrag geregelte Haushaltsverfahren umfasst eine Reihe von vorbereitenden Handlungen der beiden die Haushaltsbehörde bildenden Organe, die zur Ausarbeitung des Haushaltsplans führen . Dieser erlangt seine rechtliche Bindungswirkung erst am Ende des Verfahrens, nämlich dann, wenn der Präsident des Parlaments als eines seiner Organe feststellt, daß der Haushaltsplan festgestellt ist .
Daraus ergibt sich, daß die einzige anfechtbare Handlung im Bereich der Verabschiedung des Haushaltsplans von einem Organ des Parlaments herrührt und daher diesem Gemeinschaftsorgan selbst zuzurechnen ist . Folglich kann sich das Parlament nicht auf seine haushaltsrechtlichen Befugnisse berufen, um das Recht zur Erhebung einer Nichtigkeitsklage gegen die Handlungen der Kommission und des Rates geltend zu machen .
7.Bei ihrem gegenwärtigen Stand erlauben es die anwendbaren Bestimmungen dem Gerichtshof nicht, dem Europäischen Parlament die Befugnis zur Erhebung einer Nichtigkeitsklage zuzuerkennen .