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Document 62010CJ0218
Leitsätze des Urteils
Leitsätze des Urteils
Rechtssache C-218/10
ADV Allround Vermittlungs AG in Liquidation
gegen
Finanzamt Hamburg-Bergedorf
(Vorabentscheidungsersuchen des Finanzgerichts Hamburg)
„Mehrwertsteuer — Sechste Richtlinie — Art. 9, 17 und 18 — Bestimmung des Ortes der Dienstleistung — Begriff „Gestellung von Personal“ — Selbständige — Notwendigkeit, die gleiche Beurteilung der Dienstleistung beim Erbringer und beim Empfänger zu gewährleisten“
Leitsätze des Urteils
Steuerliche Vorschriften – Harmonisierung der Rechtsvorschriften – Umsatzsteuern – Gemeinsames Mehrwertsteuersystem – Dienstleistungen – Bestimmung des steuerlichen Anknüpfungspunkts – Gestellung von Personal – Begriff
(Richtlinie 77/388 des Rates, Art. 9 Abs. 2 Buchst. e sechster Gedankenstrich)
Steuerliche Vorschriften – Harmonisierung der Rechtsvorschriften – Umsatzsteuern – Gemeinsames Mehrwertsteuersystem – Vorsteuerabzug
(Richtlinie 77/388 des Rates)
Steuerliche Vorschriften – Harmonisierung der Rechtsvorschriften – Umsatzsteuern – Gemeinsames Mehrwertsteuersystem – Vorsteuerabzug
(Richtlinie 77/388 des Rates, Art. 17 Abs. 1, 2 Buchst. a, 3 Buchst. a und Art. 18 Abs. 1 Buchst. a)
Art. 9 Abs. 2 Buchst. e sechster Gedankenstrich der Sechsten Richtlinie 77/388 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern ist dahin auszulegen, dass der in dieser Bestimmung verwendete Begriff „Gestellung von Personal“ auch die Gestellung von selbständigem, nicht beim leistenden Unternehmer abhängig beschäftigtem Personal umfasst.
Mit der steuerlichen Anknüpfung der betreffenden Dienstleistung an einen einzigen Ort verhindert es diese Auslegung nämlich gerade, dass die Dienstleistung doppelt besteuert oder auf sie gar keine Mehrwertsteuer erhoben wird. Diese Auslegung ist auch geeignet, die Anwendung der genannten Kollisionsnorm zu erleichtern, indem sie eine einfache Handhabung der Regeln über die Steuererhebung und die Bekämpfung der Steuerflucht im Hinblick auf den Ort der Erbringung der Dienstleistung ermöglicht, da der Abnehmer die Rechtsnatur der Beziehungen zwischen dem Leistungserbringer und dem gestellten „Personal“ nicht zu erforschen braucht.
Darüber hinaus entspricht diese Auslegung dem Grundsatz der Rechtssicherheit, da sie die Bestimmung des Ortes, an den in Bezug auf die Dienstleistung anzuknüpfen ist, vorhersehbarer macht, die Anwendung der Bestimmungen der Sechsten Richtlinie vereinfacht und dazu beiträgt, eine genaue und korrekte Erhebung der Mehrwertsteuer zu gewährleisten.
(vgl. Randnrn. 29-32, Tenor 1)
Mangels einer einschlägigen Unionsregelung ist es Aufgabe des innerstaatlichen Rechts der einzelnen Mitgliedstaaten, u. a. die zuständigen Behörden zu bestimmen und die Modalitäten der Verfahren zu regeln, die den Schutz der dem Einzelnen aus dem Unionsrecht erwachsenden Rechte gewährleisten sollen, wobei diese Modalitäten jedoch nicht weniger günstig ausgestaltet sein dürfen als die entsprechender innerstaatlicher Rechtsbehelfe (Äquivalenzgrundsatz) und die Ausübung der durch die Unionsrechtsordnung verliehenen Rechte nicht praktisch unmöglich machen oder übermäßig erschweren dürfen (Effektivitätsgrundsatz).
Was den Effektivitätsgrundsatz betrifft, verlöre das Recht des Dienstleistungserbringers und des Dienstleistungsempfängers, hinsichtlich der Steuerbarkeit und der Mehrwertsteuerpflicht ein und derselben Leistung gleichbehandelt zu werden, mangels spezieller Vorschriften im nationalen Verfahrensrecht de facto jede praktische Wirksamkeit.
(vgl. Randnrn. 35, 37)
Art. 17 Abs. 1, 2 Buchst. a und 3 Buchst. a sowie Art. 18 Abs. 1 Buchst. a der Sechsten Richtlinie 77/388 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern sind dahin auszulegen, dass sie den Mitgliedstaaten nicht vorschreiben, ihr nationales Verfahrensrecht so zu gestalten, dass die Steuerbarkeit und die Mehrwertsteuerpflicht einer Dienstleistung beim Leistungserbringer und beim Leistungsempfänger in kohärenter Weise beurteilt werden, auch wenn für sie verschiedene Finanzbehörden zuständig sind. Diese Bestimmungen verpflichten die Mitgliedstaaten jedoch, die zur Sicherstellung der korrekten Erhebung der Mehrwertsteuer und zur Wahrung des Grundsatzes der steuerlichen Neutralität erforderlichen Maßnahmen zu treffen.
Selbst wenn nämlich in Art. 17 Abs. 1, 2 Buchst. a und 3 Buchst. a sowie in Art. 18 Abs. 1 Buchst. a der Sechsten Richtlinie der konkrete Inhalt der zur Sicherstellung der korrekten Erhebung der Mehrwertsteuer und zur Wahrung des Grundsatzes der steuerlichen Neutralität zu ergreifenden administrativen oder sonstigen Maßnahmen nicht genau festgelegt ist, binden diese Vorschriften die Mitgliedstaaten gleichwohl hinsichtlich des zu erreichenden Ziels, wobei sie ihnen zugleich bei der Bewertung der Erforderlichkeit solcher Maßnahmen einen Spielraum belassen.
Sollte sich jedoch herausstellen, dass – auch ohne dass Fragen nach der Auslegung oder Gültigkeit vorgelegt wurden oder in dem Fall, dass sich die zuständigen Gerichte sogar weigern, den Gerichtshof um eine Vorabentscheidung über die Auslegung oder die Gültigkeit des Unionsrechts zu ersuchen – verschiedene Behörden und/oder Gerichte eines Mitgliedstaats weiterhin systematisch unterschiedliche Auffassungen über die Anknüpfung ein und derselben Dienstleistung in Bezug auf den Leistungserbringer einerseits und den Leistungsempfänger andererseits vertreten, so dass insbesondere der Grundsatz der steuerlichen Neutralität verletzt wird, könnte dies als Verstoß gegen die Verpflichtungen des Mitgliedstaats aus der Sechsten Richtlinie angesehen werden.
(vgl. Randnrn. 43-45, Tenor 2)
Rechtssache C-218/10
ADV Allround Vermittlungs AG in Liquidation
gegen
Finanzamt Hamburg-Bergedorf
(Vorabentscheidungsersuchen des Finanzgerichts Hamburg)
„Mehrwertsteuer — Sechste Richtlinie — Art. 9, 17 und 18 — Bestimmung des Ortes der Dienstleistung — Begriff „Gestellung von Personal“ — Selbständige — Notwendigkeit, die gleiche Beurteilung der Dienstleistung beim Erbringer und beim Empfänger zu gewährleisten“
Leitsätze des Urteils
Steuerliche Vorschriften — Harmonisierung der Rechtsvorschriften — Umsatzsteuern — Gemeinsames Mehrwertsteuersystem — Dienstleistungen — Bestimmung des steuerlichen Anknüpfungspunkts — Gestellung von Personal — Begriff
(Richtlinie 77/388 des Rates, Art. 9 Abs. 2 Buchst. e sechster Gedankenstrich)
Steuerliche Vorschriften — Harmonisierung der Rechtsvorschriften — Umsatzsteuern — Gemeinsames Mehrwertsteuersystem — Vorsteuerabzug
(Richtlinie 77/388 des Rates)
Steuerliche Vorschriften — Harmonisierung der Rechtsvorschriften — Umsatzsteuern — Gemeinsames Mehrwertsteuersystem — Vorsteuerabzug
(Richtlinie 77/388 des Rates, Art. 17 Abs. 1, 2 Buchst. a, 3 Buchst. a und Art. 18 Abs. 1 Buchst. a)
Art. 9 Abs. 2 Buchst. e sechster Gedankenstrich der Sechsten Richtlinie 77/388 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern ist dahin auszulegen, dass der in dieser Bestimmung verwendete Begriff „Gestellung von Personal“ auch die Gestellung von selbständigem, nicht beim leistenden Unternehmer abhängig beschäftigtem Personal umfasst.
Mit der steuerlichen Anknüpfung der betreffenden Dienstleistung an einen einzigen Ort verhindert es diese Auslegung nämlich gerade, dass die Dienstleistung doppelt besteuert oder auf sie gar keine Mehrwertsteuer erhoben wird. Diese Auslegung ist auch geeignet, die Anwendung der genannten Kollisionsnorm zu erleichtern, indem sie eine einfache Handhabung der Regeln über die Steuererhebung und die Bekämpfung der Steuerflucht im Hinblick auf den Ort der Erbringung der Dienstleistung ermöglicht, da der Abnehmer die Rechtsnatur der Beziehungen zwischen dem Leistungserbringer und dem gestellten „Personal“ nicht zu erforschen braucht.
Darüber hinaus entspricht diese Auslegung dem Grundsatz der Rechtssicherheit, da sie die Bestimmung des Ortes, an den in Bezug auf die Dienstleistung anzuknüpfen ist, vorhersehbarer macht, die Anwendung der Bestimmungen der Sechsten Richtlinie vereinfacht und dazu beiträgt, eine genaue und korrekte Erhebung der Mehrwertsteuer zu gewährleisten.
(vgl. Randnrn. 29-32, Tenor 1)
Mangels einer einschlägigen Unionsregelung ist es Aufgabe des innerstaatlichen Rechts der einzelnen Mitgliedstaaten, u. a. die zuständigen Behörden zu bestimmen und die Modalitäten der Verfahren zu regeln, die den Schutz der dem Einzelnen aus dem Unionsrecht erwachsenden Rechte gewährleisten sollen, wobei diese Modalitäten jedoch nicht weniger günstig ausgestaltet sein dürfen als die entsprechender innerstaatlicher Rechtsbehelfe (Äquivalenzgrundsatz) und die Ausübung der durch die Unionsrechtsordnung verliehenen Rechte nicht praktisch unmöglich machen oder übermäßig erschweren dürfen (Effektivitätsgrundsatz).
Was den Effektivitätsgrundsatz betrifft, verlöre das Recht des Dienstleistungserbringers und des Dienstleistungsempfängers, hinsichtlich der Steuerbarkeit und der Mehrwertsteuerpflicht ein und derselben Leistung gleichbehandelt zu werden, mangels spezieller Vorschriften im nationalen Verfahrensrecht de facto jede praktische Wirksamkeit.
(vgl. Randnrn. 35, 37)
Art. 17 Abs. 1, 2 Buchst. a und 3 Buchst. a sowie Art. 18 Abs. 1 Buchst. a der Sechsten Richtlinie 77/388 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern sind dahin auszulegen, dass sie den Mitgliedstaaten nicht vorschreiben, ihr nationales Verfahrensrecht so zu gestalten, dass die Steuerbarkeit und die Mehrwertsteuerpflicht einer Dienstleistung beim Leistungserbringer und beim Leistungsempfänger in kohärenter Weise beurteilt werden, auch wenn für sie verschiedene Finanzbehörden zuständig sind. Diese Bestimmungen verpflichten die Mitgliedstaaten jedoch, die zur Sicherstellung der korrekten Erhebung der Mehrwertsteuer und zur Wahrung des Grundsatzes der steuerlichen Neutralität erforderlichen Maßnahmen zu treffen.
Selbst wenn nämlich in Art. 17 Abs. 1, 2 Buchst. a und 3 Buchst. a sowie in Art. 18 Abs. 1 Buchst. a der Sechsten Richtlinie der konkrete Inhalt der zur Sicherstellung der korrekten Erhebung der Mehrwertsteuer und zur Wahrung des Grundsatzes der steuerlichen Neutralität zu ergreifenden administrativen oder sonstigen Maßnahmen nicht genau festgelegt ist, binden diese Vorschriften die Mitgliedstaaten gleichwohl hinsichtlich des zu erreichenden Ziels, wobei sie ihnen zugleich bei der Bewertung der Erforderlichkeit solcher Maßnahmen einen Spielraum belassen.
Sollte sich jedoch herausstellen, dass – auch ohne dass Fragen nach der Auslegung oder Gültigkeit vorgelegt wurden oder in dem Fall, dass sich die zuständigen Gerichte sogar weigern, den Gerichtshof um eine Vorabentscheidung über die Auslegung oder die Gültigkeit des Unionsrechts zu ersuchen – verschiedene Behörden und/oder Gerichte eines Mitgliedstaats weiterhin systematisch unterschiedliche Auffassungen über die Anknüpfung ein und derselben Dienstleistung in Bezug auf den Leistungserbringer einerseits und den Leistungsempfänger andererseits vertreten, so dass insbesondere der Grundsatz der steuerlichen Neutralität verletzt wird, könnte dies als Verstoß gegen die Verpflichtungen des Mitgliedstaats aus der Sechsten Richtlinie angesehen werden.
(vgl. Randnrn. 43-45, Tenor 2)