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Document 62011FJ0024

Leitsätze des Urteils

URTEIL DES GERICHTS FÜR DEN ÖFFENTLICHEN DIENST DER EUROPÄISCHEN UNION

(Zweite Kammer)

23. Januar 2013

Rechtssache F‑24/11

Nicolas Katrakasas

gegen

Europäische Kommission

„Öffentlicher Dienst – Interne Auswahlverfahren COM/INT/OLAF/09/AD 8 und COM/INT/OLAF/09/AD 10 – Betrugsbekämpfung – Überprüfung der Entscheidung über die Zulassung zur mündlichen Prüfung – Überprüfung der Entscheidung über die Nichtaufnahme in die Reserveliste – Einrede der Rechtswidrigkeit der Ausschreibung des Auswahlverfahrens – Voraussetzungen in Form von Diplomen und Berufserfahrung – Grundsatz der Anonymität – Verstoß gegen Art. 31 des Statuts – Ermessensmissbrauch – Thema der schriftlichen Prüfung, das eine Gruppe von Bewerbern begünstigt – Verhalten eines Mitglieds des Prüfungsausschusses bei der mündlichen Prüfung“

Gegenstand:      Klage nach Art. 270 AEUV, der gemäß Art. 106a EA auch für den EAG‑Vertrag gilt, im Wesentlichen auf Aufhebung der Entscheidung des Prüfungsausschusses für das interne Auswahlverfahren COM/INT/OLAF/09/AD 8 vom 11. Mai 2010, mit der er seine Entscheidung vom 9. März 2010, den Kläger nicht in die Reserveliste aufzunehmen, nach erfolgter Überprüfung bestätigt

Entscheidung: Die Klage wird abgewiesen. Der Kläger trägt seine eigenen Kosten sowie die Kosten, die der Kommission entstanden sind.

Leitsätze

1.      Beamtenklage – Klage gegen die Entscheidung über die Nichtaufnahme in die Reserveliste eines Auswahlverfahrens – Möglichkeit, sich auf die Rechtswidrigkeit der Ausschreibung des Auswahlverfahrens zu berufen, um die Nichtaufnahme anzufechten – Voraussetzungen

(Beamtenstatut, Art. 91)

2.      Beamte – Auswahlverfahren – Auswahlverfahren aufgrund von Befähigungsnachweisen und Prüfungen – Zulassungsvoraussetzungen – Festlegung in der Ausschreibung des Auswahlverfahrens – Beurteilung der Berufserfahrung der Bewerber durch den Prüfungsausschuss – Gerichtliche Nachprüfung – Grenzen

(Beamtenstatut, Anhang III Art. 2 und 5)

3.      Beamte – Auswahlverfahren – Auswahlverfahren aufgrund von Befähigungsnachweisen und Prüfungen – Anwendung und Gewichtung der Bewertungskriterien – Ermessen des Prüfungsausschusses

(Beamtenstatut, Anhang III)

4.      Beamte – Auswahlverfahren – Auswahlverfahren aufgrund von Befähigungsnachweisen und Prüfungen – Beurteilung der Befähigung der Bewerber – Ermessen des Prüfungsausschusses – Gerichtliche Nachprüfung – Grenzen

(Beamtenstatut, Anhang III)

1.       Der Kläger kann im Rahmen eines Einstellungsverfahrens mit einer gegen spätere Handlungen – z. B. gegen eine Entscheidung über die Nichtaufnahme in die Reserveliste eines Auswahlverfahrens – gerichteten Klage die Rechtswidrigkeit der mit diesen Handlungen eng verbundenen früheren Handlungen geltend machen. Das Gericht für den öffentlichen Dienst kann daher in Anbetracht des Zusammenhangs zwischen den verschiedenen das Einstellungsverfahren bildenden Handlungen prüfen, ob eine vorbereitende Handlung, wie z. B. die Bekanntgabe des Auswahlverfahrens, die in einem engen Zusammenhang mit der angefochtenen Entscheidung steht, rechtswidrig ist.

Insbesondere ist die Zulässigkeit der Klage zu bejahen, wenn ein Klagegrund, mit dem die Fehlerhaftigkeit der nicht rechtzeitig angefochtenen Bekanntgabe des Auswahlverfahrens geltend gemacht wird, die Begründung der angefochtenen individuellen Entscheidung betrifft. Einem Bewerber in einem Auswahlverfahren kann nämlich nicht das Recht abgesprochen werden, die Berechtigung der ihm gegenüber gemäß den Bedingungen der Bekanntgabe getroffenen individuellen Entscheidung in allen Punkten einschließlich der in der Bekanntgabe festgelegten in Frage zu stellen, da erst diese Durchführungsentscheidung seine rechtliche Stellung im Einzelnen festlegt und ihm Gewissheit darüber verschafft, wie und in welchem Maß seine persönlichen Interessen beeinträchtigt sind.

Dagegen ist der Klagegrund dann, wenn kein enger Zusammenhang zwischen der Begründung der angefochtenen Entscheidung als solcher und dem auf die angebliche Rechtswidrigkeit der nicht rechtzeitig angefochtenen Bekanntgabe des Auswahlverfahrens gestützten Klagegrund besteht, nach den zwingenden Vorschriften über die Klagefristen, von denen in einem solchen Fall nicht ohne Beeinträchtigung des Grundsatzes der Rechtssicherheit abgewichen werden könnte, für unzulässig zu erklären.

(vgl. Randnrn. 68, 70 und 71)

Verweisung auf:

Gerichtshof: 11. März 1986, Adams u. a./Kommission, 294/84, Randnr. 17

Gericht erster Instanz: 15. Februar 2005, Pyres/Kommission, T‑256/01, Randnr. 16; 31. Januar 2006, Giulietti/Kommission, T‑293/03, Randnrn. 39, 41 und 42 und die dort angeführte Rechtsprechung

2.      Es ist Aufgabe des Prüfungsausschusses für ein Auswahlverfahren, in jedem Einzelfall zu beurteilen, ob die Berufserfahrung des Bewerbers dem in der Bekanntmachung des Auswahlverfahrens verlangten Niveau entspricht. Der Prüfungsausschuss verfügt insoweit im Rahmen der Bestimmungen des Statuts über die Auswahlverfahren über ein Ermessen bei der Beurteilung sowohl der Art und der Dauer der früheren Berufserfahrung der Bewerber als auch ihres mehr oder weniger engen Zusammenhangs, in dem sie mit den Anforderungen der zu besetzenden Stelle stehen kann. Das Gericht für den öffentlichen Dienst hat sich im Rahmen seiner Rechtmäßigkeitskontrolle daher auf die Prüfung zu beschränken, ob dieses Ermessen nicht offensichtlich fehlerhaft ausgeübt worden ist.

(vgl. Randnr. 124)

Verweisung auf:

Gericht für den öffentlichen Dienst: 1. Juli 2010, Časta/Kommission, F‑40/09, Randnr. 58 und die dort angeführte Rechtsprechung; 23. Oktober 2012, Eklund/Kommission, F‑57/11, Randnr. 50 und die dort angeführte Rechtsprechung

3.      Der Prüfungsausschuss für ein Auswahlverfahren verfügt bei der Durchführung seiner Arbeiten über ein weites Ermessen. Es steht ihm daher frei, wenn die Bekanntmachung des Auswahlverfahrens keine Bewertungskriterien vorsieht, solche Kriterien festzulegen, oder, wenn sie zwar Kriterien vorsieht, aber keine Angaben zu deren jeweiliger Gewichtung enthält, diese Gewichtung zu bestimmen.

(vgl. Randnr. 136)

Verweisung auf:

Gericht für den öffentlichen Dienst: 8. Juli 2010, Wybranowski/Kommission, F‑17/08, Randnr. 32 und die dort angeführte Rechtsprechung

4.      Die vom Prüfungsausschuss für ein Auswahlverfahren bei der Bewertung der Kenntnisse und der Eignung der Bewerber vorgenommenen Beurteilungen sind vergleichender Natur. Diese Beurteilungen sind ebenso wie die Entscheidungen, mit denen der Prüfungsausschuss feststellt, dass ein Bewerber eine Prüfung nicht bestanden hat, Ausdruck eines Werturteils über die Prüfungsleistung des Bewerbers. Sie fallen unter das weite Ermessen, über das der Prüfungsausschuss verfügt, und können vom Richter nur überprüft werden, wenn ein Verstoß gegen die Vorschriften vorliegt, die für die Arbeiten des Prüfungsausschusses gelten. Beruft sich also der Kläger im Rahmen einer Anfechtungsklage gegen die Entscheidung eines Prüfungsausschusses für ein Auswahlverfahren, mit der sein Scheitern bei den Ausscheidungsprüfungen festgestellt wird, nicht auf einen Verstoß gegen die für die Arbeiten des Prüfungsausschusses geltenden Vorschriften oder weist er einen solchen Verstoß nicht nach, so ist die Richtigkeit der Beurteilung durch den Prüfungsausschuss der Kontrolle durch den Unionsrichter entzogen.

(vgl. Randnrn. 148, 161 und 184)

Verweisung auf:

Gericht erster Instanz: 1. Dezember 1994, Michaël-Chiou/Kommission, T‑46/93, Randnr. 49; 23. Januar 2003, Angioli/Kommission, T‑53/00, Randnr. 91 und die dort angeführte Rechtsprechung; 12. März 2008, Giannini/Kommission, T‑100/04, Randnr. 276 und die dort angeführte Rechtsprechung

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