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Dokument 62023TJ1171
Urteil des Gerichts (Sechste Kammer) vom 9. Juli 2025.
Spin Master Toys UK Ltd gegen Amt der Europäischen Union für geistiges Eigentum.
Unionsmarke – Nichtigkeitsverfahren – Dreidimensionale Unionsmarke – Form eines Würfels mit Seiten mit einer Gitterstruktur, die sich durch ihre Farben voneinander unterscheiden – Absoluter Nichtigkeitsgrund – Zeichen, das ausschließlich aus der zur Erreichung einer technischen Wirkung erforderlichen Form der Ware besteht – Art. 7 Abs. 1 Buchst. e Ziff. ii der Verordnung (EG) Nr. 40/94.
Rechtssache T-1171/23.
Urteil des Gerichts (Sechste Kammer) vom 9. Juli 2025.
Spin Master Toys UK Ltd gegen Amt der Europäischen Union für geistiges Eigentum.
Unionsmarke – Nichtigkeitsverfahren – Dreidimensionale Unionsmarke – Form eines Würfels mit Seiten mit einer Gitterstruktur, die sich durch ihre Farben voneinander unterscheiden – Absoluter Nichtigkeitsgrund – Zeichen, das ausschließlich aus der zur Erreichung einer technischen Wirkung erforderlichen Form der Ware besteht – Art. 7 Abs. 1 Buchst. e Ziff. ii der Verordnung (EG) Nr. 40/94.
Rechtssache T-1171/23.
ECLI-Identifikator: ECLI:EU:T:2025:691
(Rechtssache T‑1171/23)
Spin Master Toys UK Ltd
gegen
Amt der Europäischen Union für geistiges Eigentum
Urteil des Gerichts (Sechste Kammer) vom 9. Juli 2025
„Unionsmarke – Nichtigkeitsverfahren – Dreidimensionale Unionsmarke – Form eines Würfels mit Seiten mit einer Gitterstruktur, die sich durch ihre Farben voneinander unterscheiden – Absoluter Nichtigkeitsgrund – Zeichen, das ausschließlich aus der zur Erreichung einer technischen Wirkung erforderlichen Form der Ware besteht – Art. 7 Abs. 1 Buchst. e Ziff. ii der Verordnung (EG) Nr. 40/94“
Unionsmarke – Verzicht, Verfall und Nichtigkeit – Absolute Nichtigkeitsgründe – Zeichen, die ausschließlich aus der zur Erreichung einer technischen Wirkung erforderlichen Form der Ware bestehen – Ermittlung der wesentlichen Merkmale eines Zeichens
(Verordnung Nr. 40/94 des Rates, Art. 7 Abs. 1 Buchst. e Ziff. ii und Art. 51 Abs. 1 Buchst. a)
(vgl. Rn. 24-30)
Unionsmarke – Verzicht, Verfall und Nichtigkeit – Absolute Nichtigkeitsgründe – Zeichen, die ausschließlich aus der zur Erreichung einer technischen Wirkung erforderlichen Form der Ware bestehen – Beurteilung der wesentlichen Merkmale im Hinblick auf die technische Funktion der Ware
(Verordnung Nr. 40/94 des Rates, Art. 7 Abs. 1 Buchst. e Ziff. ii und Art. 51 Abs. 1 Buchst. a)
(vgl. Rn. 31-34, 38, 40-46, 122)
Unionsmarke – Verzicht, Verfall und Nichtigkeit – Absolute Nichtigkeitsgründe – Zeichen, die ausschließlich aus der zur Erreichung einer technischen Wirkung erforderlichen Form der Ware bestehen – Würfel mit Seiten in Gitterstruktur, die sich durch ihre Farben voneinander unterscheiden
(Verordnung Nr. 40/94 des Rates, Art. 7 Abs. 1 Buchst. e Ziff. ii und Art. 51 Abs. 1 Buchst. a)
(vgl. Rn. 48-53, 61-76, 85-89, 114-123, 134-139)
Unionsmarke – Verzicht, Verfall und Nichtigkeit – Absolute Nichtigkeitsgründe – Zeichen, die ausschließlich aus der zur Erreichung einer technischen Wirkung erforderlichen Form der Ware bestehen – Begriff „Form“ – Farbige dreidimensionale Marke – Einbeziehung
(Verordnung Nr. 40/94 des Rates, Art. 7 Abs. 1 Buchst. e Ziff. ii und Art. 51 Abs. 1 Buchst. a)
(vgl. Rn. 84, 90-94, 101)
Unionsmarke – Definition und Erwerb der Unionsmarke – Angabe der von der Marke erfassten Waren oder Dienstleistungen – Pflicht des Anmelders, die Waren oder Dienstleistungen, auf die sich seine Anmeldung bezieht, eindeutig anzugeben – Umfang
(Verordnung Nr. 2868/95 der Kommission, Art. 1 Regel 2 Abs. 2)
(vgl. Rn. 132, 133)
Zusammenfassung
Mit seinem Urteil weist das Gericht die Klage der Spin Master Toys UK Ltd (im Folgenden: Klägerin) ab, mit der diese die Aufhebung der Entscheidung des Amts der Europäischen Union für geistiges Eigentum (EUIPO) vom 20. Oktober 2023 beantragt hat. Diese Rechtssache ermöglicht dem Gericht, die Begriffe „Form“ und „wesentliches Merkmal“ im Zusammenhang mit einer in Farbe eingetragenen dreidimensionalen Marke zu präzisieren.
Die Klägerin war Inhaberin einer dreidimensionalen Marke, die eine 3×3-Version des als Rubik’s Cube bekannten Puzzles darstellte. Die Verdes Innovations SA hatte beim EUIPO einen Antrag auf Nichtigerklärung dieser Marke gestellt.
Das EUIPO gab dem Antrag auf Nichtigerklärung der angegriffenen Marke statt. Diese Entscheidung wurde von der Beschwerdekammer des EUIPO bestätigt. Diese hielt die Farben der Quadrate jeder Würfelseite für ein wesentliches Merkmal der Marke und für einen integralen Bestandteil ihrer Form. Die Kombination der sechs unterschiedlichen Farben sei im Sinne von Art. 7 Abs. 1 Buchst. e Ziff. ii der Verordnung Nr. 40/94 ( 1 ) zur Erreichung einer technischen Wirkung erforderlich.
Infolgedessen erhob die Klägerin beim Gericht Klage und machte geltend, dass die angegriffene Marke wesentliche Merkmale aufweise, die nicht ausschließlich aus der Form bestünden und die jedenfalls nicht zur Erreichung einer technischen Wirkung erforderlich seien.
Würdigung durch das Gericht
Vorab weist das Gericht darauf hin, dass das Eintragungshindernis von Art. 7 Abs. 1 Buchst. e Ziff. ii der Verordnung Nr. 40/94 Anwendung findet, wenn alle wesentlichen Merkmale der in Rede stehenden Form funktional sind, es sei denn, mindestens ein wesentliches Merkmal ist nicht funktional, wobei es nicht darauf ankommt, ob ein nicht wesentliches Merkmal nicht funktional ist.
Im vorliegenden Fall ist zu berücksichtigen, dass die angegriffene Marke als dreidimensionale Marke oder Formmarke angemeldet wurde und nicht als Muster‑, Positions‑ oder Farbmarke. Zudem ist darauf hinzuweisen, dass die technische Wirkung der angegriffenen Marke die eines Spiels ist, das darin besteht, ein würfelförmiges dreidimensionales Farbpuzzle dadurch wiederherzustellen, dass sechs verschiedenfarbige Seiten zusammengesetzt werden.
Als Erstes weist das Gericht darauf hin, dass der Ausdruck „wesentliche Merkmale“ so zu verstehen ist, dass er sich auf die wichtigsten Merkmale des Zeichens und nicht auf geringfügige willkürliche Elemente bezieht. Im vorliegenden Fall teilt das Gericht die Auffassung der Beschwerdekammer, dass es sich bei den wesentlichen Merkmalen der angegriffenen Marke um Folgende handelt:
– Würfelform;
– Gitterstruktur, die 3×3 kleine Quadrate auf jeder der sechs Würfelseiten trennt;
– Differenzierung dieser kleinen Quadrate auf jeder Würfelseite durch sechs Grundfarben (im weiteren Sinne) (rot, grün, blau, orange, gelb und weiß), die es ermöglicht, sie voneinander zu unterscheiden, und die eine Kontrastwirkung zwischen ihnen erzeugt.
Dagegen stellt das Gericht fest, dass die sechs spezifischen Farben auf den Würfelseiten und ihre angeblich „spezifische Anordnung“ kein wesentliches Merkmal der angegriffenen Marke darstellen. Diese Elemente sind nämlich im Vergleich zur Form des Würfels, zur Gitterstruktur und zur Differenzierung der Würfelseiten von geringer und untergeordneter Bedeutung. Dies folgt sowohl aus der Betrachtung der einzelnen Elemente dieser Marke als auch aus dem durch diese erzeugten Gesamteindruck, wobei diese Betrachtung im Licht der durch die in Rede stehende Form erzielten technischen Wirkung und gerade mit dem Ziel vorzunehmen ist, die Prüfung der Funktionalität dieser Form zu ermöglichen. Erstens erfüllen die sechs Grundfarben lediglich die Funktion, die verschiedenen Würfelseiten durch eine Kontrastwirkung voneinander zu unterscheiden. Zweitens ist die angeblich „spezifische Anordnung“ der Farben auf den Würfelseiten in der grafischen Darstellung der angegriffenen Marke nicht klar erkennbar. Drittens deutet – entgegen dem Vortrag der Klägerin – weder die Art der angegriffenen (dreidimensionalen) Marke noch ihre Beschreibung darauf hin, dass der Schutz hauptsächlich für das Muster der Oberfläche, d. h. für die spezifischen Farben und ihre Anordnung auf dem Würfel, beantragt wurde.
Als Zweites prüft das Gericht, ob das dritte wesentliche Merkmal, nämlich die Differenzierung in sechs Farben, als integraler Bestandteil der Form der angegriffenen Marke angesehen werden kann. Im Hinblick auf das Art. 7 Abs. 1 Buchst. e Ziff. ii der Verordnung Nr. 40/94 zugrunde liegende öffentliche Interesse sowie auf die Notwendigkeit, die praktische Wirksamkeit dieser Bestimmung zu wahren, darf der Begriff „Form“ nicht übermäßig eng dahin ausgelegt werden, dass dadurch insbesondere jede farbige Aufmachung einer Ware ausgeschlossen würde. Angesichts der Art der angegriffenen Marke sowie ihrer grafischen Darstellung und ihrer Beschreibung geht die Differenzierung der kleinen Quadrate auf jeder Würfelseite in sechs Grundfarben mit der dargestellten Form einher und ist untrennbar mit dieser verbunden sowie fester Bestandteil derselben. Insoweit steht das Hinzufügen von sechs Grundfarben, überdies in einer eher unklaren Anordnung, zur dreidimensionalen, funktionalen und klar definierten Form, die durch die funktionalen Linien des Gitters dargestellt wird, dem nicht entgegen, dass es sich bei der angegriffenen Marke um ein ausschließlich aus einer Form bestehendes Zeichen im Sinne von Art. 7 Abs. 1 Buchst. e Ziff. ii der Verordnung Nr. 40/94 handelt. Die Möglichkeit, dass andere Oberflächen den Rubik’s Cube zu mehr als einer Form machen könnten, ist irrelevant für die Frage, ob im vorliegenden Fall die sich aus der Differenzierung der Würfelseiten durch Grundfarben ergebende Kontrastwirkung ein wesentliches Merkmal dieser Marke darstellt.
Was die Anwendung der Verordnung Nr. 40/94 auf farbige dreidimensionale Marken angeht, weist das Gericht darauf hin, dass mit der Einfügung der Wörter „sonstige Merkmale“ in Art. 7 Abs. 1 Buchst. e Ziff. ii der Verordnung Nr. 207/2009 ( 2 ) nicht festgelegt werden sollte, dass solche Marken fortan nicht mehr in den Anwendungsbereich dieser Bestimmung in ihrer früheren Fassung fallen sollen, nur weil sie Farben enthalten. Diese Änderung der Rechtsvorschriften war eng mit der Abschaffung der Anforderung einer grafischen Darstellung und der nachfolgenden Einführung neuer Arten „nicht klassischer“ Marken in das System der Unionsmarken verbunden. Farbige dreidimensionale Marken wurden nicht durch diese Änderung der Rechtsvorschriften eingeführt, sondern es gab sie bereits zuvor, so dass der Zusatz „anderes Merkmal“ an der Betrachtung der Funktionalität solcher Marken nichts geändert hat.
Als Drittes hält das Gericht das wesentliche Merkmal, das darin besteht, dass jede Würfelseite (und jedes kleine Quadrat) durch sechs differenzierte Farben, die eine Kontrastwirkung erzeugen, unterscheidbar ist, für funktional, d. h. für erforderlich, um die technische Wirkung der angegriffenen Marke zu erreichen. Das Vorhandensein nicht wesentlicher Merkmale, bestehend aus einer Palette von sechs Grundfarben, ändert – da diese Farben als solche nicht funktional sind – nichts daran, dass die angegriffene Marke ausschließlich aus der Form der Ware besteht, die zur Erreichung einer technischen Wirkung erforderlich ist.
Als Viertes schließlich präzisiert das Gericht, dass das Eintragungshindernis von Art. 7 Abs. 1 Buchst. e Ziff. ii der Verordnung Nr. 40/94 auch auf „Puzzles“ (auf Englisch „jigsaw puzzles“) anwendbar ist und somit der entsprechende Nichtigkeitsgrund für alle von der Eintragung erfassten Waren der angegriffenen Marke entgegensteht. Zwar ist die Angabe „jigsaw puzzles“ für Waren der Klasse 28 zweideutig und unklar, doch kann sie nicht dahin ausgelegt werden, dass sie zugunsten der Klägerin nur zweidimensionale „Puzzles“ umfasst, wodurch aufgrund dieser Angabe kein Eintragungshindernis im Sinne von Art. 7 Abs. 1 Buchst. e Ziff. ii der Verordnung Nr. 40/94 und kein entsprechender Nichtigkeitsgrund bestünde. Somit ist dieser Hinweis dahin aufzufassen, dass er auch dreidimensionale „Puzzles“ umfasst. Diese sind nämlich zur Erreichung der technischen Wirkung der angegriffenen Marke erforderlich, da nach der Darstellung derselben nichts der Möglichkeit entgegensteht, den Würfel auseinanderzubauen und wieder zusammenzusetzen, um die perfekte Kombination zu erhalten, wobei die Gitterstruktur erforderlich ist, um die verschiedenen Würfel zu trennen, und die Farben erforderlich sind, um anzuzeigen, in welcher Anordnung die Würfel wieder zusammengesetzt werden müssen.
( 1 ) Verordnung (EG) Nr. 40/94 des Rates vom 20. Dezember 1993 über die Gemeinschaftsmarke (ABl. 1994, L 11, S. 1) in Verbindung mit Art. 51 Abs. 1 Buchst. a dieser Verordnung.
( 2 ) Die Verordnung (EG) Nr. 207/2009 des Rates vom 26. Februar 2009 über die Gemeinschaftsmarke (ABl. 2009, L 78, S. 1) hat die Verordnung Nr. 40/94 ersetzt.