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Document 62019CJ0132

Urteil des Gerichtshofs (Zweite Kammer) vom 9. Dezember 2020.
Groupe Canal + SA gegen Europäische Kommission.
Rechtsmittel – Wettbewerb – Kartelle – Ausstrahlung im Fernsehen – Verordnung (EG) Nr. 1/2003 – Art. 9 und Art. 16 Abs. 1 – Entscheidung, mit der Verpflichtungszusagen für bindend erklärt werden – Absoluter territorialer Schutz – Ermessensmissbrauch – Vorläufige Beurteilung – Europäische Kommission nicht verpflichtet, Ausführungen zu Art. 101 Abs. 3 AEUV zu berücksichtigen – Vereinbarungen, die eine Abschottung der nationalen Märkte bezwecken – Kommission nicht verpflichtet, jeden einzelnen betroffenen nationalen Markt zu analysieren – Verhältnismäßigkeit – Beeinträchtigung der vertraglichen Rechte Dritter.
Rechtssache C-132/19 P.

Court reports – general

ECLI identifier: ECLI:EU:C:2020:1007

Rechtssache C‑132/19 P

Groupe Canal +

gegen

Europäische Kommission

Urteil des Gerichtshofs (Zweite Kammer) vom 9. Dezember 2020

„Rechtsmittel – Wettbewerb – Kartelle – Ausstrahlung im Fernsehen – Verordnung (EG) Nr. 1/2003 – Art. 9 und Art. 16 Abs. 1 – Entscheidung, mit der Verpflichtungszusagen für bindend erklärt werden – Absoluter territorialer Schutz – Ermessensmissbrauch – Vorläufige Beurteilung – Europäische Kommission nicht verpflichtet, Ausführungen zu Art. 101 Abs. 3 AEUV zu berücksichtigen – Vereinbarungen, die eine Abschottung der nationalen Märkte bezwecken – Kommission nicht verpflichtet, jeden einzelnen betroffenen nationalen Markt zu analysieren – Verhältnismäßigkeit – Beeinträchtigung der vertraglichen Rechte Dritter“

  1. Rechtsmittel – Rechtsmittelgründe – Beanstandung der Auslegung oder Anwendung des Unionsrechts durch das Gericht unter Rückgriff auf im Verfahren vor dem Gericht geltend gemachte Klagegründe und Argumente – Zulässigkeit

    (Art. 256 AEUV; Satzung des Gerichtshofs, Art. 58 Abs. 1; Verfahrensordnung des Gerichtshofs, Art. 168 Abs. 1 Buchst. d und Art. 169 Abs. 2)

    (vgl. Rn. 18-21)

  2. Rechtsmittel – Rechtsmittelgründe – Angriffs- und Verteidigungsmittel, das erstmals im Rechtsmittelverfahren vorgebracht wird – Unzulässigkeit – Vorbringen, das lediglich eine Erweiterung eines in der Klageschrift geltend gemachten Angriffs- und Verteidigungsmittels darstellt – Zulässigkeit

    (Art. 256 Abs. 1 AEUV; Satzung des Gerichtshofs, Art. 58 Abs. 1)

    (vgl. Rn. 27-29)

  3. Wettbewerb – Verwaltungsverfahren – Abstellung der Zuwiderhandlungen – Einleitung einer Untersuchung durch die Kommission und Erlass einer Entscheidung, mit der Verpflichtungszusagen gemäß Art. 9 der Verordnung Nr. 1/2003 für bindend erklärt werden – Ermessen – Grenzen – Ermessensmissbrauch – Verpflichtungszusagen, mit denen Bedenken in Bezug auf Geoblocking-Klauseln ausgeräumt werden sollen – Laufendes Gesetzgebungsverfahren zum Geoblocking – Keine Auswirkung

    (Art. 101 Abs. 1 AEUV; Verordnung Nr. 1/2003 des Rates, Art. 9 Abs. 1)

    (vgl. Rn. 31-35)

  4. Kartelle – Vereinbarungen zwischen Unternehmen – Beeinträchtigung des Wettbewerbs – Exklusive Lizenz, die einem Pay-TV-Sendeunternehmen durch den Inhaber eines Rechts des geistigen Eigentums erteilt wird – Klauseln mit wechselseitigen Verpflichtungen zur Unterbindung der grenzüberschreitenden Erbringung von Rundfunkdiensten in Bezug auf die betreffenden audiovisuellen Inhalte – Umstand, der geeignet ist, wettbewerbsrechtliche Bedenken hervorzurufen

    (Art. 101 Abs. 1 AEUV; Verordnung Nr. 1/2003 des Rates, Art. 9 Abs. 1)

    (vgl. Rn. 54)

  5. Wettbewerb – Verwaltungsverfahren – Abstellung der Zuwiderhandlungen – Beschluss der Kommission, mit dem Verpflichtungszusagen gemäß Art. 9 der Verordnung Nr. 1/2003 für bindend erklärt werden – Erfordernis, dass das Verhalten, das die Bedenken der Kommission hervorgerufen hat, die Tatbestandsmerkmale von Art. 101 Abs. 3 AEUV erfüllt – Fehlen

    (Art. 101 Abs. 1 und 3 AEUV; Verordnung Nr. 1/2003 des Rates, Art. 9 Abs. 1)

    (vgl. Rn. 55-60)

  6. Wettbewerb – Verwaltungsverfahren – Abstellung der Zuwiderhandlungen – Befugnisse der Kommission – Verpflichtungszusagen – Bestehen wettbewerbsrechtlicher Bedenken – Exklusive Lizenz, die einem Pay-TV-Sendeunternehmen durch den Inhaber eines Rechts des geistigen Eigentums erteilt wird – Klauseln, die zu einer absoluten territorialen Ausschließlichkeit führen – Verpflichtung der Kommission, die betroffenen nationalen Märkte einzeln zu untersuchen – Fehlen

    (Art. 101 Abs. 1 AEUV; Verordnung Nr. 1/2003 des Rates, Art. 9 Abs. 1)

    (vgl. Rn. 84-86)

  7. Wettbewerb – Verwaltungsverfahren – Abstellung der Zuwiderhandlungen – Befugnisse der Kommission – Verpflichtungszusagen – Beachtung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit – Erforderliche Überprüfungen vor Erlass einer Entscheidung, mit der die Kommission Verpflichtungszusagen eines Wirtschaftsteilnehmers für bindend erklärt – Berücksichtigung der Interessen Dritter – Verpflichtungszusage allein des einen Wirtschaftsteilnehmers, die dazu führt, dass Bestimmungen eines mit einem Dritten geschlossenen Vertrags nicht durchgeführt werden – Eingriff in die Vertragsfreiheit des Vertragspartners – Erfordernis der Berücksichtigung der Beschränkung des Entscheidungsspielraums der nationalen Gerichte beim Erlass einer solchen Entscheidung durch die Kommission

    (Art. 101 Abs. 1 AEUV; Verordnung Nr. 1/2003 des Rates, Art. 9 Abs. 1)

    (vgl. Rn. 104-117, 124-127)

  8. Wettbewerb – Verwaltungsverfahren – Abstellung der Zuwiderhandlungen – Beschluss der Kommission, mit dem Verpflichtungszusagen gemäß Art. 9 der Verordnung Nr. 1/2003 für bindend erklärt werden – Bindung nationaler Gerichte – Umfang – Nationales Gericht daran gehindert, eine Entscheidung zu treffen, die der für bindend erklärten Verpflichtung zuwiderläuft oder mit der ein Verstoß gegen die Wettbewerbsregeln festgestellt wird – Ausschluss einer Entscheidung, mit der ein Unternehmen dazu gezwungen wird, seine für bindend erklärten Verpflichtungszusagen nicht einzuhalten, oder mit der festgestellt wird, dass kein Verstoß gegen die Wettbewerbsregeln vorliegt

    (Art. 101 und 102 AEUV; Verordnung Nr. 1/2003 des Rates, Art. 9 Abs. 1 und 2 und Art. 16 Abs. 1)

    (vgl. Rn. 108-113)

Zusammenfassung

Der Gerichtshof erklärt eine Entscheidung der Kommission für nichtig, mit der Verpflichtungszusagen eines Unternehmens zur Wahrung des Wettbewerbs auf den Märkten für bindend erklärt wurden

Die für die Vertragspartner eines Unternehmens, das sich verpflichtet hat, bestimmte vertragliche Klauseln nicht einzuhalten, bestehende Möglichkeit, die nationalen Gerichte anzurufen, ist nicht geeignet, die Wirkungen auszugleichen, die die Entscheidung der Kommission, mit der die betreffenden Verpflichtungszusagen für bindend erklärt werden, auf die vertraglichen Rechte der Vertragspartner hat

Die Paramount Pictures International Ltd und ihre Muttergesellschaft, die Viacom Inc. (im Folgenden zusammen: Paramount) schlossen mit den größten Pay-TV-Sendeunternehmen der Europäischen Union, u. a. der Sky UK Ltd und der Sky plc (im Folgenden zusammen: Sky) sowie der Groupe Canal + SA (im Folgenden: Groupe Canal +), Lizenzvereinbarungen über audiovisuelle Inhalte.

Am 13. Januar 2014 leitete die Europäische Kommission eine Untersuchung zu möglichen Beschränkungen in Bezug auf die Bereitstellung von Pay-TV-Diensten im Rahmen der betreffenden Lizenzvereinbarungen ein, um zu prüfen, ob sie mit Art. 101 AEUV und Art. 53 des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum (im Folgenden: EWR-Abkommen) vereinbar sind. Aufgrund dieser Untersuchung richtete die Kommission am 23. Juli 2015 an Paramount eine Mitteilung der Beschwerdepunkte. Diese betraf bestimmte Klauseln, die in den Lizenzvereinbarungen enthalten waren, die Paramount mit Sky geschlossen hatte. Es ging um zwei verbundene Klauseln. Mit der ersten Klausel wurde Sky untersagt bzw. diese in ihren Möglichkeiten eingeschränkt, unaufgeforderten Anfragen nach Pay-TV-Diensten von Verbrauchern nachzukommen, die zwar im EWR, aber außerhalb des Vereinigten Königreichs und Irlands ihren Wohnsitz haben. Mit der zweiten Klausel wurde Paramount verpflichtet, in ihre Vereinbarungen mit Sendeunternehmen, die ihren Sitz innerhalb des EWR, aber außerhalb des Vereinigten Königreichs haben, in Bezug auf derartige Anfragen von Verbrauchern mit Wohnsitz im Vereinigten Königreich oder Irland ein entsprechendes Verbot aufzunehmen. Die Kommission vertrat die Auffassung, dass die Lizenzvereinbarungen, die aufgrund solcher Klauseln zu einer absoluten territorialen Ausschließlichkeit führten, eine „bezweckte“ Wettbewerbsbeschränkung im Sinne von Art. 101 AEUV und Art. 53 des EWR-Abkommens darstellen könnten, da sie eine Wiederherstellung der Abschottung nationaler Märkte zur Folge hätten und dem Ziel des Vertrags zuwiderliefen, einen einheitlichen Markt zu schaffen. Mit Schreiben vom 4. Dezember 2015 teilte die Kommission Groupe Canal + als interessierte Dritte diese Einschätzung sowie ein vorläufiges Ergebnis mit.

Um die wettbewerbsrechtlichen Bedenken der Kommission auszuräumen, bot Paramount an, Verpflichtungen einzugehen. Das Unternehmen erklärte sich u. a. bereit, die in den von ihm mit den Sendeunternehmen geschlossenen Lizenzvereinbarungen enthaltenen Klauseln, die zu einem absoluten Gebietsschutz der Sendeunternehmen führen, nicht mehr einzuhalten und auch keine Klage zu erheben, um deren Einhaltung durchzusetzen.

Nachdem ihr die Stellungnahmen anderer interessierter Dritter, u. a. von Groupe Canal +, vorlagen, nahm die Kommission die Verpflichtungszusagen mit Beschluss vom 26. Juli 2016 ( 1 ) (im Folgenden: streitiger Beschluss) an und erklärte sie gemäß Art. 9 der Verordnung Nr. 1/2003 ( 2 ) für bindend. Paramount teilte Groupe Canal + daraufhin den Inhalt der für bindend erklärten Verpflichtungszusagen und deren Folgen mit, insbesondere, dass sie beabsichtige, nicht mehr darauf zu achten, dass die Groupe Canal + auf dem französischen Markt eingeräumte absolute territoriale Ausschließlichkeit gewahrt werde. Groupe Canal + vertrat die Auffassung, dass ihr solche Verpflichtungen, die im Rahmen eines Verfahrens eingegangen worden seien, das nur zwischen der Kommission und Paramount stattgefunden habe, nicht entgegengehalten werden könnten und erhob beim Gericht Klage auf Nichtigerklärung des streitigen Beschlusses. Die Klage wurde vom Gericht mit Urteil vom 12. Dezember 2018 ( 3 ) abgewiesen. Mit seinem Urteil vom 9. Dezember 2020 entscheidet der Gerichtshof jedoch, dass die vom Gericht vorgenommene Beurteilung der Verhältnismäßigkeit der Beeinträchtigung der Interessen Dritter durch den streitigen Beschluss unter Rechtsfehlern leidet. Der Gerichtshof gibt den Rechtsmittelanträgen von Groupe Canal + daher statt und hebt das angefochtene Urteil auf. Er entscheidet den Rechtsstreit endgültig und erklärt den streitigen Beschluss für nichtig. Das Urteil des Gerichtshofs gibt erneut Aufschluss über das Zusammenspiel der Befugnisse der Kommission und derjenigen der nationalen Gerichte bei der Durchführung der Wettbewerbsregeln der Union.

Würdigung durch den Gerichtshof

Als Erstes hat der Gerichtshof entschieden, dass das Gericht den Klagegrund, mit dem geltend gemacht wurde, dass die Kommission dadurch ihr Ermessen missbraucht habe, dass sie mit dem Erlass des streitigen Beschlusses das Gesetzgebungsverfahren zum Geoblocking umgangen habe, zu Recht zurückgewiesen hat. Insoweit billigt der Gerichtshof insbesondere die Feststellung des Gerichts, dass die Befugnisse, die der Kommission gemäß Art. 101 AEUV und der Verordnung Nr. 1/2003 zukommen, durch das Gesetzgebungsverfahren zum Geoblocking, solange dieses nicht zur Annahme eines Gesetzgebungsakts geführt hat, nicht berührt werden. Im vorliegenden Fall steht aber fest, dass der streitige Beschluss vor Abschluss des betreffenden Gesetzgebungsverfahrens aufgrund der Befugnisse, die der Kommission nach den genannten Vorschriften zukommen, erlassen wurde.

Als Zweites hat der Gerichtshof entschieden, dass das Gericht auch das Vorbringen von Groupe Canal +, die einschlägigen Klauseln verstießen nicht gegen Art. 101 Abs. 1 AEUV, so dass kein Grund für die Bedenken bestanden habe, wegen derer der streitige Beschluss erlassen worden sei, mit einer hinreichenden und rechtsfehlerfreien Begründung zurückgewiesen habe. Die betreffenden Lizenzvereinbarungen enthielten Klauseln, die darauf gerichtet waren, die grenzüberschreitende Erbringung von Rundfunkdiensten in Bezug auf die betreffenden audiovisuellen Inhalte zu unterbinden, und gewährten den Sendeunternehmen zu diesem Zweck einen durch wechselseitige Verpflichtungen garantierten absoluten Gebietsschutz. Die Feststellung des Gerichts, dass die einschlägigen Klauseln, vorbehaltlich einer Entscheidung, mit der nach einer eingehenden Prüfung endgültig festgestellt werde, ob ein Verstoß gegen Art. 101 Abs. 1 AEUV vorliege oder nicht, geeignet seien, bei der Kommission wettbewerbsrechtliche Bedenken hervorzurufen, ist daher nicht zu beanstanden. Entsprechend weist der Gerichtshof auch darauf hin, dass es sich bei der Beurteilung der Wettbewerbswidrigkeit des betreffenden Verhaltens im Rahmen einer Entscheidung gemäß Art. 9 der Verordnung Nr. 1/2003 um eine vorläufige Beurteilung handelt. Deshalb hat das Gericht auch zu Recht festgestellt, dass Art. 101 Abs. 3 AEUV nur dann zum Tragen kommt, wenn zuvor ein Verstoß gegen Art. 101 Abs. 1 AEUV festgestellt worden ist, und daraus zu Recht gefolgert, dass es im Rahmen der Überprüfung der Rechtmäßigkeit einer solchen Entscheidung über Rügen, die sich auf die Tatbestandsmerkmale von Art. 101 Abs. 3 AEUV bezögen, nicht zu entscheiden habe.

Als Drittes billigt der Gerichtshof die Annahme des Gerichts, dass die Kommission wegen der einschlägigen Klauseln berechtigterweise in Bezug auf den gesamten Europäischen Wirtschaftsraum wettbewerbsrechtliche Bedenken gehabt habe und nicht verpflichtet gewesen sei, jeden einzelnen betroffenen nationalen Markt zu analysieren. Da die einschlägigen Klauseln eine Abschottung der nationalen Märkte bezweckten, hat das Gericht zu Recht festgestellt, dass solche Vereinbarungen geeignet sein können, das reibungslose Funktionieren des Binnenmarkts zu gefährden, wodurch unabhängig von der Situation auf den nationalen Märkten eines der Hauptziele der Union konterkariert wird.

Als Viertes geht der Gerichtshof schließlich auf das Vorbringen ein, dem Gericht sei bei der Beurteilung der Auswirkungen des streitigen Beschlusses auf die vertraglichen Rechte Dritter wie Groupe Canal + ein Rechtsfehler unterlaufen, insbesondere im Hinblick auf den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. Der Gerichtshof weist zunächst darauf hin, dass die Kommission die angebotenen Verpflichtungszusagen im Rahmen von Art. 9 der Verordnung Nr. 1/2003 nicht nur im Hinblick auf ihre Eignung, ihre wettbewerbsrechtlichen Bedenken auszuräumen, sondern auch im Hinblick auf die Auswirkungen auf die Interessen Dritter zu prüfen habe, deren Rechte nicht ausgehöhlt werden dürfen. Wie das Gericht selbst festgestellt hat, ist es aber ein über die Bestimmungen von Art. 9 der Verordnung Nr. 1/2003 hinausgehender Eingriff in die Vertragsfreiheit eines Dritten, wenn die Kommission eine Verpflichtungszusage eines Wirtschaftsteilnehmers für bindend erklärt, die darin besteht, bestimmte vertragliche Klauseln gegenüber einem an dem Verfahren nur als interessierter Dritter beteiligten Vertragspartner wie Groupe Canal + nicht anzuwenden, ohne dass dieser zugestimmt hat.

In diesem Zusammenhang ist der Gerichtshof der Auffassung, dass das Gericht solche Vertragspartner zur Durchsetzung ihrer vertraglichen Rechte nicht an die nationalen Gerichte verweisen durfte. Dies würde gegen Art. 16 der Verordnung Nr. 1/2003 verstoßen, nach dem die nationalen Gerichte keine Entscheidungen erlassen dürfen, die einer vorausgegangenen Entscheidung der Kommission in der betreffenden Sache zuwiderlaufen. Denn eine Entscheidung eines nationalen Gerichts, mit der ein Wirtschaftsteilnehmer verpflichtet würde, Verpflichtungen, die mit einer Entscheidung der Kommission für bindend erklärt wurden, zuwiderzuhandeln, liefe der betreffenden Entscheidung der Kommission offensichtlich zuwider. Da die nationalen Gerichte es nach Art. 16 Abs. 1 Satz 2 der Verordnung Nr. 1/2003 vermeiden müssen, Entscheidungen zu erlassen, die einer Entscheidung zuwiderlaufen, die die Kommission u. a. zur Anwendung von Art. 101 AEUV zu erlassen beabsichtigt, hat das Gericht auch dadurch einen Rechtsfehler begangen, dass es angenommen hat, dass ein nationales Gericht feststellen könne, dass die einschlägigen Klauseln nicht gegen Art. 101 AEUV verstießen, obwohl die Kommission das Verfahren noch gemäß Art. 9 Abs. 2 der Verordnung Nr. 1/2003 wieder aufnehmen und, wie sie es ursprünglich vorhatte, eine Entscheidung erlassen kann, mit der formell festgestellt wird, dass eine Zuwiderhandlung vorliegt.

Der Gerichtshof gelangt deshalb zu dem Schluss, dass das angefochtene Urteil hinsichtlich der Beurteilung der Verhältnismäßigkeit des streitigen Beschlusses im Hinblick auf die Beeinträchtigung der Interessen Dritter unter einem Rechtsfehler leidet und daher aufzuheben ist.

Nach Auffassung des Gerichtshofs ist der Rechtsstreit zur Entscheidung reif. Er prüft deshalb am Ende den Klagegrund, mit dem ein Verstoß gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit geltend gemacht wird. Der Gerichtshof folgert aus den Erwägungen, die die Aufhebung des angefochtenen Urteils rechtfertigen, dass die von den mit dem streitigen Beschluss für bindend erklärten Verpflichtungszusagen betroffenen Verpflichtungen, mit denen die territoriale Exklusivität der Sendeunternehmen garantiert werden soll, einen wesentlichen Bestandteil des wirtschaftlichen Gleichgewichts darstellen. Der Gerichtshof kommt zu dem Ergebnis, dass die Kommission mit dem streitigen Beschluss die vertraglichen Rechte Dritter, darunter Groupe Canal +, gegenüber Paramount ausgehöhlt und damit den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit verletzt hat, so dass der streitige Beschluss für nichtig zu erklären ist.


( 1 ) Beschluss der Kommission vom 26. Juli 2016 in einem Verfahren nach Artikel 101 AEUV und Artikel 53 des EWR-Abkommens (Sache AT.40023 – Grenzübergreifender Zugang zu Pay-TV‑Inhalten).

( 2 ) Verordnung (EG) Nr. 1/2003 des Rates vom 16. Dezember 2002 zur Durchführung der in den Artikeln [101 und 102 AEUV] niedergelegten Wettbewerbsregeln (ABl. 2003, L 1, S. 1).

( 3 ) Urteil vom 12. Dezember 2018, Groupe Canal +/Kommission (T‑873/16, EU:T:2018:904) (im Folgenden: angefochtenes Urteil).

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