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Document 62014CO0384

Beschluss des Gerichtshofs (Zehnte Kammer) vom 28. April 2016.
Alta Realitat SL gegen Erlock Film ApS und Ulrich Thomsen.
Vorlage zur Vorabentscheidung – Justizielle Zusammenarbeit in Zivil- und Handelssachen – Zustellung gerichtlicher und außergerichtlicher Schriftstücke – Verordnung (EG) Nr. 1393/2007 – Art. 8 – Fehlen einer Übersetzung des Schriftstücks – Verweigerung der Annahme des Schriftstücks – Sprachkenntnisse des Empfängers des Schriftstücks – Überprüfung durch das im Übermittlungsmitgliedstaat angerufene Gericht.
Rechtssache C-384/14.

Court reports – general

Rechtssache C‑384/14

Alta Realitat SL

gegen

Erlock Film ApS

und

Ulrich Thomsen

(Vorabentscheidungsersuchen des Juzgado de Primera Instancia no 44 de Barcelona)

„Vorlage zur Vorabentscheidung — Justizielle Zusammenarbeit in Zivil- und Handelssachen — Zustellung gerichtlicher und außergerichtlicher Schriftstücke — Verordnung (EG) Nr. 1393/2007 — Art. 8 — Fehlen einer Übersetzung des Schriftstücks — Verweigerung der Annahme des Schriftstücks — Sprachkenntnisse des Empfängers des Schriftstücks — Überprüfung durch das im Übermittlungsmitgliedstaat angerufene Gericht“

Leitsätze – Beschluss des Gerichtshofs (Zehnte Kammer) vom 28. April 2016

  1. Justizielle Zusammenarbeit in Zivilsachen – Zustellung gerichtlicher und außergerichtlicher Schriftstücke – Verordnung Nr. 1393/2007 – Ziele

    (Verordnung Nr. 1393/2007 des Europäischen Parlaments und des Rates)

  2. Justizielle Zusammenarbeit in Zivilsachen – Zustellung gerichtlicher und außergerichtlicher Schriftstücke – Verordnung Nr. 1393/2007 – Verweigerung der Annahme eines Schriftstücks – Befugnisse und Verpflichtungen der Empfangsstelle – Befugnis zur Beurteilung der Voraussetzungen für die Verweigerung – Fehlen – Dem nationalen Gericht des Übermittlungsmitgliedstaats obliegende Beurteilung

    (Verordnung Nr. 1393/2007 des Europäischen Parlaments und des Rates, Art. 7, 8 Abs. 1, 2 und 3 und Anhang I)

  3. Justizielle Zusammenarbeit in Zivilsachen – Zustellung gerichtlicher und außergerichtlicher Schriftstücke – Verordnung Nr. 1393/2007 – Verweigerung der Annahme eines Schriftstücks – Dem Empfänger des Schriftstücks unter bestimmten Voraussetzungen eingeräumtes Recht – Pflicht der Empfangsstelle, den Empfänger mittels des Formblatts in Anhang II der genannten Verordnung über sein Recht zu belehren – Kein Wertungsspielraum

    (Verordnung Nr. 1393/2007 des Europäischen Parlaments und des Rates, Art. 8 Abs. 1 und Anhang II)

  4. Justizielle Zusammenarbeit in Zivilsachen – Zustellung gerichtlicher und außergerichtlicher Schriftstücke – Verordnung Nr. 1393/2007 – Verweigerung der Annahme des Schriftstücks – Dem nationalen Gericht des Übermittlungsmitgliedstaats obliegende Beurteilung der Voraussetzungen für die Verweigerung – Überprüfung der Sprachkenntnisse des Empfängers des Schriftstücks durch das nationale Gericht des Übermittlungsmitgliedstaats – Pflicht zur Prüfung aller Tatsachen und Beweismittel

    (Verordnung Nr. 1393/2007 des Europäischen Parlaments und des Rates, Art. 8 Abs. 1)

  5. Justizielle Zusammenarbeit in Zivilsachen – Zustellung gerichtlicher und außergerichtlicher Schriftstücke – Verordnung Nr. 1393/2007 – Verweigerung der Annahme des Schriftstücks – Fehlen einer Regelung der Folgen einer ungerechtfertigten Verweigerung in der Verordnung – Anwendung des nationalen Rechts – Voraussetzungen – Beachtung der Grundsätze der Äquivalenz und der Effektivität – Reichweite

    (Verordnung Nr. 1393/2007 des Europäischen Parlaments und des Rates)

  6. Justizielle Zusammenarbeit in Zivilsachen – Zustellung gerichtlicher und außergerichtlicher Schriftstücke – Verordnung Nr. 1393/2007 – Verfahrenseinleitendes Schriftstück, das zum Zweck der Zustellung in einen anderen Mitgliedstaat übermittelt wurde – Nichteinlassung des Beklagten – Pflichten des nationalen Gerichts des Übermittlungsmitgliedstaats

    (Verordnung Nr. 1393/2007 des Europäischen Parlaments und des Rates, Art. 19 Abs. 1; Verordnung Nr. 44/2001 des Rates, Art. 34 Nr. 2)

  7. Justizielle Zusammenarbeit in Zivilsachen – Zustellung gerichtlicher und außergerichtlicher Schriftstücke – Verordnung Nr. 1393/2007 – Verweigerung der Annahme des Schriftstücks – Folgen – Anwendung des nationalen Rechts – Voraussetzungen – Berücksichtigung der Anforderungen und Ziele der Verordnung Nr. 1393/2007

    (Verordnung Nr. 1393/2007 des Europäischen Parlaments und des Rates)

  1.  Siehe Text der Entscheidung.

    (vgl. Rn. 47-51)

  2.  Siehe Text der Entscheidung.

    (vgl. Rn. 53-58)

  3.  Siehe Text der Entscheidung.

    (vgl. Rn. 59-71)

  4.  Siehe Text der Entscheidung.

    (vgl. Rn. 75-79)

  5.  Siehe Text der Entscheidung.

    (vgl. Rn. 81-85)

  6.  War ein verfahrenseinleitendes Schriftstück zum Zweck der Zustellung in einen anderen Mitgliedstaat zu übermitteln und lässt sich der Beklagte nicht auf das Verfahren ein, setzt die Verordnung Nr. 1393/2007, wie insbesondere aus ihrem Art. 19 Abs. 1 hervorgeht, voraus, dass sichergestellt wird, dass der Betroffene das verfahrenseinleitende Schriftstück wirklich und tatsächlich erhalten hat – was ihm ermöglicht, von dem gegen ihn eingeleiteten Verfahren Kenntnis zu nehmen und den Gegenstand und Grund des gegen ihn gerichteten Antrags zu erkennen –, und dass ihm ausreichend Zeit zur Verfügung stand, um seine Verteidigung vorzubereiten. Eine solche Pflicht deckt sich im Übrigen mit den Anforderungen von Art. 34 Nr. 2 der Verordnung Nr. 44/2001 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen.

    (vgl. Rn. 86)

  7.  Die Verordnung Nr. 1393/2007 über die Zustellung gerichtlicher und außergerichtlicher Schriftstücke in Zivil- oder Handelssachen in den Mitgliedstaaten und zur Aufhebung der Verordnung Nr. 1348/2000 ist dahin auszulegen, dass anlässlich der Zustellung eines Schriftstücks an seinen Empfänger, der seinen Wohnsitz im Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedstaats als des Übermittlungsmitgliedstaats hat, in dem Fall, in dem das Schriftstück nicht in einer Sprache, die der Betroffene versteht, oder in der Amtssprache des Empfangsmitgliedstaats, oder, wenn es in diesem Mitgliedstaat mehrere Amtssprachen gibt, in der Amtssprache oder einer der Amtssprachen des Ortes, an dem die Zustellung erfolgen soll, abgefasst wurde und dem Schriftstück auch keine Übersetzung in eine dieser Sprachen beigefügt ist,

    das im Übermittlungsmitgliedstaat angerufene Gericht sich zu vergewissern hat, dass dieser Empfänger unter Verwendung des Formblatts in Anhang II dieser Verordnung gebührend über sein Recht, die Annahme dieses Schriftstücks zu verweigern, belehrt wurde;

    es im Fall der Nichtbeachtung dieser Formvorschrift diesem Gericht obliegt, entsprechend den Vorschriften dieser Verordnung die Ordnungsmäßigkeit des Verfahrens herzustellen;

    das angerufene Gericht dabei den Empfänger nicht in seinem Recht, die Annahme dieses Schriftstücks zu verweigern, beeinträchtigen darf;

    das angerufene Gericht erst prüfen darf, ob diese Verweigerung gerechtfertigt war, nachdem der Empfänger sein Recht auf Verweigerung der Annahme des Schriftstücks tatsächlich ausgeübt hat; hierzu hat dieses Gericht alle einschlägigen Angaben in den Akten zu berücksichtigen, um festzustellen, ob der Betroffene die Sprache, in der das Schriftstück abgefasst wurde, versteht; und

    sofern dieses Gericht feststellt, dass die Weigerung des Empfängers des Schriftstücks nicht gerechtfertigt ist, es in einem solchen Fall grundsätzlich die in seinem nationalen Recht vorgesehenen Folgen ziehen darf, soweit die praktische Wirksamkeit der Verordnung Nr. 1393/2007 gewährleistet wird.

    Somit lässt die Verordnung Nr. 1393/2007 erst nach Erledigung der in ihr vorgesehenen Schritte die Anwendung einer nationalen Rechtsvorschrift zu, der zufolge die Schriftstücke, die dem Empfänger zugestellt werden und deren Annahme er verweigert, als ordnungsgemäß zugestellt gelten, sofern der Richter festgestellt hat, dass die Verweigerung nicht objektiv gerechtfertigt war, wenn die konkreten Verfahrensvorschriften im Zusammenhang mit der Anwendung einer solchen nationalen Vorschrift den Anforderungen und Zielen der Verordnung Nr. 1393/2007 entsprechen, was zu beurteilen Aufgabe des nationalen Gerichts ist.

    (vgl. Rn. 87-89 und Tenor)

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