This document is an excerpt from the EUR-Lex website
Document 62009CJ0269
Leitsätze des Urteils
Leitsätze des Urteils
Rechtssache C-269/09
Europäische Kommission
gegen
Königreich Spanien
„Vertragsverletzung eines Mitgliedstaats — Art. 18 EG, 39 EG und 43 EG — Art. 28 und 31 EWR-Abkommen — Steuerrecht — Steuerpflichtige, die ihren Wohnsitz ins Ausland verlegen — Verpflichtung, sämtliche nicht verrechneten Einkünfte in die Bemessungsgrundlage des letzten Veranlagungszeitraums einzubeziehen — Verlust des gegebenenfalls in der Stundung der Steuerschuld bestehenden Vorteils“
Leitsätze des Urteils
Mitgliedstaaten – Verbliebene Zuständigkeiten – Direkte Besteuerung – Pflicht zur Ausübung dieser Befugnis unter Wahrung des Unionsrechts
Unionsbürgerschaft – Recht, sich im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten frei zu bewegen und aufzuhalten – Allgemeine Vertragsbestimmung, die in den Bestimmungen über die Freizügigkeit der Arbeitnehmer und die Niederlassungsfreiheit eine besondere Ausprägung erfahren hat
(Art. 18 EG, 39 EG und 43 EG)
Freizügigkeit – Arbeitnehmer – Bestimmungen des Vertrags – Gegenstand – Vorschriften zur Erleichterung der Ausübung von Erwerbstätigkeiten im gesamten Unionsgebiet
Unionsbürgerschaft – Freizügigkeit – Niederlassungsfreiheit – Beschränkungen – Steuerrecht – Steuerpflichtige, die ihren Wohnsitz in einen anderen Mitgliedstaat verlegen – Verpflichtung, sämtliche nicht verrechneten Einkünfte in die Bemessungsgrundlage des letzten Veranlagungszeitraums einzubeziehen – Unzulässigkeit – Rechtfertigung – Effektive Einziehung der Steuerschuld – Wahrung der Aufteilung der Besteuerungsbefugnis zwischen den Mitgliedstaaten – Kohärenz des Steuersystems – Kein Rechtfertigungsgrund
(Art. 18 EG, 39 EG und 43 EG, Richtlinie 2008/55 des Rates)
Unionsbürgerschaft – Recht, sich im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten frei zu bewegen und aufzuhalten – Nationale Vorschriften, die einen Staatsangehörigen eines Mitgliedstaats daran hindern oder davon abhalten, seinen Herkunftsstaat zu verlassen – Unzulässigkeit – Erforderliche Rechtfertigung, die auf objektive, von der Staatsangehörigkeit der Betroffenen unabhängige Erwägungen des Allgemeininteresses gestützt ist
Völkerrechtliche Verträge – Abkommen über die Schaffung des Europäischen Wirtschaftsraums – Freizügigkeit – Niederlassungsfreiheit – Steuerrecht – Steuerpflichtiger, der seinen Wohnsitz in einen Vertragsstaat des genannten Abkommens verlegt – Verpflichtung zur Einbeziehung sämtlicher nicht verrechneten Einkünfte in die Besteuerungsgrundlage des letzten Veranlagungszeitraums – Beschränkung – Rechtfertigung – Effektive Einziehung der Steuerschuld – Voraussetzungen
(Art. 28 und 31 EWR-Abkommen)
Siehe Text der Entscheidung.
(vgl. Randnr. 47)
Siehe Text der Entscheidung.
(vgl. Randnr. 49)
Siehe Text der Entscheidung.
(vgl. Randnr. 51)
Ein Mitgliedstaat verstößt gegen seine Verpflichtungen aus den Art. 18 EG, 39 EG und 43 EG, wenn er eine Rechtsvorschrift erlässt und beibehält, nach der Steuerpflichtige, die ihren Wohnsitz in einen anderen Mitgliedstaat verlegen, dazu verpflichtet sind, sämtliche nicht verrechneten Einkünfte in die Besteuerungsgrundlage ihres letzten Veranlagungszeitraums als gebietsansässige Steuerpflichtige einzubeziehen.
Denn auch wenn die Vertragsbestimmungen über die Freizügigkeit nach ihrem Wortlaut die Inländerbehandlung im Aufnahmemitgliedstaat sichern sollen, stehen sie doch ebenfalls Vorschriften entgegen, die einen Staatsangehörigen eines Mitgliedstaats daran hindern oder davon abhalten, seinen Herkunftsstaat zu verlassen, um von seinem Recht auf Freizügigkeit Gebrauch zu machen. Dies ist bei der Rechtsvorschrift eines Mitgliedstaats der Fall, nach der die Verlegung des Wohnsitzes in einen anderen Mitgliedstaat für den Steuerpflichtigen die Verpflichtung zur Begleichung der Steuer zur Folge hat, bevor die Steuerpflichtigen, die ihren Wohnsitz weiter im ersten Mitgliedstaat haben, dazu verpflichtet sind. Diese unterschiedliche Behandlung, die geeignet ist, Personen, die ihren Wohnsitz ins Ausland verlegen, finanziell zu benachteiligen, lässt sich nicht durch eine objektiv unterschiedliche Situation erklären. Im Hinblick auf die Rechtsvorschriften eines Mitgliedstaats über die Besteuerung von erzieltem Einkommen gleicht nämlich die Situation einer Person, die ihren Wohnsitz in einen anderen Mitgliedstaat verlegt, der Situation einer Person, die ihren Wohnsitz im ersten Mitgliedstaat beibehält. Folglich beschränkt eine solche unterschiedliche Behandlung die Ausübung der in den Art. 39 EG und 43 EG gewährleisteten Freiheiten.
Diese Beschränkung kann nicht mit der Notwendigkeit, eine effektive Einziehung der Steuerschuld zu gewährleisten, gerechtfertigt werden, da die zwischen den Behörden der Mitgliedstaaten auf Unionsebene bestehenden Verfahren, insbesondere die nach der Richtlinie 2008/55 über die gegenseitige Unterstützung bei der Beitreibung von Forderungen in Bezug auf bestimmte Abgaben, Zölle, Steuern und sonstige Maßnahmen zur gegenseitigen Unterstützung, hinreichend sind, um den Herkunftsmitgliedstaat in die Lage zu versetzen, eine Steuerschuld in einem anderen Mitgliedstaat einzuziehen. Die durch die genannte nationale Regelung auferlegte Verpflichtung steht daher außer Verhältnis zu dem Ziel, die Einziehung der Steuerschuld zu erleichtern.
Ebenso wenig ist die genannte Beschränkung durch die Notwendigkeit gerechtfertigt, die Aufteilung des Besteuerungsrechts zwischen den Mitgliedstaaten zu gewährleisten, da der Herkunftsmitgliedstaat bei der Verlegung des Wohnsitzes eines Steuerpflichtigen in einen anderen Mitgliedstaat nicht die Befugnis zur Ausübung seiner Steuerhoheit in Bezug auf in seinem Hoheitsgebiet bereits durchgeführte Tätigkeiten verliert und damit nicht auf sein Recht zur Festsetzung des entsprechenden Steuerbetrags verzichten muss.
Schließlich kann, sofern nach der nationalen Rechtsvorschrift kein unmittelbarer Zusammenhang zwischen dem steuerlichen Vorteil, den die Möglichkeit darstellt, Einkünfte mehreren Veranlagungszeiträumen zuzuordnen, einerseits, und dem Ausgleich dieses Vorteils durch irgendeine steuerliche Belastung, andererseits, besteht, diese Rechtsvorschrift nicht mit der Notwendigkeit gerechtfertigt werden, die Kohärenz des nationalen Steuersystems zu gewährleisten.
(vgl. Randnrn. 52-53, 57, 59-61, 67-68, 79, 87-88, 101, Tenor 1)
Siehe Text der Entscheidung.
(vgl. Randnrn. 91-92)
Ein Mitgliedstaat verstößt nicht gegen seine Verpflichtungen aus den Art. 28 und 31 des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum (EWR), wenn er eine Rechtsvorschrift erlässt und beibehält, nach der Steuerpflichtige, die ihren Wohnsitz in einen Vertragsstaat des EWR-Abkommens, der nicht Mitgliedstaat der Union ist, verlegen, dazu verpflichtet sind, sämtliche nicht verrechneten Einkünfte in die Besteuerungsgrundlage ihres letzten Veranlagungszeitraums als gebietsansässige Steuerpflichtige einzubeziehen.
Eine solche Beschränkung der Arbeitnehmerfreizügigkeit und der Niederlassungsfreiheit von Staatsangehörigen von Vertragsstaaten des EWR-Abkommens ist nämlich durch die Notwendigkeit, eine effektive Einziehung der Steuerschuld zu gewährleisten, gerechtfertigt, da der durch die unionsrechtlichen Vorschriften geschaffene Rahmen der Zusammenarbeit zwischen den zuständigen Behörden der Mitgliedstaaten und den zuständigen Behörden eines Vertragsstaats des EWR-Abkommens nicht besteht, wenn die betroffenen Staaten keine Verpflichtung zur gegenseitigen Unterstützung bei der Erhebung oder Beitreibung von Steuern eingegangen sind.
(vgl. Randnrn. 95-99)
Rechtssache C-269/09
Europäische Kommission
gegen
Königreich Spanien
„Vertragsverletzung eines Mitgliedstaats — Art. 18 EG, 39 EG und 43 EG — Art. 28 und 31 EWR-Abkommen — Steuerrecht — Steuerpflichtige, die ihren Wohnsitz ins Ausland verlegen — Verpflichtung, sämtliche nicht verrechneten Einkünfte in die Bemessungsgrundlage des letzten Veranlagungszeitraums einzubeziehen — Verlust des gegebenenfalls in der Stundung der Steuerschuld bestehenden Vorteils“
Leitsätze des Urteils
Mitgliedstaaten — Verbliebene Zuständigkeiten — Direkte Besteuerung — Pflicht zur Ausübung dieser Befugnis unter Wahrung des Unionsrechts
Unionsbürgerschaft — Recht, sich im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten frei zu bewegen und aufzuhalten — Allgemeine Vertragsbestimmung, die in den Bestimmungen über die Freizügigkeit der Arbeitnehmer und die Niederlassungsfreiheit eine besondere Ausprägung erfahren hat
(Art. 18 EG, 39 EG und 43 EG)
Freizügigkeit — Arbeitnehmer — Bestimmungen des Vertrags — Gegenstand — Vorschriften zur Erleichterung der Ausübung von Erwerbstätigkeiten im gesamten Unionsgebiet
Unionsbürgerschaft — Freizügigkeit — Niederlassungsfreiheit — Beschränkungen — Steuerrecht — Steuerpflichtige, die ihren Wohnsitz in einen anderen Mitgliedstaat verlegen — Verpflichtung, sämtliche nicht verrechneten Einkünfte in die Bemessungsgrundlage des letzten Veranlagungszeitraums einzubeziehen — Unzulässigkeit — Rechtfertigung — Effektive Einziehung der Steuerschuld — Wahrung der Aufteilung der Besteuerungsbefugnis zwischen den Mitgliedstaaten — Kohärenz des Steuersystems — Kein Rechtfertigungsgrund
(Art. 18 EG, 39 EG und 43 EG, Richtlinie 2008/55 des Rates)
Unionsbürgerschaft — Recht, sich im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten frei zu bewegen und aufzuhalten — Nationale Vorschriften, die einen Staatsangehörigen eines Mitgliedstaats daran hindern oder davon abhalten, seinen Herkunftsstaat zu verlassen — Unzulässigkeit — Erforderliche Rechtfertigung, die auf objektive, von der Staatsangehörigkeit der Betroffenen unabhängige Erwägungen des Allgemeininteresses gestützt ist
Völkerrechtliche Verträge — Abkommen über die Schaffung des Europäischen Wirtschaftsraums — Freizügigkeit — Niederlassungsfreiheit — Steuerrecht — Steuerpflichtiger, der seinen Wohnsitz in einen Vertragsstaat des genannten Abkommens verlegt — Verpflichtung zur Einbeziehung sämtlicher nicht verrechneten Einkünfte in die Besteuerungsgrundlage des letzten Veranlagungszeitraums — Beschränkung — Rechtfertigung — Effektive Einziehung der Steuerschuld — Voraussetzungen
(Art. 28 und 31 EWR-Abkommen)
Siehe Text der Entscheidung.
(vgl. Randnr. 47)
Siehe Text der Entscheidung.
(vgl. Randnr. 49)
Siehe Text der Entscheidung.
(vgl. Randnr. 51)
Ein Mitgliedstaat verstößt gegen seine Verpflichtungen aus den Art. 18 EG, 39 EG und 43 EG, wenn er eine Rechtsvorschrift erlässt und beibehält, nach der Steuerpflichtige, die ihren Wohnsitz in einen anderen Mitgliedstaat verlegen, dazu verpflichtet sind, sämtliche nicht verrechneten Einkünfte in die Besteuerungsgrundlage ihres letzten Veranlagungszeitraums als gebietsansässige Steuerpflichtige einzubeziehen.
Denn auch wenn die Vertragsbestimmungen über die Freizügigkeit nach ihrem Wortlaut die Inländerbehandlung im Aufnahmemitgliedstaat sichern sollen, stehen sie doch ebenfalls Vorschriften entgegen, die einen Staatsangehörigen eines Mitgliedstaats daran hindern oder davon abhalten, seinen Herkunftsstaat zu verlassen, um von seinem Recht auf Freizügigkeit Gebrauch zu machen. Dies ist bei der Rechtsvorschrift eines Mitgliedstaats der Fall, nach der die Verlegung des Wohnsitzes in einen anderen Mitgliedstaat für den Steuerpflichtigen die Verpflichtung zur Begleichung der Steuer zur Folge hat, bevor die Steuerpflichtigen, die ihren Wohnsitz weiter im ersten Mitgliedstaat haben, dazu verpflichtet sind. Diese unterschiedliche Behandlung, die geeignet ist, Personen, die ihren Wohnsitz ins Ausland verlegen, finanziell zu benachteiligen, lässt sich nicht durch eine objektiv unterschiedliche Situation erklären. Im Hinblick auf die Rechtsvorschriften eines Mitgliedstaats über die Besteuerung von erzieltem Einkommen gleicht nämlich die Situation einer Person, die ihren Wohnsitz in einen anderen Mitgliedstaat verlegt, der Situation einer Person, die ihren Wohnsitz im ersten Mitgliedstaat beibehält. Folglich beschränkt eine solche unterschiedliche Behandlung die Ausübung der in den Art. 39 EG und 43 EG gewährleisteten Freiheiten.
Diese Beschränkung kann nicht mit der Notwendigkeit, eine effektive Einziehung der Steuerschuld zu gewährleisten, gerechtfertigt werden, da die zwischen den Behörden der Mitgliedstaaten auf Unionsebene bestehenden Verfahren, insbesondere die nach der Richtlinie 2008/55 über die gegenseitige Unterstützung bei der Beitreibung von Forderungen in Bezug auf bestimmte Abgaben, Zölle, Steuern und sonstige Maßnahmen zur gegenseitigen Unterstützung, hinreichend sind, um den Herkunftsmitgliedstaat in die Lage zu versetzen, eine Steuerschuld in einem anderen Mitgliedstaat einzuziehen. Die durch die genannte nationale Regelung auferlegte Verpflichtung steht daher außer Verhältnis zu dem Ziel, die Einziehung der Steuerschuld zu erleichtern.
Ebenso wenig ist die genannte Beschränkung durch die Notwendigkeit gerechtfertigt, die Aufteilung des Besteuerungsrechts zwischen den Mitgliedstaaten zu gewährleisten, da der Herkunftsmitgliedstaat bei der Verlegung des Wohnsitzes eines Steuerpflichtigen in einen anderen Mitgliedstaat nicht die Befugnis zur Ausübung seiner Steuerhoheit in Bezug auf in seinem Hoheitsgebiet bereits durchgeführte Tätigkeiten verliert und damit nicht auf sein Recht zur Festsetzung des entsprechenden Steuerbetrags verzichten muss.
Schließlich kann, sofern nach der nationalen Rechtsvorschrift kein unmittelbarer Zusammenhang zwischen dem steuerlichen Vorteil, den die Möglichkeit darstellt, Einkünfte mehreren Veranlagungszeiträumen zuzuordnen, einerseits, und dem Ausgleich dieses Vorteils durch irgendeine steuerliche Belastung, andererseits, besteht, diese Rechtsvorschrift nicht mit der Notwendigkeit gerechtfertigt werden, die Kohärenz des nationalen Steuersystems zu gewährleisten.
(vgl. Randnrn. 52-53, 57, 59-61, 67-68, 79, 87-88, 101, Tenor 1)
Siehe Text der Entscheidung.
(vgl. Randnrn. 91-92)
Ein Mitgliedstaat verstößt nicht gegen seine Verpflichtungen aus den Art. 28 und 31 des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum (EWR), wenn er eine Rechtsvorschrift erlässt und beibehält, nach der Steuerpflichtige, die ihren Wohnsitz in einen Vertragsstaat des EWR-Abkommens, der nicht Mitgliedstaat der Union ist, verlegen, dazu verpflichtet sind, sämtliche nicht verrechneten Einkünfte in die Besteuerungsgrundlage ihres letzten Veranlagungszeitraums als gebietsansässige Steuerpflichtige einzubeziehen.
Eine solche Beschränkung der Arbeitnehmerfreizügigkeit und der Niederlassungsfreiheit von Staatsangehörigen von Vertragsstaaten des EWR-Abkommens ist nämlich durch die Notwendigkeit, eine effektive Einziehung der Steuerschuld zu gewährleisten, gerechtfertigt, da der durch die unionsrechtlichen Vorschriften geschaffene Rahmen der Zusammenarbeit zwischen den zuständigen Behörden der Mitgliedstaaten und den zuständigen Behörden eines Vertragsstaats des EWR-Abkommens nicht besteht, wenn die betroffenen Staaten keine Verpflichtung zur gegenseitigen Unterstützung bei der Erhebung oder Beitreibung von Steuern eingegangen sind.
(vgl. Randnrn. 95-99)