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Document 62009CJ0168

    Leitsätze des Urteils

    Schlüsselwörter
    Leitsätze

    Schlüsselwörter

    1. Rechtsangleichung – Muster und Modelle – Richtlinie 98/71 – Grundsatz der Kumulierung des Schutzes von Mustern und Modellen mit dem Schutz des Urheberrechts

    (Richtlinie 98/71 des Europäischen Parlaments und des Rates, Art. 17; Richtlinie 93/98 des Rates, Art. 1 Abs. 1 und 10 Abs. 2)

    2. Rechtsangleichung – Muster und Modelle – Richtlinie 98/71 – Grundsatz der Kumulierung des Schutzes von Mustern und Modellen mit dem Schutz des Urheberrechts

    (Richtlinie 98/71 des Europäischen Parlaments und des Rates, Art. 17)

    Leitsätze

    1. Art. 17 der Richtlinie 98/71 über den rechtlichen Schutz von Mustern und Modellen ist dahin auszulegen, dass er einer gesetzlichen Regelung eines Mitgliedstaats entgegensteht, nach der vom urheberrechtlichen Schutz dieses Mitgliedstaats Muster ausgeschlossen sind, die durch ein in einem oder mit Wirkung für einen Mitgliedstaat eingetragenes Recht an einem Muster geschützt waren und die vor dem Zeitpunkt des Inkrafttretens dieser gesetzlichen Regelung gemeinfrei geworden sind, obwohl sie alle Bedingungen erfüllen, die erforderlich sind, um diesen Schutz in Anspruch zu nehmen.

    Dem Wortlaut von Art. 17 der Richtlinie 98/71, insbesondere der Verwendung des Wortes „auch“ in Satz 1 dieses Artikels, ist eindeutig zu entnehmen, dass für alle durch ein in dem betreffenden Mitgliedstaat oder mit Wirkung für ihn eingetragenes Recht an einem Muster geschützten Muster urheberrechtlicher Schutz zu gewähren ist.

    Der Wille des Unionsgesetzgebers, diesen Schutz zu gewähren, ergibt sich außerdem aus dem achten Erwägungsgrund der Richtlinie 98/71, in dem, solange das Urheberrecht nicht harmonisiert ist, der Grundsatz der Kumulation des Schutzes nach dem einschlägigen Recht für den Schutz eingetragener Muster oder Modelle und nach dem Urheberrecht bekräftigt wird.

    Ebenso wenig kann die Befugnis der Mitgliedstaaten, den Umfang und die Bedingungen der Erlangung urheberrechtlichen Schutzes festzulegen, die Dauer dieses Schutzes betreffen, denn diese ist bereits durch die Richtlinie 93/98 zur Harmonisierung der Schutzdauer des Urheberrechts und bestimmter verwandter Schutzrechte auf Unionsebene harmonisiert worden.

    Insoweit sieht Art. 1 Abs. 1 der Richtlinie 93/98 eine Schutzdauer des Urheberrechts an Werken der Literatur und Kunst im Sinne des Art. 2 der Berner Übereinkunft zum Schutz von Werken der Literatur und Kunst vor, die das Leben des Urhebers dieses Werkes und 70 Jahre nach seinem Tod umfasst. Nach Art. 10 Abs. 2 dieser Richtlinie findet diese Schutzfrist auf alle Werke oder Gegenstände Anwendung, die am 1. Juli 1995 zumindest in einem Mitgliedstaat urheberrechtlich geschützt waren.

    Daraus folgt, dass nach Art. 17 der Richtlinie 98/71 den durch ein in einem oder mit Wirkung für einen Mitgliedstaat eingetragenes Recht an einem Muster geschützten Mustern, die die von den Mitgliedstaaten vorgesehenen Bedingungen für die Erlangung des Urheberrechtsschutzes, insbesondere die Bedingung der Gestaltungshöhe, erfüllten und für die die in Art. 1 der Richtlinie 93/98 in Verbindung mit deren Art. 10 Abs. 2 festgelegte Schutzdauer noch nicht abgelaufen war, der Schutz nach dem Urheberrecht dieses Mitgliedstaats zugute kommen musste.

    Insoweit ergibt sich aus Art. 10 Abs. 2 der Richtlinie 93/98 eindeutig, dass die Anwendung der in der Richtlinie festgelegten Schutzfristen in den Mitgliedstaaten, deren Recht eine kürzere Schutzdauer vorsah, dazu führen kann, dass Werke oder Gegenstände, die gemeinfrei geworden sind, wieder geschützt sind. Dies entspricht dem ausdrücklichen Willen des Unionsgesetzgebers und diese Lösung wurde gewählt, um das namentlich im zweiten Erwägungsgrund der Richtlinie 93/98 genannte Ziel der Harmonisierung der nationalen Rechtsvorschriften über die Schutzdauer des Urheberrechts und der verwandten Schutzrechte so schnell wie möglich zu erreichen und um zu vermeiden, dass bestimmte Rechte in einigen Mitgliedstaaten erloschen, in anderen dagegen geschützt sind.

    Diese Überlegung ist auch auf das Wiederaufleben des Urheberrechtsschutzes von Mustern anzuwenden, die früher durch ein anderes Recht des geistigen Eigentums geschützt waren

    (vgl. Randnrn. 37-44, Tenor 1)

    2. Art. 17 der Richtlinie 98/71 über den rechtlichen Schutz von Mustern und Modellen ist dahin auszulegen, dass er einer gesetzlichen Regelung eines Mitgliedstaats entgegensteht, nach der der Urheberrechtsschutz für Muster, die, obwohl sie alle Bedingungen erfüllen, die erforderlich sind, um diesen Schutz in Anspruch zu nehmen, vor dem Zeitpunkt des Inkrafttretens dieser gesetzlichen Regelung gemeinfrei geworden sind, gegenüber jedem Dritten, der im Inland nach diesen Mustern gefertigte Waren hergestellt oder vertrieben hat, für einen erheblichen Zeitraum von zehn Jahren oder vollständig ausgeschlossen ist, und zwar unabhängig von dem Zeitpunkt, an dem diese Handlungen vorgenommen wurden.

    Hinsichtlich erstens einer gesetzlichen Regelung, die für eine bestimmte Kategorie Dritter eine Übergangszeit vorsieht, um deren berechtigte Interessen zu schützen, ergibt sich aus Grundsätzen der Wahrung erworbener Rechte und des Vertrauensschutzes, dass Art. 17 der Richtlinie 98/71 einer solchen Vorschrift nicht entgegensteht, soweit sie nicht zur Folge hat, dass die Anwendung der neuen Regelung des urheberrechtlichen Schutzes von Mustern über einen erheblichen Zeitraum aufgeschoben wird, so dass ihre Anwendung zum in der Richtlinie vorgesehenen Zeitpunkt ausgeschlossen ist.

    Insoweit ist anhand des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit zu prüfen, ob die Länge dieser Übergangszeit und die Kategorie Dritter, wie sie die gesetzliche Regelung definiert, mit der Richtlinie vereinbar sind.

    Die von einem Mitgliedstaat erlassene gesetzliche Regelung muss daher zur Erreichung des mit den nationalen Rechtsvorschriften verfolgten Ziels geeignet und erforderlich sein, d. h., sie muss die Wahrung eines Ausgleichs zwischen den erworbenen Rechten und dem berechtigten Vertrauen der fraglichen Dritten einerseits und den Interessen der Inhaber des Urheberrechts andererseits gewährleisten. Sie darf außerdem nicht über das hinausgehen, was zur Gewährleistung dieses Ausgleichs erforderlich ist.

    Die Regelung kann nur dann als angemessen angesehen werden, wenn sie eine Kategorie Dritter erfasst, die sich auf den Grundsatz des Vertrauensschutzes berufen können, d. h. Personen, die zu dem Zeitpunkt, zu dem die Vorschriften zur Umsetzung von Art. 17 der Richtlinie 98/71 in das innerstaatliche Recht des betreffenden Mitgliedstaats in Kraft traten, bereits Handlungen der Nutzung gemeinfreier Muster oder Modelle vorgenommen hatten.

    Außerdem hätte sich eine solche gesetzliche Regelung auf denjenigen Zeitraum der Nutzung der fraglichen Muster durch die fraglichen Dritten zu beschränken, den diese benötigen, um entweder die Tätigkeit, soweit sie auf der früheren Nutzung der Muster beruht, schrittweise einzustellen oder um die Bestände abzusetzen. Die Regelung geht nicht über das hinaus, was erforderlich ist, um den Ausgleich der einander gegenüberstehenden Ansprüche zu gewährleisten, wenn sie die Inanspruchnahme des Urheberrechtsschutzes nicht über einen erheblichen Zeitraum aufschiebt.

    Was zweitens eine gesetzliche Regelung angeht, mit der diese aufschiebende Frist aufgehoben und eine unbeschränkte Nichteinwendbarkeit des Urheberrechts für Waren eingeführt wurde, die nach vor dem Inkrafttreten der nationalen Vorschriften zur Umsetzung der Richtlinie 98/71 gemeinfreien Mustern kreiert wurden, ergibt sich aus dem Vorstehenden, dass eine solche Maßnahme Art. 17 der Richtlinie seinen Gehalt nimmt, weil sie zur Folge hat, dass die Anwendung des neuen Schutzes, also des Schutzes durch das Urheberrecht, schlechthin ausgeschlossen wird. Diese Regelung soll auch nicht die Kategorie Dritter beschränken, die sich auf den Grundsatz des Vertrauensschutzes berufen können. Sie erweitert vielmehr die Anwendung der Nichteinwendbarkeit des Urheberrechts, da es nach dieser Vorschrift nicht erforderlich ist, dass ein Dritter vor dem Inkrafttreten der nationalen Vorschriften zur Umsetzung dieser Richtlinie mit der Benutzung der Muster oder Modelle begonnen hat.

    (vgl. Randnrn. 55-60, 64-65, Tenor 2)

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