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Document 62008CJ0008

    Leitsätze des Urteils

    Schlüsselwörter
    Leitsätze

    Schlüsselwörter

    1. Wettbewerb – Kartelle – Abgestimmte Verhaltensweise – Begriff – Wettbewerbswidriger Zweck oder wettbewerbswidrige Wirkung – Beurteilungskriterien – Anwendung der gleichen Kriterien auf eine Vereinbarung, einen Beschluss oder eine abgestimmte Verhaltensweise

    (Art. 81 Abs. 1 EG)

    2. Wettbewerb – Kartelle – Abgestimmte Verhaltensweise – Beeinträchtigung des Wettbewerbs – Beurteilungskriterien – Wettbewerbswidriger Zweck – Hinreichende Feststellung

    (Art. 81 Abs. 1 EG)

    3. Wettbewerb – Kartelle – Abgestimmte Verhaltensweise – Begriff – Wettbewerbswidriger Zweck – Beurteilungskriterien

    (Art. 81 Abs. 1 EG)

    4. Wettbewerb – Gemeinschaftsvorschriften – Zwingendes Recht – Anwendung von Amts wegen durch die nationalen Gerichte

    (Art. 81 EG)

    5. Wettbewerb – Kartelle – Abgestimmte Verhaltensweise – Begriff – Notwendigkeit eines Kausalzusammenhangs zwischen der Abstimmung und dem Marktverhalten der Unternehmen – Vermutung für das Vorliegen dieses Kausalzusammenhangs – Verpflichtung der nationalen Gerichte, diese Vermutung anzuwenden

    (Art. 81 Abs. 1 EG)

    6. Wettbewerb – Kartelle – Abgestimmte Verhaltensweise – Begriff – Notwendigkeit eines Kausalzusammenhangs zwischen der Abstimmung und dem Marktverhalten der Unternehmen – Vermutung für das Vorliegen dieses Kausalzusammenhangs

    (Art. 81 Abs. 1 EG)

    Leitsätze

    1. Die Begriffe „Vereinbarung“, „Beschlüsse von Unternehmensvereinigungen“ und „abgestimmte Verhaltensweise“ erfassen in subjektiver Hinsicht Formen der Kollusion, die in ihrer Art übereinstimmen, und unterscheiden sich nur in ihrer Intensität und ihren Ausdrucksformen. Daher gelten die Kriterien, anhand deren beurteilt werden kann, ob ein Verhalten eine Verhinderung, Einschränkung oder Verfälschung des Wettbewerbs bezweckt oder bewirkt, unabhängig davon, ob es sich um eine Vereinbarung, einen Beschluss oder eine abgestimmte Verhaltensweise handelt.

    (vgl. Randnrn. 23-24)

    2. Um zu beurteilen, ob eine abgestimmte Verhaltensweise nach Art. 81 Abs. 1 EG verboten ist, brauchen deren konkrete Auswirkungen nicht berücksichtigt zu werden, wenn sich ergibt, dass sie eine Verhinderung, Einschränkung oder Verfälschung des Wettbewerbs innerhalb des Gemeinsamen Marktes bezweckt. Die Unterscheidung zwischen „bezweckten Verstößen“ und „bewirkten Verstößen“ liegt darin begründet, dass bestimmte Formen der Kollusion zwischen Unternehmen schon ihrer Natur nach als schädlich für das gute Funktionieren des normalen Wettbewerbs angesehen werden. Daher brauchen die Auswirkungen einer abgestimmten Verhaltensweise nicht geprüft zu werden, wenn feststeht, dass sie einen wettbewerbswidrigen Zweck verfolgt.

    (vgl. Randnrn. 29-30)

    3. Eine abgestimmte Verhaltensweise verfolgt einen wettbewerbswidrigen Zweck im Sinne des Art. 81 Abs. 1 EG, wenn sie aufgrund ihres Inhalts und Zwecks und unter Berücksichtigung ihres rechtlichen und wirtschaftlichen Zusammenhangs konkret geeignet ist, zu einer Verhinderung, Einschränkung oder Verfälschung des Wettbewerbs innerhalb des Gemeinsamen Marktes zu führen. Es ist weder erforderlich, dass der Wettbewerb tatsächlich verhindert, eingeschränkt oder verfälscht wurde, noch, dass ein unmittelbarer Zusammenhang zwischen diesem abgestimmten Verhalten und den Verbraucherpreisen besteht. Der Informationsaustausch zwischen Wettbewerbern verfolgt einen wettbewerbswidrigen Zweck, wenn er geeignet ist, Unsicherheiten hinsichtlich des von den betreffenden Unternehmen ins Auge gefassten Verhaltens auszuräumen, insbesondere hinsichtlich des Zeitpunkts, des Ausmaßes und der Modalitäten der von den betreffenden Unternehmen vorzunehmenden Anpassung, und zwar auch dann, wenn die Anpassung eine Kürzung der an Vermittler gezahlten Vergütung und nicht die Verbraucherpreise betrifft.

    (vgl. Randnrn. 27-28, 30-31, 35-36, 39, 41, 43, Tenor 1)

    4. Art. 81 EG erzeugt unmittelbare Wirkungen in den Beziehungen zwischen Einzelnen und lässt unmittelbar in deren Person Rechte entstehen, die die Gerichte der Mitgliedstaaten zu wahren haben. Er stellt eine für die Erfüllung der Aufgaben der Europäischen Gemeinschaft unerlässliche Vorschrift dar, die der öffentlichen Ordnung zuzurechnen ist und von den nationalen Gerichten von Amts wegen angewandt werden muss.

    Bei der Anwendung des Art. 81 EG ist dessen Auslegung durch den Gerichtshof für alle nationalen Gerichte der Mitgliedstaaten zwingend.

    (vgl. Randnrn. 49-50)

    5. Im Rahmen der Prüfung des Kausalzusammenhangs zwischen der Abstimmung und dem Marktverhalten der an ihr beteiligten Unternehmen, der Voraussetzung für die Feststellung einer abgestimmten Verhaltensweise im Sinne des Art. 81 Abs. 1 EG ist, muss der nationale Richter vorbehaltlich des den betreffenden Unternehmen obliegenden Gegenbeweises die Kausalitätsvermutung anwenden, nach der diese Unternehmen, wenn sie weiterhin auf dem Markt tätig sind, die mit ihren Wettbewerbern ausgetauschten Informationen berücksichtigen. Diese Vermutung ist integraler Bestandteil des anwendbaren Gemeinschaftsrechts.

    (vgl. Randnrn. 51-53, Tenor 2)

    6. Sofern das an der Abstimmung beteiligte Unternehmen auf dem betroffenen Markt tätig bleibt, gilt für die Anwendung des Art. 81 Abs. 1 EG die Vermutung des Kausalzusammenhangs zwischen der Abstimmung und dem Verhalten des Unternehmens auf diesem Markt auch dann, wenn die Abstimmung auf einem einzigen Treffen der betroffenen Unternehmen beruht.

    Entscheidend ist nämlich nicht so sehr, wie viele Treffen es zwischen den beteiligten Unternehmen gegeben hat, sondern ob der oder die Kontakte, die stattgefunden haben, ihnen ermöglicht haben, die mit ihren Wettbewerbern ausgetauschten Informationen bei der Festlegung ihres Verhaltens auf dem jeweiligen Markt zu berücksichtigen und eine praktische Zusammenarbeit an die Stelle der mit dem Wettbewerb verbundenen Risiken treten zu lassen. Wenn nachgewiesen werden kann, dass die beteiligten Unternehmen eine Abstimmung erzielt haben und dass sie weiterhin auf dem Markt tätig sind, ist es gerechtfertigt, von ihnen den Beweis dafür zu verlangen, dass diese Abstimmung ihr Marktverhalten nicht beeinflusst hat.

    (vgl. Randnrn. 61-62, Tenor 3)

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