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Document 62007CJ0185

    Leitsätze des Urteils

    Schlüsselwörter
    Leitsätze

    Schlüsselwörter

    Justizielle Zusammenarbeit in Zivilsachen – Gerichtliche Zuständigkeit und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen – Verordnung Nr. 44/2001 – Anwendungsbereich

    (Verordnung Nr. 44/2001 des Rates, Art. 1 Abs. 2 Buchst.  d und Art. 5 Nr. 3)

    Leitsätze

    Der Erlass einer Anordnung durch ein Gericht eines Mitgliedstaats, mit der einer Person die Einleitung oder Fortführung eines Verfahrens vor den Gerichten eines anderen Mitgliedstaats mit der Begründung verboten wird, dass ein solches Verfahren gegen eine Schiedsvereinbarung verstoße, ist mit der Verordnung Nr. 44/2001 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen unvereinbar.

    Fällt nämlich ein Verfahren nach seinem Streitgegenstand, d. h. nach der Rechtsnatur der in diesem Verfahren zu sichernden Ansprüche, etwa eines Schadensersatzanspruchs, in den Anwendungsbereich der Verordnung Nr. 44/2001, so fällt eine Vorfrage, die die Anwendbarkeit einer Schiedsvereinbarung einschließlich deren Gültigkeit betrifft, ebenfalls in den Anwendungsbereich dieser Verordnung.

    Daraus folgt, dass eine auf das Bestehen einer Schiedsvereinbarung gestützte Unzuständigkeitseinrede einschließlich der Frage der Gültigkeit dieser Vereinbarung in den Anwendungsbereich der Verordnung Nr. 44/2001 fällt und dass es daher ausschließlich Sache des Gerichts ist, gemäß Art. 1 Abs. 2 Buchst. d und Art. 5 Nr. 3 dieser Verordnung über diese Einrede sowie über seine eigene Zuständigkeit zu entscheiden.

    Ein für die Entscheidung über einen Rechtsstreit normalerweise nach Art. 5 Nr. 3 der Verordnung Nr. 44/2001 zuständiges Gericht eines Mitgliedstaats durch eine „anti-suit injunction“ daran zu hindern, im Einklang mit Art. 1 Abs. 2 Buchst. d dieser Verordnung gerade über deren Anwendbarkeit auf den bei ihm anhängig gemachten Rechtsstreit zu befinden, läuft deshalb notwendig darauf hinaus, ihm seine Befugnis zu nehmen, gemäß dieser Verordnung über seine eigene Zuständigkeit zu entscheiden.

    Daraus folgt zunächst, dass eine „anti-suit injunction“ nicht den allgemeinen Grundsatz wahrt, wonach jedes angerufene Gericht nach dem für dieses Gericht geltenden Recht selbst bestimmt, ob es für die Entscheidung über den bei ihm anhängig gemachten Rechtsstreit zuständig ist. Insoweit ist daran zu erinnern, dass die Verordnung Nr. 44/2001, abgesehen von einigen begrenzten Ausnahmen, die Prüfung der Zuständigkeit eines Gerichts eines Mitgliedstaats durch ein Gericht eines anderen Mitgliedstaats nicht gestattet.

    Sodann widerspricht eine solche „anti-suit injunction“ auch dem Vertrauen, das die Mitgliedstaaten gegenseitig ihren Rechtssystemen und Rechtspflegeorganen entgegenbringen und auf dem das Zuständigkeitssystem der Verordnung Nr. 44/2001 beruht, denn sie beeinträchtigt das Gericht eines anderen Mitgliedstaats darin, die ihm durch die Verordnung Nr. 44/2001 verliehenen Befugnisse auszuüben, nämlich auf der Grundlage der Bestimmungen der Verordnung über deren Anwendungsbereich, darunter ihres Art. 1 Abs. 2 Buchst. d, über die Anwendbarkeit der Verordnung zu entscheiden.

    Schließlich könnte sich, wenn das nationale Gericht durch eine „anti-suit injunction“ daran gehindert wäre, selbst die Vorfrage der Gültigkeit oder Anwendbarkeit der Schiedsvereinbarung zu prüfen, eine Partei dem Verfahren dadurch entziehen, dass sie sich auf diese Schiedsvereinbarung beruft, und der Kläger, der diese Vereinbarung für hinfällig, unwirksam oder nicht erfüllbar hält, sähe sich dadurch vom Zugang zu dem staatlichen Gericht ausgeschlossen, das er nach Art. 5 Abs. 3 der Verordnung Nr. 44/2001 angerufen hat, und wäre somit einer Form des gerichtlichen Rechtsschutzes beraubt, auf die er Anspruch hat.

    Dieses Ergebnis wird durch Art. II Abs. 3 des am 10. Juni 1958 in New York unterzeichneten Übereinkommens über die Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Schiedssprüche bestätigt, wonach es das Gericht eines Vertragsstaats, das wegen eines Streitgegenstands angerufen wird, hinsichtlich dessen die Parteien eine Schiedsvereinbarung geschlossen haben, ist, das die Parteien auf Antrag einer von ihnen auf das schiedsrichterliche Verfahren verweist, sofern es nicht feststellt, dass die Vereinbarung hinfällig, unwirksam oder nicht erfüllbar ist.

    (vgl. Randnrn. 26-31, 33-34 und Tenor)

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