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Document 62007CJ0014

    Leitsätze des Urteils

    Schlüsselwörter
    Leitsätze

    Schlüsselwörter

    1. Justizielle Zusammenarbeit in Zivilsachen – Zustellung gerichtlicher und außergerichtlicher Schriftstücke – Verordnung Nr. 1348/2000 – Verfahrenseinleitendes Schriftstück – Begriff

    (Verordnung Nr. 1348/2000 des Rates, Art. 8 Abs. 1)

    2. Justizielle Zusammenarbeit in Zivilsachen – Zustellung gerichtlicher und außergerichtlicher Schriftstücke – Verordnung Nr. 1348/2000 – Zustellung eines Schriftstücks, das in einer anderen Sprache als der Amtssprache des Empfangsmitgliedstaats verfasst ist

    (Verordnung Nr. 1348/2000 des Rates, Art. 8 Abs. 1)

    3. Justizielle Zusammenarbeit in Zivilsachen – Zustellung gerichtlicher und außergerichtlicher Schriftstücke – Verordnung Nr. 1348/2000 – Zustellung eines Schriftstücks, das in einer anderen Sprache als der Amtssprache des Empfangsmitgliedstaats verfasst ist

    (Verordnung Nr. 1348/2000 des Rates, Art. 8 Abs. 1 Buchst. b)

    4. Justizielle Zusammenarbeit in Zivilsachen – Zustellung gerichtlicher und außergerichtlicher Schriftstücke – Verordnung Nr. 1348/2000 – Zustellung eines Schriftstücks, das in einer anderen Sprache als der Amtssprache des Empfangsmitgliedstaats verfasst ist

    (Verordnung Nr. 1348/2000 des Rates, Art. 8 Abs. 1)

    Leitsätze

    1. Der Begriff des zuzustellenden Schriftstücks in Art. 8 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1348/2000 über die Zustellung gerichtlicher und außergerichtlicher Schriftstücke in Zivil- oder Handelssachen in den Mitgliedstaaten wird, wenn es sich um ein verfahrenseinleitendes Schriftstück handelt, dahin ausgelegt, dass er das Schriftstück oder die Schriftstücke bezeichnet, deren rechtzeitige Zustellung an den Beklagten diesen in die Lage versetzt, seine Rechte in einem gerichtlichen Verfahren des Übermittlungsstaats geltend zu machen. Einem solchen Schriftstück müssen sich mit Bestimmtheit zumindest Gegenstand und Grund des Antrags sowie die Aufforderung, sich vor Gericht einzulassen, oder, nach Art des laufenden Verfahrens, die Möglichkeit zur Einlegung eines gerichtlichen Rechtsbehelfs entnehmen lassen. Unterlagen, die lediglich eine Beweisfunktion haben und für das Verständnis von Gegenstand und Grund des Antrags nicht unerlässlich sind, sind kein integrierender Bestandteil des verfahrenseinleitenden Schriftstücks im Sinne dieser Verordnung.

    (vgl. RandNr. 73)

    2. Art. 8 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1348/2000 über die Zustellung gerichtlicher und außergerichtlicher Schriftstücke in Zivil- oder Handelssachen in den Mitgliedstaaten ist dahin auszulegen, dass der Empfänger eines zuzustellenden verfahrenseinleitenden Schriftstücks nicht berechtigt ist, dessen Annahme zu verweigern, sofern es ihn in die Lage versetzt, im Rahmen eines gerichtlichen Verfahrens im Übermittlungsmitgliedstaat seine Rechte geltend zu machen, wenn diesem Schriftstück Anlagen beigefügt sind, die aus Beweisunterlagen bestehen, die nicht in der Sprache des Empfangsmitgliedstaats oder einer Sprache des Übermittlungsmitgliedstaats, die der Empfänger versteht, abgefasst sind, aber lediglich Beweisfunktion haben und für das Verständnis von Gegenstand und Grund des Antrags nicht unerlässlich sind.

    Zum einen ergibt nämlich die Prüfung mehrerer Bestimmungen des Haager Zustellungsübereinkommens von 1965, des Brüsseler Übereinkommens vom 27. September 1968 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen in seiner geänderten Fassung und des Übereinkommens vom 26. Mai 1997 über die Zustellung gerichtlicher und außergerichtlicher Schriftstücke in Zivil- oder Handelssachen in den Mitgliedstaaten der Europäischen Union, der Verordnungen Nrn. 1348/2000 und 44/2001 sowie der Angaben der Mitgliedstaaten nach Art. 14 Abs. 2 der Verordnung Nr. 1348/2000, dass die Übersetzung eines verfahrenseinleitenden Schriftstücks auf Veranlassung des Klägers nicht als unerlässlich für die Wahrnehmung der Verteidigungsrechte des Beklagten angesehen wird; diesem muss lediglich eine hinreichende Frist verbleiben, die es ihm ermöglicht, das Schriftstück übersetzen zu lassen und Vorkehrungen für seine Verteidigung zu treffen.

    Zum anderen geht aus der autonomen Auslegung des Begriffs des verfahrenseinleitenden Schriftstücks hervor, dass ein solches Schriftstück die Unterlage oder – wenn sie ihrem Wesen nach miteinander zusammenhängen – die Unterlagen enthalten muss, die es dem Beklagten erlauben, den Gegenstand und die Begründung des Rechtsbehelfs des Klägers zu verstehen und zu erkennen, dass ein gerichtliches Verfahren besteht, in dessen Verlauf er seine Rechte geltend machen kann. Unterlagen hingegen, die lediglich eine vom Gegenstand der Zustellung selbst zu unterscheidende Beweisfunktion haben und die insofern nicht ihrem Wesen nach mit der Klageschrift zusammenhängen, als sie für das Verständnis des Gegenstands und des Grundes der Klage nicht unerlässlich sind, sind kein integrierender Bestandteil des verfahrenseinleitenden Schriftstücks im Sinne dieser Vorschrift. Es ist Sache des nationalen Gerichts, zu prüfen, ob der Inhalt des verfahrenseinleitenden Schriftstücks ausreicht, um es dem Beklagten zu ermöglichen, seine Rechte geltend zu machen, oder ob es dem Absender obliegt, dem Fehlen einer Übersetzung einer unerlässlichen Anlage abzuhelfen.

    (vgl. Randnrn. 52, 56, 64-65, 69, 75, 78, Tenor 1)

    3. Art. 8 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung Nr. 1348/2000 über die Zustellung gerichtlicher und außergerichtlicher Schriftstücke in Zivil- oder Handelssachen in den Mitgliedstaaten ist dahin auszulegen, dass der Umstand, dass der Empfänger eines zugestellten Schriftstücks in Ausübung seiner gewerblichen Tätigkeit in einem Vertrag mit dem Kläger vereinbart hat, dass der Schriftverkehr in der Sprache des Übermittlungsmitgliedstaats geführt wird, keine Vermutung für Sprachkenntnisse begründet, sondern ein Anhaltspunkt ist, den das Gericht berücksichtigen kann, wenn es prüft, ob der Empfänger die Sprache des Übermittlungsmitgliedstaats so versteht, dass er diese Rechte geltend machen kann.

    (vgl. RandNr. 88, Tenor 2)

    4. Art. 8 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1348/2000 über die Zustellung gerichtlicher und außergerichtlicher Schriftstücke in Zivil- oder Handelssachen in den Mitgliedstaaten ist dahin auszulegen, dass sich der Empfänger eines zugestellten verfahrenseinleitenden Schriftstücks jedenfalls nicht auf diese Vorschrift berufen kann, um die Annahme von Anlagen eines Schriftstücks zu verweigern, die nicht in der Sprache des Empfangsmitgliedstaats oder einer Sprache des Übermittlungsmitgliedstaats abgefasst sind, die der Empfänger versteht, wenn er in Ausübung seiner gewerblichen Tätigkeit einen Vertrag geschlossen und darin vereinbart hat, dass der Schriftverkehr in der Sprache des Übermittlungsmitgliedstaats geführt wird, und die Anlagen sowohl diesen Schriftverkehr betreffen als auch in der vereinbarten Sprache abgefasst sind.

    Die Übersetzung der Anlagen kann nämlich verlangt werden, wenn der Inhalt dieses Schriftstücks, das übersetzt worden ist, nicht ausreicht, um ihm den Grund und den Gegenstand des Antrags zu entnehmen und um dem Beklagten zu erlauben, seine Rechte geltend zu machen. Eine solche Übersetzung ist indessen nicht erforderlich, wenn aus den tatsächlichen Umständen hervorgeht, dass der Empfänger des verfahrenseinleitenden Schriftstücks Kenntnis vom Inhalt dieser Anlagen hatte. Dies ist dann der Fall, wenn er deren Verfasser ist oder wenn davon ausgegangen wird, dass er deren Inhalt versteht, beispielsweise deshalb, weil er im Rahmen seiner gewerblichen Tätigkeit einen Vertrag unterzeichnet hat, in dem er vereinbart hat, dass der Schriftverkehr in der Sprache des Übermittlungsmitgliedstaats geführt wird, und die Anlagen sowohl diesen Schriftverkehr betreffen als auch in der vereinbarten Sprache abgefasst sind.

    (vgl. Randnrn. 90-92, Tenor 3)

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