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Document 62001CJ0101

Leitsätze des Urteils

Schlüsselwörter
Leitsätze

Schlüsselwörter

1. Rechtsangleichung — Richtlinie 95/46 — Anwendungsbereich — Begriff ganz oder teilweise automatisierte Verarbeitung personenbezogener Daten — Handlung, die darin besteht, auf einer Internetseite auf verschiedene Personen hinzuweisen und sie entweder durch ihren Namen oder auf andere Weise erkennbar zu machen — Einbeziehung — Ausnahmen — Spezifische Tätigkeiten der Staaten oder der staatlichen Stellen, die mit den Tätigkeitsbereichen von Einzelpersonen nichts zu tun haben — Tätigkeiten, die zum Privat- oder Familienleben von Einzelpersonen gehören — Zur Ausübung ehrenamtlicher und religionsgemeinschaftlicher Tätigkeiten erfolgende Verarbeitung personenbezogener Daten, die in deren Veröffentlichung im Internet besteht — Ausschluss — (Richtlinie 95/46 des Europäischen Parlaments und des Rates, Artikel 3 Absätze 1 und 2, erster und zweiter Gedankenstrich)

2. Rechtsangleichung — Richtlinie 95/46 — Anwendungsbereich — Begriff personenbezogene Daten über Gesundheit — Angabe einer Fußverletzung, die zu einer Teilkrankschreibung geführt habe — Einbeziehung — (Richtlinie 95/46 des Europäischen Parlaments und des Rates, Artikel 8 Absatz 1)

3. Rechtsangleichung — Richtlinie 95/46 — Übermittlung personenbezogener Daten in ein Drittland — Begriff — Aufnahme von Daten in eine Internetseite, die Personen einschließlich solcher aus Drittstaaten zugänglich gemacht werden, die über die technischen Mittel für diesen Zugang verfügen — Ausschluss — (Richtlinie 95/46 des Europäischen Parlaments und des Rates, Artikel 25)

4. Rechtsangleichung — Richtlinie 95/46 — Beachtung der Grundrechte — Meinungsfreiheit — Verpflichtung der nationalen Behörden, die für die Anwendung der die Richtlinie umsetzenden nationalen Regelung zuständig sind, ein angemessenes Gleichgewicht zwischen den betroffenen Rechten und Interessen sicherzustellen — (Europäische Menschenrechtskonvention, Artikel 10; Richtlinie 95/46 des Europäischen Parlaments und des Rates)

5. Rechtsangleichung — Richtlinie 95/46 — Nationale Rechtsvorschriften zur Gewährleistung des Schutzes personenbezogener Daten — Notwendigkeit der Vereinbarkeit sowohl mit den Bestimmungen als auch mit dem Ziel der Richtlinie — Möglichkeit für den Mitgliedstaat, den Geltungsbereich der nationalen Rechtsvorschriften auf vom Anwendungsbereich dieser Richtlinie nicht erfasste Bereiche auszudehnen — Grenzen — (Richtlinie 95/46 des Europäischen Parlaments und des Rates)

Leitsätze

1. Die Handlung, die darin besteht, auf einer Internetseite auf verschiedene Personen hinzuweisen und diese entweder durch ihren Namen oder auf andere Weise, etwa durch Angabe ihrer Telefonnummer oder durch Informationen über ihr Arbeitsverhältnis oder ihre Freizeitbeschäftigungen, erkennbar zu machen, stellt eine „ganz oder teilweise automatisierte Verarbeitung personenbezogener Daten“ im Sinne von Artikel 3 Absatz 1 der Richtlinie 95/46 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten und zum freien Datenverkehr dar. Eine solche Verarbeitung personenbezogener Daten, die zur Ausübung ehrenamtlicher und religionsgemeinschaftlicher Tätigkeiten erfolgt, fällt unter keine der in Artikel 3 Absatz 2 der Richtlinie 95/46 genannten Ausnahmen.

Zum einen betrifft nämlich die im ersten Gedankenstrich dieses Absatzes 2 vorgesehene erste Ausnahme die Verarbeitung personenbezogener Daten, die für die Ausübung von Tätigkeiten erfolgt, die nicht in den Anwendungsbereich des Gemeinschaftsrechts fallen, beispielsweise Tätigkeiten gemäß den Titeln V und VI des Vertrags über die Europäische Union, und jedenfalls Verarbeitungen betreffend die öffentliche Sicherheit, die Landesverteidigung, die Sicherheit des Staates (einschließlich seines wirtschaftlichen Wohls, wenn diese Verarbeitungen die Sicherheit des Staates berühren) und die Tätigkeiten des Staates im strafrechtlichen Bereich. Die in dieser Bestimmung beispielhaft aufgeführten Tätigkeiten sind jedenfalls spezifische Tätigkeiten der Staaten oder der staatlichen Stellen, die mit den Tätigkeitsbereichen von Einzelpersonen nichts zu tun haben, und sollen dazu dienen, den Anwendungsbereich der dort geregelten Ausnahme festzulegen, so dass diese nur für Tätigkeiten gilt, die entweder dort ausdrücklich genannt sind oder derselben Kategorie zugeordnet werden können. Ehrenamtliche oder religionsgemeinschaftliche Tätigkeiten sind jedoch den in dieser Bestimmung genannten Tätigkeiten nicht gleichzustellen und werden daher von dieser Ausnahme nicht erfasst. Zum anderen sind mit der im zweiten Gedankenstrich dieses Absatzes 2 vorgesehenen Ausnahme nur Tätigkeiten gemeint, die zum Privat- oder Familienleben von Einzelpersonen gehören, was offensichtlich nicht der Fall ist bei der Verarbeitung personenbezogener Daten, die in deren Veröffentlichung im Internet besteht, so dass diese Daten einer unbegrenzten Zahl von Personen zugänglich gemacht werden.

vgl. Randnrn. 27, 38, 43-48, Tenor 1-2

2. Dass sich eine Person den Fuß verletzt hat und partiell krankgeschrieben ist, gehört zu den personenbezogenen Daten über die Gesundheit im Sinne von Artikel 8 Absatz 1 der Richtlinie 95/46 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten und zum freien Datenverkehr. Angesichts des Zweckes der Richtlinie 95/46 ist nämlich der in dieser Bestimmung verwendete Begriff " Daten über Gesundheit" in dem Sinne weit auszulegen, dass er sich auf alle Informationen bezieht, die die Gesundheit einer Person unter allen Aspekten ─ körperlichen wie psychischen ─ betreffen.

vgl. Randnrn. 50-51, Tenor 3

3. Es liegt keine „Übermittlung von Daten in ein Drittland“ im Sinne von Artikel 25 der Richtlinie 95/46 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten und zum freien Datenverkehr vor, wenn eine sich in einem Mitgliedstaat aufhaltende Person in eine Internetseite, die bei einer in demselben oder einem anderen Mitgliedstaat ansässigen natürlichen oder juristischen Person gespeichert ist, die die Website unterhält, auf der diese Seite abgerufen werden kann, personenbezogene Daten aufnimmt und diese damit jeder Person, die eine Verbindung zum Internet herstellt, einschließlich Personen in Drittländern, zugänglich macht.

Angesichts des Entwicklungsstands des Internets zur Zeit der Ausarbeitung der Richtlinie 95/46 und des Fehlens von Kriterien für die Internetbenutzung in Kapitel IV dieser Richtlinie, in dem Artikel 25 steht und das Bestimmungen für die von den Mitgliedstaaten vorzunehmende Kontrolle der Übermittlung personenbezogener Daten in Drittländer und zum Verbot solcher Übermittlungen für den Fall, dass das betreffende Drittland kein angemessenes Schutzniveau bietet, enthält, kann nämlich nicht angenommen werden, dass der Gemeinschaftsgesetzgeber unter den Begriff „Übermittlung von Daten in ein Drittland“ im Vorgriff auch eine solche Aufnahme von Daten in eine Internetseite fassen wollte, auch wenn diese Daten dadurch Personen aus Drittländern zugänglich gemacht werden, die über die technischen Mittel für diesen Zugang verfügen.

vgl. Randnrn. 63-64, 68, 71, Tenor 4

4. Die Bestimmungen der Richtlinie 95/46 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten und zum freien Datenverkehr enthalten als solche keine Beschränkung, die im Widerspruch zum allgemeinen Grundsatz der Meinungsfreiheit oder zu anderen innerhalb der Europäischen Union geltenden Rechten und Freiheiten steht, die u. a. dem Recht aus Artikel 10 der Europäischen Menschenrechtskonvention entsprechen. Es ist Sache der nationalen Behörden und Gerichte, die für die Anwendung der diese Richtlinie umsetzenden nationalen Regelung zuständig sind, ein angemessenes Gleichgewicht zwischen den betroffenen Rechten und Interessen einschließlich der durch die Gemeinschaftsrechtsordnung geschützten Grundrechte sicherzustellen.

vgl. Randnr. 90, Tenor 5

5. Die von den Mitgliedstaaten zur Gewährleistung des Schutzes personenbezogener Daten getroffenen Maßnahmen müssen sowohl mit den Bestimmungen der Richtlinie 95/46 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten und zum freien Datenverkehr als auch mit deren Ziel im Einklang stehen, ein Gleichgewicht zwischen dem freien Verkehr personenbezogener Daten und dem Schutz der Privatsphäre zu wahren. Dagegen sind die Mitgliedstaaten durch nichts daran gehindert, den Geltungsbereich der diese Richtlinie umsetzenden innerstaatlichen Rechtsvorschriften auf von ihrem Anwendungsbereich nicht erfasste Bereiche auszudehnen, soweit dem keine andere Bestimmung des Gemeinschaftsrechts entgegensteht.

vgl. Randnr. 99, Tenor 6

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