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Document 52005DC0405

Mitteilung der Kommission an den Rat, das Europäische Parlament, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss und den Ausschuss der Regionen - Freiberufliche Dienstleistungen - Raum für weitere Reformen - Follow-up zum Bericht über den Wettbewerb bei freiberuflichen Dienstleistungen, KOM(2004) 83 vom 9. Februar 2004 (SEK(2005) 1064)

/* KOM/2005/0405 endg. */

52005DC0405

Mitteilung der Kommission an den Rat, das Europäische Parlament, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss und den Ausschuss der Regionen - Freiberufliche Dienstleistungen - Raum für weitere Reformen - Follow-up zum Bericht über den Wettbewerb bei freiberuflichen Dienstleistungen, KOM(2004) 83 vom 9. Februar 2004 (SEK(2005) 1064) /* KOM/2005/0405 endg. */


[pic] | KOMMISSION DER EUROPÄISCHEN GEMEINSCHAFTEN |

Brüssel, den 5.9.2005

KOM(2005) 405 endgültig

.

MITTEILUNG DER KOMMISSION AN DEN RAT, DAS EUROPÄISCHE PARLAMENT, DEN EUROPÄISCHEN WIRTSCHAFTS- UND SOZIALAUSSCHUSS UND DEN AUSSCHUSS DER REGIONEN

Freiberufliche Dienstleistungen - Raum für weitere ReformenFollow-up zum Bericht über den Wettbewerb bei freiberuflichen Dienstleistungen, KOM(2004) 83 vom 9. Februar 2004(SEK(2005) 1064)

INHALTSVERZEICHNIS

1. Hintergrund 3

2. Genauere Definition des öffentlichen Interesses 5

3. Tätigkeiten der Kommission und der nationalen Wettbewerbsbehörden 6

4. Fortschritte in den Mitgliedstaaten 7

5. Anwendung der EU-Wettbewerbsregeln 9

6. Schlussfolgerungen 11

7. Ausblick 11

ANHANG: Fortschritte der Mitgliedstaaten bei der Überprüfung und Beseitigung von Wettbewerbsbeschränkungen im Bereich freiberuflicher Dienstleistungen, SEK(2005)1064

HINTERGRUND

1. Freiberufliche Dienstleistungen sind ein Schlüsselsektor der europäischen Wirtschaft, wobei den zu erbringenden Dienstleistungen erhebliche öffentliche Bedeutung zukommt. Wie aus den Angaben für 2001 hervorgeht, erwirtschafteten "Dienstleistungen für Unternehmen"[1] einen Umsatz von mehr als 1 281 Mrd. EUR, das entspricht rund 8 % des Gesamtumsatzes in der EU.[2] Dies erzeugte, im Vergleich zu 2001, einen Mehrwert von über 660 Milliarden Euros. Etwa ein Drittel davon kann "freiberuflichen Dienstleistungen" zugeschrieben werden. So geht die irische Wettbewerbsbehörde davon aus, dass sich allein die Ausgaben für Rechtsberatung 2001 in Irland auf 1.140 Mio. EUR beliefen, das sind fast 1 % des gesamten BIP. Im Bereich "sonstige Dienstleistungen für Unternehmen" waren 2004[3] nahezu 12 Mio. Menschen beschäftigt, das entspricht einem Anteil von 6,4 % an der Gesamtbeschäftigung vergleichen mit 5,7 % im Jahr 2002.[4]

2. Freie Berufe sind durch ein hohes Maß an Regulierung geprägt. Häufig handelt es sich um einen Mix aus staatlichen Vorschriften, Selbstregulierung und traditioneller Praxis, der sich im Laufe der Zeit herausgebildet hat.

3. Wie wichtig die Liberalisierung sämtlicher Märkte und die Beseitigung unnötiger Reglementierung für die Stärkung des Wettbewerbs ist, wurde im Kok-Bericht vom November 2004 unterstrichen. Darin wird eine systematische Überprüfung von Regelungen gefordert um sicherzustellen, dass die Wirtschaftstätigkeit nicht unnötig behindert wird.[5] In diesem Sinne wird in der Mitteilung der Kommission für die Frühjahrstagung 2005 des Europäischen Rates und in der erneuerten Lissabon-Strategie eine bessere Regelungspraxis zur Förderung wettbewerbsfähiger Märkte als ein Schlüsselanliegen der Zukunft herausgestellt. Darüber hinaus hat der Europäische Rat in den Schlussfolgerungen auf seiner Tagung vom März 2005 die Bedeutung dieser Aufgabe unterstrichen und die Mitgliedstaaten aufgefordert, die innerstaatlichen Rechtsvorschriften auf die Vereinbarkeit mit den EU-Regeln zu überprüfen, um Marktbarrieren zu beseitigen und den Wettbewerb im Binnenmarkt zu fördern.[6]

4. Die Arbeiten der Kommission im Bereich freiberuflicher Dienstleistungen sind in diesem Kontext zu sehen. Geprüft werden soll, ob der derzeitige Regelungsmix wirklich effizient ist und den Wettbewerb möglichst wenig einschränkt oder ob eine bessere Regelungspraxis, die den heutigen Gegebenheiten stärker angepasst ist, dazu beitragen könnte, das Wirtschaftswachstum anzukurbeln und den Verbrauchern bessere und höherwertige Dienstleistungen anzubieten.

5. Im Anschluss an eine Bestandsaufnahme in den Jahren 2002/2003, um sich einen Überblick über die derzeitige Regulierungspraxis zu verschaffen, veröffentlichte die Kommission im Februar 2004 einen Bericht über den Wettbewerb bei freiberuflichen Dienstleistungen[7] (nachstehend "Bericht von 2004" genannt). Ergänzt wurde der Bericht durch das Arbeitspapier "Stand der Regulierung der freien Berufe - Übersicht über die Rechtslage in den EU-Mitgliedstaaten", veröffentlicht im November 2004[8].

6. Die Kommission befasste sich vor allem mit sechs Berufen - Rechtsanwälte, Notare, Ingenieure, Architekten, Apotheker und Wirtschaftsprüfer (einschließlich den verwandten Beruf des Steuerberaters) und untersuchte im Wesentlichen fünf Wettbewerbsbeschränkungen: (i) verbindliche Festpreise, (ii) Preisempfehlungen, (iii) Regeln für die Werbung, (iv) Zugangsvoraussetzungen und ausschließliche Rechte und (v) Vorschriften für die zulässige Unternehmensform und die berufsübergreifende Zusammenarbeit.

7. Die herkömmlichen restriktiven Regeln haben häufig wettbewerbsbeschränkende Wirkung. Solche Regelungen können den Wettbewerb zwischen Leistungserbringern ausschalten oder begrenzen und so die Anreize für Freiberufler mindern, kosteneffizient und kostengünstig zu arbeiten, die Servicequalität zu verbessern oder innovative Dienstleistungen anzubieten. Dies ist schlecht für den Verbraucher und generell für die Wirtschaft und die Gesellschaft. Ein besseres und breiter gefächertes Angebot an freiberuflichen Dienstleistungen könnte auch die Nachfrage steigern, was sich wiederum positiv auf die Schaffung von Arbeitsplätzen in diesem wichtigen Sektor auswirken könnte, der eine hochqualifizierte und hochbezahlte Beschäftigung bietet.[9]

8. Im Bericht von 2004 schlug die Kommission vor, einen Verhältnismäßigkeitstest durchzuführen um zu ermitteln, inwieweit wettbewerbswidrige Berufsvorschriften und -regeln tatsächlich dem öffentlichen Interesse dienen und objektiv gerechtfertigt sind. Hierzu wurde in dem besagten Bericht angeregt, dass alle Beschränkungen ein klar artikuliertes Ziel verfolgen sollten und erkennbar sein muss, weshalb die gewählte Regulierungsmaßnahme das den Wettbewerb am wenigsten einschränkende Mittel ist, um das vorgegebene Ziel effektiv zu erreichen. Die Kommission forderte alle Beteiligten – nationale Regulierungsbehörden und berufsständische Einrichtungen[10] - auf, partnerschaftlich zusammenzuarbeiten, um die geltenden Regeln darauf hin zu überprüfen, ob sie im öffentlichen Interesse notwendig, verhältnismäßig und gerechtfertigt sind. Für die Zwecke dieser Mitteilung werden die Beschränkungen, die den Verhältnismäßigkeitstest, wie im Bericht von 2004 angeregt, nicht bestehen, als "ungerechtfertigt" oder "unverhältnismäßig" bezeichnet.

9. Die Mitteilung berichtet über die Fortschritte in den Mitgliedstaaten bei der Überprüfung und Beseitigung solcher ungerechtfertigter Beschränkungen[11], gestützt auf die detaillierte Analyse, die in dem beigefügten Arbeitspapier der Kommission enthalten ist.[12]

GENAUERE DEFINITION DES ÖFFENTLICHEN INTERESSES

10. Es gibt Gründe, die für eine gewisse Reglementierung bestimmter freiberuflicher Dienstleistungen sprechen:

11. Erstens, die "Asymmetrie der Information" zwischen Klienten und Dienstleistern, denn gerade freiberufliche Dienstleistungen verlangen ein hohes Maß an Fachwissen. Die Verbraucher verfügen möglicherweise nicht über dieses Wissen und können daher die Qualität der erworbenen Dienstleistungen nur schwer beurteilen.

12. Zweitens, die "externen Effekte", d.h. die Erbringung einer Dienstleistung kann auch Auswirkungen auf Dritte haben. Eine fehlerhafte Buchprüfung kann beispielsweise Gläubiger und Investoren täuschen.

13. Drittens, bestimmte freiberufliche Dienstleistungen gelten als "öffentliches Gut" und sind für die Gesellschaft als Ganzes von Bedeutung, wie etwa eine funktionierende Justizverwaltung. Es ist denkbar, dass solche Dienstleistungen ohne Reglementierung nicht in ausreichendem oder angemessenem Maße bereitgestellt würden.

14. Diese Faktoren berühren jedoch nicht alle Nutzer freiberuflicher Dienstleistungen gleichermaßen. Aufgrund dessen und nach Beratungen mit den Berufsverbänden, Nutzern und Mitgliedstaaten (Wettbewerbs- und Regulierungsbehörden) ist die Kommission zu dem Schluss gekommen, dass die Wirtschaftsanalyse des Marktes für freiberufliche Dienstleistungen neu definiert und vertieft werden sollte und vor allem stärker zu berücksichtigen ist, was auf den einzelnen Märkten mit dem Begriff des öffentlichen Interesses gemeint ist. Dies würde ein besseres Verständnis des Wechselspiels zwischen Angebot und Nachfrage für die verschiedenen freiberuflichen Dienstleistungen erleichtern und dazu beitragen, den Rahmen für die Überprüfung geltender Regelungen abzustecken.

15. Die Kommission hat eine Analyse der verschiedenen Märkte vorgenommen. Diese ist in dem beigefügten Arbeitsdokument der Kommissionsdienststellen enthalten. Generell wird definiert, wer die verschiedenen Dienstleistungen - kleine oder große Unternehmen, Verbraucher oder der öffentliche Sektor - erwirbt bzw. nutzt und danach eingehender untersucht, wie sich die bestehende Regelungspraxis auf diese Nutzer auswirkt.

16. Wichtigstes Ergebnis ist, dass einmalige Nutzer, im Allgemeinen einzelne Verbraucher und Haushalte, einen gewissen gezielten Schutz benötigen. Die Hauptnutzer freiberuflicher Dienstleistungen hingegen - Unternehmen und öffentlicher Sektor - benötigen keinen bzw. nur einen sehr begrenzten Regelungsschutz, da sie besser in der Lage sind, die ihren Bedürfnissen entsprechenden Anbieter auszuwählen. Weniger klar ist die Lage in Bezug auf kleine Unternehmen, so dass weitere Analysen erforderlich sind, um im Einzelnen zu ermitteln, inwieweit hier ein Bedarf an Regelungsschutz besteht. Überdies bietet der gegenwärtige Regulierungsrahmen wenig Spielraum für neue, innovative und nachfrageorientierte Dienstleistungen. Dies wiederum kann Kosten für Unternehmen verursachen. Daher sind bei der Überprüfung bestimmter Regelungen und Vorschriften die unterschiedlichen Interessen der Nutzergruppen vorrangig zu beachten.

TÄTIGKEITEN DER KOMMISSION UND DER NATIONALEN WETTBEWERBSBEHÖRDEN

17. Die Kommission hat 2004 einen strukturierten Dialog mit den europäischen Berufsverbänden der Rechtsanwälte, Notare, Ingenieure, Architekten, Wirtschaftsprüfer, Steuerberater und Apotheker sowie den nationalen Regulierungsbehörden eingeleitet um zu erörtern, inwieweit die geltenden Berufsregeln gerechtfertigt sind und wie sie wettbewerbsfreundlicher gestaltet werden können. Dabei ist festzustellen, dass sich die Reformakzeptanz danach richtet, wie weit die Öffnung und Deregulierung des betreffenden Berufs bereits vorangeschritten ist.

18. Die nationalen Wettbewerbsbehörden waren ebenfalls aktiv und berichteten mehrheitlich über diesbezügliche Anstrengungen im Zeitraum 2004/05. Dazu gehören u.a.:

19. bilaterale Gespräche mit nationalen Regulierungsbehörden und Berufsverbänden;

20. Teilnahme an Seminaren/Konferenzen über den Wettbewerb in freien Berufen;

21. Abgabe von Stellungnahmen zu Gesetzentwürfen, die möglicherweise wettbewerbsbeschränkende Bestimmungen enthalten und

22. Bestandsaufnahmen und Sektorstudien.

23. Diese Anstrengungen haben dazu geführt, dass einige ungerechtfertigte Beschränkungen im Sinne von Ziffer 8 beseitigt und mit staatlicher Unterstützung Ausschüsse gebildet wurden, um die vorgebrachten Empfehlungen eingehend zu prüfen und Vorschläge für durchgreifendere Reformen zu unterbreiten. Auch die EFTA-Überwachungsbehörde hat 2004 den Stand der Regulierung freiberuflicher Dienstleistungen in drei EFTA-Ländern (Island, Liechtenstein und Norwegen) untersucht[13].

FORTSCHRITTE IN DEN MITGLIEDSTAATEN

24. Tabelle 1 gibt einen Überblick über die Fortschritte der Mitgliedstaaten im Zeitraum 2004/2005 bei der Überprüfung und Beseitigung unverhältnismäßiger gesetzlicher Beschränkungen und berufsständischer Regelungen.[14] Zur Bewertung wurden die von den Mitgliedstaaten übermittelten Informationen herangezogen. Die erzielten Fortschritte müssen im Kontext des bestehenden Regelungsrahmens gesehen werden. Folglich ist in Ländern mit einem niedrigen Reglementierungsgrad der Reformbedarf geringer (siehe Schaubild 1 und 2).

25. Wie die Tabelle zeigt, sind die meisten Fortschritte in den Ländern erzielt worden, die über ein strukturiertes Programm für eine wettbewerbsfreundliche Regulierungsreform verfügen wie Dänemark, die Niederlande und das Vereinigte Königreich. Auch gehören diese Länder zu denen mit dem niedrigsten Reglementierungsgrad. Überdies ist festzustellen, dass in diesen Ländern eine enge Partnerschaft zwischen Regierung und nationalen Wettbewerbsbehörden besteht und vor einer tiefgreifenden Reform eines bestimmten Sektors häufig eine eingehende Analyse bestehender Beschränkungen durch die Wettbewerbsbehörde durchgeführt wurde. Ebenso hat die Erfahrung gezeigt, dass in diesen Ländern zuerst Festpreise und Werbebeschränkungen angegangen wurden, an die sich weiter reichende Strukturreformen anschließen.

26. Deshalb ist es ermutigend, dass über ein Drittel (insgesamt 9) der Mitgliedstaaten über laufende analytische Arbeiten berichten, die in naher Zukunft hoffentlich zu substanziellen Reformen führen. Sechs weitere Länder berichten über kleinere Reformen, wie eine leichte Lockerung der qualitativen Zugangsqualifikationen. In den anderen sieben Ländern kommt der Reformprozess nur langsam in Gang und es sind noch keine diesbezüglichen Arbeiten angelaufen.

Tabelle 1: Umfang der Tätigkeit in den Mitgliedstaaten im Zeitraum 2004/2005 zur Reform von Rechtsvorschriften und Berufsregeln für freiberufliche Dienstleistungen

Umfang der Tätigkeit | Mitgliedstaaten |

Keine Tätigkeit | Tschechische Republik, Zypern, Finnland, Griechenland, Malta, Spanien und Schweden |

Kleinere Reformen | Estland, Österreich, Lettland, Slowenien, Portugal, Ungarn |

Laufende analytische Arbeiten | Belgien, Italien, Luxemburg, Polen |

Kleinere Reformen und analytische Arbeiten | Frankreich, Deutschland, Irland, Litauen, Slowakei |

Tiefgreifende Strukturreform | Dänenmark, Niederlande, Vereinigtes Königreich |

Hinweis: Diesbezügliche Aktivitäten nationaler Wettbewerbsbehörden sind hier nicht berücksichtigt.

Schaubild 1: Index der Regulierungsdichte in den Mitgliedstaaten

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Quelle: IHS Aktualisierte Studie[15], um die neuen Mitgliedstaaten einzubeziehen und die eingeleiteten Reformen zu berücksichtigen.

Schaubild 2: Vergleich zwischen der Reformtätigkeit der Mitgliedstaaten (Tabelle 1) und der bestehenden Regulierungsdichte (Schaubild 1)

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Hinweis: Malta wurde wegen fehlender Angaben nicht berücksichtigt.

ANWENDUNG DER EU-WETTBEWERBSREGELN

27. Nach der Modernisierung der Wettbewerbsregeln können die nationalen Wettbewerbsbehörden und die nationalen Gerichte nunmehr Artikel 81 EG-Vertrag in seiner Gesamtheit anwenden, d.h. sie können darüber entscheiden, ob eine Beschränkung im Sinne von Artikel 81 Absatz 1 vorliegt und ob die Voraussetzungen des Artikels 81 Absatz 3 gegeben sind, so dass das Verbot nicht greift. Darüber hinaus können die nationalen Wettbewerbsbehörden und die nationalen Gerichte Artikel 82 EG-Vertrag unmittelbar anwenden. Da sich Ursprung und Wirkung der Wettbewerbsbeschränkungen im Bereich freiberuflicher Dienstleistungen meist auf einen einzigen Mitgliedstaat beziehen, fällt die administrative Durchsetzung hauptsächlich den nationalen Wettbewerbsbehörden zu, während die privatrechtliche Durchsetzung dieser Regeln vor den nationalen Gerichten erfolgen kann.

28. Darüber hinaus hat der Europäische Gerichtshof (EuGH) im CIF-Urteil[16] für Recht erkannt, das eine nationale Wettbewerbsbehörde in den Fällen, in denen Unternehmen gegen Artikel 81 Absatz 1 verstoßen und dieses Verhalten durch nationale Gesetze vorgeschrieben oder erleichtert wird, verpflichtet ist, dieses nationale Gesetz unangewendet zu lassen und Artikel 81 und 82 Wirkung zu verleihen. Näheres über die Durchsetzungsmaßnahmen der Kommission, nationaler Wettbewerbsbehörden und der Gerichte in den Jahren 2004-2005 bei freiberuflichen Dienstleistungen ist dem Arbeitsdokument der Kommissionsdienststellen zu entnehmen. In den sechs Berufen, mit denen sich die Kommission befasst, haben die nationalen Wettbewerbsbehörden nach Maßgabe der EU-Wettbewerbsregeln zehn Fälle aufgegriffen. Dabei ging es um verschiedene Beschränkungen und Berufe. Auch untersuchen die Mitgliedstaaten weiterhin gemäß ihren nationalen Wettbewerbsregeln regional begrenzte Fälle. Die Kommission hat ebenfalls im Juni 2004 eine Entscheidung erlassen, in der die Gebührenordnung mit Mindesthonoraren der belgischen Architektenkammer verurteilt wird.[17] Des Weiteren traf der EuGH am 17. Februar 2005 eine Vorabentscheidung in der Rechtssache Mauri [18], bei der es um das Staatsexamen für den Zugang zur Ausübung der Tätigkeit des Rechtsanwalts in Italien geht. Der EuGH wertete die Fakten anhand der Kriterien, die in der Rechtssache C-35/99 Arduino ausgeführt werden.

29. Die privatrechtliche Durchsetzung vor nationalen Gerichten erstreckt sich nicht nur auf die Artikel 81 und 82, die für Unternehmen und Unternehmensvereinigungen gelten, sondern ist gemäß Artikel 86 Absatz 1 in Verbindung mit Artikel 82 und 81 oder gemäß Artikel 3 Absatz 1 Buchstabe g) und Artikel 10 Absatz 2 in Verbindung mit Artikel 81 und 82 auch gegenüber Mitgliedstaaten möglich.

30. Die Kommission kann die Artikel 81 und 82 nicht nur gegenüber Unternehmen und Unternehmensvereinigungen durchsetzen, sondern auch gegen restriktives Verhalten eines Mitgliedstaates vorgehen. Die Rechtsgrundlage im Bereich freiberuflicher Dienstleistungen bilden bisher Artikel 3 Absatz 1 Buchstabe g) und Artikel 10 Absatz 2 in Verbindung mit Artikel 81. Allerdings ist denkbar, Artikel 86 in Verbindung mit den Artikeln 82 und 81 als Rechtsgrundlage heranzuziehen, sofern die in der Rechtssprechung[19] festgelegten Voraussetzungen erfüllt sind. Gemäß Artikel 86 Absatz 1 sind die Mitgliedstaaten in Bezug auf öffentliche Unternehmen oder auf Unternehmen, denen sie besondere oder ausschließliche Rechte gewähren, verpflichtet, keine dem EG-Vertrag widersprechende Maßnahmen zu treffen oder beizubehalten. Hier geht es um die spezifische Situation, dass ein Mitgliedstaat besonderen Einfluss auf öffentliche Unternehmen hat, da er diese kontrolliert bzw. auf privilegierte Unternehmen, weil er ihnen besondere oder ausschließliche Rechte gewährt. Nach Artikel 86 Absatz 3 achtet die Kommission auf die Anwendung des Artikels 86 und richtet erforderlichenfalls geeignete Richtlinien oder Entscheidungen an die Mitgliedstaaten. Deshalb kann vorgebracht werden, dass die Kommission in geeigneten Fällen auf Artikel 86 Absatz 3 zurückgreifen kann. Dies könnte beispielsweise der Fall sein, wenn zahlenmäßige Beschränkungen der zur Berufsausübung zugelassenen Berufsangehörigen besonderen oder ausschließlichen Rechten gleichkommen. Ob Artikel 86 geltend gemacht werden kann, wird von Fall zu Fall bewertet.

SCHLUSSFOLGERUNGEN

31. Die wichtigste Schlussfolgerung ist, dass mehr Engagement der meisten Mitgliedstaaten für eine systematische wettbewerbsfreundliche Reform dieses Sektors beträchtliche Vorteile für die Wirtschaft und die Verbraucher bringen würde. In der Praxis bedeutet dies, dass die Mitgliedstaaten die "politische Verantwortung" auf nationaler Ebene übernehmen und den Reformprozess voran bringen müssen. Generell anerkannt wurde dies in der Halbzeitüberprüfung der Lissabon-Agenda und den vorerwähnten Schlussfolgerungen des Europäischen Rates, in denen die Lissabon-Agenda neu belebt und auf Wachstum und Beschäftigung ausgerichtet wird und die Mitgliedstaaten aufgefordert wurden, einzelstaatliche Reformprogramme zur Förderung von Wachstum und Beschäftigung vorzulegen und gegebenenfalls einen nationalen "Lissabon-Koordinator" zu benennen.

32. Das Gewicht der Tradition sollte nicht unterschätzt werden, da es das Tempo des Wandels beeinflusst und die Regulierungsträger in zahlreichen Ländern nicht erkennen, wie Dinge anders gestaltet werden können. Auch setzen sich die Berufskreise selbst im Allgemeinen nicht aktiv für Reformen ein. Darüber hinaus deutet Einiges darauf hin, dass in mehreren Ländern kein genaues Bild über die Regelungssituation in den freien Berufe vorliegt. Dies könnte durch das Phänomen des „regulatory capture“, also die Vereinnahmung des Regulierungsakteurs durch die zu regulierende Branche verursacht sein, was besonders in Bereichen, die der Selbstregulierung unterliegen, nicht unüblich ist.

33. Die Kommission räumt ein, dass es das Vorrecht der Mitgliedstaaten ist zu bestimmen, inwieweit die freien Berufe unmittelbar durch staatliche Vorschriften geregelt werden sollen oder ob die Selbstregulierung durch berufsständische Einrichtungen zum Tragen kommt. Im Sinne einer verantwortungsvollen Regierungsführung haben die Mitgliedstaaten allerdings darauf zu achten, dass die Selbstregulierung keine zu restriktiven Auswirkungen hat und die Interessen der Verbraucher gewahrt bleiben.

AUSBLICK

34. Die Kommission setzt sich weiterhin für eine umfassende Modernisierung des Sektors ein und ermutigt die Mitgliedstaaten, die Reformtätigkeit auf nationaler Ebene voranzubringen. In allen Mitgliedstaaten besteht Raum für Verbesserungen.

35. Da restriktive Regelungen auf nationaler Ebene konzipiert werden und dort ihre Wirkung entfalten, obliegt es den nationalen Regulierungsbehörden und berufsständischen Einrichtungen einen Wandel herbeizuführen, wobei die Besonderheiten des betreffenden Berufs in jedem Land zu berücksichtigen sind. Die Erfahrung hat gezeigt, dass ein solcher Prozess nicht ohne starke politische Unterstützung in Gang kommt. Angesichts der Bedeutung des Sektors für die EU-Wirtschaft fordert die Kommission die Mitgliedstaaten auf, die Modernisierung der einschlägigen Berufsregeln in ihre nationalen Reformprogramme zur Umsetzung der Lissabon-Agenda einzubeziehen, die im Herbst 2005 vorgelegt werden sollen. Daher wird im Rahmen des Gesamtkontexts des Lissabon-Prozesses eine weitere Berichterstattung erfolgen.

36. Als erstes sollten die Mitgliedstaaten - soweit dies noch nicht geschehen ist - eine analytische Überprüfung der bestehenden Beschränkungen einleiten. Zunächst könnten die Wettbewerbsbeschränkungen ermittelt werden, die ohne weiteres rasch aufgehoben werden können wie bestimmte Festpreise und Preisempfehlungen oder bestimmte Werbebeschränkungen. Gleichzeitig sollte eine fundiertere Strukturanalyse - beispielsweise der Regulierungsstrukturen - in Angriff genommen werden, um die Notwendigkeit weiter reichender Reformen zu bewerten und den Weg dafür zu ebnen. Auf diese Weise könnten die Mitgliedstaaten bis 2010 gute Fortschritte erzielen.

37. Aufgrund einer vertieften Analyse der verschiedenen Märkte für freiberufliche Dienstleistungen kommt die Kommission zu dem Schluss, dass Verbraucher und einmalige Nutzer einen gewissen, maßgeschneiderten Regelungsschutz benötigen. Hingegen brauchen die Hauptnutzer freiberuflicher Dienstleistungen - Unternehmen und öffentlicher Sektor - keinen bzw. nur einen sehr begrenzten Regelungsschutz. In Bezug auf kleine Unternehmen ist die Lage noch unklar und erfordert weitere Arbeiten, um ihre spezifischen Bedürfnisse zu bewerten. Der gegenwärtige Regelungsrahmen ist für die beiden letztgenannten Nutzergruppen unbefriedigend, da es an Flexibilität mangelt und die Entwicklung innovativer und nachfrageorientierter Dienstleistungen behindert wird.

38. Die Kommission wird weiterhin eine Mittlerfunktion übernehmen und zur Verbreitung erfolgreicher Ansätze beitragen. Sie wird die partnerschaftliche Zusammenarbeit mit den nationalen Wettbewerbsbehörden intensivieren, die zum Teil bereits erfolgsversprechende Anstrengungen unternommen haben, damit sie sich auf nationaler Ebene noch stärker engagieren. Auch wird die Kommission ihre Beziehungen zu nationalen Regulierungsbehörden ausbauen, indem eine strukturiertere Debatte organisiert und die Zusammenarbeit mit ihnen wirkungsvoller gestaltet wird. Dies wird den Weg für mehr Kooperation zwischen nationalen Wettbewerbsbehörden und Regulierungsbehörden ebnen.

39. Als Erstes wird die Kommission in den kommenden Monaten die Ergebnisse dieser Mitteilung umfassend bekannt machen, damit die wichtigsten Botschaften betreffend die notwendige Modernisierung der freien Berufe in Europa von allen Schlüsselakteuren verstanden werden - insbesondere den nationalen Parlamenten und politischen Entscheidungsträgern.

40. Die Kommission wird weitere geeignete Durchsetzungsmaßnahmen anhand der EU-Wettbewerbsregeln in Betracht ziehen und gemäß Artikel 86 tätig werden, wann immer dies möglich und erforderlich ist.

[1] Gruppe 72 "EDV-Dienstleistungen" und Gruppe 74 "Sonstige Dienstleistungen für Unternehmen" der NACE-Systematik. In die Gruppe 74 der NACE-Systematik fallen u.a.: Rechts-, Steuer- und Unternehmensberatung, Wirtschaftsprüfung, Marktforschung; Management- und Marketingberatung; Managementtätigkeiten von Holdinggesellschaften; Architektur- und Ingenieurbüros, Büros für technisch-wirtschaftliche Beratung; Testlabors; Werbung; Personal- und Stellenvermittlung; Wach- und Sicherheitsdienste; Reinigung von Gebäuden, Inventar und Verkehrsmitteln.

[2] Quelle: Eurostat "Entwicklung der Umsätze und der Beschäftigungsindizes für den Dienstleistungssektor im 3. Quartal 2004", Statistik kurz gefasst, 11/2005. Die Daten beziehen sich auf folgende 14 Länder: BE, DK, DE, ES, FR, IE, IT, LU, NL, AT, PT, FI, SE und UK.

[3] Quelle: Eurostat, EU-Erhebung über Arbeitskräfte, 2004.

[4] Die Erfassung von Daten über Unternehmensdienstleistungen soll in die regelmäßigen Jahreserhebungen einbezogen werden, die ab dem Bezugsjahr 2006 bzw. 2007 alle 25 Mitgliedstaaten abdecken werden.

[5] Siehe S. 25 des Berichts der Hochrangigen Sachverständigengruppe unter Vorsitz von Wim Kok, November 2004. Der Bericht ist auf folgender Adresse abrufbar:

http://www.europa.eu.int/growthandjobs/pdf/kok_report_de.pdf .

[6] Schlussfolgerungen des Europäischen Rates vom 22. und 23. März 2005 in Brüssel. Abrufbar auf folgender Adresse: http://www.europa.eu.int/european_council/conclusions/index_de.htm

[7] Der Bericht ist auf folgender Adresse abrufbar: http://europa.eu.int/comm/competition/liberal_professions/final_communication_de.pdf.

[8] Das Arbeitspapier "Stand der Regulierung der freien Berufe - Übersicht über die Rechtslage in den EU-Mitgliedstaaten" vom November 2004 ist auf folgender Adresse abrufbar: http://europa.eu.int/comm/competition/liberalization/conference/overview_of_regulation_in_the_eu_professions.pdf.

[9] Siehe Veröffentlichung der Kommission " Employment in Europe 2004"; in Kapitel 3 wird festgestellt, dass im Vergleich zu den USA das Potenzial zur Arbeitsplatzschaffung im europäischen Dienstleistungssektor, einschließlich der Unternehmens-/freiberuflichen Dienstleistungen bei Weitem noch nicht ausgeschöpft ist. Diese Publikation ist auf folgender Adresse abrufbar: http://europa.eu.int/comm/employment_social/publications/2004/keah04001_en.pdf.

[10] In diesem Zusammenhang bezeichnet der Begriff "berufsständische Einrichtungen" nicht staatliche Selbstregulierungsstellen, während als "nationale Regulierungsbehörden" staatliche Stellen/Einrichtungen bezeichnet werden, denen die Regulierungsaufsicht für bestimmte Berufe obliegt.

[11] Wie in Ziff. 8 definiert.

[12] "Fortschritte der Mitgliedstaaten bei der Überprüfung und Beseitigung ungerechtfertigter Wettbewerbsbeschränkungen im Bereich freiberuflicher Dienstleistungen", Arbeitsdokument der Kommissionsdienststellen , SEK(2005)1064.

[13] Weitere Einzelheiten dazu sind in Abschnitt 3 des Arbeitsdokuments der Kommissionsdienststellen zu finden - siehe Fußnote 112.

[14] Ausführliche Informationen dazu sind in Abschnitt 4 des Arbeitsdokuments der Kommissionsdienststellen zu finden - siehe Fußnote 112.

[15] “Economic Impact of regulation in the field of liberal professions in different EU Member States”, Ian Paterson, Marcel Fink, Anthony Ogus, Institute für Höhere Studien, Wien, Januar 2003, abrufbar unter: http://www.europa.eu.int/comm/competition/liberalization/conference/libprofconference.html .

[16] Rechtssache C-198/01 Consorzio Industrie Fiammiferi (CIF) [2003] Slg. I-08055.

[17] Entscheidung vom 26.6.2004, COMP/38.549 - PO/Belgische Architektenkammer http://www.europa.eu.int/comm/competition/antitrust/cases/index/by_nr_77.html#i38_549 .

[18] Rechtssache C-250/03 Mauri [2005] Slg. I-0000.

[19] Siehe Rechtssache C-475/99 Ambulanz Glockner, [2001] Slg. 1-8089.

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