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Document 32015D1091

Beschluss (EU) 2015/1091 der Kommission vom 9. Juli 2014 über die Massnahmen Lettlands SA.34191 (2012/C) (ex 2012/NN) (ex 2012/CP) zugunsten von A/S Air Baltic Corporation (airBaltic) (Bekanntgegeben unter Aktenzeichen C(2014) 4552) (Text von Bedeutung für den EWR)

ABl. L 183 vom 10.7.2015, p. 1–28 (BG, ES, CS, DA, DE, ET, EL, EN, FR, HR, IT, LV, LT, HU, MT, NL, PL, PT, RO, SK, SL, FI, SV)

Legal status of the document In force

ELI: http://data.europa.eu/eli/dec/2015/1091/oj

10.7.2015   

DE

Amtsblatt der Europäischen Union

L 183/1


BESCHLUSS (EU) 2015/1091 DER KOMMISSION

vom 9. Juli 2014

über die Massnahmen Lettlands SA.34191 (2012/C) (ex 2012/NN) (ex 2012/CP) zugunsten von A/S Air Baltic Corporation (airBaltic)

(Bekanntgegeben unter Aktenzeichen C(2014) 4552)

(Nur der englische Text ist verbindlich)

(Text von Bedeutung für den EWR)

DIE EUROPÄISCHE KOMMISSION —

gestützt auf den Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union, insbesondere auf Artikel 108 Absatz 2 Unterabsatz 1,

gestützt auf das Abkommen über den Europäischen Wirtschaftsraum, insbesondere Artikel 62 Absatz 1 Buchstabe a,

gestützt auf den Beschluss der Kommission zur Eröffnung des Verfahrens nach Artikel 108 Absatz 2 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union wegen der Beihilfe SA.34191 (2012/C) (ex 2012/NN) (ex 2012/CP) (1),

nach Aufforderung der Beteiligten zur Stellungnahme gemäß den genannten Bestimmungen und unter Berücksichtigung ihrer Stellungnahmen,

in Erwägung nachstehender Gründe:

1.   DAS VERFAHREN

1.1.   DIE VORANMELDUNG — SA.33799 (2011/PN)

(1)

Mit SANI-Anmeldung Nr. 6332 vom 18. Oktober 2011, registriert am 20. Oktober 2011, meldete Lettland ein Darlehen in Höhe von 16 Mio. LVL (22,65 Mio. EUR) (2) zugunsten von A/S Air Baltic Corporation (im Folgenden als „airBaltic“ oder „das Unternehmen“ bezeichnet) vorab bei der Kommission an. Lettland war der Auffassung, dass das Darlehen keine staatliche Beihilfe darstelle, nahm aber aus Gründen der Rechtssicherheit und Transparenz dennoch eine Voranmeldung vor. Diese Voranmeldung wurde unter der Nummer SA.33799 (2011/PN) registriert.

(2)

Am 27. Oktober 2011 fand ein Treffen mit Vertretern der lettischen Behörden und deren Beratern statt. Anschließend übermittelte Lettland mit Schreiben vom 7. November 2011 ergänzende Informationen. Mit E-Mail vom 16. November 2011, 17. November 2011, 1. Dezember 2011 und 9. Dezember 2011 stellte die Kommission zusätzliche Auskunftsersuchen, die die lettischen Behörden mit E-Mail vom 16. November 2011, 22. November 2011, 7. Dezember 2011 bzw. 13. Dezember 2011 beantworteten.

(3)

Am 4. Januar 2012 übermittelte Lettland weitere Angaben und erklärte, dass das (in Erwägungsgrund 1.1 genannte) Darlehen von 16. Mio. LVL dem Unternehmen bereits am 21. Oktober 2011 ohne vorherige Genehmigung der Kommission zur Verfügung gestellt worden sei. Darüber hinaus habe der lettische Staat am 13. Dezember 2011 beschlossen, das Kapital der Gesellschaft zu erhöhen, und am 14. Dezember 2011 airBaltic ein weiteres Darlehen gewährt.

(4)

In Anbetracht der Tatsache, dass die Maßnahme dem Unternehmen bereits gewährt worden war und am 9. Januar 2012 eine Beschwerde eingegangen war (siehe Abschnitt 1.2), zog Lettland seine Voranmeldung mit E-Mail vom 21. Februar 2012 zurück. Die Beihilfesache SA.33799 (2011/PN) wurde am 27. Februar 2012 administrativ abgeschlossen.

1.2.   DIE BESCHWERDEN — SA.34191 (2012/C) (ex 2012/NN) (ex 2012/CP)

(5)

Am 9. Januar 2012 ging bei der Kommission eine Beschwerde des Privatunternehmens SIA Baltijas aviācijas sistēmas (im Folgenden als „BAS“ oder „Beschwerdeführer“ bezeichnet), eines ehemaligen Gesellschafters von airBaltic, ein, die eine Reihe mutmaßlicher Maßnahmen des lettischen Staates zugunsten von airBaltic betraf.

(6)

Mit Schreiben vom 23. Januar 2012 übersandte die Kommission die Beschwerde zur Stellungnahme an Lettland, das am 13. März 2012 antwortete. Mit Schreiben vom 14. Mai 2012 ersuchte die Kommission Lettland um zusätzliche Auskünfte, die am 16. Juli 2012 übermittelt wurden.

(7)

Mit Schreiben vom 18. Juli 2012, registriert am 20. Juli 2012, ging bei der Kommission eine Beschwerde von Frau Inga Piterniece ein, einem früheren Mitglied der Geschäftsführung von BAS, wobei diese Beschwerde eine weitere mutmaßliche Maßnahme des lettischen Staates zugunsten von airBaltic betraf. Mit E-Mail vom 24. Juli 2012 übersandte die Kommission die neue Beschwerde zur Stellungnahme an Lettland, das am 22. August und 4. September 2012 antwortete.

(8)

Am 5. Juli und 17. August 2012 fanden Treffen mit Vertretern der lettischen Behörden, deren Beratern und Vertretern von airBaltic statt.

(9)

Mit Schreiben vom 20. November 2012 setzte die Kommission Lettland von ihrem Beschluss in Kenntnis, wegen dieser Beihilfe das Verfahren nach Artikel 108 Absatz 2 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union (im Folgenden „AEUV“) einzuleiten (im Folgenden „der Eröffnungsbeschluss“). Lettland nahm mit Schreiben vom 23. Januar 2013 zu dem Eröffnungsbeschluss Stellung. Mit Schreiben vom 6. März 2013 richtete die Kommission ein weiteres Auskunftsersuchen an Lettland, das am 8. April 2013 beantwortet wurde. Darüber hinaus fand am 25. Juni 2013 ein Treffen mit Vertretern der lettischen Behörden statt, woraufhin Lettland am 14. August, 18. September sowie 9. und 25. Oktober 2013 zusätzliche Angaben übermittelte. Weitere Treffen mit den lettischen Behörden und deren Rechtsvertretern fanden am 22. Oktober und 22. November 2013 sowie am 10. Januar 2014 statt. Am 7. und 8. November 2013, am 2., 13. und 20. Dezember 2013 sowie am 28. und 31. Januar, 28. Februar, 24. und 26. März, 9. April und 16. Mai 2014 erteilte Lettland weitere Auskünfte.

(10)

Der Beschluss der Kommission über die Einleitung des Verfahrens wurde am 8. März 2013 im Amtsblatt der Europäischen Union  (3) veröffentlicht. Die Kommission forderte die Beteiligten auf, sich zu den Maßnahmen zu äußern.

(11)

Bei der Kommission gingen Stellungnahmen von Ryanair und airBaltic sowie von drei natürlichen Personen im Namen der Gläubiger von airBaltic (FLS, AB JET und Eurobalt Junipro) ein. Die Kommission leitete Lettland diese Stellungnahmen zu und gab ihm Gelegenheit zur Äußerung; die Anmerkungen Lettlands gingen mit Schreiben vom 27. Mai 2013 ein.

(12)

Mit Schreiben vom 4. Juli 2014 erklärte Lettland den Verzicht auf seine Rechte nach Artikel 342 AEUV in Verbindung mit Artikel 3 der EG-Verordnung 1/1958 und sein Einverständnis damit, dass dieser Beschluss in englischer Sprache angenommen und mitgeteilt wird.

2.   DER LETTISCHE LUFTVERKEHRSMARKT

(13)

Der Luftverkehrsmarkt in Lettland hat seit dem EU-Beitritt des Landes rasch expandiert. Im Zeitraum 2003-2007 wuchs das jährliche Passagieraufkommen — Punkt-zu-Punkt-Reisende sowie Transitpassagiere — auf dem Internationalen Flughafen Riga um 47 %, d. h. von 700 000 (2003) auf 3,2 Mio. (2007). Ein Grund dafür war der Markteintritt von Billigfluglinien wie insbesondere Ryanair, denn durch die Eröffnung neuer Strecken kam es zu einem erheblichen Anstieg der Nachfrage.

(14)

Die weltweite Rezession von 2008/2009 war ein schwerer Schlag für die lettische Wirtschaft und damit auch für den Luftverkehrsmarkt. In ihrer Folge ging die Zahl der Punkt-zu-Punkt-Reisenden zwischen 2008 und 2009 in Lettland von 3,2 Mio. auf 2,7 Mio. Fluggäste zurück, auch wenn die Gesamtzahl dank der Transitpassagiere weiter anstieg.

(15)

Ab 2010 gewann der Markt insgesamt wieder an Dynamik und verzeichnete ein jährliches Durchschnittswachstum von 12 %. Während der Punkt-zu-Punkt-Passagierverkehr um durchschnittlich 9 % pro Jahr zunahm, erreichte der Transitpassagierverkehr einen jährlichen Zuwachs von 18 %. Es wird erwartet, dass der lettische Luftverkehrsmarkt zwischen 2012 und 2015 eine jährliche Wachstumsrate von 7 % verbuchen kann.

(16)

Der Internationale Flughafen Riga ist der bedeutendste im gesamten Baltikum. 2011 flogen rund 5,1 Mio. Passagiere nach bzw. von Riga: 1,9 Mio. von bzw. nach Tallinnn und 1,7 Mio. von bzw. nach Vilnius. 2011 beförderte airBaltic 66 % der über Riga reisenden Fluggäste, Ryanair als zweitgrößter Anbieter und Hauptkonkurrent von airBaltic weitere 20 %. Die übrigen 14 % der Fluggäste entfielen auf 15 weitere Gesellschaften, die Riga anflogen (Komplettanbieter wie auch Billiganbieter). (4)

3.   DAS BEGÜNSTIGTE UNTERNEHMEN

(17)

airBaltic wurde 1995 als Gemeinschaftsunternehmen der SAS Scandinavian Airlines und des lettischen Staates gegründet. Im Januar 2009 verkaufte die SAS ihren gesamten Anteil an dem Unternehmen (47,2 %) an BAS.

(18)

Nach Presseinformationen befand sich das Privatunternehmen BAS vollständig im Besitz von Unternehmensgründer Bertolt Flick, bis dieser im Dezember 2010 die Hälfte seiner Anteile an die auf den Bahamas eingetragene Firma Taurus Asset Management Fund Ltd (im Folgenden „Taurus“) übertrug. (5)

(19)

Im Oktober 2011 waren an airBaltic folgende Aktionäre beteiligt: der lettische Staat (durch das Verkehrsministerium) mit 52,6 %, BAS mit 47,2 % sowie die russische Fluggesellschaft Transaero mit den restlichen 0,2 %. Präsident und CEO von airBaltic war zu jener Zeit Bertolt Flick. Seit 1. November 2011 ist Martin Gauss, früherer CEO von Malév, CEO von airBaltic.

(20)

Den Angaben Lettlands zufolge hatte BAS seinen 47,2- %-Anteil als Sicherheit an die Latvijas Krājbanka, die lettische Tochter der litauischen Bank Snoras, verpfändet (6). Am 16. November 2011 wurde die Snoras nach ihrem Zusammenbruch verstaatlicht. (7) Am 17. November 2011 ordnete die Finanz- und Kapitalmarktkommission Litauens (im Folgenden als „FKTK“ bezeichnet) eine Beschränkung an, die die Bankgeschäfte der Latvijas Krājbanka im Wert von über 100 000 EUR betraf. (8) Auf Anordnung der FKTK vom 21. November 2011 wurde das operative Geschäft der Latvijas Krājbanka suspendiert und eine Treuhandverwaltung eingesetzt. (9)

(21)

Den vorliegenden Informationen zufolge kam BAS einigen finanziellen Verpflichtungen gegenüber der Latvijas Krājbanka nicht nach. Daraufhin verkaufte die Latvijas Krājbanka am 30. November 2011 alle bis auf eine der bislang von BAS gehaltenen airBaltic-Aktien an das Verkehrsministerium, und zwar zum Nominalwert für insgesamt 224 453 LVL (317 787 EUR). (10) Damit erhöhte sich der Anteil Lettlands an airBaltic auf 99,8 %, während BAS nur eine einzige Aktie behielt.

(22)

Der Presse ist ferner zu entnehmen, dass auch die Aktionäre von BAS ihre Anteile als Sicherheit an die Latvijas Krājbanka verpfändet hatten. (11) Im Zusammenhang mit dem Insolvenzverfahren gegen BAS (12) übernahm am 6. Februar 2012 eine Tochtergesellschaft der Latvijas Krājbanka die Anteile der vorherigen BAS-Aktionäre und setzte ein neues Management ein.

(23)

Offenbar erwarb der lettische Staat am 8. Juni 2012 die einzige airBaltic-Aktie von BAS zum Preis von 1 LVL. Somit war BAS ab diesem Zeitpunkt nicht mehr an airBaltic beteiligt. (13)

(24)

Zur Finanzlage von airBaltic führte Lettland aus, dass erste Probleme 2008 aufgrund der weltweiten Rezession und des drastischen Ölpreisanstiegs aufgetreten seien. Infolgedessen erlitt airBaltic 2008 Verluste in Höhe von 28 Mio. LVL (39,64 Mio. EUR). Im Jahr 2009 erzielte das Unternehmen hingegen einen Gewinn von 14 Mio. LVL (19,82 Mio. EUR). (14) 2010 schrieb es jedoch erneut rote Zahlen in Höhe von 34,2 Mio. LVL (48,42 Mio. EUR). Im Juni 2011 erklärte der lettische Wirtschaftsminister, dass airBaltic in den ersten fünf Monaten des Jahres 2011 einen Verlust von 18 Mio. LVL (25,48 Mrd. EUR) verzeichnet habe und kurz vor der Insolvenz stehe. (15) Am 21. September hat airBaltic Gläubigerschutz beantragt. (16) Der geprüfte Jahresabschluss für 2011 weist einen Verlust von 83,5 Mio. LVL (118,22 Mio. EUR) aus.

(25)

Am 27. August 2012 veröffentlichte Lettland einen Aufruf an potenzielle Investoren, Interessenbekundungen für den Erwerb von 50 % des Kapitals von airBaltic abzüglich einer Stimme abzugeben (17), wobei jedoch anders geartete Transaktionen nicht ausgeschlossen wurden. Hauptkriterien für die Wahl eines Investors sollten die Fähigkeit zur Unterstützung der Entwicklung von airBaltic, das Ansehen und die Erfahrung des Investors sowie dessen finanziellen Ressourcen sein. Das Verfahren soll im Laufe des Jahres 2014 abgeschlossen werden.

4.   BESCHREIBUNG DER MASSNAHMEN

4.1.   DIE VEREINBARUNG VOM 3. OKTOBER 2011: ERSTES STAATLICHES DARLEHEN UND BAS-DARLEHEN

(26)

Auf der Grundlage einer Vereinbarung vom 3. Oktober 2011 (im Folgenden als „die Vereinbarung“ bezeichnet) sagte Lettland airBaltic ein Darlehen in Höhe von 16 Mio. LVL (22,65 Mio. EUR) (im Folgenden „erstes staatliches Darlehen“, Maßnahme 1) zu, das parallel zu einem anderen Darlehen in Höhe von 14 Mio. LVL (19,82 Mio. EUR) von BAS (im Folgenden „BAS-Darlehen“) gewährt werden sollte. Die Konditionen für beide Darlehen waren gekoppelt und identisch, der anfängliche Zinssatz wurden auf (11-13) (18) % festgesetzt. Allerdings verzichtete BAS bei der Gewährung des Darlehens an airBaltic auf das Recht, das BAS-Darlehen besichern zu lassen.

(27)

Ferner besagte die Vereinbarung, dass der Staat airBaltic spätestens am 15. Dezember 2011 ein weiteres Darlehen über einen nicht genannten Betrag proportional zu seinen Stimmrechten und zu denselben Konditionen wie beim ersten staatlichen Darlehen gewähren werde. Die beiden staatlichen Darlehen sollten in Eigenkapital umgewandelt werden, sofern eine Reihe von Bedingungen erfüllt wäre, darunter die Annahme eines Geschäfts-/Umstrukturierungsplans durch den Vorstand von airBaltic.

(28)

Die Bedingungen für die künftige Kapitalerhöhung für airBaltic waren in Artikel 7 der Vereinbarung festgelegt. Darin hieß es insbesondere in Artikel 7.3, dass „das staatliche Darlehen und das BAS-Darlehen … dem Betrag der Kapitalzuführung hinzugerechnet werden können“. In Artikel 7.4 verpflichtete sich BAS, für die Umwandlung des Darlehens in Eigenkapital und für die Kapitalerhöhung zu stimmen. Für den Fall, dass BAS seinen Verpflichtungen nicht nachkommen würde, räumte Artikel 7.4 dem Staat das Recht ein, BAS dessen Anteile an airBaltic zum Preis von 1 LVL abzukaufen. (19)

(29)

Am 21. Oktober 2011 gewährte Lettland airBaltic das erste staatliche Darlehen (siehe Erwägungsgrund 3). Am 1. November 2011 gewährte BAS das BAS-Darlehen.

(30)

Am 13. Dezember 2011, als sich der von Lettland gehaltene Anteil an airBaltic auf 99,8 % erhöht hatte (siehe Erwägungsgrund 21), beschloss die lettische Regierung, eine Senkung des Zinssatzes für das erste staatliche Darlehen von (11-13) % auf (2-4) % zu genehmigen. Da das erste staatliche Darlehen und das BAS-Darlehen gekoppelt waren (siehe Erwägungsgrund 26), wurde auf Letzteres dieselbe Zinssatzsenkung angewandt.

4.2.   DAS ZWEITE STAATLICHE DARLEHEN VOM 13. DEZEMBER 2011

(31)

Am 13. Dezember 2011, d. h. zeitgleich mit der Senkung des Zinssatzes für das erste staatliche Darlehen (siehe Erwägungsgrund 30), beschloss die lettische Regierung, airBaltic eine Wandelschuldverschreibung in Höhe von 67 Mio. LVL (94,86 Mio. EUR) zu einem Zinssatz von (9-11) % in zwei Tranchen zu gewähren (im Folgenden „zweites staatliches Darlehen“, Maßnahme 2). (20)

(32)

Die erste Tranche des zweiten staatlichen Darlehens belief sich auf 41,6 Mio. LVL (58,89 Mio. EUR) und wurde airBaltic gemäß einer Vereinbarung vom 14. Dezember 2011 sofort zur Verfügung gestellt. Die zweite Tranche in Höhe von 25,4 Mio. LVL (35,96 Mio. EUR) wurde dem Unternehmen am 14. Dezember 2012 zur Verfügung gestellt, d. h. nach der Annahme des Eröffnungsbeschlusses durch die Kommission.

4.3.   DIE AM 22. DEZEMBER 2011 VEREINBARTE KAPITALERHÖHUNG FÜR AIRBALTIC

(33)

Auf der Aktionärsversammlung am 22. Dezember 2011 vereinbarten der lettische Staat und BAS — obwohl BAS damals nur noch mit einer Aktie an dem Unternehmen beteiligt war — eine Kapitalerhöhung im Umfang von 110 Mio. LVL (155,74 Mio. EUR) (im Folgenden „die Kapitalerhöhung“, Maßnahme 3). Erfolgen sollte diese durch Umwandlung des ersten staatlichen Darlehens, der ersten Tranche des zweiten staatlichen Darlehens und des BAS-Darlehens in Eigenkapital sowie eine Barzahlung von BAS in Höhe von 37,7 Mio. LVL (53,38 Mio. EUR).

(34)

Der lettische Staat setzte seinen Beschluss über die Beteiligung an der Kapitalerhöhung für airBaltic am 29. Dezember 2011 um und begann, das erste staatliche Darlehen und die erste Tranche des zweiten staatlichen Darlehens in Eigenkapital umzuwandeln.

(35)

Mit Schreiben vom 4. Januar 2012 forderte das lettische Verkehrsministerium BAS auf, sich durch Umwandlung des BAS-Darlehens und Leistung der Barzahlung an der Kapitalerhöhung zu beteiligen. Trotz der Aufforderungen der lettischen Behörden schien BAS nicht geneigt, die auf der Aktionärsversammlung getroffene Vereinbarung einzuhalten. Vielmehr wandte sich BAS in mehreren Schreiben vom 6. bis 26. Januar 2012 dagegen, dass der lettische Staat die früheren BAS-Anteile an airBaltic von der Latvijas Krājbanka übernommen hatte (siehe Erwägungsgrund 21), und forderte den Staat auf, keine Beschlüsse zur Änderung der Beteiligungsverhältnisse von airBaltic zu treffen. Am 19. Januar 2012 erteilte die FKTK BAS und airBaltic ein offizielles Verbot, das BAS-Darlehen in die Kapitalerhöhung einzubeziehen.

(36)

Bis zum 30. Januar 2012, dem Ende des ersten Abschnitts der Zeichnungsfrist für die Kapitalerhöhung, hatte BAS weder sein Darlehen umgewandelt noch die Barzahlung geleistet.

4.4.   DIE BESCHWERDE VON BAS UND DIE NACHFOLGENDEN ENTWICKLUNGEN

(37)

Die Beschwerde, die bei der Kommission am 9. Januar 2012 einging, betraf das erste und das zweite staatliche Darlehen sowie die Kapitalerhöhung. Außerdem beschwerte sich BAS über zwei weitere Maßnahmen, die möglicherweise eine Beihilfe für airBaltic darstellten, nämlich den Erwerb zinsloser airBaltic-Anleihen durch den Staat im April 2010 (Maßnahme 4) und die am 21. und 22. November 2011 geleistete Zahlung in Höhe von 2,8 Mio. EUR von Latvijas Krājbanka an airBaltic (Maßnahme 5).

(38)

Lettland zufolge bestand Maßnahme 4 darin, dass die damaligen Mehrheitsgesellschafter von airBaltic, d. h. der lettische Staat und BAS, zinslose Anleihen von airBaltic in Höhe von 30 Mio. LVL (42,47 Mio. EUR) erwarben. Der auf Lettland entfallende Teil sei nicht direkt vom Verkehrsministerium — dem eigentlichen Inhaber der airBaltic-Aktien — gezeichnet worden, sondern vom lettischen staatlichen Rundfunk- und Fernsehzentrum (im Folgenden „LVRTC“), einer zu 100 % im Staatsbesitz befindlichen Gesellschaft. Die zinslosen Anleihen seien von Lettland und BAS zu einem Nominalwert von je 1 LVL proportional zu ihren Anteilen erworben worden. Der lettische Staat habe dementsprechend Anleihen im Umfang von ca. 15,78 Mio. LVL (22,34 Mio. EUR) und BAS im Umfang von ca. 14,22 Mio. LVL (20,13 Mio. EUR) erworben. Die Anleihen sollen am 1. Juli 2015 im Verhältnis von einer Aktie pro Anleihe in Kapital umgewandelt werden.

(39)

Zu Maßnahme 5 führte Lettland aus, dass am 21. und 22. November 2011 entgegen den Angaben des Beschwerdeführers keine Zahlungen an airBaltic erfolgt seien. Allerdings habe airBaltic der Latvijas Krājbanka drei Zahlungsanweisungen erteilt, ehe die Beschlüsse der FKTK vom 17. November 2011 über die Beschränkung der 100 000 EUR überschreitenden Bankgeschäfte bzw. vom 21. November 2011 über die Einstellung aller Tätigkeiten der Latvijas Krājbanka ergingen (siehe Erwägungsgrund 20). Die Latvijas Krājbanka habe die Zahlungsanweisungen Tage danach ausgeführt. Konkret gehe es um zwei Zahlungen in Höhe von (…) Mio. USD an das IATA Clearing House bzw. in Höhe von (…) Mio. EUR an den Internationalen Flughafen Riga am 25. November 2011 sowie eine Überweisung in Höhe von (…) Mio. EUR an ein alternatives Bankkonto von airBaltic bei Swedbank am 30. November 2011.

4.4.1.   Der „reShape“-Plan vom März 2012

(40)

Im März 2012 verabschiedete airBaltic einen Plan unter der Bezeichnung „reShape“. Vorgesehen ist darin eine Reihe von Maßnahmen, wie z. B. der Ankauf leistungsfähigerer Flugzeuge (21) und die Streichung bestimmter Strecken, die es der Gesellschaft, legt man das realistische und das optimistisches Szenario zugrunde, ermöglichen würden, die Rentabilitätsschwelle 2014 zu erreichen. Beim pessimistischen Szenario würde der EBIT von airBaltic jedoch bis mindestens 2016 einen negativen Wert aufweisen.

(41)

Dem reShape-Plan zufolge benötigt die Gesellschaft außer den bereits gewährten 83 Mio. LVL (117,51 Mio. EUR) (22) weitere Mittel in Höhe von (45-55) Mio. LVL ((64-78) Mio. EUR), (…) wenn das realistische Szenario zugrunde gelegt wird. Beim optimistischen Szenario wären es nur noch (5-15) Mio. LVL ((7-21) Mio. EUR), beim pessimistischen dagegen würde der Betrag auf (135-145) Mio. LVL ((192-206) Mio. EUR) steigen.

4.5.   DIE BESCHWERDE VOM 18. JULI 2012

(42)

Neben Lettland und BAS waren an der Vereinbarung etliche weitere Kapitalgeber beteiligt, die sich bereit erklärten, airBaltic zwei Konsortialkredite in Höhe von jeweils 35 Mio. EUR zu einem anfänglichen Zinssatz von (5-7) % zu gewähren. Konsortialkredit 1 sollte von der Latvijas Krājbanka und der litauischen Bank Snoras bereitgestellt werden, Konsortialkredit 2 von mehreren Unternehmen, darunter Taurus. Ziel dieser Konsortialkredite war die Novation verschiedener Forderungen der betreffenden privaten Anleger gegenüber airBaltic. Sollte BAS seinen Pflichten aus der Vereinbarung nicht nachkommen, so würden die Kapitalgeber, die airBaltic den Konsortialkredit 2 gewähren wollten — darunter BAS-Teilhaber Taurus — gemäß Artikel 7.4 der Vereinbarung „dem Staat oder dem von ihm benannten Unternehmen für die Summe von 1 LVL sämtliche Forderungen abtreten und übergeben, die aus dem … zu zahlenden (Konsortial-) Kredit Nr. 2 herrühren“.

(43)

Am 18. Juli 2012 ging bei der Kommission eine weitere Beschwerde ein (siehe Erwägungsgrund 7), deren Gegenstand die in Artikel 7.4 der Vereinbarung enthaltene Verpflichtung der Investoren war, dem Staat oder dem von ihm benannten Unternehmen für nur 1 LVL sämtliche Forderungen aus dem Konsortialkredit 2 abzutreten und zu übergeben (siehe Erwägungsgrund 28). Wie die Beschwerdeführerin vorträgt, hatte der lettische Staat gemäß Schreiben vom 9. Februar 2012 und 12. Juni 2012 beschlossen, dass eine Forderung von 5 Mio. EUR gegenüber airBaltic für den Konsortialkredit 2 — der von Taurus gewährte Teil der insgesamt 35 Mio. EUR — zum Preis von 1 LVL an airBaltic abzutreten sei (Maßnahme 6).

5.   DER ERÖFFNUNGSBESCHLUSS

(44)

Am 20. November 2012 beschloss die Kommission, das förmliche Prüfverfahren einzuleiten. In ihrem Eröffnungsbeschluss gelangte sie zu der vorläufigen Auffassung, dass airBaltic zum Zeitpunkt der Durchführung der genannten Maßnahmen als ein Unternehmen in Schwierigkeiten angesehen werden konnte. Ferner äußerte sie Zweifel hinsichtlich der sechs zu prüfenden Maßnahmen und gelangte zu dem vorläufigen Schluss, dass alle Maßnahmen mit staatlichen Beihilfen verbunden waren.

(45)

Die Kommission stellte zunächst fest, dass der Staat das erste staatliche Darlehen (Maßnahme 1) zur gleichen Zeit wie BAS das BAS-Darlehen—jeweils entsprechend ihren jeweiligen Anteilen — sowie zu identischen Konditionen gewährte, was auf den ersten Blick darauf schließen ließe, dass Pari-passu-Bedingungen vorlagen. Allerdings wies die Kommission darauf hin, dass sie das erste staatliche Darlehen und das BAS-Darlehen nicht getrennt, sondern nur im Zusammenhang mit den Bestimmungen der Vereinbarung würdigen könne. Aus der Vereinbarung gehe nicht hervor, dass BAS verpflichtet war, zusätzlich zum BAS-Darlehen und parallel zum zweiten staatlichen Darlehen eine Wandelschuldverschreibung für airBaltic zu gewähren und der Staat andere und wirtschaftlich bedeutsamere Zusagen gemacht hatte als BAS. Ferner merkte die Kommission an, dass BAS die Entscheidung über die Beteiligung an airBaltic zu einer Zeit traf, da die Behörden bereits ihre Bereitschaft zur finanziellen Unterstützung des Unternehmens bekundet hatten.

(46)

Was den Zinssatz des ersten staatlichen Darlehens und die im Dezember 2011 vorgenommene Senkung des Zinssatzes um (5-15) Prozentpunkte (siehe Erwägungsgrund 30) angeht, so hielt die Kommission es angesichts der damaligen erheblichen Schwierigkeiten von airBaltic für fraglich, ob es sich um marktübliche Sätze handelte.

(47)

In Bezug auf das zweite staatliche Darlehen (Maßnahme 2) stellte die Kommission fest, dass dieses Darlehen bereits in der Vereinbarung vorgesehen war, wenn auch ohne konkreten Betrag und vorbehaltlich verschiedener Faktoren. Die Kommission war der Auffassung, dass das zweite staatliche Darlehen nicht als „pari passu“ angesehen werden könne, da aus der Vereinbarung — entgegen der Argumentation Lettlands — nicht hervorgehe, dass BAS airBaltic zusätzlich zum BAS-Darlehen eine Wandelschuldverschreibung zu gewähren hatte. Als Lettland beschlossen habe, airBaltic das zweite staatliche Darlehen zur Verfügung zu stellen, sei keine Konkomitanz aufseiten von BAS möglich gewesen, da BAS nicht zur Gewährung eines weiteren Darlehens an airBaltic verpflichtet war.

(48)

Was den Zinssatz für das zweite staatliche Darlehen ((9-11) %) anbetraf, so äußerte die Kommission Zweifel, ob ein privater Kapitalgeber airBaltic angesichts der Schwierigkeiten des Unternehmens und der Tatsache, dass die Besicherung dieselbe war wie beim ersten staatlichen Darlehen, ein Darlehen zu einem solchen Zinssatz gewährt hätte.

(49)

Im Hinblick auf die am 22. Dezember 2011 vereinbarte Kapitalerhöhung (Maßnahme 3) stellte die Kommission fest, dass BAS zum Zeitpunkt des Rekapitalisierungsbeschlusses all seine airBaltic-Aktien mit nur einer Ausnahme verloren hatte (da der Staat sie von Latvijas Krājbanka erworben hatte). Dadurch habe sich die Beteiligung des Staates an dem Unternehmen auf 99,8 % erhöht (siehe Erwägungsgrund 21). Die Umwandlung wäre daher für BAS wirtschaftlich wenig sinnvoll gewesen, das — um seine früheren Anteile zurückerhalten — nicht nur das BAS-Darlehen in Kapital umwandeln, sondern auch eine Barzahlung in Höhe von 37,7 Mio. LVL (53,38 Mio. EUR) leisten sollte; wobei angesichts der Schwierigkeiten des Unternehmens nur geringe Aussichten bestanden, dass das Eigenkapital kurz- bis mittelfristig eine Rendite abwerfen würde. Außerdem äußerte die Kommission Zweifel hinsichtlich des Datums der tatsächlichen Gewährung von Maßnahme 3.

(50)

Wie die Kommission ferner feststellte, hatten BAS und der Staat für die Kapitalzuführung an airBaltic eine bestimmte Frist, die offenbar am 30. Januar 2012 ablief, d. h. zum Ende des ersten Abschnitts der Zeichnungsfrist für die Kapitalerhöhung. Während der Staat diesen Schritt am 29. oder 30. Dezember 2011 vollzog, nahm BAS letztlich weder die Umwandlung des Darlehens noch die Barleistung vor. Nach Auffassung der Kommission hätte Lettland mit der Umwandlung der Darlehen so lange warten müssen, bis relativ sicher war, dass BAS sich anschließen würde. Davon ausgehend vertrat die Kommission den Standpunkt, dass Maßnahme 3 offenbar nicht mit dem Grundsatz des marktwirtschaftlich handelnden Kapitalgebers (MEIP) vereinbar sei.

(51)

Zum Erwerb zinsloser airBaltic-Anleihen in Höhe von 30 Mio. LVL (42,47 Mio. EUR) im April 2010 (Maßnahme 4) wies die Kommission darauf hin, dass diese Anleihen angesichts ihrer Merkmale mit einer Kapitalzuführung vergleichbar seien. Da eine Rentabilität der Anleihen aufgrund der Zinslosigkeit von vornherein ausgeschlossen war und eine künftige Rentabilität nach der Umwandlung angesichts der Schwierigkeiten des Unternehmens, der Situation der Luftfahrtbranche und des damaligen Nichtvorliegens eines Sanierungsplans unwahrscheinlich erschien, äußerte die Kommission Zweifel an der Marktkonformität von Maßnahme 4. Außerdem konnte die Kommission nicht ausschließen, dass BAS die Anleihen erwarb, weil Lettland vor der Anleihe-Emission ein so starkes Interesse an airBaltic gezeigt hatte.

(52)

Hinsichtlich der Zahlungen durch die Latvijas Krājbanka in Höhe von 2,8 Mio. EUR (Maßnahme 5) konnte die Kommission nicht mit Sicherheit feststellen, ob die zu 100 % in Staatseigentum stehende Latvijas Krājbanka — zum Zeitpunkt der Durchführung dieser Zahlungen — unabhängig vom Staat handelte. Die Kommission wies darauf hin, dass Lettland keine Nachweise dafür erbracht habe, dass airBaltic die Zahlungs- und Überweisungsaufträge erteilt hatte, ehe die FKTK am 17. November 2011 eine Beschränkung der Bankgeschäfte über 100 000 EUR je Kunden beschloss.

(53)

Zu Abtretung der Forderung von 5 Mio. EUR an airBaltic (Maßnahme 6) erklärte die Kommission in ihrem Eröffnungsbeschluss, dass Lettland gemäß Artikel 7.4 der Vereinbarung beschlossen habe, eine Forderung gegen airBaltic in Höhe von 5 Mio. EUR für den Konsortialkredit 2 — der von Taurus gewährte Teil der insgesamt 35 Mio. EUR — zum Preis von 1 LVL an airBaltic abzutreten. Die Kommission unterstrich, dass dies aus wirtschaftlicher Sicht einem Schuldenerlass gleichkomme, durch den Lettland airBaltic von seiner Pflicht zur Zinszahlung und zur teilweisen Rückzahlung des Konsortialkredits 2 an den Forderungsinhaber befreite. Ferner sei Maßnahme 6 nicht MEIP-konform, da die Vereinbarung nicht vorsah, dass airBaltic den Kredit für eine Gegenleistung von 1 LVL erhalten würde.

(54)

Die Kommission stellte fest, dass die vorstehenden Darlegungen entsprechend auch auf die übrigen Forderungen aus dem Konsortialkredit 2 zuträfen, die sich insgesamt auf 30 Mio. LVL (42,47 Mio. EUR) beliefen (siehe Erwägungsgrund 42).

(55)

Daher gelangte die Kommission zu dem vorläufigen Schluss, dass die sechs geprüften Maßnahmen rechtswidrige staatliche Beihilfen enthielten, da sie unter Verstoß gegen die Verpflichtungen zur Anmeldung und Wartezeit nach Artikel 108 Absatz 3 AEUV gewährt wurden.

(56)

Darüber hinaus äußerte die Kommission Zweifel an der Vereinbarkeit der sechs zu prüfenden Maßnahmen mit dem Binnenmarkt, zumal Lettland keine dafür sprechenden Argumente vorgetragen hatte. Die Kommission vertrat die vorläufige Auffassung, dass die Vereinbarkeit mit dem Binnenmarkt — angesichts der Schwierigkeiten von airBaltic — ausschließlich anhand der Kriterien für Beihilfen zur Rettung und Umstrukturierung von Unternehmen in Schwierigkeiten im Rahmen von Artikel 107 Absatz 3 Buchstabe c AEUV gewürdigt werden könne und folglich die Leitlinien der Gemeinschaft für staatliche Beihilfen zur Rettung und Umstrukturierung von Unternehmen in Schwierigkeiten (Rettungs- und Umstrukturierungsleitlinien) (23) heranzuziehen seien. Auf der Grundlage der damals vorliegenden Informationen führte die Kommission aus, dass die Voraussetzungen für eine Rettungsbeihilfe anscheinend nicht erfüllt seien und der reShape-Plan keines der Merkmale aufweise, die ihn als Umstrukturierungsplan im Sinne von Abschnitt 3.2 der Rettungs- und Umstrukturierungsleitlinien ausweisen würden.

6.   STELLUNGNAHMEN ZUM ERÖFFNUNGSBESCHLUSS

6.1.   STELLUNGNAHME LETTLANDS

(57)

Lettland führte in seiner Stellungnahme zum Eröffnungsbeschluss der Kommission aus, dass die Maßnahmen 1, 2, 3 und 6 miteinander verknüpft seien und sich aus der Vereinbarung ergäben. Somit handele es sich im Grunde um ein und dieselbe Finanztransaktion, bei deren Würdigung der Zeitpunkt des Abschlusses der Vereinbarung zugrunde gelegt werden müsse, also der 3. Oktober 2011. Daraus schließt Lettland, dass die betreffenden Maßnahmen gleichzeitig erfolgt und MEIP-konform seien, womit eine staatliche Beihilfe ausgeschlossen sei.

(58)

Ferner macht Lettland geltend, dass BAS der Initiator der Vereinbarung gewesen sei und von sich aus den Staat um Beteiligung an der Kapitalerhöhung ersucht habe. Der Staat habe der Investition schließlich unter konkreten, in der Vereinbarung festgelegten Bedingungen zugestimmt. Einer der Hauptbestandteile der Vereinbarung sei eine Mittelzuführung durch den Staat und BAS in Höhe von rund 100 Mio. LVL (141,58 Mio. EUR) in zwei Etappen: (i) 30 Mio. LVL (42,47 Mio. EUR) in Form des ersten staatlichen Darlehens und des BAS-Darlehens, und (ii) ca. 70 Mio. LVL (99,1 Mio. EUR), vom Staat und BAS entsprechend ihrer Beteiligung zu zahlen. Somit sei BAS vertraglich verpflichtet gewesen, im Verhältnis zu seinen Anteilen eine zusätzliche Kapitalzuführung an airBaltic vorzunehmen. Zu diesem Fazit gelangt Lettland aufgrund von Artikel 7.2 der Vereinbarung, der besagt, dass der Staat „proportional zu seinen Stimmrechten“ ein zweites Darlehen für airBaltic gewähren werde, was nach Ansicht Lettlands bedeutet, dass auch BAS Mittel im Verhältnis zu seinen Anteilen bereitzustellen hatte.

(59)

Lettland weist außerdem darauf hin, dass die Vereinbarung eine Reihe von Vorkehrungen zum Schutz der finanziellen Interessen des Staates für den Fall enthalte, dass BAS seinen Verpflichtungen nicht nachkäme: (i) das Recht des Staates, die Anteile von BAS zum Gegenwert von 1 LVL zu übernehmen, (ii) die Pflicht der privaten Kapitalgeber, die airBaltic den Konsortialkredit 2 gewährten, ihre Forderungen gegenüber airBaltic unter bestimmten Umständen an den Staat abzutreten, und (iii) die Pflicht der Kapitalgeber, airBaltic für bestimmte außerbilanzielle Verbindlichkeiten in Höhe von ca. (…) Mio. EUR zu entschädigen. (24) Die Tatsache, dass BAS und die Kapitalgeber diese Vorsorgemaßnahmen akzeptierten, sei ein Nachweis dafür, dass die Kapitalgeber auf die Erfüllung der Verpflichtungen von BAS vertrauten. Somit seien die Maßnahmen 1, 2 und 3 miteinander verknüpft und vom Standpunkt eines marktwirtschaftlich handelnden Kapitalgebers aus sinnvoll gewesen. Da Maßnahme 6 eine Konsequenz der Vorsorgemaßnahmen gewesen sei, enthalte auch sie keine staatliche Beihilfe.

(60)

Zu Maßnahme 1 erklärt Lettland außerdem, dass der Zinssatz mit dem Prinzip des marktwirtschaftlich handelnden Kapitalgebers („MEIP“) und der Mitteilung zur Festsetzung der Referenzsätze (25) vereinbar sei und die Senkung des Zinssatzes von (11-13) % auf (2-4) % für den Staat wirtschaftlich sinnvoll gewesen sei, weil damit die Finanzierungskosten von airBaltic reduziert wurden (das sich damals bereits zu 99,8 % in seinem Besitz befand). In Bezug auf Maßnahme 2 ist Lettland der Auffassung, dass der Zinssatz dem MEIP entspreche.

(61)

Im Hinblick auf Maßnahme 3 erklärt Lettland, dass die Umwandlung des ersten staatlichen Darlehens und der ersten Tranche des zweiten staatlichen Darlehens in Kapital auf der Grundlage des entsprechenden Beschlusses von BAS über die Umwandlung des BAS-Darlehens und die Barzahlung von 37,7 Mio. LVL (53,38 Mio. EUR) erfolgt sei, der auf der Aktionärsversammlung von airBaltic vom 22. Dezember 2011 gefasst worden sei. Maßnahmen 1, 2 und 3 dürften, wie bereits ausgeführt worden sei, nicht einzeln, sondern nur im Zusammenhang mit der gesamten Transaktion betrachtet werden, deren untrennbarer Bestandteil sie seien. Da diese Transaktion von BAS und vom Staat gleichzeitig beschlossen worden sei, schließe Lettland das Vorliegen einer Beihilfe aus. Es sei nicht von Belang, dass BAS seine Zusage nicht innerhalb der Frist (d. h. bis 30. Januar 2012) erfüllt habe, und der Staat habe keine andere Wahl gehabt, als das erste staatliche Darlehen und die erste Tranche des zweiten staatlichen Darlehens in Kapital umzuwandeln — dies sei am 29. Dezember 2011 geschehen. Der Staat habe alles in seiner Macht Stehende getan, um BAS zur Einhaltung seiner Verpflichtung zu bewegen.

(62)

Zu Maßnahme 6 führt Lettland aus, dass sich die Abtretung der Forderungen an airBaltic aus den Vorkehrungen in Artikel 7.4 der Vereinbarung ergeben habe. Dadurch werde gewährleistet, dass die gesamte Vereinbarung Pari-passu-Charakter habe, denn die Übertragung der Forderung an airBaltic gewährleiste, dass die privaten Kapitalgeber einen angemessenen Beitrag zur Kapitalzuführung an airBaltic leisten.

(63)

In Bezug auf Maßnahme 4 vertritt Lettland den Standpunkt, dass der Staat und BAS die Emission der zinslosen Anleihen gleichzeitig und zu gleichen Bedingungen durchgeführt hätten, weshalb ein Vorliegen staatlicher Beihilfen ausgeschlossen sei. Der Beschluss über die Anleihe-Emission sei auf Initiative von BAS gefasst worden. Zu der Tatsache, dass diese Anleihen keinen Gewinn abwerfen, erklärt Lettland, dass die Kommission den „Eigentümereffekt“ berücksichtigen und bedenken solle, dass der Staat als Anteilseigner von airBaltic andere Motive habe als ein außenstehender Kapitalgeber.

(64)

In Bezug auf Maßnahme 5 schließlich vertritt Lettland die Auffassung, dass keine staatlichen Mittel involviert gewesen seien und im Übrigen die Maßnahmen der FKTK nicht dem Staat angerechnet werden könnten.

(65)

In der Annahme, dass keine staatliche Beihilfe vorliege, äußerte sich Lettland anfänglich nicht zur Vereinbarkeit der Maßnahmen mit dem Binnenmarkt. Im Verlauf des förmlichen Prüfverfahrens erklärte Lettland zu dieser Frage, falls es sich um eine Beihilfe handele, so sei dies eine zulässige Umstrukturierungsbeihilfe im Sinne der Rettungs- und Umstrukturierungsleitlinien.

(66)

Auf dieser Grundlage übermittelte Lettland im Dezember 2013 einen Umstrukturierungsplan, dem zufolge die Umstrukturierung von airBaltic bereits im April 2011 begonnen hatte, als der Firmenleitung eine erste Fassung des Plans vorgelegt worden war. Dieses Dokument enthielt Hinweise auf einige Schwachstellen bei airBaltic sowie die Feststellung, dass Kapital in Höhe von (175-185) Mio. EUR benötigt werde. Aus der ersten Fassung ging dann wiederum der reShape-Plan vom März 2012 hervor, der nach Angabe Lettlands eine Vorstufe des Umstrukturierungsplans vom Dezember 2013 darstellte.

(67)

Der Umstrukturierungsplan sieht eine fünfjährige Umstrukturierungsphase von April 2011 bis April 2016 sowie Umstrukturierungskosten von insgesamt (150-170) Mio. LVL ((214-242) Mio. EUR) vor. Die Umstrukturierungsmaßnahmen unterteilen sich in drei Arten: (i) Optimierung von Einnahmen und Kosten bei den bestehenden Geschäften; (ii) Neugestaltung des Streckennetzes zur Anpassung von Flugzielen, Frequenzen und Zeiten sowie (iii) Streckennetz- und Flottenoptimierung. Der Umstrukturierungsplan umfasst 26 Initiativen im Hinblick auf Einnahmen und Kosten, die mit weiteren Initiativen zum Umbau des Streckennetzes und zur Flottenerneuerung einhergehen. Es wird erwartet, dass airBaltic mithilfe dieser Maßnahmen 2014 erneut die Gewinnzone erreicht und fortan rentabel bleibt, indem der EBIT 2014 auf (1-3) Mio. LVL ((1,4-4,2) Mio. EUR) sowie 2016 auf (9-12) Mio. LVL ((12,8-17) Mio. EUR) steigt. Ferner beinhaltet der Umstrukturierungsplan finanzielle Prognosen auf der Grundlage eines realistischen, eines pessimistischen und eines optimistischen Szenarios, die einer Sensitivitätsanalyse unterzogen werden, um die Risiken und möglichen Auswirkungen abzuschätzen.

(68)

Darüber hinaus enthält der Plan eine Reihe von Ausgleichsmaßnahmen: (i) Reduzierung der Flotte um 27 %, (ii) Einstellung von 14 rentablen Strecken und (iii) Aufgabe von (…) Slotpaaren auf koordinierten Flughäfen Im Zeitraum 2011–2016 wird airBaltic seine Kapazitäten gemessen am ASK (26) um (17-20) % reduzieren (um (7-10) % bei ausschließlicher Berücksichtigung gewinnträchtiger Strecken). Nach Angaben Lettlands hat es Kapazitätsreduzierungen dieser Art in der Vergangenheit bereits gegeben. Ein weiterer Bestandteil des Umstrukturierungsplanes ist die Aufgabe von (…) Slotpaaren infolge der Einstellung mehrerer Strecken.

(69)

Dem Plan zufolge belaufen sich die geschätzten Umstrukturierungskosten auf (150-170) Mio. LVL ((214-242) Mio. EUR). Benötigt werden diese Mittel für die Rückzahlung von Darlehen Dritter, den Ausgleich von Verlusten infolge der Außerdienststellung und Ausmusterung bestimmter Flugzeuge, Abfindungszahlungen, den Kauf neuer Maschinen usw.

(70)

Der Eigenbeitrag von airBaltic zu den Umstrukturierungskosten soll sich dem Umstrukturierungsplan zufolge auf (100-110) Mio. LVL ((141-155) Mio. EUR) belaufen, d. h. auf (60-70) % der gesamten Umstrukturierungskosten. Aufgebracht werden soll dieser Eigenbeitrag laut Plan mithilfe mehrerer Finanzspritzen privater Parteien (darunter eine Liquiditätsfazilität und Vorauszahlungen), privater Darlehen, einer Leasingvereinbarung für neue Flugzeuge und eines teilweisen Schuldenerlasses durch zwei Banken.

6.2.   STELLUNGNAHMEN BETEILIGTER

(71)

Während des förmlichen Prüfverfahrens gingen bei der Kommission Stellungnahmen von Ryanair und airBaltic sowie von drei Einzelpersonen im Namen der Gläubiger von airBaltic ein.

(72)

Ryanair stimmt der vorläufigen Feststellung der Kommission zu, dass die geprüften Maßnahmen weder mit dem Grundsatz des marktwirtschaftlich handelnden Kapitalgebers („MEIP“) noch mit dem Binnenmarkt vereinbar seien. Allerdings trägt Ryanair vor, dass der Eröffnungsbeschluss der Kommission keine umfassende Würdigung der MEIP-Konformität enthalte, da die Kommission hätte abwägen müssen, ob ein privater Kapitalgeber die sofortige Liquidation von airBaltic einer Kapitalzuführung vorgezogen hätte. (27) Überdies hätte die Kommission in ihrem Eröffnungsbeschluss prüfen müssen, ob die Liquidation von airBaltic für den Staat nicht wirtschaftlich sinnvoller gewesen wäre als die Bereitstellung weiterer Mittel. Ryanair verfüge zwar nicht über ausreichende Informationen, um sich zum reShape-Plan äußern zu können, zweifele jedoch an der Rückkehr des Unternehmens in die Rentabilität und sei deshalb der Auffassung, dass es hätte liquidiert werden sollen.

(73)

Ryanair trägt außerdem vor, dass jede für airBaltic gewährte Beihilfe seine eigene Marktposition schwäche, da es bei über der Hälfte seiner 13 von Riga aus betriebenen Strecken in direktem Wettbewerb mit airBaltic stehe.

(74)

airBaltic unterstreicht in seiner Stellungnahme, dass die Schwierigkeiten des Unternehmens auf die frühere Unternehmensführung (bis Oktober 2011) und die unglücklichen Entscheidungen von Bertolt Flick zurückzuführen seien, dessen Geschäftsstrategie lediglich auf Expansion ausgerichtet gewesen sei und nicht auf Rentabilität. Die damalige Firmenleitung habe nicht nur zahlreiche nachteilige Verträge geschlossen und Geschäfte ohne Rücksicht auf betriebswirtschaftliche Belange betrieben, sondern auch eine undurchsichtige Unternehmens- und Organisationsstruktur geschaffen.

(75)

Ferner erklärt airBaltic, dass Lettland die Vereinbarung als marktwirtschaftlich handelnder Kapitalgeber geschlossen und durchgeführt habe. Die Investition Lettlands sei gleichzeitig mit der Investition von BAS erfolgt und habe BAS und anderen privaten Kapitalgebern erhebliche Opfer abverlangt. Außerdem habe die Vereinbarung ausreichende Sicherheitsvorkehrungen zum umfassenden Schutz der Interessen Lettlands gegenüber BAS enthalten; die Anwendung dieser Sicherheitsmaßnahmen sei für Lettland sinnvoller gewesen als die Nichteinhaltung seiner Investitionszusagen, die das Unternehmen in den Konkurs getrieben, den Wert der vorhandenen Beteiligungen vernichtet und Schadenersatzforderungen der privaten Kapitalgeber an den Staat nach sich gezogen hätte. Somit enthalte die Entscheidung Lettlands über die Beteiligung an der Vereinbarung keine staatlichen Beihilfen.

(76)

Zum Erwerb der zinslosen airBaltic-Anleihen durch den Staat im April 2010 (Maßnahme 4) erklärt airBaltic, dass dies wirtschaftlich sinnvoll und eine absolut gleichzeitige Investition von Staat und BAS gewesen sei, weshalb es sich nicht um eine staatliche Beihilfe handele. Die Entscheidung über die Zahlung in Höhe von 2,8 Mio. EUR, die Latvijas Krājbanka am 21. und 22. November 2011 an airBaltic vornahm (Maßnahme 5), sei im Rahmen der Geschäftstätigkeit von airBaltic getroffen worden und betreffe private Mittel, sodass ein Vorliegen staatlicher Mittel auszuschließen sei.

(77)

Abschließend unterstreicht airBaltic seinen Beitrag zur Anbindung Lettlands an die übrige EU und erteilt Auskünfte über die Umsetzung des reShape-Plans durch die neue Unternehmensführung.

(78)

Die Stellungnahmen der drei Einzelpersonen, die sich im Namen der Gläubiger von airBaltic auftreten, folgen einem ähnlichen Muster. Die Gläubiger beschweren sich allgemein über die Maßnahmen, die Gegenstand des Eröffnungsbeschlusses sind, und rügen insbesondere Maßnahme 6. Darüber hinaus verweisen sie auf bestimmte offene Verbindlichkeiten von airBaltic, die anscheinend aus der Vereinbarung herrühren und einige Gläubiger in die Insolvenz getrieben haben sollen.

6.3.   ANMERKUNGEN LETTLANDS ZU DEN STELLUNGNAHMEN BETEILIGTER

(79)

In seinen Anmerkungen zu den Stellungnahmen Dritter stimmte Lettland airBaltic darin zu, dass die geprüften Maßnahmen keine staatliche Beihilfe beinhalteten.

(80)

Zur Stellungnahme von Ryanair merkt Lettland an, dass die von Ryanair herangezogene Spruchpraxis — wonach der Staat airBaltic hätte liquidieren müssen, anstatt dem Unternehmen Mittel zuzuführen — nicht anwendbar sei, da der Staat damals kein wichtiger Kreditgeber von airBaltic gewesen sei, sondern lediglich Anteilseigner. Das Kriterium des privaten Gläubigers sei in diesem Fall keine geeignete Grundlage für die Beurteilung der Rationalität staatlicher Investitionsentscheidungen. Mit dem Abschluss der Vereinbarung habe sich Lettland entschieden, kurzfristige Verluste zugunsten einer langfristigen Rückkehr in die Gewinnzone in Kauf zu nehmen; diese Investitionsentscheidungen seien auf Initiative von BAS zustande gekommen. Die Verluste von airBaltic hätten sich verringert, und die Argumentation von Ryanair entbehre jeder Grundlage.

(81)

Lettland vertritt ferner die Auffassung, dass die Stellungnahmen, die von Einzelpersonen im Namen der Gläubiger von airBaltic eingereicht wurden, keinen Bezug zu den im Eröffnungsbeschluss angeführten Maßnahmen aufwiesen und offenbar das Ziel hätten, die Position der Gläubiger bei deren handelsrechtlichen Streitigkeiten mit airBaltic zu stärken.

7.   WÜRDIGUNG DER MASSNAHMEN

(82)

Dieser Beschluss betrifft die vorläufige Frage, ob airBaltic ein Unternehmen in Schwierigkeiten im Sinne der Rettungs- und Umstrukturierungsleitlinien ist (Abschnitt 7.1). Anschließend wird untersucht, ob die zu prüfenden Maßnahmen staatliche Beihilfen an airBaltic im Sinne von Artikel 107 Absatz 1 AEUV beinhalten (Abschnitt 7.2) und ob es sich gegebenenfalls um eine rechtmäßige Beihilfe handelt (Abschnitt 7.3), die mit dem Binnenmarkt vereinbar ist (Abschnitt 7.4).

7.1.   SCHWIERIGKEITEN VON AIRBALTIC

(83)

Wie bereits im Eröffnungsbeschluss dargelegt, führen die lettischen Behörden selber aus, dass die Schwierigkeiten von airBaltic 2008 infolge der weltweiten Rezession und des drastischen Ölpreisanstiegs begannen. Infolgedessen erlitt airBaltic 2008 Verluste in Höhe von 28 Mio. LVL (39,64 Mio. EUR). Zwar erzielte das Unternehmen 2009 einen Gewinn von 6 Mio. LVL (8,49 Mio. EUR), schrieb jedoch 2010 erneut Verluste in Höhe von 34,2 Mio. LVL (48,42 Mio. EUR), die 2011 auf 84,7 Mio. LVL (119,2 Mio. EUR) anstiegen. Die Kommission erinnert daran, dass der lettische Wirtschaftsminister im Juni 2011 erklärte, airBaltic stehe kurz vor der Insolvenz (28), während die Presse berichtete, dass das Unternehmen am 21. September 2011 Gläubigerschutz beantragt habe (29).

(84)

Die geprüften Jahresabschlüsse von airBaltic zeigen, dass das Unternehmen im Zeitraum 2009-2012 einen negativen Eigenkapitalwert verzeichnete, der noch dazu von Jahr zu Jahr zunahm. Während er sich 2009 auf 19,2 Mio. LVL (27,18 Mio. EUR) belief, waren es 2010 bereits 23,3 Mio. LVL (32,99 Mio. EUR). Im Jahr 2011 hatte sich das negative Eigenkapital von airBaltic auf 105,6 Mio. LVL (149,51 Mio. EUR) erhöht, um dann 2012 auf 125,1 Mio. LVL (177,12 Mio. EUR) zu steigen.

Tabelle

Finanzielle Kennzahlen von airBaltic 2007 — Juni 2011 (in Tausend LVL)

 

2009

2010

2011

2012

Nettoergebnis

6 004

(34 207)

(84 761)

(19 117)

Betriebskosten

(207 312)

(266 930)

(306 183)

(248 168)

Finanzaufwendungen

(2 592)

(3 877)

(17 446)

(4 582)

Eigenkapital

(19 282)

(23 359)

(105 620)

(125 145)

(85)

Gemäß Randnummer 10 Buchstabe c der Rettungs- und Umstrukturierungsleitlinien wird ein Unternehmen dann als Unternehmen in Schwierigkeiten betrachtet, „wenn die im innerstaatlichen Recht vorgesehenen Voraussetzungen für die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens erfüllt sind“. Bei airBaltic schien dies zumindest bei Beantragung des Gläubigerschutzes am 21. September 2011 — wenn nicht schon eher — der Fall zu sein. Die Kommission weist jedoch darauf hin, dass das Gericht den Gläubigerschutz einige Tage darauf abgelehnt haben soll, was mutmaßlich auf die Verhandlungen zwischen Lettland und BAS zurückzuführen war, die in der Vereinbarung gipfelten. Ungeachtet dessen ist nach Ansicht der Kommission in jedem Fall davon auszugehen, dass airBaltic ein Unternehmen in Schwierigkeiten im Sinne von Randnummer 11 der Rettungs- und Umstrukturierungsleitlinien ist.

(86)

Dieser Bestimmung zufolge ist ein Unternehmen als in Schwierigkeiten zu betrachten, „wenn die hierfür typischen Symptome auftreten, wie steigende Verluste, sinkende Umsätze, wachsende Lagerbestände, Überkapazitäten, verminderter Cashflow, zunehmende Verschuldung und Zinsbelastung sowie Abnahme oder Verlust des Reinvermögenswerts“. Aus oben stehender Tabelle wird klar ersichtlich, dass airBaltic seit 2008 (mit Ausnahme des Jahres 2009) im Minus stand. Allem Anschein nach hatte airBaltic den Gewinn von 2009 nur dem Preiseinbruch bei den Treibstoffen zu verdanken. Somit war die 2009 verzeichnete Rückkehr in die Rentabilität — wie im Eröffnungsbeschluss dargelegt — offenbar kein struktureller Trend, sondern ein einmaliges, durch außergewöhnliche Umstände bedingtes Ereignis. Die Verbindlichkeiten und Finanzaufwendungen des Unternehmens zeigten bereits zwischen 2008 und 2009 einen erheblichen Anstieg, vor allem aber zwischen 2009 und 2010, als die Finanzierungskosten von 3,8 Mio. LVL (5,38 Mio. EUR) auf 17,4 Mio. LVL (24,64 Mio. EUR) emporschnellten. (30) In der Folge verzeichnete airBaltic auf der Kostenseite einen Anstieg um (5-10) % pro Jahr, auf der Erlösseite hingegen nur von (2-7) % pro Jahr. Wie bereits im Eröffnungsbeschluss der Kommission festgestellt, hatten die Verluste von airBaltic eine solche Größenordnung erreicht, dass sich sein negatives Eigenkapitel 2010 auf ca. 23,3 Mio. LVL (32,99 Mio. EUR) belief und dann infolge der zusätzlichen Verluste im Jahr 2011 auf 105,6 Mio. LVL (149,51 Mio. EUR) stieg. Unter Berücksichtigung sämtlicher angeführter Faktoren ist davon auszugehen, dass die Kriterien in Randnummer 11 der Rettungs- und Umstrukturierungsleitlinien erfüllt sind.

(87)

Daher gelangt die Kommission zu dem Schluss, dass airBaltic zumindest ab 2011 ein Unternehmen in Schwierigkeiten im Sinne der Rettungs- und Umstrukturierungsleitlinien war.

7.2.   VORLIEGEN EINER STAATLICHEN BEIHILFE

(88)

Gemäß Artikel 107 Absatz 1 AEUV sind staatliche oder aus staatlichen Mitteln gewährte Beihilfen gleich welcher Art, die durch die Begünstigung bestimmter Unternehmen oder Produktionszweige den Wettbewerb verfälschen oder zu verfälschen drohen, mit dem Binnenmarkt unvereinbar, soweit sie den Handel zwischen Mitgliedstaaten beeinträchtigen.

(89)

Um das Vorliegen einer staatlichen Beihilfe feststellen zu können, muss die Kommission beurteilen, ob bei den sechs zu prüfenden Maßnahmen alle in Artikel 107 Absatz 1 AEUV genannten Voraussetzungen (d. h. Übertragung staatlicher Mittel, selektiver Vorteil, potenzielle Wettbewerbsverfälschung und Auswirkungen auf den innergemeinschaftlichen Handel) erfüllt sind.

7.2.1.   Zusammengehörigkeit der Maßnahmen 1, 2, 3 und 6

(90)

Lettland trägt vor, dass Maßnahme 1 im Zusammenhang mit den Maßnahmen 2, 3 und 6 gewürdigt werden müsse, da sie am selben Tag — dem 3. Oktober 2011 — beschlossen worden seien, als sowohl Lettland als auch BAS Hauptaktionäre von airBaltic waren.

(91)

Die Kommission stimmt der Auffassung Lettlands zu, dass das erste staatliche Darlehen (Maßnahme 1) und das BAS-Darlehen nicht voneinander getrennt beurteilt werden können und daher im Zusammenhang mit der Vereinbarung zu betrachten sind, auf deren Grundlage die beiden Darlehen gewährt wurden. Die Kommission teilt jedoch nicht den Standpunkt Lettlands, dass die anderen Maßnahmen als eine einzige zusammenhängende Transaktion beurteilt werden müssen.

(92)

Die Kommission ist der Auffassung, dass sich BAS und der Staat beim Abschluss der Vereinbarung am 3. Oktober 2011 mit absoluter Gewissheit verpflichteten, das erste staatliche Darlehen (Maßnahme 1) und das BAS-Darlehen bereitzustellen. Somit lässt sich feststellen, dass diese Maßnahmen an jenem Tag gewährt wurden. Dagegen sind die konkreten Beträge des zweiten staatlichen Darlehens (Maßnahme 2) und der Kapitalerhöhung (Maßnahme 3) der Vereinbarung nicht mit Sicherheit zu entnehmen. Vor allem in Bezug auf Maßnahme 2 besagt die Vereinbarung lediglich, dass Lettland ein Darlehen im Verhältnis zu seinen Anteilen gewähren werde, ohne jedoch dieses Darlehen zu beziffern. In diesem Zusammenhang stellt die Kommission fest, dass sich nach Artikel 7.1 der Vereinbarung die absehbare Eigenkapitalerhöhung (durch Kapitalumwandlung des ersten und des zweiten staatlichen Darlehens sowie des BAS-Darlehens, zusammen mit einer zusätzlichen Barzahlung durch BAS) auf maximal 100 Mio. LVL (141,58 Mio. EUR) belaufen sollte. Hierzu ist jedoch Folgendes anzumerken: Erstens wurden in der Vereinbarung lediglich das erste staatliche Darlehen und das BAS-Darlehen konkret beziffert, nämlich auf 16 Mio. LVL bzw. 14 Mio. LVL. Bei der Summe von 100 Mio. LVL handelte es sich lediglich um eine Prognose, d. h. eine Schätzung der bis Jahresende benötigten oder erwarteten Eigenkapitalzuführung, deren genauer Betrag in der Vereinbarung nicht eindeutig festgelegt wurde. Letztlich belief sich die im Dezember 2011 vereinbarte Eigenkapitalerhöhung sogar auf 110 Mio. LVL (siehe Erwägungsgrund 33) und überstieg damit den in der Vereinbarung vorgesehenen Betrag. Die Kommission ist der Auffassung, dass die Beträge für die Maßnahmen 2 und 3 am 3. Oktober 2011 weder feststanden noch ermittelbar waren.

(93)

Auch in Bezug auf Maßnahme 6 merkt die Kommission an, dass der Staat bei Abschluss der Vereinbarung am 3. Oktober 2011 nicht wusste, ob er auf Artikel 7.4 der Vereinbarung zurückgreifen und die Forderungen privater Kapitalgeber an sich abtreten lassen müsste. Darüber hinaus war der Staat nicht verpflichtet, die Forderungen aus dem Konsortialkredit 2 an airBaltic abzutreten. Die Abtretung der Forderungen privater Kapitalgeber an den Staat war nur für den Fall vorgesehen, dass BAS seinen Pflichten aus der Vereinbarung nicht nachkommen würde. Ob dieser Fall eintreten würde, war jedoch am 3. Oktober 2011 nicht bekannt, und es bestand kein Anlass zu einer entsprechenden Vermutung. Aus diesem Grund kann nicht davon ausgegangen werden, dass Maßnahme 6 zum Zeitpunkt der Unterzeichnung der Vereinbarung sowie pari passu mit dem ersten staatlichen Darlehen und dem BAS-Darlehen gewährt wurde.

(94)

Lettland macht ferner geltend, dass die Forderungen der privaten Kapitalgeber, die in die beiden Konsortialkredite umgewandelt werden sollten, zum größten Teil unbesichert gewesen seien. Hätte der Staat den Konkurs des Unternehmens zugelassen, dann hätten ihn die privaten Kapitalgeber auf Schadenersatz verklagt, was für ihn kostspieliger gewesen wäre als die Gewährung der übrigen Maßnahmen für airBaltic.

(95)

Nach Ansicht der Kommission ist die Aussage, dass die privaten Kapitalgeber den Staat auf Schadenersatz verklagt hätten, rein hypothetisch und durch nichts belegt. Außerdem deutet nichts darauf hin, dass Lettland diese Erwägungen berücksichtigte, als es airBaltic die Unterstützung zukommen ließ.

(96)

Aus den vorstehenden Gründen gelangt die Kommission zu dem Schluss, dass das von Lettland angeführte Argument der Konkomitanz keinen Bestand hat. Das Fazit der Kommission lautet daher, dass die Maßnahmen 1, 2, 3 und 6 nicht als einheitliche, am 3. Oktober 2011 beschlossene Transaktion angesehen werden können, und wird sie daher getrennt voneinander würdigen.

7.2.2.   Das erste staatliche Darlehen (Maßnahme 1)

(97)

Die Kommission stellt fest, dass Lettland das erste staatliche Darlehen auf Ersuchen des Verkehrsministeriums direkt über das Finanzministerium zur Verfügung stellte. Dies geht aus dem Wortlaut der Vereinbarung hervor. Damit steht fest, dass Maßnahme 1 staatliche Mittel beinhaltete und dem Staat zurechenbar ist. Lettland stellt dies nicht in Abrede.

(98)

Bei der Beurteilung der Frage, ob Maßnahme 1 airBaltic eine ungerechtfertigten selektiven Vorteil verschaffte, weist die Kommission zunächst darauf hin, dass das erste staatliche Darlehen und das BAS-Darlehen am 3. Oktober 2011 vereinbart wurden, d. h. am Tag der Unterzeichnung der Vereinbarung. Zum damaligen Zeitpunkt waren Lettland und BAS die Hauptaktionäre des Unternehmens; die Darlehen wurden proportional zu ihren jeweiligen Anteilen (52,6 % bzw. 47,2 %) zu identischen Bedingungen gewährt und waren gekoppelt.

(99)

Wie in Erwägungsgrund 45 ausgeführt, hatte die Kommission in ihrem Eröffnungsbeschluss festgestellt, dass die Entscheidung von BAS über die Beteiligung an airBaltic möglicherweise von der Bereitschaft der Behörden zur finanziellen Unterstützung des Unternehmens beeinflusst war. Zwar trifft zu, dass die lettische Regierung ihr Interesse an der Erhaltung von airBaltic als nationale Fluggesellschaft zum Ausdruck gebracht hatte (31), doch weist die Kommission darauf hin, dass die Unterstützung durch den lettischen Staat damals noch Verhandlungsgegenstand, nicht konkret festgelegt und mit Bedingungen verknüpft war. Daher kann die Kommission nicht ausschließen, dass das erste staatliche Darlehen und das BAS-Darlehen gleichzeitig gewährt wurden und somit keine Beihilfe vorliegt. Das Gericht stellte Folgendes klar: „Daher kann die Gleichzeitigkeit … für sich allein genommen sogar bei bedeutenden privaten Investitionen nicht für die Schlussfolgerung ausreichen, dass keine Beihilfe im Sinne von Art. 107 Abs. 1 AEUV vorliege, ohne die anderen relevanten tatsächlichen oder rechtlichen Gesichtspunkte zu berücksichtigen.“  (32)

(100)

Daher hat die Kommission auch geprüft, ob der vereinbarte Zinssatz von (11-13) % für das erste staatliche Darlehen (und das BAS-Darlehen) als marktüblicher Satz gelten kann.

(101)

Im Verlauf des förmlichen Prüfverfahrens übermittelte Lettland Nachweise für den Wert der Sicherheiten (Marken und Forderungen), der bei einer im Sommer 2011 eingeleiteten Prüfung des Unternehmens durch den unabhängigen Wirtschaftsprüfer (…) ermittelt worden war. Da die Forderungen (per 30. September 2011) in den einschlägigen Finanzinformationen enthalten waren, wurden auch sie in die Prüfung durch (…) einbezogen. Der Wert der Marken wurde ausgehend von dem Preis ermittelt, zu dem airBaltic sie von BAS zurückgekauft hatte. Zur Ermittlung der Liquidationswertes der Sicherheiten wandte Lettland entsprechend der internen Methodik des lettischen Finanzministeriums zur Bewertung von Sicherheiten einen Abzinsungssatz von (…) % an, den die Kommission in Anbetracht der Natur der Sicherheiten für angemessen erachtet. Daraus ergab sich ein Liquidationswert der Sicherheiten von (15-25) Mio. LVL ((21,3-35,5) Mio. EUR), ein Betrag, der (15-25) % höher war als das erste staatliche Darlehen.

(102)

Darüber hinaus weist die Kommission darauf hin, dass ein Zinssatz von (11-13) % angesichts des hohen Maßes an Besicherung des ersten staatlichen Darlehens mit der Referenzsatz-Mitteilung vereinbar wäre. (33) Die Annahme, dass ein Zinssatz von (11-13) % marktüblich war, wird auch dadurch bestätigt, dass BAS (ein privater Kapitalgeber) auf sein Recht auf Besicherung des BAS-Darlehens verzichtete (siehe Erwägungsgrund 26): Obwohl riskanter als das staatliche Darlehen, wurde das BAS-Darlehen zum selben Zinssatz gewährt.

(103)

Unter Berücksichtigung der Höhe der Besicherung und des angewandten Zinssatzes gelangt die Kommission zu der Schlussfolgerung, dass Maßnahme 1 keinen selektiven Vorteil für airBaltic darstellte und das Vorliegen einer staatlichen Beihilfe ausgeschlossen werden kann, wobei nicht weiter geprüft werden muss, ob die übrigen Bedingungen von Artikel 107 Absatz 1 AEUV erfüllt wären. (34)

Die Senkung des Zinssatzes für das erste staatliche Darlehen von (11-13) % auf (2-4) %

(104)

Am 13. Dezember 2011, als sich der von Lettland gehaltene Anteil an airBaltic auf 99,8 % erhöht hatte (siehe Erwägungsgrund 21), beschloss die lettische Regierung, eine Senkung des Zinssatzes für das erste staatliche Darlehen — und damit auch für das BAS-Darlehen — um (9-11) Prozentpunkte entsprechend der Risikoprämie zu genehmigen, d. h. eine Senkung von (11-13) % auf (2-4) %.

(105)

Lettland erachtet die Senkung des Zinssatzes für gerechtfertigt, denn das Darlehen sei risikofrei gewesen, weil der Liquidationswert der Sicherheiten mit (15-25) Mio. LVL ((21,3-35,5) Mio. EUR) beziffert wurde und somit den Betrag des ersten staatlichen Darlehens um (15-25) % überstieg (siehe Erwägungsgrund 101).

(106)

Die Kommission ist von der Argumentation Lettlands nicht überzeugt, wonach der Staat durch die Senkung des Zinssatzes die Finanzierungskosten von airBaltic, das sich damals mit 99,8 % fast ausschließlich im Staatsbesitz befand, reduzierte (da der Zinssatz des BAS-Darlehens ebenfalls gesenkt wurde). Für den Staat sei diese Entscheidung sinnvoll gewesen, denn die ihm entgangenen Zinseinnahmen würden durch die Vorteile kompensiert, die ihm als Mehrheitsaktionär durch die geringere Zinsbelastung von airBaltic entstünden.

(107)

Andererseits erinnert die Kommission an die zum Zeitpunkt der Gewährung des ersten staatlichen Darlehens und des BAS-Darlehens geschlossene Vereinbarung, die besagte, dass die Konditionen beider Darlehen identisch und miteinander gekoppelt seien, sodass jegliche Änderung eines der Darlehen eine ebensolche Änderung des anderen Darlehens nach sich ziehen werde. Daher erfolgte die Senkung des Zinssatzes bei beiden Darlehen parallel, wobei sich nichts daran änderte, dass das staatliche Darlehen stark besichert und das BAS-Darlehen unbesichert war. Da BAS der Kopplung der Konditionen des BAS-Darlehens und des ersten staatlichen Darlehens zuvor zugestimmt hatte, sieht die Kommission keinen Grund zu der Annahme, dass es sich nicht um eine marktkonforme Entscheidung handelte.

(108)

Ausgehend davon gelangt die Kommission zu dem Schluss, dass Maßnahme 1 selbst bei Berücksichtigung der Zinssatzsenkung keinen selektiven Vorteil für airBaltic darstellte und das Vorliegen einer staatlichen Beihilfe ausgeschlossen werden kann.

7.2.3.   Das zweite staatliche Darlehen (Maßnahme 2)

(109)

Das zweite staatliche Darlehen wurde von Lettland direkt durch das Finanzministerium bereitgestellt. Dazu bevollmächtigte die lettische Regierung das Finanzministerium mit Beschluss vom 13. Dezember 2011, im Staatshaushalt eine Wandelschuldverschreibung in Höhe von 67 Mio. LVL (94,86 Mio. EUR) für airBaltic vorzusehen. Somit beinhaltet Maßnahme 2 staatliche Mittel und ist dem Staat zuzurechnen.

(110)

Die Kommission stellt fest, dass BAS zum Zeitpunkt der Gewährung des zweiten staatlichen Darlehens, d. h. am 13. Dezember 2011, BAS seine gesamte Beteiligung an airBaltic bis auf einen Anteil verloren hatte und sich das Unternehmen nunmehr zu 99,8 % im Eigentum des Staates befand. Somit befanden sich der Staat und BAS als Anteilseigner nicht mehr in einer vergleichbaren Position.

(111)

Lettland erklärt, dass BAS gemäß Artikel 7.2 der Vereinbarung, wonach Lettland airBaltic ein Darlehen „proportional zu seinen Anteilen“ gewähren würde, ebenfalls verpflichtet gewesen sei, airBaltic Mittel im Verhältnis zu seinen Anteilen zuzuführen. Dazu hätte BAS zum Zeitpunkt der Kapitalzuführung vom Dezember 2011 eine Barzahlung leisten müssen. Die Kommission stellt jedoch fest, dass BAS am 13. Dezember 2011 mit nur einer Aktie an airBaltic beteiligt war. Folglich hätte der Staat den Standpunkt eines marktwirtschaftlich handelnden Kapitalgebers einnehmen und beurteilen müssen, ob für BAS angesichts der veränderten Beteiligungsverhältnisse zum Zeitpunkt der Kapitalerhöhung überhaupt ein Anreiz bestand, dem Unternehmen Barmittel zuzuführen. In Wirklichkeit hatte der Staat diese Möglichkeit bereits vorausgesehen und in der Vereinbarung — insbesondere Artikel 7.4 — mehrere Vorkehrungen für den Fall getroffen, dass BAS seinen Verpflichtungen nicht nachkommen würde. Wie Lettland selbst einräumt, sollte außerdem die zweite Tranche des zweiten staatlichen Darlehens freigegeben werden, falls BAS keine zusätzlichen Mittel bereitstellen würde.

(112)

Durch Artikel 7.4 der Vereinbarung erhielt der Staat das Recht, BAS die Gesamtheit seiner Beteiligung an airBaltic für 1 LVL abzukaufen. Damit hatte der Staat bei Unterzeichnung der Vereinbarung die Gewähr, dass BAS seinen Verpflichtungen nachkäme und andernfalls alle seine Anteile an airBaltic verlöre. Am 30. November 2011 kam es jedoch zu einer tief greifenden Veränderung der Lage, als die Latvijas Krājbanka alle von BAS gehaltenen airBaltic-Anteile bis auf eine Ausnahme an den lettischen Staat verkaufte (siehe Erwägungsgrund 21). In diesem neuen Kontext ging Artikel 7.4 seiner Bedeutung verlustig. Mit nur einer Aktie hatte BAS kaum einen Anreiz zur Erfüllung seiner Verpflichtungen, denn eine Nichterfüllung hätte nichts weiter bewirkt als den Verlust seines einzigen Anteils an airBaltic. Ein umsichtig handelnder Marktteilnehmer hätte die Bereitstellung zusätzlicher Mittel für airBaltic unter diesen neuen Umständen sorgfältig überdacht und zumindest von der anderen Partei (d. h. BAS) die Zusicherung eingeholt, dass sie dem Unternehmen tatsächlich Mittel zuführen würde. Wie die Kommission außerdem feststellt, hätte BAS eine solche Zusicherung wohl kaum gegeben, da es einen sehr hohen Geldbetrag — viel mehr als ursprünglich vorhersehbar — hätte zuführen müssen, um wieder seine frühere Beteiligung von 47,2 % oder sonstige nennenswerte Anteile an airBaltic zu erlangen.

(113)

Lettland legt außerdem dar, dass das zweite staatliche Darlehen zu Marktbedingungen gewährt worden und ein ungerechtfertigter Vorteil für airBaltic daher ausgeschlossen sei.

(114)

Zur Besicherung merkt Lettland an, dass beim zweiten staatlichen Darlehen dieselben Sicherheiten verwendet worden seien wie beim ersten, d. h. Forderungen und die Marken von airBaltic. Wie in Erwägungsgrund 101 ausgeführt, wurde der Liquidationswert der Sicherheiten mit (15-25) Mio. LVL ((21,3-35,5) Mio. EUR) beziffert. Daher erscheint die Besicherung für das zweite staatliche Darlehen gering. Es gibt auch keinen Grund zu der Annahme, dass ein marktwirtschaftlich handelnder Wirtschaftsteilnehmer eine Reduzierung der bereits für das erste staatliche Darlehen verwendeten Sicherheit auf weniger als 100 % gutgeheißen hätte.

(115)

Bei der Prüfung der Marktkonformität des Zinssatzes für die erste Tranche des zweiten staatlichen Darlehens wird die Kommission als besten verfügbaren Näherungswert den Satz verwenden, der sich aus der Referenzsatz-Mitteilung ergibt. Am 13. Dezember 2011 galt für Lettland ein Basiszinssatz von 2,2 %. Diesem Wert sollte eine Marge hinzugerechnet werden, die sich nach dem Rating des Darlehensempfängers und der Besicherung des Darlehens richtet. Im vorstehenden Erwägungsgrund wurde bereits auf den geringen Grad der Besicherung hingewiesen. In Anbetracht der damaligen Schwierigkeiten von airBaltic sollte gemäß Referenzsatz-Mitteilung eine Marge von 1 000 Basispunkten auf den Basissatz aufgeschlagen werden, woraus sich ein Satz von 12,2 % ergibt. Demnach kann der für die erste Tranche des zweiten staatlichen Darlehens verwendete Zinssatz von (9-11) % nicht als marktkonform angesehen werden.

(116)

Die zweite Tranche des zweiten staatlichen Darlehens wurde dem Unternehmen am 14. Dezember 2012 zu einem Zinssatz von (6-8) % zur Verfügung gestellt. Lettland argumentiert, dass dieser Zinssatz über dem aus der Referenzsatz-Mitteilung resultierenden Satz liege und damit MEIP-konform sei.

(117)

Ausgehend von der Referenzsatz-Mitteilung galt für Lettland am 14. Dezember 2012 ein Zinssatz von 1,91 %. Die auf diesen Basissatz aufzuschlagende Marge hängt vom Rating des Darlehensnehmers und von der Höhe der Besicherung ab. Wie in Abschnitt 7.1 ausgeführt, war airBaltic nach Ansicht der Kommission mindestens ab 2011 ein Unternehmen in Schwierigkeiten. Überdies wurde die zweite Tranche mit den Forderungen und den Marken von airBaltic besichert. Der Hinweis auf die Unzulänglichkeit der Sicherheiten gilt hier entsprechend, so dass eine Marge von 1 000 Basispunkten hinzuzurechnen ist. Der daraus resultierende Zinssatz liegt mit 11,91 % weit über dem tatsächlich verwendeten Satz von (6-8) %.

(118)

In Anbetracht der bisherigen Ausführungen ist die Kommission der Ansicht, dass ein marktwirtschaftlich umsichtig handelnder Kapitalgeber von der Vergabe des zweiten staatlichen Darlehens an airBaltic Abstand genommen hätte.

(119)

Daraus folgert die Kommission, dass airBaltic durch Maßnahme 2 einen ungerechtfertigten Vorteil erlangte. Da airBaltic der einzige Begünstigte war, handelt es sich um einen selektiven Vorteil.

(120)

Die Kommission muss außerdem prüfen, ob Maßnahme 2 geeignet war, den Wettbewerb zu verfälschen und den Handel zwischen Mitgliedstaaten zu beeinträchtigen, indem sie airBaltic einen Vorteil gegenüber Wettbewerbern einräumte, die keine öffentliche Unterstützung erhielten. Es ist offensichtlich, dass Maßnahme 2 den Handel und Wettbewerb in der EU beeinträchtigen konnte, da airBaltic mit anderen Fluggesellschaften aus der EU in Wettbewerb steht, was insbesondere seit Inkrafttreten der dritten Stufe der Liberalisierung des Luftverkehrs („drittes Liberalisierungspaket“) am 1. Januar 1993 gilt. Außerdem konkurriert der Luftverkehr bei relativ kurzen Entfernungen innerhalb der EU mit dem Straßen- und Schienenverkehr, sodass auch Straßen- und Schienenverkehrsunternehmen betroffen sein könnten.

(121)

Somit konnte airBaltic dank Maßnahme 2 seine Geschäftstätigkeit fortsetzen, ohne die Konsequenzen tragen zu müssen, die sich normalerweise aus seiner schwierigen Finanzlage ergeben hätten. Auf der Grundlage der vorstehenden Darlegungen gelangt die Kommission zu dem Schluss, dass Maßnahme 2 eine staatliche Beihilfe zugunsten von airBaltic im Sinne von Artikel 107 Absatz 1 AEUV beinhaltete.

7.2.4.   Die am 22. Dezember 2011 beschlossene Kapitalzuführung (Maßnahme 3)

(122)

Wie bereits ausgeführt, beinhalten das erste staatliche Darlehen und die erste Tranche des zweiten staatlichen Darlehens staatliche Mittel und sind daher dem Staat zuzurechnen. Das lettische Verkehrsministerium beschloss, sie in Eigenkapital umzuwandeln, d. h. Lettland ist seit dem 30. November 2011 zu 99,8 % an airBaltic beteiligt. Somit beinhaltet Maßnahme 3 staatliche Mittel und ist dem Staat zuzurechnen.

(123)

Die Kommission teilt nicht die von Lettland vertretene Auffassung, dass es sich bei Maßnahme 3 nicht um eine Beihilfe handelt. Zunächst bekräftigt die Kommission, dass die in Abschnitt 7.2.1 gezogenen Schlussfolgerungen auf Maßnahme 3 zutreffen. Sie ist zudem der Auffassung, dass Maßnahme 3 nicht am 22. Dezember 2011 (d. h. dem Tag der Aktionärsversammlung von airBaltic) gewährt wurde, sondern am 29. Dezember 2011, dem Tag, an dem der Staat seine Darlehen umwandelte. So geht aus den Informationen, die Lettland während des förmlichen Prüfverfahrens bereitgestellt hat, hervor, dass BAS und der Staat nach den geltenden Vorschriften verpflichtet waren, die auf der Aktionärsversammlung von airBaltic beschlossenen Umwandlung bis zum 30. Januar 2012 zu formalisieren.

(124)

Wie die Kommission ferner feststellt, hätte Lettland am 29. Dezember 2011 begründete Zweifel haben können, dass BAS zur Erfüllung seiner Verpflichtungen bereit ist, denn BAS hatte bereits angedeutet, dass es sein Darlehen nicht umwandeln werde: Lettland selbst räumt ein, dass die am 13. Dezember 2011 beschlossene zweite Tranche des zweiten staatlichen Darlehens genau für den Fall vorgesehen war, dass BAS seinen Verpflichtungen nicht nachkommt. Zudem befanden sich der Staat und BAS seit dem 30. November 2011 als Aktionäre nicht mehr in einer vergleichbaren Position, da BAS seine gesamte Beteiligung an airBaltic bis auf einen Anteil verloren hatte und das Unternehmen zu 99,8 % Staatseigentum war.

(125)

In Anbetracht dieser Entwicklungen hätte der Staat vor der tatsächlichen Umwandlung der Staatsanleihen aus den Handlungen des BAS schließen müssen — oder hatte zumindest Gründe zu der Annahme —, dass BAS die Erfüllung seiner Verpflichtungen nicht beabsichtigt (siehe Erwägungsgrund 35). Da BAS alle airBaltic-Aktien bis auf eine verloren hatte, war zudem die in Artikel 7.4 der Vereinbarung vorgesehene Abhilfemaßnahme — d. h. das dem Staat eingeräumte Recht, BAS den Gesamtbestand seiner airBaltic-Aktien für 1 LVL abzukaufen — bedeutungslos geworden: Dem Staat war damit das Mittel genommen, mit dem er BAS hätte zwingen können, zu seinen eingegangenen Verpflichtungen zu stehen.

(126)

Unter Berücksichtigung der oben aufgeführten Punkte gelangt die Kommission zu der Schlussfolgerung, dass ein umsichtiger marktwirtschaftlich handelnder Kapitalgeber seine Darlehen nicht in Eigenkapital umgewandelt hätte, bevor er nicht sicher gewesen wäre, dass die andere Partei ihr Darlehen umwandeln und eine Barzahlung leisten würde. Er hätte unter diesen Umständen sorgfältig geprüft, welche Anreize für die andere Partei bestehen, ihre Verpflichtungen zu erfüllen.

(127)

Zudem stellt die Kommission fest, dass BAS selbst bei Einhaltung der auf der Aktionärsversammlung getroffenen Vereinbarung seine frühere Beteiligung an airBaltic nicht wiedererlangt hätte. Um einen Anteil von 47,2 % zu erreichen, hätte BAS sehr viel mehr investieren müssen als die auf dieser Versammlung bewilligten Beträge. Daher ist die Kommission der Ansicht, dass der Staat bei Einhaltung des MEIP-Grundsatzes hätte sorgfältig prüfen müssen, ob BAS erhebliche Beträge investieren würde (BAS-Darlehen und -Barkapital in Höhe von insgesamt 37,7 Mio. LVL (53,38 Mio. EUR)), um eine Minderheitsbeteiligung an airBaltic zu erlangen.

(128)

Als ein zusätzliches Argument führt Lettland an, dass die Verpflichtung des BAS zur Einbringung von Barkapital und zur Umwandlung des BAS-Darlehens durch die Garantie des russischen Geschäftsmanns Wladimir Antonow besichert gewesen sei, der sich bereit erklärt habe, die erforderlichen Zahlungen im Namen von BAS zu leisten. (35) Aus den der Kommission vorliegenden Informationen geht jedoch hervor, dass die Bürgschaft niemals geleistet wurde.

(129)

Lettland führt außerdem an, dass die in Artikel 7.2 der Vereinbarung festgelegten Bedingungen für die Kapitalisierung der staatlichen Darlehen am 13. Dezember 2011 erfüllt gewesen seien, als in einem ihm vorgelegten Geschäftsplan die Rückkehr in die Rentabilität von airBaltic im Jahr 2015 ausgewiesen wurde. Die Entscheidung, die staatlichen Darlehen in Eigenkapital umzuwandeln, sei daher MEIP-konform. Die Kommission jedoch ist von den Argumenten Lettlands nach wie vor nicht überzeugt, da der Plan nicht vollständig war und kein rational handelnder privater Kapitalgeber auf seiner Grundlage einem Unternehmen in Schwierigkeiten erhebliche Kapitalbeträge zugeführt hätte.

(130)

Aus den vorstehend genannten Gründen schlussfolgert die Kommission, dass keine Pari-passu-Bedingungen vorlagen, als Lettland seine Darlehen umwandelte, und daher das Eigenkapital von airBaltic erhöht wurde. Die Vorgehensweise des Staates stand überdies nicht in Einklang mit dem MEIP-Grundsatz. Aus Maßnahme 3 ergab sich daher für airBaltic ein ungerechtfertigter Vorteil, der selektiven Charakter trägt, da er einzig dem Unternehmen zugute kommt.

(131)

Die Kommission muss außerdem prüfen, ob Maßnahme 3 geeignet war, den Wettbewerb zu verfälschen und den Handel zwischen Mitgliedstaaten zu beeinträchtigen, indem sie airBaltic einen Vorteil gegenüber Wettbewerbern einräumte, die keine öffentliche Unterstützung erhielten. Die Schlussfolgerungen von Erwägungsgrund 120 gelten entsprechend.

(132)

Die Kommission gelangt somit zu der Schlussfolgerung, dass die Umwandlung des ersten staatlichen Darlehens und der ersten Tranche des zweiten staatlichen Darlehens in Eigenkapital eine staatliche Beihilfe für airBaltic im Sinne von Artikel 107 Absatz 1 AEUV darstellt.

7.2.5.   Die zinslosen airBaltic-Anleihen (Maßnahme 4)

(133)

Wie bereits im Eröffnungsbeschluss ausgeführt wurde, folgt aus der Vereinbarung vom 30. April 2010 zur Formalisierung des Kaufs der zinslosen airBaltic-Anleihen, dass der Käufer LVRTC (siehe Erwägungsgrund 38) im Auftrag des lettischen Staates gehandelt hat. Zudem hat Lettland geltend gemacht, LVRTC habe die Anleihen aus budgetären Gründen gekauft. Damit steht fest, dass Maßnahme 4 staatliche Mittel beinhaltet und dem Staat zurechenbar ist, was Lettland außerdem nicht in Abrede stellt.

(134)

Im Verlaufe des förmlichen Prüfverfahrens erbrachte Lettland den Nachweis, dass sowohl der Staat als auch BAS die Anleihen entsprechend ihren jeweiligen Anteilen an airBaltic und zu den gleichen Bedingungen erworben haben. Außerdem hat der Staat airBaltic offenbar vor April 2010 keine Mittel zur Verfügung gestellt, während BAS bereits vor diesem Zeitpunkt erhebliche Beträge in das Unternehmen investiert hatte. Und schließlich ging aus der Prüfung hervor, dass die Vereinbarung über die Emission von Anleihen auf Initiative des Managements von BAS und airBaltic geschlossen wurde, die dem Staat bereits im April und Juni 2009 eine Kapitalerhöhung im Unternehmen entsprechend der Höhe ihrer jeweiligen Beteiligung vorgeschlagen hatten.

(135)

Wie im Eröffnungsbeschluss herausgestellt wurde, erachtet die Kommission den Kauf von zinslosen Anleihen nicht als typische Investition eines umsichtig handelnden Marktteilnehmers. Allerdings merkt sie an, dass Lettland und BAS zum betreffenden Zeitpunkt Hauptanteilseigner von airBaltic waren und ihre Investitionsentscheidung aus dieser Sicht beurteilt werden müsse und nicht aus Sicht eines rein externen Anlegers. Sinnvollerweise sollte daher wahrscheinlich wirklich geschlussfolgert werden, dass es den Eigentümern von airBaltic damals nicht um kurzfristige Gewinne ging, sondern dass sie das Überleben des Unternehmens sichern wollten.

(136)

Davon ausgehend gelangt die Kommission zu der Schlussfolgerung, dass Lettland wie ein umsichtiger Marktakteur handelte, als es zusammen mit dem privaten Anleger BAS zinslose airBaltic-Anleihen erwarb. Das Vorliegen eines ungerechtfertigten Vorteils in Bezug auf Maßnahme 4 schließt sie daher aus, und eine Überprüfung der anderen in Artikel 107 Absatz 1 AEUV festgelegten kumulativen Bedingungen bezüglich des Vorliegens staatlicher Beihilfen ist überflüssig.

7.2.6.   Die Zahlungen von Latvijas Krājbanka in Höhe von 2,8 Mio. EUR (Maßnahme 5)

(137)

Maßnahme 5 bezieht sich auf die Zahlung von 2,8 Mio. EUR, die die Latvijas Krājbanka am 21. und 22. November 2011 an airBaltic geleistet hat. Wie in Erwägungsgrund 39) erläutert wurde, hat airBaltic der Latvijas Krājbanka drei Zahlungsanweisungen vorgelegt, ehe die Beschlüsse der FKTK vom 17. November 2011 über die Beschränkung der 100 000 EUR überschreitenden Bankgeschäfte bzw. vom 21. November 2011 über die Einstellung aller Tätigkeiten der Latvijas Krājbanka ergingen. Lettland vertritt die Auffassung, dass staatliche Mittel nicht beteiligt gewesen seien, da es sich bei den drei Zahlungsanweisungen von airBaltic um Zahlungen an das IATA Clearing House, den Internationalen Flughafen Riga und auf ein alternatives Bankkonto von airBaltic bei einer anderen Bank (siehe Erwägungsgrund 39) gehandelt habe. Dies seien, so Lettland, ganz normale Bankgeschäfte gewesen, die private Mittel von airBaltic betrafen. Lettland führt außerdem an, dass die Beschlüsse der FKTK nicht dem Staat zuzurechnen seien.

(138)

Lettland hat dargelegt, dass die Mittelübertragung auf Zahlungsanweisungen von airBaltic zurückging, die vorgelegt worden waren, bevor die FKTK am 21. November 2011 die Einstellung der Tätigkeiten der Latvijas Krājbanka anordnete. Die Latvijas Krājbanka führte die Transaktionen am 25. und 30. November 2011 aus.

(139)

Zudem kann die FKTK entsprechend dem Gesetz über die FKTK vom 1. Juni 2000 ihre Entscheidungen treffen, ohne dabei Forderungen oder Anweisungen anderer Behörden berücksichtigen zu müssen. Zudem erfolgt die Finanzierung der FKTK unabhängig vom Staat, da auf den lettischen Finanz- und Kapitalmärkten tätige Akteure für die Tätigkeit der FKTK aufkommen. Gemäß den geltenden Rechtsvorschriften nimmt die FKTK ihre Durchsetzungsbefugnisse und -rechte bei der Beaufsichtigung der Kreditinstitute völlig unbeeinflusst vom Staat wahr.

(140)

Ausgehend von den ihr vorliegenden Unterlagen vertritt die Kommission die Ansicht, dass die von der FKTK benannten Treuhänder unabhängig vom Staat gehandelt haben, was ausschließen würde, dass ihre Maßnahmen Lettland zuzurechnen sind.

(141)

Aus den vorstehenden Gründen zieht die Kommission den Schluss, dass Maßnahme 5 keine staatliche Beihilfe im Sinne von Artikel 107 Absatz 1 AEUV darstellte.

7.2.7.   Die an airBaltic abgetretene Forderung von Taurus in Höhe von 5 Mio. EUR (Maßnahme 6)

(142)

Die am 18. Juli 2012 eingegangene Folgebeschwerde betrifft Artikel 7.4 der Vereinbarung, nach dem die Anleger verpflichtet sind, dem Staat oder dem von ihm benannten Unternehmen — unter bestimmten Umständen — die noch ausstehenden Forderungen aus dem Konsortialkredit 2 für 1 LVL zu überlassen (siehe Erwägungsgrund 42).

(143)

Gemäß Artikel 7.4 der Vereinbarung trat Taurus eine gegenüber airBaltic bestehende Forderung in Höhe von 5 Mio. EUR an Lettland für 1 LVL ab. Danach übertrug Lettland die Forderung an airBaltic.

(144)

Hinsichtlich der übrigen Forderungen, die sich auf 30 Mio. LVL (42,47 Mio. EUR) beliefen und im Rahmen des Konsortialkredits 2 durch Novation umgewandelt werden sollten, forderte der lettische Staat die Anleger mit Schreiben vom 9. Februar 2012 auf, ihre jeweiligen Forderungen für jeweils 1 LVL an ihn abzutreten. Zudem reichte Lettland beim Regionalgericht Riga Klage gegen drei der Anleger ein, um Artikel 7.4 der Vereinbarung durchzusetzen. Lettland hat seine Absicht bekundet, auch diese Forderungen airBaltic zu übertragen.

(145)

Lettland argumentiert, dass es sich bei der Abtretung der Forderung in Höhe von 5 Mio. EUR an airBaltic um eine Vorsorgemaßnahme zum Schutz der finanziellen Interessen des Staates handele und sie als eine Pari-passu-Maßnahme der Vereinbarung angesehen werden sollte, womit eine staatliche Beihilfe ausgeschlossen sei.

(146)

Nach Feststellung der Kommission ergibt sich aus Artikel 7.4 der Vereinbarung eindeutig, dass die entsprechenden Forderungen „dem Staat oder dem von ihm benannten Unternehmen für die Summe von 1 LVL“ abgetreten oder überlassen werden müssen. Da die Entscheidung, die Forderung in Höhe von 5 Mio. EUR an airBaltic abzutreten, vom Staat getroffen wurde, ist sie folglich diesem zuzurechnen und beinhaltet staatliche Mittel.

(147)

Im Laufe des förmlichen Prüfverfahrens stellte sich heraus, dass die Vereinbarungen über die Konsortialkredite nie unterzeichnet wurden. Aus den von Lettland vorgelegten Unterlagen geht jedoch hervor, dass die Gerichte die Gültigkeit der Vereinbarung anerkannten, was die Verpflichtung der privaten Anleger zur Abtretung der aus dem Konsortialkredit 2 resultierenden Forderungen an den Staat oder das von ihm benannte Unternehmen anbelangt.

(148)

Hierzu stellt Lettland fest, dass entsprechend mehrerer Urteile lettischer Gerichte der Inhaber der 5-Mio.-EUR-Forderung nicht berechtigt sei, eine Rückzahlung dieses Betrags zu fordern, sondern lediglich Anteile an airBaltic verlangen kann, die einer Vorauszahlung in das Aktienkapital des Unternehmens in Höhe von 5 Mio. EUR entsprechen. Da der Staat jedoch bereits 99,8 % der Aktien von airBaltic besaß, ist mit dem Anspruch auf zusätzliche Aktien nach Meinung Lettlands kein bedeutsamer wirtschaftlicher Wert verbunden.

(149)

Die Kommission führt an, dass die Gerichte das Recht des Staates auf Übernahme der aus dem Konsortialkredit 2 resultierenden Forderungen gemäß Artikel 7.4 der Vereinbarung zwar durchaus anerkannt haben können, dies jedoch — entgegen der Argumentation Lettlands — nicht bedeute, dass Lettland zur Abtretung dieser Forderung an airBaltic verpflichtet war. Ein umsichtiger markwirtschaftlich handelnder Kapitalgeber hätte die Forderung nicht für 1 LVL an airBaltic übertragen. Lettland hat nicht nachgewiesen, warum es sich für den Staat vorteilhafter war, airBaltic die Forderung zu überlassen, anstatt sie selbst zu behalten oder sie für andere Zwecke zu verwenden. Mit der Übertragung verbesserte Lettland die Wettbewerbsstellung des Unternehmens gegenüber seinen Wettbewerbern.

(150)

Zudem erklärt sich die Kommission nicht mit der Argumentation Lettlands einverstanden und betont, dass jede zusätzliche Beteiligung an airBaltic für den Staat einen zusätzlichen Wert bedeutet und daher — selbst wenn dieser gering ausfällt — das Vorliegen einer Beihilfe nicht ausgeschlossen werden kann. (36) Mit der Abtretung der Forderung an airBaltic gab der Staat zudem nicht nur die Forderung auf, sondern auch jeglichen Anspruch auf entsprechende Zinszahlungen zu einem Satz von (5-7) %.

(151)

Schließlich macht Lettland geltend, dass für beihilferechtliche Zwecke davon ausgegangen werden sollte, dass Maßnahme 6 am 3. Oktober 2011, d. h. am Tag der Unterzeichnung der Vereinbarung, zusammen mit den Maßnahmen 1, 2 und 3 gewährt wurde.

(152)

Die Kommission bekräftigt die in Abschnitt 7.2.1 getroffene Schlussfolgerung, dass dem Staat zum Zeitpunkt des Abschlusses der Vereinbarung am 3. Oktober 2011 nicht bekannt war, ob er auf Artikel 7.4 der Vereinbarung würde zurückgreifen müssen. Zudem war der Staat nicht verpflichtet, die von der Anwendung der Bestimmung betroffenen Forderungen auf airBaltic zu übertragen.

(153)

Schließlich stellt die Kommission fest, dass Lettland seine Behauptung, dass Artikel 7.4 der Vereinbarung darauf abzielte, im Falle des Ausfalls von BAS Schaden vom Staat abzuwenden und seine Beteiligung an airBaltic zu sichern, nicht belegt hat.

(154)

Es lässt sich daher schlussfolgern, dass der Staat mit Maßnahme 6 nicht als marktwirtschaftlich handelnder Kapitalgeber aufgetreten ist und diese Maßnahme auch nicht als „pari passu“ mit den Maßnahmen 1, 2 und 3 angesehen werden kann. Dementsprechend ist die Kommission der Auffassung, dass airBaltic durch Maßnahme 6 einen ungerechtfertigten Vorteil erhielt. Da airBaltic der einzige Begünstigte war, handelt es sich um einen selektiven Vorteil.

(155)

Aus den in Erwägungsgrund 120 genannten Gründen ist Maßnahme 6 geeignet, den Wettbewerb zu verzerren und den Handel zwischen Mitgliedstaaten zu beeinträchtigen.

(156)

Unter Berücksichtigung der angeführten Argumente gelangt die Kommission zu der Schlussfolgerung, dass Maßnahme 6 staatliche Beihilfe zugunsten von airBaltic im Sinne von Artikel 107 Absatz 1 AEUV beinhaltete.

7.2.8.   Schlussfolgerung zum Vorliegen einer Beihilfe

(157)

Die Kommission schlussfolgert, dass es sich aus den oben dargelegten Gründen bei den Maßnahmen 1, 4 und 5 nicht um staatliche Beihilfen handelte.

(158)

Die Maßnahmen 2, 3 und 6 erachtet sie jedoch als staatliche Beihilfen für airBaltic. Zur Feststellung des Umfangs der an airBaltic bereits ausgezahlten Beihilfen stellt die Kommission fest, dass Maßnahme 3 die Kapitalisierung des ersten staatlichen Darlehens in Höhe von 16 Mio. LVL (22,65 Mio. EUR) und die erste Tranche des zweiten staatlichen Darlehens in Höhe von 41,6 Mio. LVL (58,89 Mio. EUR) umfasste. Die zweite Tranche des zweiten staatlichen Darlehens über 25,4 Mio. LVL (35,96 Mio. EUR), die airBaltic am 14. Dezember 2012 zur Verfügung gestellt wurde — d. h. der verbleibende Teil von Maßnahme 2, der nicht kapitalisiert worden war — sollte diesem Betrag zusammen mit den 5 Mio. EUR, die airBaltic als Maßnahme 6 zufielen, hinzugefügt werden. Insgesamt erhielt airBaltic damit staatliche Beihilfen in Höhe von annähernd 86,53 Mio. LVL (122,51 Mio. EUR).

7.3.   RECHTMÄSSIGKEIT DER BEIHILFE

(159)

In Artikel 108 Absatz 3 AEUV ist festgelegt, dass ein Mitgliedstaat eine Beihilfemaßnahme erst durchführen darf, nachdem die Kommission einen Beschluss über die Genehmigung dieser Maßnahme getroffen hat.

(160)

Die Kommission stellt fest, dass Lettland airBaltic die Maßnahmen 2, 3 und 6 gewährt hat, ohne diese bei ihr zur Genehmigung angemeldet zu haben. Sie bedauert es, dass sich Lettland nicht an die Wartezeitverpflichtung gehalten und folglich gegen die Verpflichtung nach Artikel 108 Absatz 3 AEUV verstoßen hat.

(161)

In Bezug auf die Absicht Lettlands, airBaltic resultierend aus dem Konsortialkredit 2 und im Zusammenhang mit Maßnahme 6 30 Mio. EUR zu gewähren, wird an die Verpflichtung Lettlands nach Artikel 108 Absatz 3 AEUV erinnert, die Kommission von jeder geplanten Beihilfe so rechtzeitig zu unterrichten, dass sie sich dazu äußern kann.

7.4.   VEREINBARKEIT DER BEIHILFE MIT DEM BINNENMARKT

(162)

Da es sich bei den Maßnahmen 2, 3 und 6 um staatliche Beihilfen im Sinne von Artikel 107 Absatz 1 AEUV handelt, ist deren Vereinbarkeit mit dem Binnenmarkt anhand der in den Absätzen 2 und 3 dieses Artikels festgelegten Ausnahmen zu beurteilen. Wie im Eröffnungsbeschluss festgestellt wurde, kann angesichts der Art der Maßnahmen und der Schwierigkeiten von airBaltic die Vereinbarkeit mit dem Binnenmarkt offenbar ausschließlich anhand der Kriterien für Beihilfen zur Rettung und Umstrukturierung von Unternehmen in Schwierigkeiten nach Artikel 107 Absatz 3 Buchstabe c AEUV auf der Grundlage der Rettungs- und Umstrukturierungsleitlinien gewürdigt werden, wobei den Bestimmungen in Bezug auf Umstrukturierungsbeihilfen besondere Bedeutung zukommt.

(163)

Lettland war ursprünglich der Ansicht, dass keine der Maßnahmen staatliche Beihilfe beinhaltete. Nach den von der Kommission in ihrem Eröffnungsbeschluss geäußerten Bedenken legte es jedoch Argumente für die Vereinbarkeit vor und machte geltend, dass die Maßnahmen eine zulässige Umstrukturierungsbeihilfe darstellten.

(164)

Insbesondere übermittelte Lettland im Dezember 2013 einen aktualisierten Umstrukturierungsplan, ergänzt durch zusätzliche Angaben vom 28. Januar, 28. Februar und 24. März 2014. Nach den Informationen Lettlands begann die Umstrukturierung von airBaltic am 18. April 2011, als der Unternehmensleitung eine erste Fassung des Plans vorgelegt wurde. Dieser erste Plan, der der Kommission zugeleitet wurde, beinhaltete Hinweise auf bestimmte Schwachstellen bei airBaltic sowie die Feststellung, dass Aktienkapital in Höhe von etwa (175-185) Mio. EUR benötigt würde, damit das Unternehmen seine Flotte erneuern und im Wettbewerb mit Billigfluganbietern bestehen kann. Lettland verweist auf verschiedene Maßnahmen ab April 2011, mit denen der Umstrukturierungsprozess von airBaltic begonnen wurde, darunter die Schließung des airBaltic-Drehkreuzes Vilnius und die Streichung von Strecken. Um die Wiederherstellung der Rentabilität des Unternehmens zu gewährleisten, wurden zu einem späteren Zeitpunkt umfassende Initiativen entwickelt, die die Bereiche Einnahmen, Operationen, Netz, Flotte und Gesamtorganisation betrafen (reShape-Plan).

(165)

Der erste Plan wurde 2011 erarbeitet und betraf unter anderem die wichtigsten finanziellen Aspekte der Umstrukturierung. Die Folge waren nach Aussage Lettlands der Abschluss der Vereinbarung und schließlich der reShape-Plan vom März 2012.

(166)

Die Argumente Lettlands werden in den nachfolgenden Abschnitten gewürdigt.

7.4.1.   Beihilfefähigkeit

(167)

Gemäß Randnummer 33 der Rettungs- und Umstrukturierungsleitlinien haben nur Unternehmen Anspruch auf Umstrukturierungsbeihilfe, wenn sie im Sinne der Randnummern 9 bis 13 dieser Leitlinien als in Schwierigkeiten betrachtet werden können. Die Kommission gelangte bereits zu der Schlussfolgerung, dass airBaltic zumindest ab 2011 ein Unternehmen in Schwierigkeiten gewesen ist (siehe Erwägungsgrund 87).

(168)

In Randnummer 12 der Rettungs- und Umstrukturierungsleitlinien heißt es, dass für neu gegründete Unternehmen keine Rettungs- oder Umstrukturierungsbeihilfe gewährt werden kann, und zwar auch dann nicht, wenn ihre anfängliche Finanzsituation prekär ist. Ein Unternehmen gilt grundsätzlich in den ersten drei Jahren nach Aufnahme seiner Geschäftstätigkeit als neu gegründet. airBaltic wurde 1995 gegründet und kann nicht als neu gegründetes Unternehmen angesehen werden. Auch gehört es nicht zu einer Unternehmensgruppe im Sinne von Randnummer 13 der Rettungs- und Umstrukturierungsleitlinien.

(169)

Die Kommission gelangt deshalb zu dem Schluss, dass airBaltic für eine Umstrukturierungsbeihilfe in Frage kommt.

7.4.2.   Die Gültigkeit des Umstrukturierungsplans

(170)

Die Kommission stellt fest, dass die Umstrukturierung von airBaltic im April 2011 begann, als die Unternehmensleitung einen ersten Umstrukturierungsplan erarbeitete. Seine Schwerpunkte waren die Optimierung der Flotte und der dringend notwendige Ersatz vorhandener Flugzeuge durch leistungsfähigere Modelle, was auch einen Eckpfeiler des späteren reShape-Plans darstellt. Gleichzeitig wurde das Drehkreuz Vilnius geschlossen. Einige Wochen später nahm die Leitung von airBaltic nach Prüfung durch 8…) einen Personalabbau von (8-12) % in den Plan auf.

(171)

Der Plan von 2011 wurde aktualisiert und in Form des bereits genannten reShape-Plans im ersten Quartal 2012 förmlich angenommen. Wie in Erwägungsgrund 164 bereits festgestellt wurde, reichte Lettland im Dezember 2013 bei der Kommission einen aktualisierten Umstrukturierungsplan ein, womit der reShape-Plan aktualisiert wurde.

(172)

Wie die Kommission feststellt, wurden im Umstrukturierungsplan vom April 2011 die wichtigsten Maßnahmen dargelegt, die für airBaltic durchgeführt werden mussten. Wenngleich er noch nicht voll ausgereift war, bildete er doch eine erste Grundlage für die Bestimmung des Umstrukturierungsbedarfs bei airBaltic und für die Gewährleistung der Wiederherstellung der Rentabilität. Zudem war er die Basis für den reShape-Plan, der zum Zeitpunkt der Unterzeichnung der Vereinbarung (d. h. am 3. Oktober 2011) gerade erarbeitet wurde und im März 2012 in der Endfassung vorlag.

(173)

In ihrer bisherigen Praxis hat die Kommission akzeptiert, dass Umstrukturierungspläne im Zeitverlauf entwickelt werden, und erachtete die ursprünglichen Pläne dementsprechend als Ausgangspunkt der Umstrukturierung. In ihrem Beschluss Varvaressos  (37) beispielsweise legte sie fest, dass die Maßnahmen, die diesem Unternehmen zwischen 2006 und 2009 gewährt wurden, als Teil einer kontinuierlichen Umstrukturierungsmaßnahme auf der Grundlage eines Umstrukturierungsplans von 2009 (für den Zeitraum 2006-2011) zu bewerten sind. Ähnlich wie im Fall airBaltic handelte es sich beim Umstrukturierungsplan von Varvaressos aus dem Jahr 2009 um die Weiterentwicklung eines „Strategie- und Geschäftsplans“ aus dem Jahr 2006.

7.4.3.   Wiederherstellung der langfristigen Rentabilität

(174)

Gemäß Randnummer 34 der Rettungs- und Umstrukturierungsleitlinien kann eine Umstrukturierungsbeihilfe nur gewährt werden, wenn sie von der Durchführung eines Umstrukturierungsplans abhängig gemacht wird, der im Falle von Einzelbeihilfen zuvor von der Kommission gebilligt werden muss. In Randnummer 35 heißt es, dass der Umstrukturierungsplan, dessen Laufzeit so kurz wie möglich zu bemessen ist, die Wiederherstellung der langfristigen Rentabilität des Unternehmens innerhalb einer angemessenen Frist auf der Grundlage realistischer Annahmen hinsichtlich seiner künftigen Betriebsbedingungen erlauben muss.

(175)

Laut Randnummer 36 muss der Umstrukturierungsplan die Umstände beschreiben, die zu den Schwierigkeiten des Unternehmens geführt haben, und die jetzige Situation sowie voraussichtliche Marktaussichten mit verschiedenen Szenarien berücksichtigen, die einer optimistischen, einer pessimistischen und einer Basishypothese entsprechen.

(176)

Der Umstrukturierungsplan muss eine Umstellung des Unternehmens in der Weise vorsehen, dass es nach Abschluss der Umstrukturierung alle seine Kosten einschließlich Abschreibungen und Finanzierungskosten decken kann. Die erwartete Kapitalrendite des umstrukturierten Unternehmens sollte ausreichen, um aus eigener Kraft im Wettbewerb bestehen zu können (Randnummer 37).

(177)

Die Kommission stellt fest, dass im Umstrukturierungsplan die Umstände beschrieben werden, die zu den Schwierigkeiten von airBaltic geführt haben. Hauptursache sei die weltweite Rezession von 2008/2009 gewesen, die erhebliche Auswirkungen im Baltikum gehabt habe, wovon auch der Luftfahrtsektor nicht verschont geblieben sei.

(178)

Außerdem heißt es im Umstrukturierungsplan, dass die in der Vergangenheit verfolgte Geschäftsstrategie sowie eine Reihe von Entscheidungen der ehemaligen Leitung von airBaltic zu den Schwierigkeiten des Unternehmens beigetragen haben. Speziell zur Geschäftsstrategie wird festgestellt, dass sie in der Vergangenheit ausschließlich auf Expansion und nicht auf Rentabilität ausgerichtet gewesen war, was dem Unternehmen untragbar hohe Ausgaben gebracht hat. Auch die Flotte mit vier verschiedenen Flugzeugtypen und die hohen Kosten im Zusammenhang mit dem Flugzeugleasing haben sich als stark kostentreibende Faktoren erwiesen. Flugstrecken sind ohne eine angemessene Rentabilitätsbewertung eröffnet worden und viele von ihnen waren defizitär.

(179)

Der Umstrukturierungsplan deckt einen sich über fünf Jahre erstreckenden Umstrukturierungszeitraum (beginnend im April 2011) ab und beruht auf der Annahme, dass airBaltic spätestens im April 2016 seine langfristige Rentabilität wiederhergestellt hat, wenngleich dies nach dem Basisszenario bereits 2014 der Fall sein sollte. Für die Umstrukturierung werden somit höchstens fünf Jahre veranschlagt, wie es der bisherigen Fallpraxis im Personenluftverkehrssektor entspricht. (38) Die Kommission hat konsequent die Auffassung vertreten, dass unter den gegenwärtigen wirtschaftlichen Bedingungen auf Kurzfristigkeit angelegte Richtungsänderungen zu vermeiden sind und stattdessen eine solide Basis für künftiges Wachstum geschaffen werden muss. So gesehen, wird die notwendige Stabilisierung der betrieblichen Leistungen und Dienstleistungen mehrere Jahre in Anspruch nehmen.

(180)

Im Umstrukturierungsplan wird besonders auf die veränderte Geschäftsstrategie von airBaltic hingewiesen, die eine Hybrid-Fluggesellschaft werden möchte und dabei auf ertragreichere Kunden abzielt, indem sie die meisten der bislang von Netzwerkfluggesellschaften angebotenen Dienste bietet und gleichzeitig nach der von Billiganbietern entwickelten Kosteneffizienz strebt. Die neue Unternehmensleitung hat diese neue Strategie seit Oktober 2011 in wesentlichen Teilen umgesetzt. Die Umstrukturierungsmaßnahmen unterteilen sich zudem in drei Arten: (i) Optimierung von Einnahmen und Kosten bei den bestehenden Geschäften; (ii) Neugestaltung des Streckennetzes zur Anpassung von Flugzielen, Frequenzen und Zeiten, um RASK und CASK (39) auf Streckenebene zu optimieren, sowie (iii) Streckennetz- und Flottenoptimierung mit dem Ziel der Überprüfung und Bestimmung der optimalen Netz- und Flottengröße. Insgesamt wurden jeweils 13 Initiativen im Hinblick auf Einnahmen und Kosten entwickelt, und zwei weitere Initiativen betreffen den Umbau des Streckennetzes und die Flottenerneuerung.

(181)

Zur Flottenoptimierung stellt die Kommission fest, dass die gemischte und alternde Flotte von airBaltic weniger kraftstoffeffizient, jedoch wartungsintensiver ist als die der Wettbewerber, was sich in ständig steigenden Kosten niederschlägt. airBaltic entschied sich daher zwecks Kostensenkung, 2012 und 2013 nur einen Teil seiner Flugzeuge einzusetzen. Um den Kapazitätsverlust durch die Ausmusterung der Flugzeuge vom Typ Fokker und Boeing 757 teilweise auszugleichen, wurden 2013 zwei Bombardier Dash 8Q-400 in die Flotte aufgenommen. Zudem wurden mit Blick auf die Erneuerung der Flotte bei den bestehenden Leasingverträgen günstigere Bedingungen ausgehandelt, bis die neuen Bombardier CS300 im Jahr (…) oder (…) zur Verfügung stehen. Ende 2014 wird die Flotte von airBaltic aus 25 Flugzeugen bestehen, und dieses Niveau soll bis zum Ende der Umstrukturierungsperiode 2016 beibehalten werden. Insgesamt wird die Flugzeugflotte während der Zeit der Umstrukturierung um 27 % reduziert.

(182)

Was die Umgestaltung des Streckennetzes betrifft, so wurden mit dem neuen Netz 2013 im Vergleich zum Vorjahr auf C1-Ebene (40) zusätzlich (16-21) Mio. LVL ((22,7-29,8) Mio. EUR) erwirtschaftet, unter anderem durch die Streichung unrentabler Strecken (z. B. (…)) und eine Verringerung der Frequenzen ((…) auf (…), (…) und (…)).

(183)

Zu den Einnahmeinitiativen gehören die Einführung neuer Tarifstrukturen und die Optimierung der Gepäckgebühren. Darüber hinaus wird der Online-Check-in ausgebaut, und für das Kabinen- und Verkaufspersonal wird es ein flexibles Vergütungssystem geben. Die Initiativen im Kostenbereich umfassen die Neuaushandlung der Treibstoffpreise mit den derzeitigen Lieferanten sowie der Verträge für die Überprüfung und Überholung der Triebwerke, eine Optimierung der Leasingverträge und die Reduzierung der Hangarkosten und der Kosten für den Hotelaufenthalt der Besatzungsmitglieder. Auch die bestehenden Verträge mit Bodenabfertigungsdienstleistern werden nachverhandelt.

(184)

Die meisten der in den vorstehenden Erwägungsgründen beschriebenen Umstrukturierungsmaßnahmen wurden bereits umgesetzt. Dank der Initiativen zur Einnahmenoptimierung und Kostenreduzierung sowie der Flottenerneuerung und der Umgestaltung des Streckennetzes beendete airBaltic das Jahr 2012 mit einem negativen EBIT in Höhe von 30 Mio. LVL (42,47 Mio. EUR), entgegen dem negativen EBIT von 38 Mio. LVL (53,8 Mio. EUR), wie er im Haushaltsplan veranschlagt war. 2013 konnte der negative EBIT auf 7,7 Mio. LVL (10,9 Mio. EUR) gesenkt werden, einen Wert, der erneut besser war als die Zielvorgabe. airBaltic dürfte 2014 wieder in die Gewinnzone eintreten und fortan rentabel bleibt, indem der EBIT 2014 auf (1-3) Mio. LVL ((1,4-4,2) Mio. EUR) und 2016 auf (9-12) Mio. LVL ((12,8-17) Mio. EUR) steigt. Dabei wird eine Eigenkapitalrendite von (3-6) % bis 2014 und (18-21) % bis 2016 erwartet.

(185)

Der Umstrukturierungsplan beinhaltet aktualisierte finanzielle Prognosen auf der Grundlage eines realistischen, eines pessimistischen und eines optimistischen Szenarios, wobei von zuverlässigen Annahmen ausgegangen wird. Beim realistischen Szenario beispielsweise beträgt das Wachstum des Marktes (6-8) %, wohingegen das Wachstum von airBaltic 2014 auf (1-3) % und 2015 und 2016 auf (2-4) % begrenzt ist. Die Inflationsrate liegt bei (1-3) % pro Jahr, die Treibstoffkosten steigen von (950-1 000) USD/t im Jahr 2014 auf (1 000-1 050) USD/t im Jahr 2016. Der Sitzladefaktor liegt zwischen (69-71) % im Jahr 2014 und (71-75) % im Jahr 2016. Bei diesem Szenario wird airBaltic durch die Umsetzung der Initiativen den Break-even-Punkt 2014 erreichen (mit einem EBIT von (1-3) Mio. LVL ((1,4-4,2) Mio. EUR)) und auch fortan rentabel bleiben, wobei der EBIT 2015 (6-9) Mio. LVL ((8,5-12,8) Mio. EUR) und 2016 (9-12) Mio. LVL ((12,8-17) Mio. EUR) erreicht.

(186)

In allen Szenarien wird von einem positiven EBIT bis 2016 ausgegangen; er bewegt sich zwischen (10-15) Mio. LVL ((14,2-21,3) Mio. EUR) beim optimistischen Szenario und (5-10) Mio. LVL ((7,1 -14,2) Mio. EUR) beim pessimistischen Szenario. Die Szenarien werden zudem einer Sensitivitätsanalyse unterzogen, um die Risiken und möglichen Auswirkungen bis 2016 abzuschätzen, wobei insbesondere Währungsrisiken (Aufwertung/Abwertung des USD gegenüber LVL und EUR) und Veränderungen beim Sitzladefaktor sowie bei Treibstoffpreis, Ertrag und Passagierzahl in Betracht gezogen werden.

(187)

Die Kommission hat den Umstrukturierungsplan beurteilt und ist der Auffassung, dass es airBaltic mit diesem Plan möglich sein sollte, die langfristige Rentabilität bis spätestens 2016 wiederherzustellen. Er beinhaltet eine umfassende Bewertung der Umstände, die zu den Schwierigkeiten von airBaltic geführt haben, und diese werden durch die Umstrukturierungsmaßnahmen in Form von Einnahmen- und Kosteninitiativen sowie durch Initiativen im Bereich Umbau des Streckennetzes und Flottenerneuerung gebührend in Angriff genommen.

(188)

Zudem ist die Kommission der Ansicht, dass in dem von Lettland eingereichten Umstrukturierungsplan die Auswirkungen der einzelnen Umstrukturierungsmaßnahmen hinlänglich quantifiziert werden, die Annahmen realistisch und für das Umfeld, in dem der Personenluftverkehrssektor tätig ist, geeignet sind und bei allen Szenarien während des gesamten Umstrukturierungszeitraums angemessene Rentabilitätsniveaus prognostiziert werden. Die Sensitivitätsanalyse ist zufriedenstellend und zeigt, dass die berücksichtigten Faktoren den EBIT nur begrenzt beeinflussen würden.

(189)

In Anbetracht der bedeutenden Umstrukturierungsmaßnahmen, die getroffen wurden, und der bislang erzielten Fortschritte hält die Kommission daher den Umstrukturierungsplan für geeignet, um airBaltic eine Wiederherstellung seiner langfristigen Rentabilität innerhalb einer angemessenen Frist zu ermöglichen.

(190)

Wie zudem die von Lettland vorgelegten Unterlagen zeigen, hat airBaltic derzeit gute Aussichten, den Großteil der Zielsetzungen des Umstrukturierungsplans zu erreichen, was ein zusätzlicher Indikator für die Glaubwürdigkeit des Plans ist.

7.4.4.   Vermeidung unzumutbarer Wettbewerbsverfälschungen (Ausgleichsmaßnahmen)

(191)

Gemäß Randnummer 38 der Rettungs- und Umstrukturierungsleitlinien müssen Ausgleichsmaßnahmen getroffen werden, damit nachteilige Auswirkungen der Beihilfe auf die Handelsbedingungen auf ein akzeptables Niveau abgeschwächt werden. In Betracht kommen die Veräußerung von Vermögenswerten, ein Kapazitätsabbau, eine Beschränkung der Marktpräsenz oder eine Senkung der Zutrittsschranken auf den betreffenden Märkten (Randnummer 39).

(192)

Hierbei bleibt die Schließung defizitärer Geschäftsbereiche, die ohnehin zur Wiederherstellung der Rentabilität notwendig wäre, bei der Beurteilung der Ausgleichsmaßnahmen in Form einer Reduzierung der Kapazitäten oder der Marktpräsenz unberücksichtigt (Randnummer 40).

(193)

Die von Lettland vorgeschlagenen Ausgleichsmaßnahmen für airBaltic umfassen die Streichung von rentablen Strecken, was eine Verringerung der Kapazität mit sich bringt, und die Aufgabe von Slotpaaren auf koordinierten Flughäfen.

(194)

Abgesehen von der Einstellung unrentabler Strecken, wie sie für die Wiederherstellung der Rentabilität gefordert wird, sieht der Umstrukturierungsplan die Streichung von 14 Strecken (41) vor, die entsprechend Deckungsbeitrag C1 rentabel sind. Es ist gängige Praxis der Kommission, Strecken als rentabel anzusehen, wenn sie im Jahr vor ihrer Einstellung einen positiven Deckungsbeitrag C1 erreichten (42). Der Deckungsbeitrag C1 berücksichtigt die bei den einzelnen Strecken anfallenden Flug-, Passagier- und Vertriebskosten (d. h. die variablen Kosten). Er ist die geeignete Angabe, da alle mit der betreffenden Strecke direkt verbundenen Kosten berücksichtigt werden. Bei Strecken mit einem positiven Deckungsbeitrag C1 werden nicht nur die variablen Kosten der Strecke abgedeckt, sondern es steht gleichzeitig auch ein Beitrag zur Deckung der Fixkosten des Unternehmens zur Verfügung.

(195)

Zur Kapazität ist im Umstrukturierungsplan daher festgelegt, dass das Unternehmen im April 2011 eine Gesamtkapazität von (5-5,5) Mrd. ASK hatte und diese bis zum Ende des Umstrukturierungszeitraums im April 2016 voraussichtlich auf (4-4,5) Mrd. ASK, d. h. um (17-20) %, zurückgehen wird. Die Kommission stellt hierzu fest, dass insbesondere im Zusammenhang mit der Wiederherstellung der langfristigen Rentabilität eine Reduzierung des Bestands von 34 Flugzeugen im April 2011 auf 25 Flugzeuge Ende 2014 vorgenommen wird und dieses Niveau bis zum Ende der Umstrukturierung im April 2016 beibehalten werden soll (siehe Erwägungsgrund 181). Bei ausschließlicher Berücksichtigung rentabler Strecken beläuft sich die Kapazitätsreduzierung auf (7-10) %.

(196)

Darüber hinaus weist die Kommission darauf hin, dass airBaltic eine Reihe von Strecken gestrichen hat, die von den vollständig koordinierten (43) Flughäfen (…) aus bedient werden. In der Folge wurden 2011 und 2012 (…) Slotpaare auf vollständig koordinierten Flughäfen aufgegeben, wodurch sich neue Geschäftsmöglichkeiten für konkurrierende Fluggesellschaften ergeben, die nunmehr Strecken nach und von diesen Flughäfen bedienen und damit ihre dortige Präsenz erhöhen können.

(197)

Wenn die Kommission prüft, ob die Ausgleichsmaßnahmen geeignet sind, berücksichtigt sie dabei die Marktstruktur und das Wettbewerbsumfeld, um sicherzustellen, dass diese Maßnahmen keine Verschlechterung der Marktstruktur bewirken (Randnummer 39 der Rettungs- und Umstrukturierungsleitlinien). Die Ausgleichsmaßnahmen müssen im Verhältnis zu den durch die Beihilfe verursachten Verzerrungseffekten und insbesondere zur Größe und Stellung des Unternehmens auf seinem Markt oder seinen Märkten stehen Der Umfang des Kapazitätsabbaus oder der Begrenzung der Marktpräsenz hängt von den Umständen des Einzelfalls ab (Randnummer 40 der Rettungs- und Umstrukturierungsleitlinien).

(198)

Die Kommission stellt fest, dass es sich bei airBaltic mit einem Anteil von 0,5 % am Umsatz der gesamten europäischen Luftfahrtindustrie um einen sehr kleinen Akteur auf dem europäischen Luftverkehrsmarkt handelt.

(199)

Zudem hält sie in Anbetracht der relativ geringen Größe von airBaltic verglichen mit der Produktionskapazität und dem Passagieraufkommen der europäischen Luftfahrtindustrie die Kapazitätsverringerung um (7-10) % für nicht unerheblich. Für ein relativ kleines Unternehmen wie airBaltic könnten weitere Flotten- und Kapazitätsreduzierungen die Wiederherstellung der langfristigen Rentabilität gefährden, ohne dass Wettbewerbern bedeutende Marktmöglichkeiten eröffnet würden. Und obwohl airBaltic das größte Luftfahrtunternehmen in Lettland ist, wird sich sein Marktanteil in Riga von (65-70) % im Jahr 2011 auf (55-60) % im Jahr 2016 verringern.

(200)

Überdies stellt die Kommission fest, dass es sich bei Lettland um ein Gebiet handelt, das für regionale Investitionsbeihilfen gemäß Artikel 107 Absatz 3 Buchstabe a AEUV infrage kommt. (44) Gemäß Randnummer 56 der Rettungs- und Umstrukturierungsleitlinien „kann die Kommission in diesen Gebieten … weniger strenge Anforderungen an die Ausgleichsmaßnahmen und den Umfang der Eigenleistung des begünstigten Unternehmens stellen. Soweit regionale Entwicklungserfordernisse dies rechtfertigen, und in Fällen, in denen ein Kapazitätsabbau in dem begünstigten Unternehmen oder die Begrenzung seiner Marktpräsenz als die bestgeeignete Maßnahme erscheint, um übermäßige Wettbewerbsverzerrungen zu vermeiden, ist demnach in Fördergebieten eine geringere Reduzierung der Kapazitäten oder der Marktpräsenz statthaft als in anderen Gebieten“.

(201)

Die Kommission hat bei der Prüfung der Angemessenheit der vorgeschlagenen Ausgleichsmaßnahmen auch die Besonderheiten dieses Falls in Betracht gezogen, nämlich die geografische Randlage Lettlands und seine Zugänglichkeit für die übrige Europäische Union. Hierzu ist festzustellen, dass im lettischen Eisenbahnnetz überwiegend die russische Spurweite verwendet wird, die breiter ist als die in den meisten EU-Ländern übliche Normalspur, was die Interoperabilität mit den benachbarten EU-Ländern erschwert. Auch der Seeverkehr scheint nur in begrenztem Maße als Ersatz für den Luftverkehr geeignet, speziell bei der Personenbeförderung. Und schließlich befinden sich die am nächsten gelegenen Flughäfen, die auf dem Landwege zu erreichen sind, in Vilnius und Tallinn, also etwa 300 km von Riga entfernt, womit diese Drehkreuze keine bequemen Alternativen darstellen, insbesondere nicht für Geschäftsreisende.

(202)

Die Kommission ist daher der Ansicht, dass die von airBaltic getroffenen Ausgleichsmaßnahmen, d. h. die Kapazitätsreduzierung um (7-10) % und die Abgabe von Slots auf koordinierten Flughäfen, unter den Umständen des vorliegenden Falles zulässig sind. Die von Lettland vorgeschlagenen Ausgleichsmaßnahmen sind folglich gemäß den Rettungs- und Umstrukturierungsleitlinien ausreichend, um nachteilige Auswirkungen der airBaltic gewährten Umstrukturierungsbeihilfe auf die Handelsbedingungen auf ein vertretbares Niveau zu verringern.

7.4.5.   Begrenzung der Beihilfe auf das erforderliche Mindestmaß (Eigenbeitrag)

(203)

Gemäß Randnummer 43 der Rettungs- und Umstrukturierungsleitlinien muss der Beihilfeempfänger aus eigenen Mitteln einen erheblichen Beitrag zu den Umstrukturierungskosten leisten, um die Höhe der Beihilfe auf das unbedingt erforderliche Mindestmaß zu beschränken. Das beinhaltet unter Umständen den Verkauf von Vermögenswerten, wenn diese für den Fortbestand des Unternehmens nicht unerlässlich sind, oder auch Fremdfinanzierung zu Marktbedingungen.

(204)

Beim Eigenbeitrag muss es sich um einen konkreten, d. h. tatsächlichen Beitrag handeln ohne für die Zukunft erwartete Gewinne wie Cashflow (Randnummer 43 der Rettungs- und Umstrukturierungsleitlinien). Er darf also von Natur aus keine weitere staatliche Beihilfe beinhalten. Bei großen Unternehmen hält die Kommission in der Regel einen Beitrag von mindestens 50 % der Umstrukturierungskosten für angemessen. In außergewöhnlichen Umständen und in Härtefällen jedoch kann sie ausnahmsweise einen geringeren Beitrag akzeptieren (Randnummer 44 der Rettungs- und Umstrukturierungsleitlinien).

(205)

Dem Plan zufolge belaufen sich die geschätzten Umstrukturierungskosten auf (150-170) Mio. LVL ((214-242) Mio. EUR), ausgehend von den benötigten Mitteln für die Rückzahlung von Darlehen Dritter ((5-15) Mio. LVL ((7,1-21,3) Mio. EUR)), den Ausgleich von Verlusten infolge der Außerdienststellung und Ausmusterung bestimmter Flugzeuge ((15-25) Mio. LVL ((21,3-35,5) Mio. EUR)), die Rückstellungen für zweifelhafte Forderungen, bei denen für das Unternehmen eine ungewisse Einbringlichkeit besteht ((5-10) Mio. LVL ((7,1-15,3) Mio. EUR)), Abfindungszahlungen ((1-4) Mio. LVL ((1,4-5,6) Mio. EUR)), den Kauf neuer Maschinen, insbesondere (…) Bombardier Q400NG und (…) Boeing 737-500 (für insgesamt (50-60) Mio. LVL ((71,1-85,3) Mio. EUR)), den Rückkauf von Marken von BAS ((5-15) Mio. LVL ((7,1-21,3) Mio. EUR)), außerbilanzielle Verbindlichkeiten aufgrund einer Forderung von (…) ((5-15) Mio. LVL ((7,1-21,3) Mio. EUR)) sowie (45-55) Mio. LVL ((64-78,2) Mio. EUR) als Puffer zur Abfederung der erwarteten Verluste bis zur Wiederherstellung der Rentabilität von airBaltic.

(206)

In Anbetracht der Umstrukturierungskosten in Höhe von insgesamt (150-170) Mio. LVL ((214-242) Mio. EUR) soll sich dem Umstrukturierungsplan zufolge der Eigenbeitrag von airBaltic auf (100-110) Mio. LVL ((141-155) Mio. EUR) belaufen, d. h. auf (60-70) % der gesamten Umstrukturierungskosten. Er setzt sich wie folgt zusammen:

i)

Private Kapitalspritzen in Höhe von (20-30) Mio. LVL ((28,4-42,6) Mio. EUR) durch BAS und die privaten Kapitalgeber THC und (…) im Zeitraum April-September 2011. Dieser Betrag beinhaltet (…) Mio. LVL ((…) Mio. EUR) in Form einer von (…) im März und Mai 2011 gewährten Liquiditätsfazilität für den Kauf von Ersatzteilen von airBaltic; (…) Mio. LVL ((…) Mio. EUR) und (…) Mio. LVL ((…) Mio. EUR) als Vorauszahlungen von (…) bzw. (…) in das Eigenkapital von airBaltic sowie (6-8) Mio. LVL ((8,5-12,3) Mio. EUR) von Transatlantic Holdings, die aus einem Aktienkaufvertrag resultierten.

ii)

Private Darlehen in Höhe von (20-30) Mio. LVL ((28,4-42,6) Mio. EUR), die von BAS nach der Vereinbarung gewährt wurden, nämlich das BAS-Darlehen (14 Mio. LVL (19,82 Mio. EUR)) und ein Verkäuferdarlehen über (5-15) Mio. LVL ((7,1-21,3) Mio. EUR) für den Rückkauf von Marken.

iii)

Leasingverträge für neue Flugzeuge mit einem geschätzten Umfang von (45-55) Mio. LVL ((64-78) Mio. EUR).

iv)

(…) Mio. LVL ((…) Mio. EUR) aus einem teilweisen Schuldenerlass aufgrund der im März 2014 mit Latvijas Krājbanka und Snoras vereinbarten Umschuldung von airBaltic.

(207)

In Bezug auf die unter Ziffer i) genannten privaten Kapitalspritzen hat Lettland nachgewiesen, dass BAS zwischen Juni und Juli 2011 Vorauszahlungen in das Eigenkapital des Unternehmens in Höhe von (7-9) Mio. LVL ((10-13) Mio. EUR) geleistet hat. Nach Ansicht der Kommission stellen diese Zahlungen einen Eigenbeitrag im Sinne von Randnummer 43 der Rettungs- und Umstrukturierungsleitlinien dar, denn BAS war ein privater Marktteilnehmer und die Kommission sieht keinen Grund für die Annahme, dass BAS nicht entsprechend der Marktlogik gehandelt hat. Die gleiche Schlussfolgerung gilt für die (6-8) Mio. LVL ((8,5-12,3) Mio. EUR), die Transatlantic Holdings im September 2011 als Gegenleistung für (…) nicht eingezahlte Anteile an airBaltic zur Verfügung stellte.

(208)

Zu Ziffer ii) vertritt die Kommission die Auffassung, dass das von BAS gewährte Darlehen in Höhe von 14 Mio. LVL (19,82 Mio. EUR), d. h. das BAS-Darlehen, eine Fremdfinanzierung zu Marktbedingungen darstellt, die als Eigenbeitrag eines privaten Kapitalgebers anerkannt werden kann, der zu dem betreffenden Zeitpunkt Anteilseigner des Unternehmens war.

(209)

Zu den Leasingverträgen für neue Flugzeuge im Umfang von (45-55) Mio. LVL ((64-78) Mio. EUR) (Ziffer iii)) wird im Umstrukturierungsplan ausgeführt, dass airBaltic im März 2013 im Rahmen seines Programms zur Flottenreduzierung und -optimierung neue Leasingverträge für Flugzeuge mit privaten Geschäftspartnern abgeschlossen hat. Diese Verträge betreffen das Nettoleasing von (…) Flugzeugen vom Typ Bombardier Dash 8 Q400NG für einen Zeitraum von zehn Jahren für einen Gesamtbetrag von ca. (…) Mio. USD ((…) Mio. EUR), woraus sich eine monatliche Leasingrate von ca. (…) USD ((…) EUR) ergibt.

(210)

Wie dem Umstrukturierungsplan zu entnehmen ist, wurde der Leasingvertrag mit (…) zu Marktbedingungen geschlossen. Die monatliche Rate soll jeweils die Abschreibung des Kaufpreises des Flugzeugs abzüglich des Restwertes nach zehn Jahren decken (plus eines Aufschlags zur Deckung von (…) Finanzierungs- und Betriebskosen sowie einer Gewinnspanne), was praktisch dem Kaufpreis des neuen Flugzeugs entspricht.

(211)

Die Kommission stellt fest, dass derartige Leasingvereinbarungen eine marktgängige Finanzierungsform in der Luftfahrtindustrie darstellen und Darlehen gleichgesetzt werden können, die einem in der Umstrukturierung befindlichen Unternehmen gewährt werden. Die Tatsache, dass ein beträchtlicher Teil des Darlehens durch Sicherheiten unterlegt ist, schließt nicht aus, das Darlehen als „Eigenbeitrag“ zu betrachten. Zudem hat Lettland bestätigt, dass die Leasingverträge einer Standardbesicherung unterliegen (d. h. Möglichkeit der Einziehung des Flugzeugs im Insolvenzfall und Hinterlegung einer Barsicherheit). Für den Leasinggeber besteht daher ein gewisses Gläubigerrisiko, denn er würde im Falle der Insolvenz von airBaltic beträchtliche Verluste verzeichnen, und zwar den unmittelbaren Verlust an Einkommen in Form der Leasingraten, der bis zur Neuverleasung andauert, sowie die Kosten im Zusammenhang mit der Umgestaltung des Flugzeugs für den nächsten Betreiber. (45)

(212)

Die Leasingverträge machen folglich deutlich, dass airBaltic in der Lage war, eine Fremdfinanzierung zu Marktbedingungen zu erlangen. Die Leasingverträge können daher als Nachweis dafür gewertet werden, dass der Markt von der langfristigen Rentabilität von airBaltic überzeugt ist, denn sie sind nur standardmäßig besichert und der Geldgeber trägt nach wie vor ein gewisses Risiko. Das steht im Einklang mit Randnummer 43 der Rettungs- und Umstrukturierungsleitlinien, wonach der Eigenbeitrag durch Fremdfinanzierung zu Marktbedingungen geleistet werden sollte und an diesem Beitrag sichtbar wird, dass die Märkte davon überzeugt sind, dass sich die Rentabilität des Unternehmens wiederherstellen lässt. Die Kommission betrachtet daher die Leasingverträge mit einem Umfang von (45-55) Mio. LVL ((64-78) Mio. EUR) als Teil des Eigenbeitrags. Das entspricht zudem der bisherigen Vorgehensweise der Kommission, wie beispielsweise in der Sache České Aerolinie. (46)

(213)

Allerdings hat die Kommission Bedenken hinsichtlich einiger anderer Bestandteile des Eigenbeitrags, die im Umstrukturierungsplan vorgeschlagen werden. Dazu die folgenden Erläuterungen.

(214)

Bezüglich der im Juli 2011 von (…) getätigten Vorauszahlung in Höhe von (…) Mio. LVL ((…) Mio. EUR) in das Eigenkapital von airBaltic lassen die von Lettland vorgelegten Informationen darauf schließen, dass ein direkter Zusammenhang mit Maßnahme 6 besteht, die entsprechend den Schlussfolgerungen staatliche Beihilfe beinhaltet. Die Vorauszahlungen von (…) in das Eigenkapital von airBaltic können folglich nicht als Eigenbeitrag gelten, die zwingendermaßen kein Beihilfeelement enthalten dürfen.

(215)

Hinsichtlich der zwischen April und Juni 2011 von (…) bereitgestellten Liquiditätsfazilität in Höhe von (…) Mio. LVL ((…) Mio. EUR) für den Kauf von Ersatzteilen haben die lettischen Behörden keine Belege übergeben, die der Kommission eine klare Vorstellung von dieser Maßnahme vermittelt und ihre Überzeugung gestärkt hätten, dass der Begünstigte seine Rentabilität wiederherstellen kann. Die Kommission kann daher nicht mit Sicherheit schlussfolgern, dass diese Fazilität als Eigenbeitrag anzuerkennen ist.

(216)

Zum Verkäuferdarlehen über (5-15) Mio. LVL ((7,1-21,3) Mio. EUR), das BAS airBaltic für den Rückkauf von Marken gewährte, hat Lettland keinen Nachweis dafür erbracht, dass das Darlehen tatsächlich bewilligt wurde.

(217)

Auf der Grundlage der vorstehenden Ausführungen erkennt die Kommission die folgenden Maßnahmen nicht als Eigenbeitrag an: die im Juli 2011 von (…) getätigte Vorauszahlung in Höhe von (…) Mio. LVL ((…) Mio. EUR) in das Eigenkapital von airBaltic, die zwischen April und Juni 2011 von (…) bereitgestellte Liquiditätsfazilität in Höhe von (…) Mio. LVL ((…) Mio. EUR) für den Kauf von Ersatzteilen sowie das airBaltic von BAS gewährte Verkäuferdarlehen über (5-15) Mio. LVL ((7,1-21,3) Mio. EUR) für den Rückkauf von Marken und den teilweisen Schuldenerlass in Höhe von (…) Mio. LVL ((…) Mio. EUR). Die Kommission hegt ferner Zweifel, ob der durch die beiden Banken gewährte teilweise Schuldenerlass in Höhe von (…) Mio. LVL ((…) Mio. EUR) als Eigenbeitrag gelten kann, da vor allem die hierzu bereitgestellten Informationen keine eindeutigen Schlüsse zulassen (unklarer Charakter der betreffenden Verbindlichkeiten, einschließlich verschiedener Forderungen und der Marken von airBaltic).

(218)

Die Kommission stellt fest, dass auf jeden Fall aber die anderen als Eigenbeitrag vorgeschlagenen Maßnahmen mit Randnummer 43 der Rettungs- und Umstrukturierungsleitlinien in Einklang stehen und die Höhe des Eigenbeitrags folglich akzeptiert werden kann. Er beläuft sich auf (75-85) Mio. LVL ((107-120) Mio. EUR), was etwa (48-50) % der Umstrukturierungskosten entspricht. Für ein großes Unternehmen wie airBaltic sollte der Eigenbeitrag normalerweise 50 % betragen. Gemäß Randnummer 56 der Rettungs- und Umstrukturierungsleitlinien jedoch kann die Kommission in Fördergebieten weniger strenge Anforderungen an den Umfang des Eigenbeitrags stellen, und zum Zeitpunkt der Gewährung der Maßnahmen war Lettland ein solches Fördergebiet (siehe Erwägungsgrund (200)).

(219)

Die Kommission ist daher der Auffassung, dass die Voraussetzungen von Randnummer 43 der Rettungs- und Umstrukturierungsleitlinien erfüllt sind.

7.4.6.   Der Grundsatz der einmaligen Beihilfe

(220)

Letztlich ist Randnummer 72 der Rettungs- und Umstrukturierungsleitlinien einzuhalten, wonach ein Unternehmen, das in den vorangegangenen zehn Jahren eine Rettungs- und Umstrukturierungsbeihilfe erhalten hat, nicht für eine weitere Rettungs- oder Umstrukturierungsbeihilfe in Betracht kommt (Grundsatz der einmaligen Beihilfe).

(221)

Da die Maßnahmen 1, 4 und 5 keine staatliche Beihilfe beinhalten, ist der Grundsatz der einmaligen Beihilfe nicht auf sie anzuwenden. Zudem hat Lettland bestätigt, dass airBaltic in den vergangenen zehn Jahren keine Rettungs- oder Umstrukturierungsbeihilfe gewährt worden ist. Nach Ansicht der Kommission ist somit der Grundsatz der einmaligen Beihilfe eingehalten.

7.5.   SCHLUSSFOLGERUNG ZU DEN MASSNAHMEN 2, 3 UND 6

(222)

In Anbetracht der vorstehenden Ausführungen stellt die Kommission fest, dass Lettland die Maßnahmen 2, 3 und 6 zugunsten von airBaltic rechtswidrig und unter Verstoß gegen Artikel 108 Absatz 3 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union durchgeführt hat. Allerdings betrachtet die Kommission bei den Maßnahmen und beim Umstrukturierungsplan die in den Rettungs- und Umstrukturierungsleitlinien enthaltenen Voraussetzungen als erfüllt, weshalb sie eine Vereinbarkeit der Beihilfe mit dem Binnenmarkt für gegeben hält.

(223)

Schließlich stellt die Kommission fest, dass Lettland sein Einverständnis damit erklärt hat, dass dieser Beschluss in englischer Sprache angenommen und bekannt gegeben wird —

HAT FOLGENDEN BESCHLUSS ERLASSEN:

Artikel 1

Das erste staatliche Darlehen in Höhe von 16 Mio. LVL, das die Republik Lettland airBaltic im Jahr 2011 gewährte, sowie der Erwerb von zinslosen airBaltic-Anleihen durch den Staat im April 2010 und die im November 2011 geleistete Zahlung in Höhe von 2,8 Mio. EUR von Latvijas Krājbanka an airBaltic stellen keine Beihilfe im Sinne des Artikels 107 Absatz 1 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union dar.

Artikel 2

Das zweite staatliche Darlehen in Höhe von 67 Mio. LVL und die von der Republik Lettland im Jahr 2011 vorgenommene Kapitalerhöhung für airBaltic sowie die Abtretung einer Forderung in Höhe von 5 Mio. EUR an airBaltic durch die Republik Lettland im Jahr 2012 stellen Beihilfe im Sinne des Artikels 107 Absatz 1 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union dar.

Die Beihilfe ist nach Artikel 107 Absatz 3 Buchstabe c des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union mit dem Binnenmarkt vereinbar.

Artikel 3

Dieser Beschluss ist an die Republik Lettland gerichtet.

Brüssel, den 9. Juli 2014

Für die Kommission

Joaquín ALMUNIA

Vizepräsident


(1)  ABl. C 69 vom 8.3.2013, S. 40.

(2)  Wechselkurs 1 EUR = 0,7063 LVL. Durchschnittlicher Wechselkurs für 2011, veröffentlicht von der Europäischen Zentralbank, abrufbar unter http://sdw.ecb.europa.eu/reports.do?node=100000233.

(3)  Siehe Fußnote 1.

(4)  Quelle: Riga International Airport Yearbook 2011, abrufbar unter http://www.riga-airport.com/en/main/about-company/gada-gramata.

(5)  Siehe http://bnn-news.com/airbaltic-shareholders-structure-11608. Nach Presseberichten bestehen Beziehungen zwischen Taurus und dem russischen Unternehmer Wladimir Antonow.

(6)  Hauptaktionär und Vorsitzender der litauischen Bank Snoras war Wladimir Antonow.

(7)  Die Zentralbank Litauens erklärte, die Verstaatlichung von Snoras sei wegen Nichteinhaltung rechtlicher Anforderungen, Verweigerung geforderter Auskünfte und einer schlechten Vermögenslage notwendig gewesen. Siehe http://en.rian.ru/ business/20120523/173624459.html und http://www.bloomberg.com/news/2011-12-19/antonov-says-he-invested-50-million-euros-in-latvia-s-airbaltic.html.

(8)  Siehe http://www.lkb.lv/en/about_bank/news/archyve?item=2022&page=6.

(9)  Siehe http://www.fktk.lv/en/publications/other_publications/2012-02-07_jsc_latvijas_krajbanka_c/.

(10)  Nach Aussage des Verkehrsministers war mit dem Erwerb beabsichtigt, die Einleger der Latvijas Krājbanka zu schützen. Offenbar bestand die Gefahr, dass die finanziellen Probleme von BAS den Staat von der Kapitalzuführung an airBaltic abhalten könnten, weshalb die Regierung beschloss, zum Schutze ihrer Interessen die Kontrolle über airBaltic zu übernehmen. Siehe http://www.bloomberg.com/news/2011-12-01/latvia-buys-out-minority-shareholder-in-airbaltic-ministry-says.html und http://www.sam.gov.lv/?cat=8& art_id=2598.

(11)  Siehe http://www.baltic-course.com/eng/transport/?doc=54423. Weiteren Presseberichten zufolge soll BAS der Latvijas Krājbanka 14 Mio. LVL geschuldet haben (siehe http://www.baltic-course.com/eng/transport/?doc=53861).

(12)  Nach Angabe Lettlands war BAS im August 2013 nicht für insolvent erklärt worden, obwohl sich mehrere Gläubiger des Unternehmens darum bemüht hatten.

(13)  Ferner hat es den Anschein, dass die Hauptanteilseigner von airBaltic — der lettische Staat und BAS — spätestens seit 2010 miteinander in Konflikt standen. Die Presse berichtet über zahlreiche gerichtliche Auseinandersetzungen zwischen dem lettischen Staat und BAS (siehe http://atwonline.com/airline-finance-data/news/airbaltic-files-bankruptcy-0921).

(14)  Siehe http://centreforaviation.com/analysis/airbaltics-restructuring-plan-is-in-full-swing-but-competition-from-estonian-air-is-rising-74754.

(15)  Siehe http://www.eurofound.europa.eu/emcc/erm/factsheets/18371/Air%20Baltic%20Corporation?Template=searchfactsheets&kSel=1 und http://www.baltic-course.com/eng/transport/?doc=42089.

(16)  Siehe https://www.airbaltic.com/en/bottom_menu/press-room/press_releases/2011/airbaltic-files-for-legal-protection-airbaltic-to-continue-operations.

(17)  Das lettische Verkehrsministerium schaltete in der europäischen und der britischen Ausgabe der Financial Times vom 27. August 2012 eine Anzeige, in der es zur Abgabe nicht bindender Interessenbekundungen für die Teilnahme am Verkauf von airBaltic-Aktien aufrief. Siehe http://prudentia.lv/upload_file/27082012-ABC%20ad%20EN.pdf.

(18)  Geschäftsgeheimnis.

(19)  Offenbar nahm der lettische Staat dieses Recht am 8. Juni 2012 wahr (siehe Erwägungsgrund 23).

(20)  Entgegen der Aussage in Erwägungsgrund 80 des Eröffnungsbeschlusses stellte die Kommission im Zuge des förmlichen Prüfverfahrens fest, dass die Vereinbarung keine Verpflichtung von BAS vorsah, parallel zum zweiten staatlichen Darlehen eine Wandelschuldverschreibung zu Pari-passu-Bedingungen zu gewähren.

(21)  Am 10. Juli 2012 unterzeichnete airBaltic mit Bombardier eine Absichtserklärung über den Kauf von zehn Flugzeugen vom Typ CS300 und sicherte sich die Option auf weitere zehn Flugzeuge dieses Typs. Ausgehend vom Listenpreis für den CS300 beläuft sich der feste Kaufvertrag auf ca. 764 Mio. USD (621,74 Mio. EUR) und könnte auf 1,57 Mrd. USD (1,28 Mrd. EUR) erhöht werden, falls auch die Option in Festaufträge umgewandelt wird. Siehe http://www.airbaltic.com/public/49780.html. Wechselkurs 1 EUR = 1,2288 USD — durchschnittlicher Wechselkurs für Juli 2012, veröffentlicht von der Europäischen Zentralbank. Abrufbar unter http://sdw.ecb.europa.eu/reports.do?node=100000233.

(22)  Das erste staatliche Darlehen über 16 Mio. LVL und das zweite staatliche Darlehen über 67 Mio. LVL (einschließlich der zweiten Tranche von 25,4 Mio. LVL, die dem Unternehmen gemäß reShape-Plan im zweiten Halbjahr 2012 gewährt wurde).

(23)  ABl. C 244 vom 1.10.2004, S. 2.

(24)  Der Betrag von (…) Mio. EUR wird von Lettland angegeben, geht aber nicht aus der Vereinbarung hervor.

(25)  Mitteilung der Kommission über die Änderung der Methode zur Festsetzung der Referenz- und Abzinsungssätze (ABl. C 14 vom 19.1.2008, S. 6).

(26)  ASK steht für „Available Seat Kilometres“ — Zahl der angebotenen Sitzplatzkilometer (Zahl der verfügbaren Sitze multipliziert mit der Zahl der geflogenen Kilometer). Der ASK, auf den im Zusammenhang mit Umstrukturierungsbeihilfen in der Luftfahrt auch die Kommission bereits zurückgegriffen hat, ist für die Luftfahrtbranche die wichtigste Kennzahl für die Kapazität einer Fluggesellschaft.

(27)  Ryanair verwies auf das Urteil des Gerichtshofes vom 21. März 2013, Kommission/Buczek Automotive, C-405/11 P, noch nicht in der Sammlung veröffentlicht, Randnrn. 55-57.

(28)  Siehe http://www.eurofound.europa.eu/emcc/erm/factsheets/18371/Air%20Baltic%20Corporation?Template=searchfactsheets&kSel=1 und http://www.baltic-course.com/eng/transport/?doc=42089.

(29)  Siehe http://atwonline.com/airline-finance-data/news/airbaltic-files-bankruptcy-0921.

(30)  Quelle: Geschäftsbericht von airBaltic für 2011.

(31)  Siehe beispielsweise die Pressmitteilung des lettischen Kabinetts vom 7. September 2011 ( http://www.mk.gov.lv/en/aktuali/zinas/2011/09/070911-cm-01/). Danach plädierte der damalige Ministerpräsident für die „Erhaltung von airBaltic als nationale Fluggesellschaft, die für Lettland im logistischen Bereich, im Tourismus und als wichtiger Arbeitgeber erhebliche Vorteile bringt“, betonte aber auch, „dass diejenige Lösung gewählt werden muss, die dem öffentlichen Interesse am meisten entspricht“.

(32)  Urteil vom 11. September 2012, Corsica Ferries/Kommission, T-565/08, noch nicht in der Sammlung veröffentlicht, Randnr. 122.

(33)  Siehe Fußnote 24. Der Basiszinssatz für Lettland lag am 3. Oktober 2011 bei 2,2 %. Angesichts der damaligen Schwierigkeiten von airBaltic und des hohen Maßes an Besicherung des Darlehens sollte diesem Wert eine Marge von 400 Basispunkten hinzugerechnet werden, woraus sich ein Satz von 6,2 % ergibt.

(34)  Trotzdem weist die Kommission darauf hin, dass das erste staatliche Darlehen am 29. Dezember 2011 im Rahmen von Maßnahme 3 kapitalisiert wurde. Die Würdigung von Maßnahme 3 folgt in Abschnitt 7.2.4.

(35)  Im Garantieschreiben vom 3. Oktober 2011 heißt es, dass die Garantie nichtig ist, wenn der Staat sein Recht gemäß Artikel 7.4 der Vereinbarung wahrgenommen hat und mindestens 99,78 % der Stimmrechtsaktien von airBaltic im Besitz des Staates sind. Tatsächlich hält Lettland seit dem 30. November 2011 99,8 % der Aktien von airBaltic.

(36)  Urteil des Gerichtshofs vom 24. Juli 2003, Altmark Trans GmbH und Regierungspräsidium Magdeburg gegen Nahverkehrsgesellschaft Altmark GmbH (Altmark), C-280/00, Slg. 2003, I-7747, Randnr. 81.

(37)  Beschluss 2011/414/EU der Kommission vom 14. Dezember 2010 über die staatliche Beihilfe C 8/10 (ex N 21/09 und NN 15/10) Griechenlands zugunsten von Varvaressos S.A. (ABl. L 184 vom 14.7.2011, S. 9).

(38)  Siehe Beschluss 2010/137/EG der Kommission in der Sache SA.30908 — ČSA — České Aerolinie — Umstrukturierungsplan, Erwägungsgrund 107 und Beschluss der Kommission in der Sache SA.33015 — Air Malta plc., Randnr. 93. Siehe auch Entscheidung 2010/137/EG der Kommission vom 28. August 2009 betreffend die staatliche Beihilfe C 6/09 (ex N 663/08) — Österreich Austrian Airlines — Umstrukturierungsplan (ABl. L 59 vom 9.3.2010, S. 1) Erwägungsgrund 296 und Beschluss 2012/542/EU der Kommission vom 21. März 2012 über die Maßnahme SA.31479 (2011/C) (ex 2011/N), die das Vereinigte Königreich zugunsten der Royal Mail Group durchführen will (ABl. L 279 vom 12.10.2012, S. 40), Erwägungsgrund 217.

(39)  Stückerlöse (RASK): Verkehrserlöse/angebotene Sitzplatzkilometer bzw. Stückkosten (CASK): operative Aufwendungen/angebotene Sitzplatzkilometer.

(40)  Siehe Erwägungsgrund 194.

(41)  Nämlich die Strecken zwischen (…). Die Kommission geht davon aus, dass die Streichung dieser Strecken eine reine Ausgleichsmaßnahme darstellt, da nichts darauf schließen lässt, dass sie als notwendige Konsequenz aus der Flottenreduzierung gestrichen wurden.

(42)  Siehe Beschluss der Kommission in der Sache SA.30908 — ČSA — České Aerolinie — Umstrukturierungsplan, Erwägungsgründe 130 und 131.

(43)  Die Definition eines „vollständig koordinierten Flughafens“ findet sich in Artikel 2 Buchstabe g der Verordnung (EWG) Nr. 95/93 des Rates vom 18. Januar 1993 über gemeinsame Regeln für die Zuweisung von Zeitnischen auf Flughäfen in der Gemeinschaft (ABl. L 14 vom 22.1.1993, S. 1). Gemäß Artikel 3 Absatz 4 der Verordnung (EWG) 95/93 treten auf diesen Flughäfen, zumindest während bestimmter Perioden, Kapazitätsengpässe auf.

(44)  Siehe Entscheidung der Kommission vom 13. September 2006 in der Beihilfesache N 447/2006 — Lettland — Fördergebietskarte 2007-2013.

(45)  Die Kosten für die Umgestaltung von Flugzeugen insolventer Betreiber entsprechend den Anforderungen neuer Kunden können sich leicht auf bis zu (…) % des Buchwertes des Flugzeuges belaufen.

(46)  Siehe Beschluss zu České Aerolinie, Erwägungsgründe 119 und 145.


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