Choose the experimental features you want to try

This document is an excerpt from the EUR-Lex website

Document 52022AE0475

    Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zu folgenden Vorlagen: „Mitteilung der Kommission an das Europäische Parlament, den Rat, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss und den Ausschuss der Regionen über eine europäische Hochschulstrategie“ (COM(2022) 16 final) und: „Vorschlag für eine Empfehlung des Rates zur Erleichterung einer wirksamen europäischen Hochschulzusammenarbeit“ (COM(2022) 17 final)

    EESC 2022/00475

    ABl. C 290 vom 29.7.2022, p. 109–113 (BG, ES, CS, DA, DE, ET, EL, EN, FR, GA, HR, IT, LV, LT, HU, MT, NL, PL, PT, RO, SK, SL, FI, SV)

    29.7.2022   

    DE

    Amtsblatt der Europäischen Union

    C 290/109


    Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zu folgenden Vorlagen: „Mitteilung der Kommission an das Europäische Parlament, den Rat, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss und den Ausschuss der Regionen über eine europäische Hochschulstrategie“

    (COM(2022) 16 final)

    und: „Vorschlag für eine Empfehlung des Rates zur Erleichterung einer wirksamen europäischen Hochschulzusammenarbeit“

    (COM(2022) 17 final)

    (2022/C 290/17)

    Berichterstatterin:

    Tatjana BABRAUSKIENĖ

    Befassung

    Europäische Kommission, 1.3.2022

    Rechtsgrundlage

    Artikel 304 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union

    Zuständiges Arbeitsorgan

    Fachgruppe Beschäftigung, Sozialfragen, Unionsbürgerschaft

    Verabschiedung im Plenum

    23.3.2022

    Plenartagung Nr.

    568

    Ergebnis der Abstimmung

    (Ja-Stimmen/Nein-Stimmen/Enthaltungen)

    190/0/2

    1.   Schlussfolgerungen und Empfehlungen

    1.1.

    Der Europäische Wirtschafts- und Sozialausschuss (EWSA) unterstreicht die Bedeutung der Aussage der Europäischen Kommission bezüglich der Initiative: „Hochschulen müssen Orte der Freiheit sein: für Rede- und Gedankenfreiheit sowie Freiheit des Lernens und der Forschung und für die akademische Freiheit im Allgemeinen. Die akademische Freiheit darf weder von der institutionellen Autonomie noch von der Beteiligung von Studierenden und Lehrkräften an der Gestaltung der Hochschulpolitik isoliert werden.“ (1) Diese Aussage sollte von der Europäischen Kommission, den Mitgliedstaaten und den Hochschuleinrichtungen als Leitprinzip für die Umsetzung dieser Initiative betrachtet werden.

    1.2.

    Der EWSA begrüßt, dass die Mitgliedstaaten und die Hochschuleinrichtungen mit der Initiative aufgefordert werden, die transnationale Zusammenarbeit zu stärken, um die Fähigkeiten und Kompetenzen der Studierenden im Hinblick auf den grünen und den digitalen Wandel von Arbeitsmarkt und Wirtschaft zu fördern, die Werte, Identität und Demokratie der EU zu wahren und die europäische Gesellschaft und Wirtschaft widerstandsfähiger zu machen.

    1.3.

    Der EWSA verweist (2) auf die wichtige Rolle der Hochschuleinrichtungen bei der Verbesserung des Erwerbs grüner Kompetenzen, der ökologischen Verantwortung und der nachhaltigen Entwicklung, die bereichsübergreifend in die Lernziele der Bildungsprogramme integriert werden sollten. Er begrüßt die geplanten Maßnahmen der Europäischen Kommission, mit denen die Mitgliedstaaten und die Hochschuleinrichtungen dabei unterstützt werden sollen, nationale und gesamtinstitutionelle Ansätze für Nachhaltigkeit sowie Klima- und Umweltkompetenz zu entwickeln. Der EWSA weist darauf hin, dass dies für Studierende im Rahmen sowohl eines Vollstudiums als auch von Programmen für lebenslanges Lernen wichtig ist, und nicht nur zum Erwerb von Microcredentials (3).

    1.4.

    Der EWSA fordert die Mitgliedstaaten und die Hochschuleinrichtungen auf, bei der Ausarbeitung von Digitalisierungsstrategien die Qualität, Fairness, Gleichheit und soziale Inklusion der Hochschulbildung und der Forschung sowie den ausgewogenen Zugang zu digitalem Material für alle Studierenden zu verbessern, die sichere Nutzung digitaler Technologien zu fördern und dabei stets der sozialen Interaktion des Präsenzunterrichts Vorrang einzuräumen und die Rechte des geistigen Eigentums von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern zu achten. Der EWSA fordert die Europäische Kommission auf, bei der Entwicklung von Bildungs- und Ausbildungsprogrammen für digitale Kompetenzen im Rahmen des Programms „Digitales Europa“ mit Studierenden sowie Hochschullehrkräften zusammenzuarbeiten.

    1.5.

    Der EWSA unterstreicht die Bedeutung ausgewogener Partnerschaften zwischen Hochschuleinrichtungen und Unternehmen, um den Qualifikationsbedarf der Studierenden, der Gesellschaft und des Arbeitsmarktes zu decken sowie den Zugang von Studierenden zu hochwertigen und bezahlten Lehrstellen und Praktika in Unternehmen und Einrichtungen zu gewährleisten und zu erweitern. Er fordert die Mitgliedstaaten und die Hochschuleinrichtungen auf, die akademische Freiheit und die Hochschulautonomie sicherzustellen, insbesondere in der Zusammenarbeit mit Akteuren außerhalb der Hochschulen bei der Entwicklung von Lehrplänen, Kompetenzen und den an das wissenschaftliche Personal gestellten Anforderungen.

    1.6.

    Der EWSA weist darauf hin, dass die Europäische Kommission und alle Mitgliedstaaten die akademische Freiheit und die Hochschulautonomie als im Communiqué von Rom verankerte Grundwerte schützen müssen. Der EWSA begrüßt die Initiative „Europäische Hochschulallianzen“ als Erasmus+-Projekte, die freiwillige und von der Basis ausgehende Maßnahmen der Hochschuleinrichtungen umfassen und für eine engere Zusammenarbeit unter demokratischer Führung wichtig sind. Der EWSA sorgt sich, dass grundlegende Werte auf dem Spiel stehen, wenn die Europäische Kommission und der Rat Projekte dieser Hochschulallianzen institutionalisieren, und fordert die Mitgliedstaaten auf, einen rechtlichen Status für die gemeinsamen europäischen Abschlüsse der Allianzen sowie eine externe Qualitätssicherung und Akkreditierung für die gemeinsamen transnationalen Bildungsaktivitäten und -programme der Allianzen zu schaffen.

    1.7.

    Der EWSA verweist auf den wesentlichen Wert der Vielfalt der Hochschuleinrichtungen, die unterschiedliche kulturelle, bildungsbezogene, gesellschaftliche und wirtschaftliche Bedürfnisse erfüllen können. Der EWSA fordert, dass die Gleichwertigkeit der Hochschuleinrichtungen sowohl außerhalb als auch innerhalb der Hochschulallianzen anerkannt und der Grundsatz der Wissensfreiheit gewahrt wird. Der EWSA begrüßt die Festlegung von Leitprinzipien zum Schutz der akademischen Grundwerte auf der Grundlage des Communiqués von Rom unter Einbeziehung der einschlägigen Sozialpartner und Interessenträger.

    1.8.

    Der EWSA bedauert, dass die Hochschuleinrichtungen trotz ihres gestiegenen Mittelbedarfs während der Pandemie unterfinanziert sind (4), und fordert die Mitgliedstaaten auf, die öffentlichen Mittel für sie aufzustocken. Er ist besorgt über die zunehmende Privatisierung von Hochschuleinrichtungen sowie private Investitionen in Hochschulbildung und Forschung, die die akademische Freiheit und die institutionelle Autonomie gefährden könnten. Er weist ferner darauf hin, dass die Aufrechterhaltung der finanziellen Unterstützung für die Hochschulallianzen eine tragfähige nationale öffentliche Finanzierung für alle Hochschuleinrichtungen gewährleisten wird. Der EWSA fordert die Mitgliedstaaten auf, das Europäische Semester und die EU-Mittel (darunter die Aufbau- und Resilienzfazilität, den ESF+, Erasmus+ und Horizont Europa) zu nutzen, um die Hochschuleinrichtungen bei der Verwirklichung ihrer Ziele zu unterstützen.

    1.9.

    Der EWSA fordert die Europäische Kommission auf, die Investitionen auf europäischer, nationaler und institutioneller Ebene in die Hochschulbildung zu überwachen und dabei die wichtigsten politischen Instrumente des Europäischen Semesters und der Aufbau- und Resilienzfazilität zu nutzen. Er fordert die Kommission ferner auf, den europäischen Leistungsanzeiger für den Hochschulsektor und die Ergebnisse der Expertengruppe für hochwertige Investitionen in die allgemeine und berufliche Bildung nur unterstützend zu nutzen.

    1.10.

    Der EWSA blickt mit Sorge auf die Ziele und die Steuerung des europäischen Leistungsanzeigers für den Hochschulsektor, mit dem jährlich Bewertungen der Fortschritte vorgenommen werden, die in der EU im Hinblick auf das Erreichen der zentralen Prioritäten der Initiative erzielt wurden: Inklusion, Werte, Qualität und Relevanz, Mobilität, grüne und digitale Kompetenzen, Beschäftigungsfähigkeit, transnationale Zusammenarbeit, Technologietransfer und Valorisierung von Wissen. Der EWSA fordert die Europäische Kommission auf, die Rolle dieses Instruments bei der Überwachung der Fortschritte der Mitgliedstaaten und die Steuerung dieses Überwachungsinstruments im Zusammenhang mit dem Europäischen Semester zu klären und zu präzisieren, ob dieses Instrument auch zur Überwachung der nationalen Investitionen in die Hochschulbildung eingesetzt werden wird. Der EWSA fordert, dass die Rolle der Mitgliedstaaten, der Sozialpartner im Bildungsbereich und der einschlägigen Interessenträger in diesem Prozess gewahrt wird.

    1.11.

    Der EWSA begrüßt die Einrichtung einer Europäischen Beobachtungsstelle für den Hochschulsektor, um die derzeitig besten EU-Datenverarbeitungstools und -kapazitäten zusammenzubringen. Der EWSA fordert die Europäische Kommission auf, die Rolle der Mitgliedstaaten, der Sozialpartner im Bildungsbereich und der einschlägigen Interessenträger in diesem Prozess zu wahren. Die Sozialpartner spielen eine wichtige Rolle beim Übergang vom Bildungswesen zum Berufsleben, bei der Vertretung der Interessen der Studierenden in Bezug auf den Arbeitsmarkt und bei der Verringerung der Zahl der jungen Menschen, die keine Schule besuchen, keiner Arbeit nachgehen und keine Berufsausbildung absolvieren. Sowohl auf EU-Ebene als auch auf Ebene der Mitgliedstaaten sollten größere Anstrengungen unternommen werden, um Studierende beim Übergang vom Bildungswesen zum Berufsleben zu begleiten.

    1.12.

    Der EWSA fordert die Europäische Kommission und die Mitgliedstaaten auf, die Sozialpartner im Bildungsbereich sowie die Organisationen der Zivilgesellschaft bei der Weiterentwicklung der Initiativen und Maßnahmen der Kommission im Rahmen dieser Strategie und bei der Umsetzung auf Ebene der Mitgliedstaaten aktiv einzubinden. Dies ist wichtig, um sicherzustellen, dass die Studierenden die Kompetenzen erwerben, die sie benötigen, um Bürgerinnen und Bürger einer Demokratie zu sein und im Zuge des grünen und des digitalen Wandels Zugang zu hochwertigen Arbeitsplätzen zu erhalten. Demokratische Regierungsführung und ein wirksamer sozialer Dialog sind von entscheidender Bedeutung, um das Wohlergehen der Studierenden, die akademische Freiheit, unbefristete Beschäftigungsverhältnisse, die Arbeitsbedingungen der Beschäftigten sowie die Hochschulautonomie zu verbessern. Der EWSA fordert die Europäische Kommission auf, die Sozialpartner im Bildungsbereich sowie die Organisationen der Zivilgesellschaft in die Entwicklung europäischer Kriterien für die Vergabe eines europäischen Hochschulabschlusses einzubeziehen.

    1.13.

    Der EWSA fordert die Mitgliedstaaten und die Hochschuleinrichtungen auf, Lernende, Hochschullehrkräfte und Forscher wirksamer in die Steuerung der Hochschulpolitik und der transnationalen institutionellen Kooperationsstrukturen mit einer wirksamen teamorientierten Führung, kollegialer Governance und sozialem Dialog einzubeziehen. Hiermit sollten eine hochwertige und inklusive Hochschulbildung und Forschung, eine wirksame Mobilität von Studierenden, Beschäftigten und Forschern sowie die volle Vielfalt (einschließlich der Gleichstellung der Geschlechter) von Studierenden, Hochschullehrkräften, Forschern und Fachkräften sichergestellt werden.

    1.14.

    Der EWSA fordert die Europäische Kommission auf, bei der Entwicklung eines europäischen Rahmens für attraktive und nachhaltige Laufbahnen in der Hochschulbildung für einen sozialen Dialog mit den Hochschulgewerkschaften zu sorgen, die Arbeitsbedingungen, das Wohlergehen und den Status von Hochschullehrkräften zu verbessern und akademische Laufbahnen innerhalb und außerhalb der Wissenschaft zu unterstützen. Die verstärkte Beteiligung der Studierenden am Entscheidungsprozess und die Verbesserung der operativen Kapazitäten der Studierendenorganisationen sollten ein ständiges Anliegen sein. Hierfür könnten ESF+-Mittel zugewiesen werden.

    1.15.

    Der EWSA begrüßt die Förderung von Lehrkräften und Studierenden mit unterschiedlichem Hintergrund, was die Schaffung eines europäischen Rahmens für Vielfalt und Inklusion (einschließlich geschlechtsspezifischer Unterschiede), die Unterstützung gefährdeter Forscherinnen und Forscher durch Leitlinien für Hochschulen umfasst, die ihre Eingliederung und die Entwicklung nationaler und institutioneller Inklusionsstrategien mit Schwerpunkt auf Geflüchteten und Asylsuchenden erleichtern. Der EWSA fordert eine transparente und faire Anerkennung von Abschlüssen aus Drittländern, einschließlich der Abschlüsse von Geflüchteten, durch das Netz der Zentren für die akademische Anerkennung. Der EWSA fordert die Europäische Kommission, die Mitgliedstaaten und die Hochschuleinrichtungen auf, solche Strategien gemeinsam mit Studierenden und dem Hochschulpersonal zu entwickeln, insbesondere denjenigen, die ihre eigenen Erfahrungen aus dem Bereich der Strategieentwicklung einbringen können.

    1.16.

    Der EWSA begrüßt die Weiterentwicklung der Initiative „Europäischer Studierendenausweis“, um den Verwaltungsaufwand bei der Steuerung der Mobilität und des Austauschs von Studierenden und Hochschulpersonal zu verringern, und betont gleichzeitig, dass Datensicherheit und Datenschutz gewährleistet werden müssen. Um eine angemessene Mobilität auf EU-Ebene zu gewährleisten, ist es zwingend erforderlich, den Verwaltungsaufwand zu verringern und die Übertragung von Studienleistungen zwischen den Mitgliedstaaten zu erleichtern.

    1.17.

    Der EWSA begrüßt die Ausweitung der Mobilität von Studierenden und des Hochschulpersonals auf Drittländer und weist auf die Bedeutung persönlicher Mobilität und der Gewährleistung von Gesundheit und Sicherheit hin. Er begrüßt die neue Erasmus-Charta für die Hochschulbildung und die neue Erasmus-Studierendencharta; sie beziehen die akademische Freiheit und Integrität ein und fördern akademische Debatten und den Austausch bewährter Verfahren in den Bereichen Werte und Demokratie im Rahmen der Jean-Monnet-Aktionen im Hochschulbereich von Erasmus+, und dies auch in Drittländern.

    2.   Hintergrund der Stellungnahme

    2.1.

    Nachdem der Rat der EU (Bildung) die Schlussfolgerungen zu der „Initiative ‚Europäische Hochschulen‘ — Ein Brückenschlag zwischen Hochschulbildung, Forschung, Innovation und Gesellschaft: Wegbereitung für einen neuen Bezugsrahmen für die europäische Hochschulbildung“ angenommen hatte, veröffentlichte die Europäische Kommission zwei Dokumente. Die Mitteilung der Kommission über eine europäische Hochschulstrategie enthält die Maßnahmen, die die Europäische Kommission zwischen 2022 und 2024 in den Bereichen Hochschulbildung und Forschung ergreifen soll, während der Vorschlag für eine Empfehlung des Rates zur Erleichterung einer wirksamen europäischen Hochschulzusammenarbeit, der vom Rat (Bildung) auf seiner Tagung am 4./5. April 2022 angenommen werden soll, spezifische Empfehlungen an die Mitgliedstaaten enthält. Mit diesen Initiativen soll das neue EU-Ziel erreicht werden, dass bis 2030 mindestens 45 % der 25- bis 34-Jährigen einen Hochschulabschluss erwerben (5).

    2.2.

    Mit dieser Initiative plant die Kommission, die bestehenden 41 Europäischen Hochschulallianzen auf 60 auszuweiten, sodass bis Mitte 2024 mehr als 500 Hochschulen Mitglieder von Allianzen sein werden. Für Erasmus+ werden für den Zeitraum 2021–2027 ein Richtbetrag von 1,1 Mrd. EUR und mehrere unterstützende Initiativen vorgesehen.

    2.3.

    In den Empfehlungen an die Mitgliedstaaten werden diese aufgefordert, den Hochschuleinrichtungen die Entwicklung und Durchführung gemeinsamer transnationaler Bildungstätigkeiten (innerhalb und außerhalb der EU) zu ermöglichen, bis 2024 ein rechtliches Statut für Allianzen von Hochschuleinrichtungen zu schaffen, den Erwerb eines gemeinsamen europäischen Hochschulabschlusses auf nationaler Ebene bis 2024 zu erleichtern und mit den nationalen Qualifikationsrahmen zu verknüpfen, für mehr Mobilität für Studierende und das Hochschulpersonal (auch online) sowie für eine nachhaltige finanzielle Unterstützung für Allianzen der Initiative „Europäische Hochschulen“ zu sorgen und die akademische Freiheit und die Hochschulautonomie zu fördern und zu schützen.

    3.   Allgemeine Bemerkungen

    3.1.

    Der EWSA weist darauf hin (6), dass der Europäische Hochschulraum (EHR) und der Europäische Forschungsraum stärker miteinander verknüpft werden müssen, um die Qualität und Inklusivität der Hochschulbildung und Forschung für alle Studierenden unabhängig von ihrem Alter und ihrem sozioökonomischen Hintergrund zu verbessern. Die Verbesserung der Qualität und Anerkennung von Studiengängen zwischen Hochschulen muss ein wichtiger Schwerpunkt der Initiative „Europäische Hochschulen“ sein. Auch wenn die Hochschulbildung in den Zuständigkeitsbereich der Mitgliedstaaten fällt, scheinen die Vorschläge der Kommission für einen „europäischen Hochschulabschluss“, ein europäisches Hochschulstatut und ein europäisches System für die Anerkennung und Qualitätssicherung von Hochschulabschlüssen doch ein Schritt hin zur Harmonisierung der Hochschulstudien zu sein. Daher fordert der EWSA, dass die Ideen, die diesen Initiativen und weiteren politischen Maßnahmen zugrunde liegen, mit den Regierungen, den einschlägigen Sozialpartnern und zivilgesellschaftlichen Organisationen näher erörtert werden. Der EWSA begrüßt, dass die Sozialpartner und die Organisationen der Zivilgesellschaft ihre Ansichten zu dieser Initiative im Rahmen öffentlicher Konsultationen zum Ausdruck bringen können.

    3.2.

    Die akademische Freiheit und die Hochschulautonomie geraten in einigen Ländern, die den Bologna-Prozess unterzeichnet haben, zunehmend unter Druck (7). Im Communiqué von Rom, das von 49 Ministerien aus dem Europäischen Hochschulraum auf der Ministerkonferenz zum Bologna-Prozess 2020 angenommen wurde, wird die Absichtserklärung der Minister bekräftigt, unsere gemeinsamen Grundwerte durch eine Intensivierung des politischen Dialogs und der Zusammenarbeit als notwendige Grundlagen für Lernen, Lehre und Forschung von hoher Qualität sowie für demokratische Gesellschaften im gesamten Europäischen Hochschulraum zu fördern und zu schützen. Sie verpflichteten sich ferner zur Wahrung der Hochschulautonomie, der wissenschaftlichen Freiheit und Integrität, der Einbindung der Studierenden und Beschäftigten in die Gestaltung der Hochschulpolitik sowie der öffentlichen Verantwortung für die und der Hochschulbildung. In Anhang I des Communiqués von Rom wird die akademische Freiheit definiert als ein unverzichtbarer Aspekt für die Qualität von Lernen, Lehre und Forschung in der Hochschulbildung sowie der Demokratie auf der Basis von Hochschulautonomie. Zudem wird darin betont, dass Gesellschaften nicht wirklich demokratisch sein können, ohne die akademische Freiheit und die Hochschulautonomie zu wahren.

    3.3.

    Die COVID-19-Pandemie hatte beispiellose Auswirkungen auf die Art und Weise wie Forschung betrieben wird, auf den Hochschulbetrieb (etwa durch Campus-Schließungen und die Verlagerung auf Online-Lernen) und auf die Hochschulverwaltung. Die Pandemie hat auch deutlich gemacht, wie wichtig das gesellschaftliche Engagement der Hochschulen ist. Etwa die Hälfte aller Studierenden ist der Ansicht, dass sich ihre akademische Leistung durch die Online-Bildung verschlechtert und sich die Arbeitsbelastung seit dem Übergang zum Distanzunterricht erhöht hat. Der Zugang zu digitalen Kompetenzen, Online-Kommunikationsinstrumenten und dem Internet ist für viele sozioökonomisch benachteiligte Studierende nach wie vor eine Herausforderung. Die Pandemie hat sich außerdem auf das psychische und emotionale Wohlbefinden der Studierenden ausgewirkt (8).

    3.4.

    Für das wissenschaftliche Personal hat die COVID-19-Krise zu einer Verschlechterung der Arbeitsbedingungen geführt, einschließlich einer massiven Zunahme der Arbeitsbelastung aufgrund von Online- und integriertem Lernen, sowie zu Arbeitsplatzverlust für befristet und für gelegentlich Beschäftigte. Diese Entwicklungen hatten unverhältnismäßig starke Auswirkungen auf bestimmte Gruppen von Beschäftigten wie Frauen und Angehörige ethnischer Minderheiten. Die Pandemie hat sich auch negativ auf die psychische Gesundheit und das Wohlbefinden der Beschäftigten ausgewirkt.

    3.5.

    Das wissenschaftliche Personal spielt eine entscheidende Rolle bei der Bereitstellung hochwertiger Bildung und Forschung an den Hochschulen. Bereits vor der Pandemie waren Hochschullehrkräfte in ganz Europa aufgrund von Haushaltszwängen, geringeren Beschäftigungsmöglichkeiten, dem wachsenden Anteil an Gelegenheits-, Teilzeit- und befristeter Beschäftigung sowie der Zunahme extern finanzierter Stellen mit einer abnehmenden Arbeitsplatzsicherheit konfrontiert. Angemessene Arbeitsbedingungen und Gehälter sind von entscheidender Bedeutung, wenn Hochschullehrkräfte in der Lage sein sollen, ihre Studierenden wirksam auf den grünen und den digitalen Wandel von Gesellschaft und Wirtschaft vorzubereiten. Hochschullehrkräfte mit befristeten Arbeitsverträgen befinden sich in prekären Beschäftigungsverhältnissen, was es ihnen erschwert, für hochwertige Lehre und Forschung zu sorgen (9). Die COVID-19-Pandemie hat die Karriereaussichten von promovierten Forscherinnen und Forschern verschlechtert und wirkt sich negativ auf ihr Wohlergehen aus. Jüngere Forscher und Frauen in der Forschung sind in dieser Hinsicht eher von prekären Bedingungen und den negativen Auswirkungen der Pandemie betroffen (10). Die Erhöhung der Vergütungen für promovierte Forscherinnen und Forscher und die Gewährleistung des freien Zugangs zu Literatur und Teilnahme an internationalen Konferenzen sollten Priorität haben.

    3.6.

    Zur Verringerung des Fachkräftemangels und um sicherzustellen, dass Studierende aus dem Hochschulbereich Zugang zum Arbeitsmarkt haben, sind funktionierende Partnerschaften zwischen Hochschuleinrichtungen und Unternehmen sowie der Zugang von Studierenden zu hochwertigen und bezahlten Lehrstellen und Praktika in Unternehmen von entscheidender Bedeutung. Der EWSA weist darauf hin, dass Partnerschaften zwischen Unternehmen und Hochschulen beiden Seiten ohne Druck von außen zugutekommen und ausgewogen sein sollten, damit die eigenständige Forschungs- und Innovationstätigkeit der Unternehmen und die Ziele der öffentlichen Forschung an Hochschulen gewahrt bleiben (11).

    3.7.

    Bezüglich der Erleichterung des Zugangs zur Hochschulbildung sollte der Tatsache Rechnung getragen werden, dass sich die Lage bei den Studiengebühren aufgrund der Energiepreise und der zusätzlichen Kosten im Zusammenhang mit dem Bildungsprozess (Unterbringung, Zugang zu Literatur usw.) verschlechtert. Zur Deckung zusätzlicher Kosten könnten EU-Mittel bereitgestellt werden, wodurch die Probleme im Zusammenhang mit Darlehen und anderen Finanzierungsmethoden zur Finanzierung des Hochschulstudiums verringert würden. Es muss für Synergien zwischen der Dynamik des technologischen Fortschritts und den im Bildungsprozess verwendeten Geräten, Standards und Verfahren gesorgt werden, um einen effizienten Übergang vom Bildungswesen zum Berufsleben zu gewährleisten.

    Brüssel, den 23. März 2022

    Die Präsidentin des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses

    Christa SCHWENG


    (1)  Mitteilung der Kommission über eine europäische Hochschulstrategie, 2022.

    (2)  ABl. C 56 vom 16.2.2021, S. 1.

    (3)  ABl. C 56 vom 16.2.2021, S. 1.

    (4)  EUA Public Funding Observatory Report 2019/20.

    (5)  Entschließung des Rates zu einem strategischen Rahmen für die europäische Zusammenarbeit auf dem Gebiet der allgemeinen und beruflichen Bildung mit Blick auf den europäischen Bildungsraum und darüber hinaus (2021–2030).

    (6)  ABl. C 10 vom 11.1.2021, S. 40.

    (7)  https://www.scholarsatrisk.org/academic-freedom-monitoring-project-index/?_gp=1.

    (8)  Europäische Kommission: The impact of COVID-19 on higher education: a review of emerging evidence, 2021.

    (9)  ETUCE Report to Rome Ministerial Meeting (2020).

    (10)  OECD: Reducing the precarity of academic research careers, 2021.

    (11)  ABl. C 10 vom 11.1.2021, S. 40.


    Top