Vælg de eksperimentelle funktioner, som du ønsker at prøve

Dette dokument er et uddrag fra EUR-Lex

Dokument 52021AE6494

    Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zum „Vorschlag für eine Richtlinie des Rates zur Festlegung von Vorschriften zur Verhinderung der missbräuchlichen Nutzung von Briefkastenfirmen für Steuerzwecke und zur Änderung der Richtlinie 2011/16/EU“ (COM(2021) 565 final — 2021/0434 (CNS))

    EESC 2021/06494

    ABl. C 290 vom 29.7.2022, s. 45–51 (BG, ES, CS, DA, DE, ET, EL, EN, FR, GA, HR, IT, LV, LT, HU, MT, NL, PL, PT, RO, SK, SL, FI, SV)

    29.7.2022   

    DE

    Amtsblatt der Europäischen Union

    C 290/45


    Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zum „Vorschlag für eine Richtlinie des Rates zur Festlegung von Vorschriften zur Verhinderung der missbräuchlichen Nutzung von Briefkastenfirmen für Steuerzwecke und zur Änderung der Richtlinie 2011/16/EU“

    (COM(2021) 565 final — 2021/0434 (CNS))

    (2022/C 290/08)

    Berichterstatter:

    Benjamin RIZZO

    Mitberichterstatter:

    Javier DOZ ORRIT

    Befassung

    Rat der Europäischen Union, 10.2.2022

    Rechtsgrundlage

    Artikel 115 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union

    Zuständige Fachgruppe

    Fachgruppe Wirtschafts- und Währungsunion, wirtschaftlicher und sozialer Zusammenhalt

    Annahme in der Fachgruppe

    3.3.2022

    Verabschiedung im Plenum

    23.3.2022

    Plenartagung Nr.

    568

    Ergebnis der Abstimmung

    (Ja-Stimmen/Nein-Stimmen/Enthaltungen)

    206/1/6

    1.   Schlussfolgerungen und Empfehlungen

    1.1

    Der Europäische Wirtschafts- und Sozialausschuss (EWSA) unterstützt uneingeschränkt den Vorschlag der Kommission zur Bekämpfung der missbräuchlichen Nutzung von Briefkastenfirmen für Steuerzwecke und die Ziele, die sie damit verfolgt. Die Sicherstellung einer wirksamen und gerechten Besteuerung im gesamten Binnenmarkt ist von entscheidender Bedeutung, damit die Konjunktur nach der COVID-19-Pandemie wieder deutlich anziehen kann.

    1.2

    Der EWSA begrüßt, dass die Kommission sich mit einer breit angelegten öffentlichen Konsultation an alle Interessenträger gewandt und gleichzeitig eine gezieltere Konsultation nationaler Sachverständiger, die aufgrund ihrer spezifischen Fachkenntnisse einbezogen wurden, auf den Weg gebracht hat. Durch diese Konsultationen hatten die Interessenträger die Möglichkeit, sachdienliche Beiträge zu leisten, und in diesem Sinne sollten sie auch in die künftigen Diskussionen einbezogen werden.

    1.3

    Der EWSA befürwortet die Entscheidung für eine Richtlinie, mit der ein gemeinsamer Rechtsrahmen für die Mitgliedstaaten sichergestellt werden soll. Die Art des Gegenstands und die verfolgten Ziele machen es unmöglich, dass die Mitgliedstaaten das Problem durch eigene Initiativen in ihren jeweiligen Rechtssystemen lösen.

    1.4

    Nach Ansicht des EWSA steht der Vorschlag mit dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit im Einklang, da er nicht über die Gewährleistung des für den Binnenmarkt erforderlichen Schutzniveaus hinausgeht und sich die Auswirkungen auf die Unternehmen in Grenzen halten dürften.

    1.5

    Der EWSA ist der Auffassung, dass die Kommission und die nationalen Steuerbehörden über angemessene Kompetenzen und Ressourcen verfügen sollten, um die erforderlichen Kontrollen und den anschließenden Informationsaustausch im Zusammenhang mit diesem Vorschlag durchführen zu können.

    1.6

    Der EWSA hofft, dass die Ergebnisse der Untersuchungen über Briefkastenfirmen öffentlich zugänglich gemacht werden und damit der Öffentlichkeit vor Augen geführt wird, zu welchen Ergebnissen die Umsetzung der Richtlinie geführt hat.

    1.7

    Der EWSA ist der Auffassung, dass nicht nur die Einkommen von Unternehmen, sondern auch deren Vermögen angemessen kontrolliert werden sollten, da Steuern auch dann erhoben werden können, wenn diese Vermögenswerte kein Einkommen generieren, wie z. B. im Falle der Vermögenssteuer.

    1.8

    Der EWSA betont, dass gemeinsame und klare Regeln für den spezifischen Inhalt der von den Unternehmen verlangten Erklärungen festgelegt werden müssen. Eine über die Ziele der Richtlinie hinausgehende Berichterstattung sollte wie auch die sich daraus ergebenden Befolgungskosten vermieden werden.

    1.9

    Der EWSA empfiehlt, im Rahmen weiterer Rechtsvorschriften gezielte Vorschriften festzulegen, um die Tätigkeit professioneller Enabler zu verhindern und damit dem OECD-Ansatz in diesem Bereich zu folgen. Der EWSA ist der Auffassung, dass die Zusammenarbeit der berufsständischen Aufsichtsbehörden bei der Bekämpfung möglicher missbräuchlicher und krimineller Handlungen professioneller Enabler von großem Nutzen wäre.

    1.10

    Der EWSA bekräftigt die Notwendigkeit einer vollständigen und umfassenden EU-Liste nicht kooperativer Länder und Gebiete außerhalb der EU, u. a. damit die EU-Unternehmen erkennen können, ob die von ihnen verwalteten Gelder und Vermögenswerte möglicherweise mit außerhalb der EU ansässigen Briefkastenfirmen verbunden sind.

    1.11

    Der EWSA schlägt vor, dass die Kommission geeignete Leitlinien für den in der Richtlinie vorgesehenen Substanztest veröffentlicht, insbesondere im Hinblick auf die Bedeutung spezifischer Begriffe wie „Wohnsitz“, „in der Nähe ansässiges Mitglied der Unternehmensleitung“ und „Räumlichkeiten“.

    1.12

    Der EWSA stellt fest, dass Briefkastenfirmen auch gegründet und genutzt werden können, um nicht angemeldete Erwerbstätigkeit zu erleichtern und Sozialversicherungsbeiträge zu vermeiden. Er schlägt der Kommission daher vor, die Möglichkeit zu prüfen, diese Fragen zusätzlich zu dem vorliegenden Vorschlag, bei dem es sich um eine reine Steuerrichtlinie handelt, in europäischen Rechtsvorschriften zu regeln.

    2.   Kontext des Kommissionsvorschlags

    2.1

    In der am 18. Mai 2021 vorgelegten Mitteilung der Europäischen Kommission über die Unternehmensbesteuerung für das 21. Jahrhundert werden sowohl eine langfristige als auch eine kurzfristige Vision skizziert, wie die Erholung Europas nach der COVID-19-Pandemie unterstützt und angemessene öffentliche Einnahmen in den kommenden Jahren gewährleistet werden können.

    2.2

    Die vorgeschlagene Richtlinie zu Briefkastenfirmen gehört zu den gezielten kurzfristigen Initiativen, die in der Mitteilung als Mittel zur Verbesserung des derzeitigen Steuersystems angekündigt werden, wobei der Schwerpunkt auf der Gewährleistung einer fairen und effektiven Besteuerung liegt.

    2.3

    Rechtsträger ohne minimale Substanz und wirtschaftliche Tätigkeit könnten zu unangemessenen Steuerzwecken wie Steuerhinterziehung, Steuervermeidung und sogar Geldwäsche genutzt werden. Daher sind Maßnahmen erforderlich, um Situationen anzugehen, in denen Steuerpflichtige mit Hilfe von Unternehmen, die keine tatsächliche wirtschaftliche Tätigkeit ausüben, Steuern hinterziehen oder ihre steuerlichen Verpflichtungen umgehen. Briefkastenfirmen können unlauteren Steuerwettbewerb und eine unfaire Verteilung der Steuerlast zwischen den Steuergebieten begünstigen.

    2.4

    Der Kommissionsvorschlag ist auf alle Unternehmen anwendbar, die als steuerlich ansässig gelten und Anspruch auf einen Nachweis über die steuerliche Ansässigkeit in einem Mitgliedstaat haben. Nach Annahme der Richtlinie sollten die neuen Vorschriften bis zum 30. Juni 2023 in nationales Recht der Mitgliedstaaten umgesetzt werden und am 1. Januar 2024 in Kraft treten.

    2.5

    Zum Straftatbestand der Geldwäsche, auf den sich häufig bestimmte Briefkastenfirmen spezialisiert haben, gibt es eine Fülle von europäischen Rechtsvorschriften. Diese können ein nützlicher Rahmen für den Kommissionsvorschlag sein. Insbesondere sollte auf das von der Kommission im Juli 2021 vorgelegte Legislativpaket verwiesen werden, das aus drei Verordnungen und einer Richtlinie (1) besteht.

    3.   Vorschläge der Europäischen Kommission

    3.1

    Die Richtlinie zielt auf bestimmte Praktiken der Steuervermeidung bzw. Steuerhinterziehung ab. Dazu gehört die Gründung von Unternehmen innerhalb der Union, die den Anschein einer wirtschaftlichen Tätigkeit erwecken, diese aber in Wirklichkeit nicht ausüben. Vielmehr sollen diese Gründungen es ermöglichen, den wirtschaftlichen Eigentümern der Unternehmen oder der Gruppe, der sie angehören, bestimmte Steuervorteile zu verschaffen.

    3.2

    Um dieser Praxis entgegenzuwirken, wird in diesem Richtlinienvorschlag ein Test dargelegt, anhand dessen die Mitgliedstaaten Unternehmen ermitteln können, die angeblich eine rechtmäßige Geschäftstätigkeit ausüben, aber keine minimale wirtschaftliche Substanz aufweisen und daher möglicherweise missbraucht werden, um unrechtmäßig Steuervorteile zu erhalten. Dieser Test wird als „Substanztest“ bezeichnet.

    3.3

    Im ersten Schritt des Tests werden die verschiedenen Arten von Unternehmen in zwei Gruppen eingeteilt: zum einen in Unternehmen, die eine unzureichende Substanz aufweisen und für Steuerzwecke missbraucht werden könnten, und zum anderen in Unternehmen, bei denen dieses Risiko eher gering ist. Risikofälle weisen gleichzeitig eine Reihe von Merkmalen auf die üblicherweise in Unternehmen ermittelt werden, denen es an Substanz mangelt („Gateway-Kriterien“). Fälle mit geringem Risiko weisen dagegen keine oder nur einige dieser Kriterien auf, d. h., sie passieren den Gateway nicht.

    3.4

    Mit den einschlägigen Kriterien werden solche Unternehmen als risikobehaftet eingestuft, die nicht ausdrücklich von der Richtlinie ausgenommen sind und grenzüberschreitende Tätigkeiten ausüben, geografisch mobil sind und darüber hinaus für ihre eigene Verwaltung auf andere Unternehmen, insbesondere professionelle Drittanbieter, zurückgreifen. Fälle mit geringem Risiko, die den Gateway nicht passieren, sind für die Zwecke der Richtlinie irrelevant.

    3.5

    Die Unternehmen müssen sich zunächst selbst bewerten und, falls sie als risikobehaftet eingestuft werden, in ihrer Steuererklärung über ihre Substanz Bericht erstatten. Diese Berichterstattung über die Substanz bedeutet, dass spezifische Informationen in einer Weise bereitgestellt werden, die die Beurteilung der von dem Unternehmen ausgeübten Tätigkeit erleichtert.

    3.6

    Was den zweiten Schritt betrifft, so bestimmen drei Aspekte das Ergebnis des Substanztests:

    i)

    die für die ausschließliche Nutzung durch das Unternehmen zur Verfügung stehenden Räumlichkeiten;

    ii)

    mindestens ein eigenes und aktives Bankkonto in der EU;

    iii)

    mindestens ein Mitglied der Unternehmensleitung, das in der Nähe des Unternehmens ansässig und für dessen Tätigkeiten zuständig ist, oder eine ausreichende Zahl von Mitarbeitern des Unternehmens, die in der Nähe des Unternehmens ansässig sind und sich mit dessen wesentlichen einkunftsgenerierenden Tätigkeiten befassen.

    3.7

    Im dritten Schritt des Tests ist eine angemessene Bewertung der Angaben vorgeschrieben, die das Unternehmen im zweiten Schritt in Bezug auf die Substanz übermittelt hat. Bei einem Unternehmen, das einen Risikofall darstellt, da es den Gateway passiert hat, und aus dessen Berichterstattung sich auch ergibt, dass mindestens ein relevanter substanzbezogener Aspekt fehlt, sollte davon ausgegangen werden, dass es sich um eine „Briefkastenfirma“ im Sinne der neuen Richtlinie handelt, d. h. eine unzureichende Substanz aufweist und für Steuerzwecke missbraucht wird.

    3.8

    Ein Unternehmen, bei dem es sich um einen Risikofall handelt, aus dessen Berichterstattung sich aber ergibt, dass es alle relevanten substanzspezifischen Aspekte aufweist, sollte dagegen nicht als „Briefkastenfirma“ im Sinne der Richtlinie angesehen werden. Diese Annahme schließt jedoch nicht die Möglichkeit aus, dass eine Steuerverwaltung ein solches Unternehmen aus Gründen, die nicht in den Anwendungsbereich der Richtlinie fallen, als Briefkastenfirma einstuft.

    3.9

    Der vierte Schritt umfasst das Recht des Unternehmens, das den Anschein erweckt, im Sinne der Richtlinie eine Briefkastenfirma darzustellen und für Steuerzwecke missbraucht zu werden, den Gegenbeweis zu erbringen und unter Vorlage entsprechender Belege nachzuweisen, dass es Substanz besitzt (Widerlegung). Daher haben die betreffenden Unternehmen ein effektives Recht, geltend zu machen, dass sie keine Briefkastenfirma im Sinne der Richtlinie sind.

    3.10

    Sobald ein Unternehmen als Briefkastenfirma im Sinne der Richtlinie gilt und es diese Vermutung nicht widerlegt, sollten die steuerlichen Konsequenzen eingeleitet werden. Diese Konsequenzen sollten den Entzug jeglicher Steuervorteile einschließen, die das Unternehmen erlangt hat oder erlangen könnte.

    3.11

    Da ein Unternehmen, um Anspruch auf die Vorteile eines Steuerabkommens zu haben, in der Regel einen Nachweis über die steuerliche Ansässigkeit vorlegen muss, stellt der Mitgliedstaat, in dem die Briefkastenfirma steuerlich ansässig ist, entweder überhaupt keine Bescheinigung über die steuerliche Ansässigkeit aus oder er stellt eine Bescheinigung mit einem Warnhinweis, d. h. mit einem ausdrücklichen Hinweis darauf aus, dass die Bescheinigung nicht zur Erlangung der vorgenannten Vorteile genutzt werden darf.

    3.12

    Für den Fall, dass dem Unternehmen die gewährten Steuervorteile entzogen werden, sollte bestimmt werden, wie die Einkünfte in das Unternehmen und aus diesem Unternehmen fließen und wie jegliche dem Unternehmen gehörenden Vermögenswerte tatsächlich zu besteuern sind. Bei der Zuordnung von Besteuerungsrechten sollten alle Steuergebiete berücksichtigt werden, die von Transaktionen mit Beteiligung der Briefkastenfirma betroffen sein könnten.

    3.13

    Die Bestimmungen der Richtlinie gelten zwangsläufig nur für Mitgliedstaaten, da Drittländer nicht in den Anwendungsbereich des Unionsrechts fallen. In diesen Fällen sollten Abkommen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung zwischen einem Mitgliedstaat und einem Drittland in Bezug auf die Zuordnung von Besteuerungsrechten gebührend beachtet werden. In Ermangelung solcher Vereinbarungen wendet der betreffende Mitgliedstaat sein nationales Recht an.

    3.14

    Alle Mitgliedstaaten haben jederzeit Zugang zu den von den Unternehmen im Rahmen dieser Richtlinie erstatteten Berichte, ohne dass ein Auskunftsersuchen eingereicht werden muss. Zu diesem Zweck tauschen die Mitgliedstaaten ab dem ersten Schritt, d. h., wenn ein Unternehmen gemäß dieser Richtlinie als risikobehaftet eingestuft wird, Informationen aus. Dafür wird ein Register oder eine Datenbank eingerichtet.

    3.15

    Gemäß den vorgeschlagenen Rechtsvorschriften bleibt es den Mitgliedstaaten überlassen, die Sanktionen festzulegen, die bei Verstößen gegen die Meldepflichten gemäß dieser Richtlinie in der in nationales Recht umgesetzten Form zu verhängen sind. Die Sanktionen müssen wirksam, verhältnismäßig und abschreckend sein.

    3.16

    Es wird erwartet, dass durch die Festlegung einer Mindestgeldstrafe gemäß den geltenden Bestimmungen im Finanzsektor ein Mindestmaß an Koordinierung zwischen den Mitgliedstaaten erreicht wird. Die Sanktionen sollten eine Geldbuße in Höhe von mindestens 5 % des Umsatzes des Unternehmens umfassen.

    4.   Allgemeine Bemerkungen des EWSA

    4.1

    Der EWSA unterstützt uneingeschränkt den Vorschlag der Kommission und die damit verfolgten übergeordneten Ziele. Die Sicherstellung einer wirksamen und gerechten Besteuerung im gesamten Binnenmarkt ist von entscheidender Bedeutung, damit die Konjunktur nach der COVID-19-Pandemie wieder deutlich anziehen kann. Ausreichende Steuereinnahmen für die Mitgliedstaaten sind de facto ein Schlüsselfaktor zur Förderung öffentlicher Investitionen, die auf die Verwirklichung eines umweltfreundlicheren und stärker digitalisierten Binnenmarkts abzielen. Der EWSA ist leicht besorgt darüber, dass bei den Substanzanforderungen digitale Aspekte nicht berücksichtigt werden und lediglich die Bedeutung materieller Vermögenswerte hervorgehoben wird. Dies könnte künftig zu Problemen führen.

    4.2

    Der Vorschlag der Kommission steht daher voll und ganz im Einklang mit der Mitteilung zur Unternehmensbesteuerung im 21. Jahrhundert und führt zu konkreten und kohärenten Maßnahmen zur Bekämpfung von Steuerhinterziehung und Steuervermeidung und somit zur Gewährleistung eines gerechten Steuerumfelds in ganz Europa.

    4.3

    Der EWSA stellt fest, dass der Vorschlag der Kommission mit früheren Gesetzgebungsinitiativen der EU-Organe im Einklang steht, zum Beispiel mit der Richtlinie zur Bekämpfung von Steuervermeidung (ATAD) und der Richtlinie über die Zusammenarbeit der Verwaltungsbehörden zwischen den Steuerbehörden (DAC). Um unbeabsichtigte Ergebnisse zu vermeiden, muss unbedingt Kohärenz angestrebt werden zwischen den verschiedenen Steuervorschriften, von denen ständige Interaktion erwartet wird.

    4.4

    Der Vorschlag der Kommission ergänzt den jüngsten Vorschlag über den globalen Mindestbesteuerungssatz für multinationale Gruppen in der Union („Säule 2“), obwohl die beiden Richtlinien unterschiedliche Anwendungsbereiche aufweisen. Denn die zweite Säule gilt für Unternehmen mit einem Umsatz von mehr als 750 Mio. EUR, während die Richtlinie über Briefkastenfirmen keinen solchen Beschränkungen unterliegt.

    4.5

    Der EWSA begrüßt die breit angelegte öffentliche Konsultation, die die Kommission vor der Veröffentlichung ihres Vorschlags durchgeführt hat. Diese Konsultation umfasste 32 Fragen, die unter anderem darauf abzielten, das Problem und seine Ursachen einzugrenzen und die geeignete Form des Tätigwerdens der Union zu ermitteln. Die Interessenträger hatten somit die Möglichkeit, ihre Anmerkungen und Bedenken vor der Ausarbeitung der neuen Vorschriften zu äußern. Der EWSA bedauert, dass nur wenige Interessenträger (50) von dieser Möglichkeit Gebrauch gemacht haben.

    4.6

    Der EWSA unterstützt auch die zusätzliche öffentliche Konsultation nationaler Sachverständiger, die aufgrund ihrer spezifischen Fachkenntnisse gezielt einbezogen wurden. Die Kombination einer breit angelegten Konsultation der Interessenträger und einer detaillierteren Konsultation qualifizierter Sachverständiger gewährleistet ein ausgewogenes Verhältnis zwischen einem partizipativen und einem technisch fortschrittlichen Gesetzgebungsverfahren.

    4.7

    Aufgrund der Art des durch die Richtlinie zu regelnden Gegenstands und der festgelegten Ziele, nämlich der Bekämpfung der grenzüberschreitenden Steuervermeidung und Steuerhinterziehung, muss von den Mitgliedstaaten ein gemeinsamer Rahmen umgesetzt werden.

    4.8

    Ein angemessener und wirksamer gemeinsamer Rahmen ließe sich durch Einzelmaßnahmen, die von den einzelnen Mitgliedstaaten in ihren jeweiligen Rechtssystemen durchgeführt werden, nicht erreichen. In diesem Fall würde die bestehende Fragmentierung andauern und durch zahlreiche unkoordinierte Maßnahmen auf nationaler Ebene möglicherweise sogar noch verschlimmert werden.

    4.9

    Briefkastenfirmen, die in den Mitgliedstaaten gegründet wurden, müssen mit der Richtlinie in Einklang gebracht werden, und die Zusammenarbeit der Behörden der Mitgliedstaaten ist wichtiger denn je, um eine Aushöhlung der Fiskalkapazität der EU insgesamt zu vermeiden. Die Kommission sollte über angemessene Kapazitäten und ausreichende Ressourcen verfügen, um die Kontrollen ordnungsgemäß durchführen und den Informationsaustausch gewährleisten zu können.

    4.10

    Nach Ansicht des EWSA steht der Vorschlag mit dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit im Einklang, da er nicht über die Gewährleistung des für den Binnenmarkt erforderlichen Schutzniveaus hinausgeht und die Auswirkungen auf die Unternehmen sich in Grenzen halten dürften. Mit der Richtlinie soll ein Mindestschutz für die Steuersysteme der Mitgliedstaaten etabliert werden, wobei das für die Erreichung der Ziele erforderliche Maß an Koordinierung innerhalb der EU gewährleistet wird.

    4.11

    Andererseits scheinen auch die Auswirkungen auf die Unternehmen verhältnismäßig zu sein, da die verschiedenen Ziele und Werte in einem angemessenen Verhältnis zueinander stehen, darunter:

    i)

    Wirksamkeit der Bekämpfung des Missbrauchs von Briefkastenfirmen;

    ii)

    Steuereinnahmen für die öffentlichen Haushalte;

    iii)

    Befolgungskosten für Unternehmen und Steuerverwaltungen;

    iv)

    indirekte Auswirkungen auf den Binnenmarkt und den Wettbewerb zwischen Unternehmen.

    4.12

    Der EWSA befürwortet den Ansatz der Kommission, demzufolge ein wirksamer und transparenter Informationsaustausch zwischen den Steuerbehörden unerlässlich ist, um die missbräuchliche Nutzung von Briefkastenfirmen zu bekämpfen und ganz allgemein ein gerechtes und effizienteres Steuerumfeld zu gewährleisten. Dieser Punkt muss sehr sorgfältig beachtet werden, damit eine Zusammenarbeit zwischen denjenigen Mitgliedstaaten stattfindet, die von den durch eine Briefkastenfirma durchführten Transaktionen betroffen sind. Die Ergebnisse der Untersuchungen über Briefkastenfirmen sollten öffentlich zugänglich gemacht werden. Die europäischen und nationalen Behörden sollten der Öffentlichkeit auch vor Augen führen, zu welchen Ergebnissen die Umsetzung der Richtlinie geführt hat.

    4.13

    Briefkastenfirmen, die unter diese Richtlinie fallen, können sowohl für Steuerhinterziehung und Steuervermeidung und in besonderen Fällen sogar für die Begehung von Straftaten wie Geldwäsche, die häufig mit im Spiel ist, genutzt werden. Daher ist die Koordinierung der Rechtsvorschriften und eine Abstimmung zwischen den verschiedenen für die Bekämpfung dieser Straftaten zuständigen Aufsichtsbehörden sowohl auf nationaler als auch auf europäischer Ebene von entscheidender Bedeutung. Dank der Richtlinie zur Bekämpfung von Briefkastenfirmen (auch als UNSHELL bezeichnet) erhalten die Steuerbehörden weitere Informationen, die sie mit den Informationen abgleichen können, die ihnen von den für die Bekämpfung der Geldwäsche zuständigen Behörden zugehen. Die nationalen und europäischen Behörden müssen sicherstellen, dass die Anwendung dieser Richtlinie für Unternehmen, die ihre Tätigkeit im Einklang mit den Rechtsvorschriften ausüben, keine Probleme bereitet.

    4.14

    Die Kenntnis der wirtschaftlichen Eigentümer von Briefkastenfirmen und ihrer Vermögenswerte sowie derjenigen, die hinter den von ihnen getätigten Transaktionen stecken, ist unerlässlich, um den wahren Charakter ihrer Tätigkeiten aufzudecken und das Ausmaß der Steuerhinterziehung oder Geldwäsche sichtbar zu machen. Die Verschleierung des wirtschaftlichen Eigentums durch Ketten von Briefkastenfirmen, die von „professionellen Enablern“ verwaltet werden, ist mit ihren kriminellen Absichten untrennbar verbunden. Die Instrumente zur Ermittlung der wirtschaftlichen Eigentümer sind in den Rechtsvorschriften zur Bekämpfung der Geldwäsche enthalten. In dem vorliegenden Richtlinienvorschlag findet sich jedoch kein Hinweis auf diese Frage. Der EWSA ist der Auffassung, dass dieses und andere Schlupflöcher durch eine Verknüpfung der beiden Rechtsvorschriften geschlossen werden sollten. Dies könnte entweder durch eine diesbezügliche Erläuterung in dieser Richtlinie oder durch ein rasch anzunehmendes europäisches Rahmengesetz zu dieser Frage bewerkstelligt werden.

    4.15

    Außerhalb des Anwendungsbereichs dieser Richtlinie werden Briefkastenfirmen mitunter auch gegründet und genutzt, um nicht angemeldete Erwerbstätigkeit zu erleichtern und Sozialversicherungsbeiträge zu vermeiden. Der EWSA schlägt der Kommission vor, zu prüfen, ob diese Frage mithilfe einer europäischen Rechtsvorschrift geregelt werden kann.

    5.   Besondere Bemerkungen

    5.1

    Der EWSA hält das im Kommissionsvorschlag umgesetzte „Gateway-Kriterium“ in Form kumulativer Indikatoren für vernünftig und angemessen. In diesem Zusammenhang stellt der EWSA fest, dass Unternehmen, die Vermögenswerte wie Immobilien, Jachten, Flugzeuge, Kunstwerke oder Eigenkapital für den privaten Gebrauch halten, möglicherweise über längere Zeiträume keine Einkünfte haben, aber dennoch erhebliche Steuervorteile für die sie kontrollierenden Unternehmen bieten.

    5.2

    Der EWSA ist daher der Ansicht, dass nicht nur das Einkommen, sondern auch die Vermögenswerte kontrolliert werden sollten, da Steuern auch dann erhoben werden können, wenn sie kein Einkommen generieren, wie z. B. im Falle der ggf. erhobenen Vermögenssteuer. Seines Erachtens sollte die Kommission über angemessene Kapazitäten und ausreichende Ressourcen verfügen, um die Kontrollen ordnungsgemäß durchführen und den Informationsaustausch gewährleisten zu können.

    5.3

    Der EWSA schlägt vor, dass die Kommission geeignete Leitlinien für den in der Richtlinie vorgesehenen Substanztest veröffentlicht, insbesondere im Hinblick auf die Bedeutung spezifischer Begriffe wie „Wohnsitz“, „in der Nähe ansässiges Mitglied der Unternehmensleitung“ und „Räumlichkeiten“. So könnten nationale Unterschiede und unterschiedliche Auslegungen, die dem Binnenmarkt potenziell schaden könnten, verringert oder besser bewältigt werden. Vor allem fordert der EWSA die Kommission auf, die neuen digitalen Geschäftsmodelle in dieser Hinsicht gebührend zu berücksichtigen.

    5.4

    Der EWSA ist der Auffassung, dass die Beteiligung von Unternehmen an grenzüberschreitenden Tätigkeiten sorgfältig geprüft werden sollte — sowohl im Hinblick auf die tatsächliche Art der getätigten Transaktionen als auch in Bezug auf das Eigentum und die Vermögenswerte. Unternehmen, die ein angemessenes Maß an Transparenz aufweisen und bei denen kein echtes Risiko besteht, dass sie eine unzureichende wirtschaftliche Substanz haben und zum Zwecke der Steuerhinterziehung oder Steuervermeidung missbraucht werden könnten, sollten nicht unter die Richtlinie fallen.

    5.5

    Die UNSHELL-Richtlinie stützt sich auf die bestehenden europäischen und internationalen Standards. Der EWSA empfiehlt der Kommission, die Vereinbarkeit mit den bereits bestehenden einschlägigen internationalen und gemeinsamen europäischen Standards sicherzustellen, insbesondere mit dem Konzept der „wesentlichen wirtschaftlichen Tätigkeit“, das im Zusammenhang mit Steuervergünstigungsregelungen entwickelt und im Rahmen des Forums „Schädliche Steuerpraktiken“ eingehend erörtert wurde. Ein weiterer wichtiger Punkt ist die Festlegung gemeinsamer und klarer Regeln für den spezifischen Inhalt der von den Unternehmen vorzulegenden Erklärungen. Eine über die Ziele der Richtlinie hinausgehende Berichterstattung sollte wie auch die sich daraus ergebenden Befolgungskosten vermieden werden.

    5.6

    Der EWSA fordert, dass der Rolle der sogenannten „professionellen Enabler“ besondere Aufmerksamkeit geschenkt wird — ein Thema, das im Richtlinienvorschlag nicht erwähnt wird. Er empfiehlt, die Vorschriften zur Regulierung der Tätigkeit professioneller Enabler in eigenen Rechtsvorschriften festzulegen, und zwar im Einklang mit den einschlägigen Kriterien der OECD, die auch im Bereich der Briefkastenfirmen häufig eine wichtige Rolle spielen (2).

    5.7

    Die OECD verweist auf die Berufsgruppen, deren Angehörige mitunter Ketten von Briefkastenfirmen leiten oder mit diesen zusammenarbeiten, und hält es für wesentlich, sich auf die „professionellen Enabler“ zu konzentrieren, um die kriminelle Tätigkeit von Unternehmen zu bekämpfen, die zu rechtswidrigen Zwecken, einschließlich der Steuerhinterziehung, gegründet wurden. Die Angehörigen dieser Berufe, die sich an die Gesetze halten, sind von der kleinen Gruppe jener abzugrenzen, die ihre Fähigkeiten im Bereich des Steuerrechts und der Rechnungslegung von Unternehmen nutzen, um Praktiken zum Zwecke der Steuerhinterziehung, Steuervermeidung und Geldwäsche aktiv zu begünstigen.

    5.8

    Der EWSA betont daher, dass gegen professionelle Enabler vorgegangen werden muss, die aktiv die Gelegenheit zur Nutzung illegaler Praktiken bieten und der Steuer- und Finanzkriminalität Vorschub leisten. Auf diese Weise könnte ein entscheidender Faktor, der Steuermissbrauch erst ermöglicht, ausgehebelt werden. Die Einschränkung der Möglichkeiten zur Entwicklung unlauterer Steuerpraktiken ist ein grundlegender Schritt zur Verwirklichung eben jener Ziele, die die Kommission mit ihrem Vorschlag verfolgt.

    5.9

    Der EWSA ist der Auffassung, dass die Zusammenarbeit der berufsständischen Regulierungs- und Aufsichtsbehörden bei der Bekämpfung möglicher missbräuchlicher und krimineller Aktivitäten professioneller Enabler von großem Nutzen wäre. Dies wäre ein interessanter Schritt zur Fortentwicklung des europäischen sozialen und politischen Pakts zur Bekämpfung von Steuer- und Wirtschaftskriminalität, Geldwäsche und Korruption, den der Ausschuss in verschiedenen Stellungnahmen befürwortet hat.

    5.10

    Der EWSA schlägt ferner vor, den Richtlinienvorschlag der Kommission mit den bestehenden Vorschriften über Verrechnungspreise abzustimmen. Denn die Verwendung von Briefkastenfirmen zum Zwecke der Steuerhinterziehung könnte mit solchen Praktiken in der gesamten EU zusammenhängen und sollte daher in dieser Hinsicht besonders berücksichtigt werden. Auch hier ist der EWSA der Ansicht, dass die Erarbeitung einer spezifischen Verrechnungspreisrichtlinie in Betracht gezogen werden sollte.

    5.11

    Der Ausschuss ist der Auffassung, dass die Liste der nicht meldepflichtigen Unternehmen (Artikel 6 Absatz 2) ordnungsgemäß begründet und bewertet werden muss, um sicherzustellen, dass sie keinen unangemessenen steuerlichen Vorteil erhalten und nicht zur Umgehung des Gesetzes genutzt werden.

    5.12

    Der EWSA ist ferner der Auffassung, dass mehr Maßnahmen ergriffen werden sollten, wenn ein Unternehmen oder sonstiger Rechtsträger außerhalb der EU mit einem in der EU börsennotierten Unternehmen oder einer Einrichtung Geschäfte tätigt. Es stellt sich die Frage, welche Mittel den börsennotierten Unternehmen oder Rechtsträgern in der EU zur Verfügung gestellt werden könnten, um sicherzustellen, dass die verwalteten Gelder oder Vermögenswerte nicht von Briefkastenfirmen außerhalb der EU stammen.

    5.13

    Um wirksame Maßnahmen gegen Unternehmen ergreifen zu können, die mit Unternehmen aus in Steuerfragen nicht kooperativen Ländern und Gebieten Geschäfte tätigen, bekräftigt der EWSA, dass die EU-Liste nicht kooperativer Steuergebiete so wirksam und umfassend wie möglich sein muss.

    Brüssel, den 23. März 2022

    Die Präsidentin des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses

    Christa SCHWENG


    (1)  Siehe EWSA-Stellungnahme zum Legislativpaket zur Bekämpfung der Geldwäsche (ABl. C 152 vom 6.4.2022, S. 89).

    (2)  Schluss mit Steuerbetrug: Strategien zur Bekämpfung professioneller Enabler von Steuer- und Wirtschaftskriminalität, OECD, Paris, 2021.


    Op