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Document 52018AE5386

Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zur „Mitteilung der Kommission an das Europäische Parlament, den Europäischen Rat, den Rat, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss und den Ausschuss der Regionen — Koordinierter Plan für künstliche Intelligenz“(COM(2018) 795 final)

EESC 2018/05386

ABl. C 240 vom 16.7.2019, p. 51–56 (BG, ES, CS, DA, DE, ET, EL, EN, FR, HR, IT, LV, LT, HU, MT, NL, PL, PT, RO, SK, SL, FI, SV)

16.7.2019   

DE

Amtsblatt der Europäischen Union

C 240/51


Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zur „Mitteilung der Kommission an das Europäische Parlament, den Europäischen Rat, den Rat, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss und den Ausschuss der Regionen — Koordinierter Plan für künstliche Intelligenz“

(COM(2018) 795 final)

(2019/C 240/12)

Berichterstatterin: Tellervo KYLÄ-HARAKKA-RUONALA

Befassung

Europäische Kommission, 18.2.2019

Rechtsgrundlage

Artikel 304 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union

Zuständige Fachgruppe

Fachgruppe Binnenmarkt, Produktion, Verbrauch

Annahme in der Fachgruppe

2.4.2019

Verabschiedung auf der Plenartagung

15.5.2019

Plenartagung Nr.

543

Ergebnis der Abstimmung

(Ja-Stimmen/Nein-Stimmen/Enthaltungen)

210/2/1

1.   Schlussfolgerungen und Empfehlungen

1.1.

Der EWSA begrüßt den koordinierten Aktionsplan für künstliche Intelligenz (KI) und ruft angesichts der raschen Fortschritte bei der Entwicklung und Einführung der KI außerhalb der EU zu einer zügigen Umsetzung auf. Damit die EU im globalen Wettbewerb erfolgreich bestehen kann, muss sie in den Bereichen Innovation und Investitionen eine Vorreiterstellung einnehmen und im Einklang mit dem Grundsatz „der Mensch kontrolliert die Maschine“und dem Prinzip einer vertrauenswürdigen KI stehen.

1.2.

Der EWSA hebt hervor, dass die zivilgesellschaftlichen Akteure, u. a. die Unternehmen, Arbeitnehmer und Verbraucher, bei Entwicklung und Nutzung der KI einbezogen werden müssen. Bei der Umsetzung der KI-Strategie sollte daher ein angemessenes Gewicht darauf gelegt werden, wie das Potenzial der KI zum größtmöglichen gesamtgesellschaftlichen Nutzen ausgeschöpft werden kann.

1.3.

Der EWSA unterstützt die Initiativen, die darauf abzielen, dass im Bereich der KI über die Finanzierungsinstrumente der EU mehr Finanzmittel für Innovation, Infrastruktur sowie allgemeine und berufliche Bildung bereitgestellt werden. Der Ausschuss ruft die Mitgliedstaaten des Weiteren dazu auf, die mit Blick auf die gemeinsamen Ziele notwendigen Schritte zu unternehmen.

1.4.

Um die Entwicklung und Akzeptanz der KI im privaten Bereich zu fördern, fordert der EWSA unter Berücksichtigung der besonderen Bedürfnisse von KMU, Start-up- und Scale-up-Unternehmen ein günstiges Unternehmensumfeld, einschließlich eines förderlichen und stabilen politischen und ordnungspolitischen Rahmens, der Innovation und Investitionen im KI-Bereich zuträglich ist.

1.5.

Der EWSA hält es für entscheidend, im Binnenmarkt unter Gewährleistung von Datenschutz und Schutz der Privatsphäre die Qualität, Verfügbarkeit, Zugänglichkeit, Interoperabilität sowie den reibungslosen Fluss von Daten sicherzustellen. Der EWSA drängt auf eine Erleichterung des Zugangs zu öffentlichen Daten und fordert günstige Bedingungen für die Schaffung europäischer digitaler Plattformen.

1.6.

Der EWSA unterstützt die Initiativen für eine grenzübergreifende Zusammenarbeit, Partnerschaften und Netze zur Förderung von Innovation und Akzeptanz der KI und unterstreicht die Bedeutung einer breit angelegten Zusammenarbeit zwischen den verschiedenen gesellschaftlichen Akteuren.

1.7.

Der EWSA fordert die Mitgliedstaaten nachdrücklich dazu auf, ihre Bildungssysteme nach den neuen Qualifikationsanforderungen auszurichten, was Reformen von den Grundschulen bis zu den Hochschulen erfordert. Darüber hinaus ist lebenslanges und kontinuierliches Lernen unumgänglich und wird immer häufiger im Rahmen der Arbeit stattfinden. Der soziale Dialog trägt maßgeblich dazu bei, vorausschauend Veränderungen und Anforderungen in der Arbeitswelt zu erkennen.

1.8.

Der EWSA erachtet die Stärkung des Europäischen Fonds für die Anpassung an die Globalisierung als einen Schritt hin zu einem vollwertigen Europäischen Fonds für den Wandel, der die Bewältigung des digitalen Wandels und somit der KI-bedingten strukturellen Veränderungen unterstützt.

1.9.

Der EWSA betont, dass die Entwicklung und Nutzung der KI unter Wahrung der Werte der EU und im Einklang mit dem Verbraucher-, Arbeits- und Unternehmensrecht erfolgen muss. Die Vertreter der Zivilgesellschaft sowie die Sozialpartner müssen in die Ausarbeitung von Strategien und Maßnahmen im Zusammenhang mit der KI einbezogen werden. Zur Förderung des Vertrauens in KI muss auch Aufklärungsarbeit geleistet werden.

1.10.

Da die KI der gesamten Gesellschaft dienen muss und dabei gleichzeitig wirtschaftliche, soziale und ökologische Aspekte zu berücksichtigen sind, schlägt der EWSA vor, dass die EU den Rahmen für nachhaltige Entwicklung als Orientierung für künftige Entwicklungen im Bereich der KI zugrunde legt. Der EWSA spricht sich außerdem dafür aus, dass KI in einzelnen Unternehmen auf tragfähige Weise und in Verbindung mit angemessenen Informationen und Konsultationen eingeführt werden sollte.

2.   Allgemeine Bemerkungen

2.1.

Nach der Veröffentlichung der Strategie für künstliche Intelligenz für Europa im April 2018 hat die Europäische Kommission mit den Mitgliedstaaten zusammengearbeitet, um einen koordinierten KI-Plan mit dem Ziel auszuarbeiten, die Gesamtwirkung der Maßnahmen, insbesondere von Investitionen, auf europäischer und nationaler Ebene zu maximieren und sicherzustellen, dass die EU im globalen Wettbewerb bestehen kann.

2.2.

In dem koordinierten Plan werden gemeinsame Maßnahmen in vier Bereichen vorgeschlagen: Steigerung der Investitionen, Verbesserung der Verfügbarkeit und Zugänglichkeit von Daten, Förderung von Talenten und Kompetenzen sowie Bildung von Vertrauen. Außerdem werden die Mitgliedstaaten zur Umsetzung ihrer nationalen KI-Strategien bis Mitte 2019 aufgefordert.

2.3.

Der EWSA begrüßt den koordinierten Plan als wichtigen Schritt zur Verbesserung der Umsetzung der Strategie. Der Ausschuss hat seinen Standpunkt zu der Strategie in einer früheren Stellungnahme dargelegt (1). Darüber hinaus hat der Ausschuss eine Stellungnahme zum Programm „Digitales Europa“vorgelegt (2) sowie neben weiteren einschlägigen Stellungnahmen mehrere Initiativstellungnahmen zu verschiedenen Aspekten der KI erarbeitet (3).

2.4.

Der EWSA hält es für wichtig, dass Durchführungsmaßnahmen auf Ebene sowohl der EU als auch der Mitgliedstaaten geplant werden, da sich die Zuständigkeiten der EU und der Mitgliedstaaten in den verschiedenen Politikbereichen unterscheiden. Zusammenarbeit und Koordinierung sind auch erforderlich, um aus Sicht der Gesamt-EU möglichst weitreichende Ergebnisse und eine möglichst hohe Effizienz zu erzielen. Der EWSA ruft alle Mitgliedstaaten dazu auf, die mit Blick auf die gemeinsamen Ziele notwendigen Schritte zu unternehmen, wobei er sich der unterschiedlichen Bedingungen in den verschiedenen Ländern bewusst ist.

2.5.

Neben der Zusammenarbeit und der Koordinierung der politischen Entscheidungsträger auf den verschiedenen Ebenen ist eine Zusammenarbeit zwischen allen Akteuren der Gesellschaft erforderlich, damit im Sinne einer Steigerung der Effizienz und Wirkung Unstimmigkeiten, Überschneidungen und Lücken bei den Maßnahmen vermieden werden.

2.6.

Der EWSA ruft dazu auf, die Umsetzung der Strategie mit Hochdruck zu betreiben, da die Entwicklung und Einführung der KI außerhalb der EU rasch voranschreiten. Gleichzeitig sollten sich die EU und die Mitgliedstaaten konsequent an den langfristigen Zielen der Strategie orientieren. Der EWSA begrüßt, dass „es darum [geht], Europa bei der Entwicklung und dem Einsatz einer hochmodernen, ethischen und sicheren KI zu einer weltweit führenden Region zu machen und dabei auch im globalen Kontext einen auf den Menschen ausgerichteten Ansatz zu fördern“ (4).

2.7.

Um im globalen Wettbewerb erfolgreich bestehen zu können, muss die EU ihren eigenen Weg entschieden verfolgen, ohne die Entwicklungen und Trends außerhalb der EU aus den Augen zu verlieren. Der EWSA erachtet es für wichtig, dass Wettbewerbsfähigkeit und Vertrauen parallel berücksichtigt werden. Vertrauenswürdigkeit kann für die EU zum Wettbewerbsvorteil werden, muss aber durch andere Faktoren der Wettbewerbsfähigkeit ergänzt werden.

2.8.

Da die KI der gesamten Gesellschaft dienen muss, schlägt der EWSA vor, dass die EU künftige Entwicklungen im Bereich der KI am Rahmen für nachhaltige Entwicklung ausrichtet. Da nachhaltige Entwicklung drei Dimensionen aufweist, werden Strategien und Maßnahmen benötigt, die die Wirtschaft stärken, das Wohlergehen der Gesellschaft verbessern und gleichzeitig dazu beitragen, die Auswirkungen auf das Klima und die Umwelt zu verringern.

2.9.

Der EWSA weist darauf hin, dass die Konzipierung politischer Strategien im Zusammenhang mit der KI aus der Sicht der zivilgesellschaftlichen Akteure, einschließlich der Unternehmen, der Arbeitnehmer und der Verbraucher, erfolgen muss. Es muss ein angemessenes Gewicht darauf gelegt werden, wie das Potenzial der KI zum größtmöglichen gesamtgesellschaftlichen Nutzen ausgeschöpft werden kann und wie Risiken, u. a. die Manipulation demokratischer Prozesse, gering gehalten werden können.

2.10.

Der EWSA betont, wie wichtig es ist, dass bei der Entwicklung und Nutzung der KI niemand ausgegrenzt wird und dass der Grundsatz, dass niemand zurückbleibt, Beachtung findet. Dies gilt für die Zugänglichkeit von Daten und Infrastruktur, die Verfügbarkeit anwenderfreundlicher Produkte und den Zugang zu Wissen und Kompetenzen. Dass es keine Ausgrenzung gibt, ist sowohl für Menschen als auch für Unternehmen, insbesondere für KMU, von großer Bedeutung. Besondere Aufmerksamkeit sollte der Förderung der KI-bezogenen Kompetenzen von Frauen und ihres Interesses an Arbeitsplätzen und Aufgaben im KI-Bereich, auch in der Industrie, gelten.

2.11.

Angesichts der enormen gesellschaftlichen Herausforderungen und der extrem schnellen technologischen Entwicklung sollte die EU die KI bei Vorhersageanalysen in Bereichen wie Gesundheitswesen, Verkehr und Arbeitswelt in vollem Umfang nutzen. Die EU sollte sich überdies auf die Möglichkeiten einstellen, die durch disruptive Technologien wie die Quantentechnologie eröffnet werden.

3.   Erleichterung von Innovation und Unternehmensentwicklung

3.1.

Neben einer höheren Effizienz und Produktivität eröffnet die KI Unternehmen auch neue Geschäftsmöglichkeiten in einem breiten Spektrum an Wirtschaftszweigen und Dienstleistungen. Dies gilt sowohl für große Unternehmen als auch für KMU, Start-ups und Scale-ups. Außerdem entstehen völlig neue Unternehmensfelder.

3.2.

Angesichts der raschen Fortschritte bei der Entwicklung und Einführung der KI außerhalb der EU muss die Europäische Union darüber hinaus ihre Anstrengungen zur Verbesserung ihrer Wettbewerbsfähigkeit verstärken. Es geht hier nicht um „picking winners“, d. h., um Präferenzen für einzelne zukunftsfähige Teilmärkte, sondern vielmehr darum, die Probleme und Herausforderungen zu ermitteln, die bewältigt werden müssen, um die richtigen Bedingungen für die Nutzung der durch KI eröffneten Möglichkeiten und die Minimierung der damit verbundenen Risiken zu schaffen und aufrechtzuerhalten.

3.3.

Investitionen in Innovation und Infrastruktur sowie die Weiterentwicklung des Binnenmarkts sind die zentralen Tätigkeitsbereiche, auf die der Schwerpunkt gelegt werden sollte. Darüber hinaus unterstreicht der EWSA die Bedeutung des allgemeinen Unternehmensumfelds — wie z. B. Besteuerung, Regulierung und Verfügbarkeit von Produktionsfaktoren — für die Innovationsaktivitäten und Investitionsentscheidungen der Unternehmen.

3.4.

Der EWSA unterstützt die Initiativen zur Aufstockung der Mittel für die Entwicklung und eine größere Akzeptanz der KI. Sämtliche Instrumente wie Horizont Europa, Digitales Europa, InvestEU und der Europäische Fonds für strategische Investitionen sind für die Förderung von Innovation und Investitionen in die KI wichtig und notwendig.

3.5.

Zwar kommt dem öffentlichen Sektor aufgrund seiner eigenen Investitionen in die KI und der Vergabe öffentlicher Aufträge eine wichtige Rolle zu, doch sind viele private Investitionen erforderlich, um angemessene Fortschritte sowohl bei der Entwicklung als auch bei der Schaffung einer größeren Akzeptanz der KI in unterschiedlichen Industriezweigen zu erzielen. Die öffentliche Finanzierung hat eine Hebelwirkung für private Investitionen und ist daher von entscheidender Bedeutung. Die Finanzierungspraxis sollte jedoch benutzerfreundlicher gestaltet werden. Auch die Finanzierungsregeln sollten weiterentwickelt werden, um Risikobereitschaft zu fördern.

3.6.

Für die Entwicklung und Akzeptanz der KI sind neben der Zusammenarbeit der Unternehmen und verschiedenen Interessenträger Unternehmens-Ökosysteme erforderlich, die aus Unternehmen unterschiedlicher Größe bestehen, die in unterschiedlichen Branchen tätig und in unterschiedlichen Bereichen der Wertschöpfungsketten beheimatet sind. Der EWSA unterstützt die Kommissionspläne, mit denen die grenzübergreifende Zusammenarbeit, Partnerschaften und Netze durch vernetzte Spitzenforschungszentren, Testeinrichtungen und digitale Innovationszentren verbessert werden sollen. Der EWSA betont, dass Verbindungen zu KMU erleichtert werden müssen, und fordert, dass zivilgesellschaftliche Organisationen und die Sozialpartner in die Zusammenarbeit im Rahmen der digitalen Innovationszentren einbezogen werden.

3.7.

Kompetenzen und Fertigkeiten spielen eine wichtige Rolle, um Innovation und Unternehmensentwicklung im Bereich der KI zu ermöglichen. Es besteht nicht nur eine Nachfrage nach spezifischen „KI-Kompetenzen“, sondern auch nach Fertigkeiten in Verbindung mit KI-Anwendungen in einzelnen Unternehmen sowie nach unternehmerischen Kompetenzen. Zur Nachwuchsförderung für Unternehmen und Industrie sind Forschungsprojekte am besten geeignet, weshalb der EWSA die EU und die Mitgliedstaaten nachdrücklich auffordert, einschlägige Forschung angemessen zu finanzieren.

3.8.

Das rasche Entwicklungstempo erfordert Agilität bei der Innovationsförderung im KI-Bereich. Dazu werden sowohl Testeinrichtungen als auch regulatorische Testumgebungen für Experimente und Erprobungen neuer Ideen benötigt. Außerdem müssen der Austausch und die gegenseitige Anerkennung von Testergebnissen gewährleistet werden.

3.9.

Der EWSA fordert mehr Investitionen in die Technologie und Infrastruktur, die für KI und KI-basierte Anwendungen notwendig sind, darunter Hochleistungsrechner und Mobilfunknetze der 5. Generation, sowie Maßnahmen zur Verbesserung der Cybersicherheit. Außerdem sollte die EU bei der Entwicklung der Quantentechnologie, insbesondere der Quanteninformatik und der Quantenkommunikation, eine Vorreiterstellung einnehmen.

3.10.

Da die Grundlage der KI vor allem aus Daten besteht, hält es der EWSA für entscheidend, unter Gewährleistung von Datenschutz und Schutz der Privatsphäre die Qualität, Verfügbarkeit, Zugänglichkeit, Interoperabilität und den reibungslosen Fluss von Daten sicherzustellen. Aufgrund seiner Verflechtungen mit dem Binnenmarkt für Waren, Kapital und Dienstleistungen wird ein gut funktionierender Datenbinnenmarkt immer wichtiger.

3.11.

Der EWSA unterstützt die Initiativen der Kommission zur Schaffung eines gemeinsamen europäischen Datenraums. Er drängt auf die Öffnung und Erleichterung des Zugangs zu vom öffentlichen Sektor generierten Massendaten für alle Nutzer sowie im Hinblick auf die Verbesserung von Anwendungsprogrammierschnittstellen (API). Der EWSA spricht sich auch für die Förderung der Einrichtung europäischer Plattformen für den Datenaustausch aus. Die Verbesserung von Datenzugang und -weiterverwendung muss im Einklang mit den Regeln eines fairen Wettbewerbs, einem angemessenen Datenschutz und den Rechten des geistigen Eigentums erfolgen.

3.12.

Auf Daten, Plattformen und Ökosystemen beruhende Geschäftsmodelle werden der neue Normalfall. Die Business-to-Consumer-Plattformen (B2C) werden gegenwärtig hauptsächlich von großen Unternehmen außerhalb Europas beherrscht. Die EU könnte ihrerseits bei Plattformen der Behörden für die Bürgerinnen und Bürger (Government-to-Citizens, G2C) sowie bei Business-to-Business-Plattformen (B2B) ausgesprochen konkurrenzfähig sein. Von entscheidender Bedeutung sind hier in jedem Fall gleiche Wettbewerbsbedingungen wie für außereuropäische Wettbewerber.

3.13.

Der EWSA fordert unter Sicherstellung der Vertrauenswürdigkeit der KI einen innovationsförderlichen Rechtsrahmen, der die Entwicklungen nicht mit übermäßig detaillierten Vorschriften und Anforderungen behindert. Der EWSA fordert die Kommission des Weiteren dazu auf, gemeinsam mit den betroffenen Unternehmen und Interessenträgern zu prüfen, ob bestimmte Rechtsakte der Entwicklung oder Nutzung einer vertrauenswürdigen KI hinderlich sein könnten. Eine Eignungsprüfung des Wettbewerbsrechts wäre ebenfalls angezeigt.

3.14.

Der EWSA ruft die politischen Entscheidungsträger außerdem dazu auf, politische Instrumente aus der Sicht des betreffenden Wirtschaftszweiges zu betrachten. Es gibt keine Patentlösungen. In jeder Branche besteht ein eigener bestimmter Bedarf und besondere Herausforderungen, die es zu bewältigen gilt. Angesichts der Geschwindigkeit der Veränderungen und der Notwendigkeit einer kontinuierlichen Verbesserung sollten die Möglichkeiten der Normung in vollem Umfang ausgeschöpft werden, beispielsweise bei der Förderung der Interoperabilität.

4.   Zukunftskompetenzen der Menschen fördern

4.1.

Offenbar sind sich viele Menschen weniger der durch KI gebotenen Unterstützungsmöglichkeiten bewusst als vielmehr der Bedenken im Zusammenhang mit der Kontrolle über Maschinen. Der EWSA sieht dementsprechend Bedarf an Aufklärungsarbeit, um das Bewusstsein für den gesamtgesellschaftlichen Nutzen der KI zu fördern. Mehr Kenntnis und Verständnis des Wesens und der Funktionsweise der KI ist eine weitere Voraussetzung für größeres, auf kritisches Denken gegründetes Vertrauen. Der EWSA fordert darüber hinaus bessere statistische Daten und mehr Forschung zu den Auswirkungen der KI auf Beschäftigung und Arbeit, beispielsweise Studien zu branchenspezifischen Auswirkungen.

4.2.

Angesichts der möglichen weitreichenden Auswirkungen der KI auf den Verbraucheralltag sowie auf die Entwicklung der Arbeitsplätze und auf die Zukunft der Arbeit ist es unerlässlich, Menschen mit den für diese Veränderungen notwendigen Kenntnissen und Fähigkeiten auszurüsten. Den Sozialpartnern kommt eine wichtige Rolle dabei zu, Veränderungen in der Arbeitswelt rechtzeitig zu erkennen, die Entwicklung der digitalen Kompetenzen zu unterstützen und die Beschäftigungsfähigkeit der Arbeitnehmer auf dem Arbeitsmarkt zu fördern.

4.3.

Die Nutzung der KI bedingt erhebliche Veränderungen des Qualifikationsbedarfs. Aufgrund der weitreichenden Folgen und der Geschwindigkeit der Entwicklung der KI muss sowohl der unmittelbare als auch der langfristige Bedarf an allgemeiner und beruflicher Bildung ermittelt werden. Die Bildung muss dem Bedarf sowohl an grundlegenden als auch an fortgeschrittenen digitalen Kompetenzen gerecht werden. Neben einer KI-Grundkompetenz sollten die Menschen auch über allgemeine Kompetenzen verfügen, um im Alltag und bei der Arbeit KI im Rahmen der Entwicklung und Nutzung innovativer Lösungen anwenden zu können, beispielsweise bei der Mensch-Roboter-Kollaboration.

4.4.

Der EWSA fordert die Mitgliedstaaten nachdrücklich dazu auf, ihre Bildungssysteme entsprechend anzupassen, um den neuen Qualifikationsanforderungen gerecht zu werden. Der EWSA betont des Weiteren, wie wichtig eine Zusammenarbeit zwischen Regierungen, Bildungseinrichtungen, Sozialpartnern, Verbraucherverbänden und anderen betroffenen zivilgesellschaftlichen Organisationen bei der Gestaltung und Umsetzung neuer Bildungs- und Ausbildungsprogramme zur Verbesserung der auf dem Arbeitsmarkt und allgemein in der Gesellschaft benötigten Qualifikationen ist. Auch bei der Einschätzung des Qualifikationsbedarfs sowie bei der Organisation und Bereitstellung von Inhalten für die allgemeine und berufliche Bildung sollte die KI zum Einsatz kommen.

4.5.

Von den Grundschulen bis zu den Universitäten müssen die Lehrpläne reformiert werden. In Wissenschaft, Technologie, Ingenieurwesen und Mathematik ist eine solide Basis vonnöten. Dabei darf nicht aus den Augen verloren werden, dass sowohl für die Entwicklung als auch für die Nutzung der KI weitreichende Kompetenzen erforderlich sind. Dies belegt die Bedeutung der Bildung u. a. in den Sozialwissenschaften und in der Kunst.

4.6.

Neben der Ausweitung der Grundbildung besteht ein klarer Bedarf an Weiterbildungs- und Umschulungsmaßnahmen, auch für Lehrerinnen und Lehrer. Die gegenwärtigen und kommenden Entwicklungen machen lebenslanges und kontinuierliches Lernen für jeden Menschen unumgänglich. Das Lernen wird immer stärker im Arbeitsumfeld und auf der Grundlage individueller Ambitionen erfolgen.

4.7.

Der EWSA ist der Auffassung, dass Investitionen in die allgemeine und berufliche Bildung ein zentraler Bestandteil der nationalen KI-Strategien sein sollten und dass auf europäischer Ebene bewährte Verfahren nationaler Initiativen ausgetauscht werden sollten. Der EWSA fordert eine Aufstockung der EU-Mittel zur Unterstützung der notwendigen Reformen und neuen Initiativen im Bereich der allgemeinen und beruflichen Bildung.

4.8.

Wichtig ist auch die Bewältigung der KI-bedingten strukturellen Veränderungen in den Regionen und Branchen, die am stärksten von der Einführung der KI betroffen sein werden. Die Mitgliedstaaten sollten Konzepte erarbeiten, wie das Qualifikationsdefizit und negative soziale Auswirkungen verringert werden können, wozu auch der Schutz von Menschen gehört, die auf dem Arbeitsmarkt nicht vermittelbar sind. Zur Vermeidung des digitalen Gefälles muss auch der Zugang zum Internet in allen Gebieten gewährleistet sein. Der EWSA erachtet die von der Kommission vorgeschlagene Stärkung des Europäischen Fonds für die Anpassung an die Globalisierung als einen Schritt hin zur Errichtung eines vollwertigen Europäischen Fonds für den Wandel, der die Bewältigung des digitalen Wandels auf sozialverträgliche Weise unterstützt.

5.   Förderung des Vertrauens in die KI

5.1.

Der EWSA erachtet fundiertes Vertrauen als entscheidende Voraussetzung für eine erfolgreiche Nutzung des KI-Potenzials. Vertrauenswürdigkeit wird erwartet, sowohl von Verbrauchern und Arbeitnehmern als auch von Unternehmen — Arbeitgebern, Unternehmern, Investoren und Geldgebern.

5.2.

Die Vorbehalte gegenüber der KI werden wahrscheinlich abnehmen, je mehr die Menschen wissen und verstehen, was KI bedeutet, wie sie genutzt werden kann und wie KI-gestützte Entscheidungen getroffen werden. Dadurch wird eine kritische Auseinandersetzung mit grundlegenden Fragen, bspw., ob der Mensch die Maschine kontrolliert und ob die Menschen die Kontrolle über ihr Leben behalten können, und darauf aufbauend Vertrauen in die KI ermöglicht. Andererseits hängt Vertrauen auch von äußerst praktischen Aspekten wie der Benutzerfreundlichkeit ab.

5.3.

Die hochrangige europäische Expertengruppe für KI hat jüngst Ethikleitlinien für eine vertrauenswürdige KI aufgestellt. Der EWSA begrüßt diese Leitlinien und verweist auf die zentrale Bedeutung offener, geeigneter und zuverlässiger Daten und transparenter KI-Entscheidungen und unterstreicht, dass bei der Entwicklung und Nutzung der KI niemand ausgegrenzt werden darf. Der EWSA fordert ferner breit angelegte Diskussionen darüber, welche Folgen Profilerstellungen (Profiling) haben, unter welchen Umständen KI-gestützte Entscheidungen angefochten werden können usw.

5.4.

Die erörterten ethischen Aspekte betreffen aus der Perspektive des Rahmens für nachhaltige Entwicklung vor allem mit dem Menschen zusammenhängende Aspekte, die somit unter die soziale Dimension der Nachhaltigkeit fallen. Darüber hinaus sollten im Rahmen der KI Umweltaspekte berücksichtigt werden, wie z. B. Fragen im Zusammenhang mit dem Klimawandel und natürlichen Ressourcen, u. a. die nachhaltige Nutzung von Energie und Rohstoffen sowie die Vermeidung der vorzeitigen Obsoleszenz von Produkten. Außerdem erfordert die wirtschaftliche Nachhaltigkeit, dass KI-Lösungen wirtschaftlich tragfähig, d. h. produktiv, profitabel und wettbewerbsfähig, sind.

5.5.

Die Auswirkungen von KI-Anwendungen sind noch ein weiterer vertrauensrelevanter Aspekt. Wenn sich die KI — im Sinne einer nachhaltigen Entwicklung — für die Gesellschaft als nützlich erweist, indem sie wirtschaftlichen Wohlstand, soziales Wohlergehen und Gesundheit bewirkt sowie ökologisch vorteilhaft ist, leistet sie gute Arbeit.

5.6.

Der EWSA ist der Auffassung, dass das Vertrauen in die KI mit einer bürgerorientierten öffentlichen Politik gestärkt werden kann, indem Vertreter der Zivilgesellschaft in die Ausarbeitung von Strategien und Maßnahmen im Zusammenhang mit der KI einbezogen werden. Der öffentliche Sektor kann das Vertrauen in die KI auch durch eine bürgerorientierte Verwaltung stärken, in der die KI dazu dient, die administrativen Prozesse reibungsloser und bedarfsgerechter zu gestalten. Darüber hinaus sollten die Möglichkeiten, die bspw. Blockchain-Technologien zur Verbesserung vertrauenswürdiger digitaler Dienste bieten, Berücksichtigung finden.

5.7.

Die Entwicklung und Nutzung der KI muss in vollem Einklang mit den rechtlichen Vorschriften erfolgen, unerheblich ob es sich dabei um Verbraucher-, Arbeits- oder Unternehmensrecht handelt. Es gibt zahlreiche Rechtsvorschriften, die für die Entwicklung und Anwendung der KI von Belang sind. Der EWSA fordert die Kommission auf, ihre Bewertung der Zweckdienlichkeit der einschlägigen Rechtsvorschriften für eine vertrauenswürdige KI, beispielsweise in den Bereichen Sicherheit und Haftung, fertigzustellen. Auch sollten einschlägige branchenspezifische Regelungen auf ihre Durchführbarkeit überprüft werden.

5.8.

Am wichtigsten ist jedoch, dass der Ansatz und die Grundsätze einer vertrauenswürdigen KI als fester Bestandteil Eingang in die Kultur jeder Organisation finden, und zwar sowohl im privaten als auch im öffentlichen Sektor. KI-Ethik sollte nicht als eigene Moralvorstellung betrachtet werden, die sich von der allgemeinen Ethik unterscheidet. Organisationen sollten die ethischen Maßstäbe der KI in ihren Gesamtstrategien, allgemeinen Verhaltenskodizes und üblichen Managementpraktiken, wie u. a. bei der Unterrichtung und Anhörung der Arbeitnehmer sowie Überwachungs- und Auditverfahren, berücksichtigen.

5.9.

Die weitsichtige Verabschiedung einer vertrauenswürdigen KI kann durch die Aufnahme ethischer Aspekte in die allgemeine und berufliche Bildung von KI-Entwicklern und -Anwendern sowie durch die Bereitstellung und Umsetzung ethischer Leitlinien verbessert werden. Der EWSA erklärt sich für seinen Teil bereit, die Akteure der Zivilgesellschaft über die ethischen Aspekte zu informieren.

Brüssel, den 15. Mai 2019

Der Präsident

des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses

Luca JAHIER


(1)  ABl. C 440 vom 6.12.2018, S. 51.

(2)  ABl. C 62 vom 15.2.2019, S. 292.

(3)  ABl. C 288 vom 31.8.2017, S. 43; ABl. C 440 vom 6.12.2018, S. 1; ABl. C 345 vom 13.10.2017, S. 52; ABl. C 190 vom 5.6.2019, S. 17.

(4)  COM(2018) 795 final ANHANG.


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