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Documento 52018AE2955

    Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zu dem „Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates über den Schutz des Haushalts der Union im Falle von generellen Mängeln in Bezug auf das Rechtsstaatsprinzip in den Mitgliedstaaten“ (COM(2018) 324 final — 2018/0136 (COD))

    EESC 2018/02955

    ABl. C 62 vom 15.2.2019, p. 173/177 (BG, ES, CS, DA, DE, ET, EL, EN, FR, HR, IT, LV, LT, HU, MT, NL, PL, PT, RO, SK, SL, FI, SV)

    15.2.2019   

    DE

    Amtsblatt der Europäischen Union

    C 62/173


    Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zu dem „Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates über den Schutz des Haushalts der Union im Falle von generellen Mängeln in Bezug auf das Rechtsstaatsprinzip in den Mitgliedstaaten“

    (COM(2018) 324 final — 2018/0136 (COD))

    (2019/C 62/28)

    Berichterstatter:

    Jukka AHTELA

    Befassung

    Europäische Kommission, 18.6.2018

    Rechtsgrundlage

    Artikel 304 AEUV

     

     

    Zuständige Fachgruppe

    Fachgruppe Beschäftigung, Sozialfragen, Unionsbürgerschaft

    Annahme in der Fachgruppe

    26.9.2018

    Verabschiedung auf der Plenartagung

    17.10.2018

    Plenartagung Nr.

    538

    Ergebnis der Abstimmung

    (Ja-Stimmen/Nein-Stimmen/Enthaltungen)

    156/2/7

    1.   Schlussfolgerungen und Empfehlungen

    1.1.

    Der Europäische Wirtschafts- und Sozialausschuss (EWSA) begrüßt den Vorschlag der Kommission für eine Verordnung zur Schaffung eines neuen Instruments, durch das es möglich wird, wirtschaftliche Abhilfemaßnahmen gegenüber einem Mitgliedstaat zu ergreifen, der schwerwiegende und anhaltende Verletzungen der Werte nach Artikel 2 des Vertrags über die Europäische Union (EUV) begeht. Er stellt fest, dass die Kommission bereits über vergleichbare Abhilfebefugnisse verfügt, um die Einhaltung der Vorschriften über eine solide wirtschaftspolitische Steuerung zu fördern (1), und ist zuversichtlich, dass die Einführung von Abhilfemaßnahmen, wie sie hier vorgeschlagen werden, dazu beitragen wird, den Schutz der Rechtsstaatlichkeit zu gewährleisten. In diesem Zusammenhang begrüßt der EWSA die Tatsache, dass der Beschluss über Durchführungsrechtsakte, die von der Kommission nach dieser Verordnung vorgeschlagen werden, im Rat nach dem Verfahren der umgekehrten qualifizierten Mehrheit getroffen würde.

    1.2.

    Der EWSA unterstreicht die Bedeutung der Rechtsstaatlichkeit für die Bürger sowie für unternehmerische Initiativen, Innovationen und Investitionen. Er empfiehlt jedoch, den Vorschlag zu ändern und den Begriff der Rechtsstaatlichkeit weiter zu fassen, sodass er sich auch auf die Achtung der Grundrechte und die Garantien zum Schutz der pluralistischen Demokratie erstreckt. Die Rechtsstaatlichkeit ist nur einer der Werte, auf die sich die EU nach Artikel 2 EUV gründet. Die Rechtsstaatlichkeit bildet mit den Grundrechten und der Demokratie ein eng verwobenes und untrennbares Beziehungsdreieck. Nur durch die Gewährleistung dieser drei miteinander verknüpften Werte ist es möglich, dem Missbrauch staatlicher Gewalt entgegenzuwirken.

    1.3.

    Der EWSA teilt die Auffassung, dass die Öffentlichkeit nur dann darauf vertrauen kann, dass die EU-Ausgaben in den Mitgliedstaaten ausreichend geschützt sind, wenn das Rechtsstaatsprinzip gewahrt wird. Er begrüßt die Tatsache, dass der Vorschlag zur weiteren Stärkung des Schutzes der finanziellen Interessen der EU beitragen wird. Er dringt jedoch darauf, dass die von der Kommission vorgeschlagene Regelung immer dann automatisch zur Anwendung kommt, wenn die finanziellen Interessen der Union durch einen generellen Mangel in Bezug auf die Rechtsstaatlichkeit beeinträchtigt werden könnten.

    1.4.

    Ferner ist der EWSA der Ansicht, dass das Hauptziel des Vorschlags darin bestehen sollte, durch den Schutz der EU-Finanzen die in Artikel 2 verankerten Werte zu schützen. Der EWSA empfiehlt daher, den Vorschlag zu ändern, um der Kommission die Möglichkeit zu geben, immer dann einen Durchführungsrechtsakt zur Verordnung vorzuschlagen, wenn eine schwerwiegende, anhaltende und systemische Gefährdung der Rechtsstaatlichkeit, der Grundrechte oder der Standards zur Gewährleistung einer pluralistischen Demokratie vorliegt, da solche Maßnahmen naturgemäß eine unmittelbare Gefahr für die finanziellen Interessen der EU darstellen können.

    1.5.

    Der EWSA empfiehlt der Kommission, als vorbeugende Maßnahme die Kanäle für die politische Debatte über die Werte nach Artikel 2 in den Mitgliedstaaten weiter auszubauen. Er fordert die Kommission daher auf, die Einrichtung eines Systems der regelmäßigen und unabhängigen Überwachung der Achtung dieser Werte in den Mitgliedstaaten vorzuschlagen, wie es bereits früher vom EWSA und dem Europäischen Parlament angeregt wurde.

    1.6.

    Der EWSA empfiehlt, ihn in die Liste der Einrichtungen aufzunehmen, die seitens der Kommission laufend über die gemäß diesen Rechtsvorschriften vorgeschlagenen oder angenommenen Maßnahmen informiert werden, und dass er ausdrücklich zu den einschlägigen Informationsquellen gezählt wird, mit deren Hilfe die Kommission gravierende Mängel in Bezug auf die Rechtsstaatlichkeit feststellen kann. Auf diese Weise könnte der EWSA einen sinnvollen und wirksamen Beitrag zum Schutz der in Artikel 2 festgeschriebenen Werte leisten und dafür Sorge tragen, dass die Stimme der organisierten Zivilgesellschaft gehört wird.

    2.   Einleitung und Überblick über den Vorschlag

    2.1.

    Die Kommission hat diesen Vorschlag vorgelegt, um den Haushalt der Union im Falle von generellen Mängeln in Bezug auf das Rechtsstaatsprinzip in den Mitgliedstaaten zu schützen. Die Kommission begründet ihren Vorschlag mit dem Hinweis darauf, dass die Finanzen der Union dadurch geschützt werden müssen, dass sie die Mitgliedstaaten dazu verpflichtet, ausreichend solide Garantien für die Verwaltung und Verwendung der EU-Mittel zu geben. Die Mitgliedstaaten sind bereits jetzt verpflichtet nachzuweisen, dass sie über angemessene institutionelle und verfahrensrechtliche Schutzmechanismen verfügen, um sicherzustellen, dass die EU-Mittel wirksam und legal verwendet werden. Das ordnungsgemäße Funktionieren dieser nationalen Prüfmechanismen kann jedoch nicht gewährleistet werden, wenn es keine Kontrollinstanzen in Form einer unabhängigen Justiz, einer unabhängigen Staatsanwaltschaft und unabhängiger Ermittlungsbehörden für Betrugs- und Korruptionsfälle gibt.

    2.2.

    Der Vorschlag der Kommission würde es ermöglichen, bei der Feststellung eines generellen Mangels in Bezug auf das Rechtsstaatsprinzip Zahlungen auszusetzen oder zu berichtigen, das Eingehen neuer rechtlicher Verpflichtungen zu verbieten, Mittelbindungen zu reduzieren und Zahlungsfristen zu unterbrechen. Dies gilt für alle EU-Mittel. Die Kommission kann zu der Feststellung gelangen, dass ein genereller Mangel im Bereich der Rechtsstaatlichkeit vorliegt, insbesondere wenn: die Unabhängigkeit der Justiz gefährdet ist, es versäumt wird, willkürliche oder unrechtmäßige Entscheidungen von Behörden zu verhüten oder zu korrigieren und zu ahnden, den Behörden Ressourcen vorenthalten werden, die ihre ordnungsgemäße Arbeit beeinträchtigen, nichts unternommen wird, um Interessenkonflikte unter den Behörden zu vermeiden und wenn der Staat die Zugänglichkeit und Wirksamkeit des Rechtswegs einschränkt.

    2.3.

    Laut diesem Vorschlag würden die genannten Mängel Anlass für Abhilfemaßnahmen sein, wenn sie die wirtschaftliche Haushaltsführung oder den Schutz der finanziellen Interessen der Union zu beeinträchtigen drohen, insbesondere wenn sie folgende Tätigkeiten behindern: die Ausführung des Haushaltsplans der Union durch die nationalen Behörden, die Untersuchung und Verfolgung von Betrug und Korruption, die wirksame gerichtliche Kontrolle der Behörden, die Verhütung von Betrug und Korruption und Verhängung wirksamer und abschreckender Sanktionen, die Wiedereinziehung rechtsgrundlos gezahlter Beträge und die Zusammenarbeit mit dem Europäischen Amt für Betrugsbekämpfung (OLAF) und der Europäischen Staatsanwaltschaft (EPPO) bei ihren Ermittlungs- und Strafverfolgungstätigkeiten.

    3.   Allgemeine Bemerkungen

    3.1.

    Die Werte, auf die sich die EU gründet, sind allen Mitgliedstaaten gemeinsam. Dazu gehört auch die Rechtsstaatlichkeit nach Artikel 2 EUV. Die Achtung der Rechtsstaatlichkeit gewährleistet auch Rechtssicherheit und gleiche Ausgangsbedingungen für unternehmerische Initiativen, Innovation, Investitionen und einen fairen Wettbewerb im Binnenmarkt zum Nutzen der Verbraucher und Bürger. Dies ist eine wesentliche Voraussetzung für das gegenseitige Vertrauen, das für das ordnungsgemäße Funktionieren der EU unabdingbar ist. Die Missachtung des Rechtsstaatsprinzips behindert eine ausgewogene wirtschaftliche und soziale Entwicklung im Einklang mit den Nachhaltigkeitszielen, welche ihrerseits die EU und ihre Regierungen in die Lage versetzt, das übergeordnete Ziel der Union zu verfolgen, nämlich „den Frieden, ihre Werte und das Wohlergehen ihrer Völker zu fördern“, wie es in Artikel 3 des Vertrags über die Europäische Union (EUV) heißt.

    3.2.

    Der EWSA bedauert, dass in den EU-Verträgen nicht ausdrücklich darauf hingewiesen wird, dass die Mitgliedstaaten auch nach ihrem EU-Beitritt die Kopenhagener Kriterien (2) erfüllen müssen. Der EWSA stellt fest, dass die EU-Organe derzeit nicht über ausreichend solide und maßgeschneiderte Instrumente verfügen, um die Rechtsstaatlichkeit, die Grundrechte und die pluralistische Demokratie vor den ihnen derzeit in den Mitgliedstaaten drohenden Gefahren zu schützen.

    3.3.

    Das Rechtsstaatsprinzip bildet mit den Garantien zum Schutz der pluralistischen Demokratie und der Achtung der Grundrechte ein eng verwobenes und untrennbares Beziehungsdreieck. Die Rechtsstaatlichkeit gewährleistet, dass die Regierungen die Standards bezüglich der Grundrechte achten, und eine pluralistische Demokratie sorgt dafür, dass die Regierungen so handeln, dass das Wohlergehen der Menschen in ihren Staaten gefördert wird. Die Wahrung der Rechtsstaatlichkeit ist für sich genommen noch keine Garantie dafür, dass Recht und Gesetze im Einklang mit den Grundrechten stehen oder dass sie in einem inklusiven und rechtmäßigen Verfahren auf der Grundlage einer fundierten, pluralistischen und ausgewogenen öffentlichen Debatte und Partizipation festgelegt wurden. Um eine reine „Herrschaft mittels des Rechts“ zu vermeiden, müssen neben der Rechtsstaatlichkeit die Grundrechte geachtet und pluralistische demokratische Standards aufrechterhalten werden.

    3.4.

    Die Kommission beschreibt die vorgeschlagene Verordnung als Mittel zum Schutz des EU-Haushalts, das gleichzeitig auch die Rechtsstaatlichkeit schützt. Der EWSA teilt die Auffassung, dass die Öffentlichkeit nur dann darauf vertrauen kann, dass die EU-Ausgaben in den Mitgliedstaaten ausreichend geschützt sind, wenn das Rechtsstaatsprinzip wirksam gewahrt wird. Er ist jedoch der Ansicht, dass der Vorschlag eher dazu dienen kann, mit Hilfe des EU-Haushalts den Schutz aller in Artikel 2 verankerten Werte zu gewährleisten.

    3.5.

    Der EWSA hält es für äußerst wichtig, den Bürgern in Europa vor Augen zu führen, dass die EU-Mittel korruptionsfrei und in Übereinstimmung mit dem EU-Recht verwaltet werden. Ebenso wichtig ist es, dass die EU die Werte schützt, auf die sie gegründet ist und die zum Wohle aller Bürger Europas festgeschrieben wurden. Die Kommission sollte ermächtigt werden, immer dann nach Maßgabe dieser Verordnung tätig zu werden, wenn eine schwerwiegende, anhaltende und systemische Gefährdung der in Artikel 2 verankerten Werte vorliegt, da diese Bedrohung naturgemäß ein unmittelbares Risiko für die Finanzen der EU darstellen kann.

    3.6.

    Wie in den jüngsten Entschließungen des Europäischen Parlaments und den Erklärungen der Europäischen Kommission und des Ratsvorsitzes festgestellt wurde, sind die Rechtsstaatlichkeit, die Grundrechte und die pluralistischen demokratischen Standards in der EU zunehmend bedroht. Die Lage in bestimmten Mitgliedstaaten ist äußerst problematisch, und der populistische Autoritarismus, der sich gegen die Grundwerte der EU und oft auch gegen die Union selbst richtet, wird EU-weit immer stärker.

    3.7.

    Der EWSA weist darauf hin, dass den EU-Organen derzeit nur unzureichende Instrumente zur Verfügung stehen, um die Werte nach Artikel 2 zu schützen. Vertragsverletzungsverfahren sind häufig zu eng gefasst und zu sehr auf technische Rechtsfragen fokussiert, um konzertierte Angriffe auf die Rechtsstaatlichkeit zu verhindern oder zu korrigieren. Artikel 7 EUV ermöglicht es zwar dem Rat, umfassende Maßnahmen zu ergreifen, um eine Untergrabung der Rechtsstaatlichkeit zu verhindern, doch hat es sich als ausgesprochen schwierig herausgestellt, den nötigen politischen Willen zur Einleitung dieses Verfahrens zu mobilisieren.

    3.8.

    Der „Rahmen“ für das Rechtsstaatsprinzip kann zwar einfacher als Artikel 7 aktiviert werden, doch handelt es sich hierbei um ein nichtverbindliches Verfahren, dessen Wirksamkeit fraglich ist, wenn Regierungen nicht gewillt sind, mit der Kommission aufrichtig zusammenzuarbeiten. Darüber hinaus ist die Schwelle zur Anwendung des Rahmens zur Stärkung des Rechtsstaatsprinzips und von Artikel 7 so hoch, dass zum Zeitpunkt des Einsatzes dieser Instrumente die Mängel bei der Wahrung der Werte nach Artikel 2 bereits sehr schwerwiegend geworden und daher schwerer zu beheben sind.

    3.9.

    Angesichts der zunehmenden Herausforderungen und des Fehlens geeigneter und wirksamer Instrumente fordert der EWSA die Kommission dazu auf, die politische Debatte über die Frage, wie die EU die Werte gemäß Artikel 2 besser schützen kann, fortzuführen und zusätzliche Instrumente zum Schutz von Rechtsstaatlichkeit, Grundrechten und Garantien für den demokratischen Pluralismus zu entwickeln.

    3.10.

    Der EWSA verweist auf seine Stellungnahme über einen EU-Kontrollmechanismus für Rechtsstaatlichkeit und Grundrechte, in der er sich für die Schaffung eines EU-Mechanismus zur Überwachung der Achtung von Rechtsstaatlichkeit und Grundrechten durch eine regelmäßige unabhängige Kontrolle und den Dialog zwischen den Mitgliedstaaten und den EU-Institutionen ausspricht (3).

    3.11.

    Der EWSA hält an seinem Standpunkt fest, dass die Schaffung eines derartigen präventiven Mechanismus, wie ihn das Europäische Parlament vorgeschlagen hat (4), die bereits bestehenden Instrumente der EU zum Schutz der in Artikel 2 EUV verankerten Werte ergänzen würde. Durch die Schaffung eines präventiven Mechanismus würden Mängel bei der Umsetzung dieser Werte auf nationaler Ebene aufgedeckt und Lösungen in einem noch frühen Stadium ermöglicht.

    3.12.

    Als weitere Maßnahme schlägt der EWSA vor, auf europäischer Ebene und unter Einbeziehung des EWSA eine Plattform oder ein jährliches Forum der Zivilgesellschaft einzurichten, damit die Entscheidungsträger in der EU unmittelbar von den Organisationen an der Basis vor sich abzeichnenden Problemen in Bezug auf die in Artikel 2 EUV festgeschriebenen Werte gewarnt werden und zivilgesellschaftliche Organisationen, die in erster Linie auf nationaler Ebene arbeiten, voneinander lernen und grenzübergreifend zusammenarbeiten können.

    3.13.

    Es ist wichtig, dass die EU darüber nachdenkt, wie zivilgesellschaftliche Organisationen und Medien, die sich abzeichnende Probleme in Bezug auf Artikel 2 beobachten und darüber berichten, unterstützt werden können. Der EWSA ist der Ansicht, dass ein Finanzierungsinstrument zur Unterstützung zivilgesellschaftlicher Organisationen, die sich für die Förderung der Werte nach Artikel 2 in den Mitgliedstaaten einsetzen, eine wichtige Ergänzung zum vorliegenden Vorschlag wäre und zum Aufbau eines gesellschaftlichen Rückhalts für diese Werte beitragen würde. In dieser Hinsicht verweist der EWSA auf seine einschlägige Stellungnahme zu den Vorschlägen für einen neuen Fonds für Justiz, Rechte und Werte (5) und fordert den Rat und das Europäische Parlament auf, die Mittel für diesen Fonds im Rahmen des Beschlusses über den mehrjährigen Finanzrahmen für die Zeit nach 2020 erheblich aufzustocken.

    4.   Besondere Bemerkungen

    4.1.

    Der EWSA ist der Ansicht, dass eine wirksame gerichtliche Kontrolle der Maßnahmen und Versäumnisse von Behörden durch unabhängige Gerichte von ausschlaggebender Bedeutung ist, und zwar nicht nur für die Gewährleistung einer effizienten Verwendung der EU-Mittel im Einklang mit dem EU-Recht. Sie ist auch das einzige Mittel, um die aus dem Unionsrecht erwachsenden Rechte aller EU-Bürger wirksam zu schützen und das EU-Recht in allen Mitgliedstaaten einheitlich auszulegen, was eine Grundvoraussetzung für den gemeinsamen Markt und den Raum der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts ist.

    4.2.

    Der EWSA befürwortet, dass die Annahme des Durchführungsrechtsaktes über die geeigneten zu ergreifenden Maßnahmen nach dem Verfahren der umgekehrten qualifizierten Mehrheit im Rat erfolgt. Dadurch können, wenn die Kommission der Ansicht ist, dass in einem Mitgliedstaat ein genereller Mangel in Bezug auf das Rechtsstaatsprinzip vorliegt, diese Maßnahmen objektiv getroffen werden, wobei die Gefahr von Untätigkeit oder politischer Selektivität, die sich aus der Forderung einer Abstimmung im Rat ergeben könnte, auf ein Mindestmaß reduziert werden könnte.

    4.3.

    Der EWSA ist sich bewusst, dass die Festlegung weitergehender Kriterien zur Feststellung eines generellen Mangels kompliziert ist. Er wirft dennoch die Frage auf, ob der Vorschlag durch die Aufnahme derartiger genauerer Kriterien nicht doch verbessert werden könnte. Durch detailliertere Kriterien kann dafür Sorge getragen werden, dass die Legitimität des Kommissionsbeschlusses nicht durch den Vorwurf der Befangenheit oder der fehlenden Objektivität infrage gestellt wird. Solche Kriterien könnten die Form von Leitlinien haben, die von der Kommission im Anschluss an die Annahme des Vorschlags erarbeitet werden und sich an den von ihr selbst auf der Grundlage des Rahmens zur Stärkung des Rechtsstaatsprinzips aufgestellten Kriterien sowie an der von der „Europäischen Kommission für Demokratie durch Recht“ (Venedig-Kommission) ausgearbeiteten Liste der Kriterien der Rechtsstaatlichkeit orientieren.

    4.4.

    Der EWSA hat bereits darauf hingewiesen, dass sich Rechtsstaatlichkeit, Demokratie und Grundrechte, wie in Artikel 2 des Kommissionsvorschlags dargelegt, gegenseitig bedingen. Zusätzlich zu detaillierteren Kriterien im Bereich der Rechtsstaatlichkeit sollte der Vorschlag auch Kriterien beinhalten, mit deren Hilfe die Kommission feststellen kann, ob eine schwerwiegende, systemische und anhaltende Bedrohung der Grundrechte oder der Garantien für eine pluralistische Demokratie vorliegt. Wenn diese Kriterien in einem Mitgliedstaat aufgrund der dort herrschenden Lage gegeben sind, sollte die Kommission außerdem befugt sein, entsprechende Abhilfemaßnahmen gemäß dieser Verordnung zu treffen.

    4.5.

    Der EWSA weist darauf hin, dass die Kommission dabei sämtliche sachdienlichen Informationen einschließlich der Urteile des Gerichtshofs, der Berichte des Rechnungshofes und der Schlussfolgerungen und Empfehlungen einschlägiger internationaler Organisationen berücksichtigen muss. Einige Aufsichtsorgane des Europarates wie die Venedig-Kommission und die Gruppe der Staaten gegen Korruption (GRECO) spielen eine wichtige Rolle bei der Überwachung des Rechtsstaatsprinzips in den Mitgliedstaaten. Die Venedig-Kommission hat mehrere Stellungnahmen zur Lage der Rechtsstaatlichkeit in einer Reihe von EU-Mitgliedstaaten veröffentlicht, und die GRECO-Gruppe formuliert in regelmäßigen Abständen Empfehlungen an die Mitgliedstaaten. Auch das Europäische Amt für Betrugsbekämpfung (OLAF), die nationalen Büros der Bürgerbeauftragten sowie Richtervereinigungen und justizielle Netze berichten regelmäßig über den Zustand der nationalen Justiz-, Antikorruptions- und Betrugsbekämpfungsmechanismen.

    4.6.

    Andere internationale Einrichtungen überwachen und bewerten regelmäßig die Einhaltung der Standards bezüglich der Grundrechte und der Garantien für eine pluralistische Demokratie in den Mitgliedstaaten, darunter die Agentur der Europäischen Union für Grundrechte, der Menschenrechtskommissar des Europarates, der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte, der Menschenrechtsrat der Vereinten Nationen und die Menschenrechtsvertragsorgane der Vereinten Nationen. Darüber hinaus sind auch unabhängige zivilgesellschaftliche Organisationen häufig eine zuverlässige Quelle für Informationen und Analysen. Die ausdrückliche Erwähnung dieser Einrichtungen in dem Vorschlag würde die besondere Rolle unterstreichen, die ihnen bei der Wahrung der in Artikel 2 EUV festgeschriebenen Werte zukommt.

    4.7.

    Darüber hinaus vertritt der EWSA als Vertreter der Zivilgesellschaft in der EU die Ansicht, dass seine eigenen Berichte und Beobachtungen für die Kommission von besonderer Bedeutung sind, wenn sie gemäß dieser Verordnung oder auch mit Hilfe anderer Instrumente feststellen will, ob in einem bestimmten Mitgliedstaat schwerwiegende Mängel in Bezug auf die Rechtsstaatlichkeit bestehen. In diesem Zusammenhang weist der EWSA die Kommission darauf hin, dass er eine Gruppe Grundrechte und Rechtsstaatlichkeit (GGR) eingesetzt hat, deren Tätigkeit schwerpunktmäßig auf den Schutz der Werte nach Artikel 2 EUV ausgerichtet ist.

    4.8.

    Der EWSA sollte zu der Gruppe der Gremien gehören, die von der Kommission regelmäßig über die gemäß diesen Rechtsvorschriften vorgeschlagenen oder angenommenen Maßnahmen informiert werden, sowie zu den einschlägigen Informationsquellen, die von der Kommission genutzt werden, um festzustellen, ob ein gravierender Mangel bezüglich der Rechtsstaatlichkeit vorliegt, denn dann könnte er einen sinnvollen und wirksamen Beitrag zum Schutz der Werte nach Artikel 2 EUV leisten und sicherstellen, dass die Stimme der organisierten Zivilgesellschaft wahrgenommen wird.

    4.9.

    Der EWSA unterstützt vorbehaltlos das Ziel der Kommission, dass die Folgen der Anwendung des vorgeschlagenen Mechanismus diejenigen treffen sollen, die für die Mängel verantwortlich sind, jedoch nicht einzelne Empfänger von EU-Mitteln wie Erasmus-Studierende, Wissenschaftler oder Organisationen der Zivilgesellschaft (6).

    4.10.

    Der EWSA weist darauf hin, dass dem Vorschlag zufolge bei einer Anwendung der Maßnahmen der Mitgliedstaat weiter für die Verteilung der betreffenden Mittel verantwortlich bleibt. Er ist der Ansicht, dass dies zwar rechtlich fundiert ist, einen Mitgliedstaat in der Praxis jedoch kaum daran hindern würde, die Verteilung der betreffenden Mittel abzulehnen und die Kommission die Schuld dafür zu geben, um politischen Nutzen daraus zu ziehen. Da die Öffentlichkeit die genaue Funktionsweise des EU-Rechts wahrscheinlich kaum beurteilen kann, könnten die Mitgliedstaaten die Einschnitte bei der Finanzierung unmittelbar mit einer Entscheidung der Kommission in Zusammenhang bringen. Dies würde zu einer Situation führen, in der die Kommission aufgrund der möglichen Gegenreaktion der Öffentlichkeit davor zurückschrecken könnte, Maßnahmen gegen einen Mitgliedstaat zu ergreifen. Diese Gefahr besteht besonders in jenen Mitgliedstaaten, in denen die Regierung die öffentlichen und privaten Medien kontrolliert oder beeinflusst, was üblicherweise in Mitgliedstaaten, die schwerwiegende Mängel im Bereich der Rechtsstaatlichkeit aufweisen, der Fall ist.

    4.11.

    Der EWSA fordert die Kommission auf, nach Möglichkeiten für die Eindämmung der Gefahr zu suchen, dass einzelne Begünstigte davon negativ betroffen sein könnten und dass die Regierungen, die die Werte gemäß Artikel 2 nicht achten, die nach dieser Verordnung ergriffenen Maßnahmen unterwandern, um politischen Nutzen daraus zu ziehen. Die Kommission könnte prüfen, ob es alternative Möglichkeiten gibt zu gewährleisten, dass die EU-Gelder ihre beabsichtigten Empfänger erreichen. Eine Möglichkeit könnte darin bestehen, eine Exekutivagentur einzurichten, die die unmittelbare Verwaltung der entsprechenden Mittel übernehmen würde.

    4.12.

    Im Hinblick auf die Abstellung eines generellen Mangels und die Aufhebung von Maßnahmen, die nach dieser Verordnung ergriffen wurden, hält der EWSA einen offenen Dialog zwischen dem betroffenen Mitgliedstaat und den EU-Organen, wie er im Vorschlag angeregt wird, für besonders wichtig. Die Ansichten der zivilgesellschaftlichen Organisationen bezüglich der Situation in dem betreffenden Mitgliedstaat, der Angemessenheit der zur Beendigung des generellen Mangels ergriffenen Maßnahmen und der Angemessenheit der Maßnahmen, mit deren Hilfe eine Wiederholung in Zukunft vermieden werden soll, sollten von den EU-Organen und Mitgliedstaaten berücksichtigt werden.

    Brüssel, den 18. Oktober 2018

    Der Präsident des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses

    Luca JAHIER


    (1)  ABl. L 347 vom 20.12.2013, S. 320, Artikel 23.

    (2)  Festgelegt vom Europäischen Rat auf seiner Tagung in Kopenhagen im Jahr 1993.

    (3)  ABl. C 34 vom 2.2.2017, S. 8.

    (4)  2015/2254(INL).

    (5)  SOC/599 (siehe S. 178 dieses Amtsblatts) zu COM(2018) 383 final und COM(2018) 384 final.

    (6)  COM(2018) 98 final, S. 16.


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