Choose the experimental features you want to try

This document is an excerpt from the EUR-Lex website

Document 52017AE5324

    Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zu dem „Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates zur Änderung der Richtlinie 2009/33/EG über die Förderung sauberer und energieeffizienter Straßenfahrzeuge“ (COM(2017) 653 final — 2017/0291 (COD))

    EESC 2017/05324

    ABl. C 262 vom 25.7.2018, p. 58–63 (BG, ES, CS, DA, DE, ET, EL, EN, FR, HR, IT, LV, LT, HU, MT, NL, PL, PT, RO, SK, SL, FI, SV)

    25.7.2018   

    DE

    Amtsblatt der Europäischen Union

    C 262/58


    Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zu dem „Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates zur Änderung der Richtlinie 2009/33/EG über die Förderung sauberer und energieeffizienter Straßenfahrzeuge“

    (COM(2017) 653 final — 2017/0291 (COD))

    (2018/C 262/10)

    Berichterstatter:

    Ulrich SAMM

    Befassung

    Europäisches Parlament, 30.11.2017

    Rat der Europäischen Union, 4.12.2017

    Rechtsgrundlage

    Artikel 192 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union

     

     

    Zuständige Fachgruppe

    Fachgruppe Verkehr, Energie, Infrastrukturen, Informationsgesellschaft

    Annahme in der Fachgruppe

    5.4.2018

    Verabschiedung auf der Plenartagung

    19.4.2018

    Plenartagung Nr.

    534

    Ergebnis der Abstimmung

    (Ja-Stimmen/Nein-Stimmen/Enthaltungen)

    206/0/2

    1.   Schlussfolgerungen und Empfehlungen

    1.1.

    Der Europäische Wirtschafts- und Sozialausschuss (EWSA) stimmt mit den Beweggründen der Richtlinie über die Förderung sauberer Straßenfahrzeuge — als Teil des Pakets für saubere Mobilität — überein, auch wenn die Wirkung dieser Richtlinie im Vergleich zu den auf breiter Front notwendigen Anstrengungen zur Umsetzung der EU-Klimaziele und insbesondere zur Verringerung der CO2-Emissionen im Verkehr kaum ins Gewicht fallen wird, da sie lediglich auf die öffentliche Beschaffung abhebt. Die Richtlinie bezweckt die Förderung bestimmter Klassen von (lokal emissionsfreien) Fahrzeugen, die auf den saubersten (nicht nur sauberen) Technologien beruhen, durch die Festlegung anspruchsvoller Mindestziele für die öffentliche Beschaffung solcher Fahrzeuge.

    1.2.

    Der EWSA kritisiert die mangelnde Klarheit in dieser Richtlinie, insbesondere die verstreuten Informationen, unterschiedlichen Begriffsbestimmungen und komplizierten Zählverfahren für „saubere Fahrzeuge“ über zwei verschiedene Zeiträume, in denen sich die den Emissionsgrenzwerten zugrunde liegenden Definitionen sehr wahrscheinlich wieder ändern werden. Diese Komplexität wird zu erheblichen Ungewissheiten bei den Interessenträgern führen.

    1.3.

    Der EWSA bezweifelt in Anbetracht dieser Unsicherheiten über Emissionsgrenzwerte, dass die Übergangsfrist bis 2025 wirklich dazu beitragen wird, die Technologielücke zu überbrücken, bis lokal emissionsfreie Fahrzeuge allgemein verfügbar sind, und meint, dass dies die Entscheidungsträger im öffentlichen Auftragswesen eher irritieren wird. In der Folge kann es sein, dass Beschaffungen entweder erheblich aufgeschoben oder aber sogar beschleunigt werden, jedoch noch mit der alten Technik, was dann mögliche künftige Investitionen in neue emissionsfreie Technologien blockieren würde.

    1.4.

    Bei schweren Nutzfahrzeugen sind die Ungewissheiten am größten. Es gibt derzeit keine Emissionsnormen, die in der Übergangszeit verwendet werden könnten, und lokal emissionsfreie Antriebe sind weniger ausgereift als bei Leichtfahrzeugen. In der ersten Phase der Übergangszeit wird Erdgas mit beigemischtem Biomethan akzeptiert, jedoch mit einem geringeren Gewichtungsfaktor, während es für die anschließende Phase gar keine Grenzwerte oder Definitionen gibt und jegliche Informationen darüber, wie die neuen Emissionsgrenzwerte abzuleiten sind, fehlen. Dies führt den EWSA zu dem Schluss, dass die Richtlinie in Bezug auf schwere Nutzfahrzeuge verfrüht ist, weswegen er empfiehlt, diesen Teil aus dem gegenwärtigen Vorschlag auszuklammern und in einem späteren Stadium zu behandeln.

    1.5.

    Der EWSA begrüßt den allgemeinen technologieneutralen Ansatz, der für neue Entwicklungen offen ist, die angesichts der laufenden und von der EU unterstützten intensiven FuE-Anstrengungen zu erwarten stehen. Der EWSA möchte jedoch festhalten, dass die Richtlinie diesem Ansatz nicht hundertprozentig folgt. Neben batteriebetriebenen Elektrofahrzeugen bergen auch andere Antriebstechnologien ein großes Potenzial für saubere Mobilität. Zum Bedauern des EWSA wird dies in der Richtlinie nicht hinreichend berücksichtigt. So werden zum Beispiel Kraftstoffe nicht-fossilen Ursprungs oder potenzielle künftige synthetische Kraftstoffe, die mit überschüssigem Strom aus Abfall oder Kohlendioxid hergestellt werden, außer Acht gelassen.

    1.6.

    In Anbetracht der laufenden Entwicklungen im Bereich moderner Verkehrstechnologien empfiehlt der EWSA für die kommenden Jahre daher einen flexibleren Ansatz anstelle fester Emissionsgrenzwerte und Beschaffungsvorgaben. Zumindest sollte im Hinblick auf eine eventuelle spätere Anpassung eine Halbzeitbewertung der Mindestziele vorgesehen werden.

    1.7.

    Ein großer Teil des öffentlichen Beschaffungswesens entfällt auf lokale Verkehrsunternehmen, die im Besitz von Städten und Gemeinden sind, deren Finanzkraft recht begrenzt ist. Der EWSA hat erhebliche Bedenken hinsichtlich der Verhältnismäßigkeit dieses Ansatzes, weil er die zusätzliche finanzielle Belastung dieser öffentlich-rechtlichen Körperschaften völlig unberücksichtigt lässt und der Vorschlag nicht mit anderen industriepolitischen Optionen verglichen wird. Daher ist es nicht evident, dass eine zusätzliche Belastung im Beschaffungswesen hauptsächlich von Städten und Gemeinden der effizienteste Weg sein soll, um Aktivitäten der Industrie und Marktentwicklungen anzustoßen.

    1.8.

    Der EWSA betont, dass jegliche Mehrkosten zu einer spürbaren Belastung der Bürger durch höhere Fahrpreise, höhere kommunale Steuern oder gar eine Verringerung des ÖPNV-Angebots führen können. Außerdem sollten die erheblichen Anstrengungen zur Luftreinhaltung, die bereits von Städten und Gemeinden — auch durch die Ausweitung der Nutzung öffentlicher Verkehrsmittel — unternommen wurden, anerkannt und nicht durch neue Beschaffungsvorschriften gehemmt werden, die Mindestziele für ganze Mitgliedstaaten verlangen, die aber auf der Ebene der lokalen Gebietskörperschaften mit ihrer großen Vielfalt an kleinen und großen öffentlich-rechtlichen Verkehrsgesellschaften schwer einzuhalten und zu kontrollieren sind.

    1.9.

    Da die Vergabe von Unteraufträgen ebenfalls in den Geltungsbereich des Kommissionsvorschlags fällt, sorgt sich der EWSA über die möglichen Folgen des Vorschlags für kleine und mittlere Unternehmen; so tragen nämlich viele kleine örtliche Busunternehmen zur Erbringung von Beförderungsleistungen in größeren städtischen Gebieten als Unterauftragnehmer kommunaler Verkehrsbetriebe bei; diese Unternehmen verfügen möglicherweise nicht über die Fahrzeuge, die von der Richtlinie verlangt werden, und kämen dann vielleicht nicht mehr als Unterauftragnehmer in Betracht.

    1.10.

    Der EWSA gelangt zu dem Schluss, dass das Haupthindernis für die Modernisierung des öffentlichen Verkehrs und die öffentliche Beschaffung sauberer Fahrzeuge die mangelnde finanzielle Unterstützung ist, und fordert die Kommission nachdrücklich auf, den gegenwärtigen Vorschlag mit einem Fokus auf der Finanzierung zu überdenken, insbesondere auch durch die Berücksichtigung der vorhandenen Finanzierungsinstrumente. Bei der spezifischen finanziellen Unterstützung muss der Vielfalt der Länder, Städte und Regionen im Hinblick auf ihre Wirtschaftskraft und den Anteil der in städtischen Gebieten lebenden Bevölkerung Rechnung getragen werden, wobei das übergeordnete Ziel die Angleichung der Beschaffung sauberer Fahrzeuge in allen Mitgliedstaaten sein muss.

    1.11.

    Der EWSA gibt zu bedenken, dass nicht nur mehr saubere Fahrzeuge im öffentlichen Fuhrpark benötigt werden, sondern dass der öffentliche Verkehr auch sehr viel attraktiver gemacht werden muss (nicht nur über günstige Tarife, sondern auch durch Anschlussmöglichkeiten und Komfort), um die Bürger von seiner Nutzung zu überzeugen.

    2.   Einleitung

    2.1.

    Die EU strebt die Entwicklung eines emissionsarmen Energiesystems an. Dies entspricht auch dem Paket „Saubere Energie“, das zum Ziel hat, die Umstellung der EU-Wirtschaft auf saubere Energie gemäß den auf der COP 21 eingegangenen Verpflichtungen der EU zu beschleunigen und zu festigen, während gleichzeitig an den wichtigen Zielen des Wirtschafts- und Beschäftigungswachstums festgehalten wird.

    2.2.

    Die EU hat bereits viel unternommen. Die Treibhausgasemissionen in der EU konnten zwischen 1990 und 2016 um 23 % verringert werden, während die Wirtschaftsleistung im selben Zeitraum um 53 % zunahm. Dieser Erfolg betrifft viele Wirtschaftsbereiche, ausgenommen den Verkehr — eine Branche, die mit rund 24 % zu den Treibhausgasemissionen der EU beiträgt (2015) und in der die Emissionen im Zuge der kontinuierlichen wirtschaftlichen Erholung in Europa sogar noch zugenommen haben. Zudem ist ein sauberer Verkehr angesichts der Dringlichkeit einer Begrenzung der Luftverschmutzung in den Städten umso notwendiger.

    2.3.

    Daher wurde die europäische Strategie für emissionsarme Mobilität (1)(2) mit ihren Zielen und Methoden, die im Einklang mit dem Weißbuch Verkehr der EU (3) von 2011 stehen, vom EWSA befürwortet. Auch im Paket „Saubere Energie für alle Europäer“ von November 2016 und in der Strategie „Europa in Bewegung“ (2017) waren Maßnahmen zur beschleunigten Einführung sauberer Fahrzeuge vorgesehen, was vom EWSA begrüßt wurde (4)(5).

    2.4.

    Das jüngste Paket für saubere Mobilität (6) umfasst nun spezifische Legislativinitiativen wie die (in dieser Stellungnahme erörterte) Richtlinie über die Förderung sauberer Straßenfahrzeuge, neue CO2-Normen für Fahrzeuge, einen Aktionsplan für die europaweite Einführung einer Infrastruktur für alternative Kraftstoffe, die Überarbeitung der Richtlinie über den kombinierten Verkehr, die Verordnung über den Personenverkehr mit Kraftomnibussen und eine Batterieinitiative als wichtige Strategie für eine integrierte Industriepolitik der EU.

    2.5.

    Unter den zahlreichen Instrumenten zur Senkung der verkehrsbedingten CO2-Emissionen kann die öffentliche Beschaffung sauberer Fahrzeuge als nachfrageseitiger Impuls eine wichtige Rolle spielen. Durch die öffentliche Auftragsvergabe können Marktentwicklungen angestoßen werden, so z. B. im Marktsegment Stadtbusse. Darüber hinaus könnte die Beschaffung sauberer Fahrzeuge für den öffentlichen Fuhrpark auch Einfluss auf den Erwerb sauberer Fahrzeuge durch Privatleute haben.

    3.   Schwachstellen der derzeitigen (alten) Richtlinie

    3.1.

    Um die öffentliche Beschaffung sauberer Fahrzeuge zu fördern, führte die Kommission 2009 die Richtlinie 2009/33/EG über die Förderung sauberer und energieeffizienter Straßenfahrzeuge ein, die vom EWSA begrüßt wurde (7)(8).

    3.2.

    Öffentliche Einrichtungen in Europa haben jedoch in eher geringem Umfang emissionsarme und emissionsfreie sowie sonstige mit alternativen Kraftstoffen betriebene Fahrzeuge im Sinne der Richtlinie über die Förderung sauberer Fahrzeuge angeschafft. So waren im Zeitraum 2009-2015 z. B. durchschnittlich nur 1,7 % aller neuen Busse mit Elektro-, Brennstoffzellen-, Plug-in-Hybrid- oder Erdgasantrieb ausgestattet.

    3.3.

    Einige Mitgliedstaaten oder einzelne Regionen oder Städte haben bereits ehrgeizige Pläne für die öffentliche Auftragsvergabe aufgestellt, in denen Mindestanforderungen für die Beschaffung sauberer, d. h. emissionsarmer und emissionsfreier bzw. sonstiger mit alternativen Kraftstoffen betriebener Fahrzeuge festgelegt werden. Dies reicht jedoch nicht aus, um genug Anreize und Marktimpulse in der gesamten EU zu setzen.

    3.4.

    Im Rahmen einer 2015 durchgeführten Ex-post-Bewertung wurden bedeutende Schwachstellen der Richtlinie aufgezeigt. Die Richtlinie hat die Marktakzeptanz sauberer Fahrzeuge in der gesamten EU kaum vorangebracht, da sie bisher nicht dazu beigetragen hat, die öffentliche Beschaffung sauberer Fahrzeuge anzukurbeln. Vor allem folgende Mängel wurden festgestellt:

    In der Richtlinie wird der Begriff „saubere Fahrzeuge“ nicht klar definiert.

    Die Richtlinie deckt nur den direkten Ankauf durch öffentliche Einrichtungen ab. Auf die Anmietung, das Leasing oder den Mietkauf von Fahrzeugen oder auf Verträge über andere Verkehrsdienste als den öffentlichen Personenverkehr wird nicht eingegangen.

    Die in der Richtlinie beschriebene Methode der Monetisierung wurde von öffentlichen Einrichtungen nur selten genutzt, da sie zu kompliziert ist.

    3.5.

    Im Rahmen der Folgenabschätzung wurde 2016 und 2017 eine Konsultation der Interessenträger zu verschiedenen vorgeschlagenen Optionen zur Verbesserung der Richtlinie durchgeführt. Daraufhin wurde eine Reihe von Änderungen vorgeschlagen, um eine Definition sauberer Fahrzeuge sowie Mindestziele für die Beschaffung leichter und schwerer Nutzfahrzeuge aufzustellen. Entsprechende einheitliche, auf EU-Ebene geltende Kriterien wurden jedoch bislang noch nicht eingeführt.

    4.   Vorschläge für eine überarbeitete Richtlinie

    4.1.

    Durch die Überarbeitung wird dafür gesorgt, dass die neue Richtlinie eine Definition des Begriffs „saubere Fahrzeuge“ enthält und nun alle relevanten Beschaffungspraktiken mit einfacheren und wirksameren Verfahren umfasst. Die wichtigsten Neuerungen sind:

    eine Definition sauberer Fahrzeuge, die von dem Ansatz ausgeht, dass leichte Nutzfahrzeuge lokal emissionsfrei sein sollen und für schwere Nutzfahrzeuge der Antrieb mit alternativen Kraftstoffen angestrebt wird;

    ein Übergangszeitraum bis 2025, in dem emissionsarme Fahrzeuge ebenfalls als saubere Fahrzeuge gelten, jedoch nur mit dem Faktor 0,5 gewichtet werden;

    eine Bestimmung, dass im Rahmen der Richtlinie ein delegierter Rechtsakt erlassen werden kann, um den für leichte Nutzfahrzeuge geltenden Ansatz entsprechend auf schwere Nutzfahrzeuge anzuwenden, sobald in Zukunft Rechtsvorschriften über Emissionsnormen für solche Fahrzeuge auf EU-Ebene angenommen wurden;

    die Ausweitung auf andere Beschaffungsformen als den Kauf, namentlich das Leasing von Fahrzeugen, Aufträge für öffentliche Verkehrsdienste, die Bedarfspersonenbeförderung und die Anmietung von Bussen und Reisebussen mit Fahrer;

    die Festlegung von Mindestzielen für die Beschaffung auf Ebene der Mitgliedstaaten, die nach Mitgliedstaat und Fahrzeugklasse differenziert werden;

    das Fallenlassen der Methode zur Monetisierung von externen Effekten;

    die Einführung der Pflicht für die Mitgliedstaaten, alle drei Jahre über die Umsetzung der Richtlinie Bericht zu erstatten, beginnend mit einem Zwischenbericht im Jahr 2023; ein umfassender Bericht über die Umsetzung des Ziels für 2025 ist 2026 vorzulegen.

    5.   Besondere Bemerkungen

    5.1.

    Der EWSA stimmt mit den Beweggründen der Richtlinie über die Förderung sauberer Straßenfahrzeuge überein, auch wenn die Wirkung dieser Richtlinie im Vergleich zu den insgesamt notwendigen Anstrengungen zur Umsetzung der EU-Klimaziele kaum ins Gewicht fallen wird, da sie lediglich auf die öffentliche Beschaffung abhebt, nicht aber auf den Erwerb sauberer Fahrzeuge durch Privatleute oder -firmen. Gleichwohl könnte die Richtlinie eine wichtige Rolle spielen, denn öffentliche Investitionen können als Vorbild wirken und zur Entwicklung der Infrastrukturen beitragen, die ihrerseits auch von der Privatwirtschaft genutzt werden und dadurch private Investitionen anstoßen könnten. Öffentliche Investitionen in saubere Fahrzeuge tragen zudem unmittelbar zur Verbesserung der Luftqualität für die Bürger bei, insbesondere in den Innenstädten (bspw. in der Umgebung von Busbahnhöfen).

    5.2.

    Der EWSA kritisiert die mangelnde Klarheit in dieser Richtlinie (9), insbesondere die verstreuten Informationen, unterschiedlichen Begriffsbestimmungen und komplizierten Zählverfahren für „saubere Fahrzeuge“ über zwei verschiedene Zeiträume (bis 2025 und 2025-2030), in denen sich die den Emissionsgrenzwerten zugrunde liegenden Definitionen sehr wahrscheinlich wieder ändern werden. Diese Komplexität wird zu erheblichen Ungewissheiten bei den Interessenträgern führen.

    5.3.

    Die einzige einfache Regel in der Richtlinie ist die Definition und Zählung von Fahrzeugen, die keine Auspuff-Emissionen erzeugen, also lokal emissionsfrei sind. Dies trifft vorwiegend auf vollelektrische Fahrzeuge zu; allerdings wird eine Ausnahme von diesem Grundsatz zugelassen, denn gasbetriebene schwere Nutzfahrzeuge werden als „sauber“ eingestuft, sofern sie ausschließlich mit Biomethan betrieben werden. Alle anderen Vorschriften sind jedoch komplizierter, wie die Zählung bestimmter Fahrzeuge nur als 0,5 Fahrzeuge und die Vielzahl an Kraftstoffarten je nach Fahrzeugklasse und Emissionsnormen, die in naher Zukunft Änderungen unterliegen dürften.

    5.4.

    In einem Übergangszeitraum (bis 2025) gelten leichte Nutzfahrzeuge, deren Auspuffemissionen unter einem gewissen Schwellenwert liegen, ebenfalls als „saubere Fahrzeuge“; sie werden jedoch nur mit dem Faktor 0,5 gewichtet. Die Grenzwerte liegen bei 40 g CO2/km für Kleintransporter und 25 g CO2/km für Fahrzeuge zur Personenbeförderung (Minibusse), was derzeit nur mit einem Plug-in-Hybridantrieb erreichbar ist. Diese Grenzwerte werden geändert werden, sobald das neue weltweit harmonisierte Prüfverfahren für leichte Nutzfahrzeuge (Worldwide Harmonized Light Vehicles Test Procedure, WLTP) eingeführt ist, was deutlich vor 2025 geschehen soll. Der Übergangszeitraum ist somit zweigeteilt. Die Konsequenzen einer derartigen Änderung sind für die Betroffenen ausgehend von den in der Richtlinie gegebenen Informationen unvorhersehbar. Der EWSA bezweifelt in Anbetracht dieser Unsicherheiten, dass die Übergangsfrist bis 2025 wirklich dazu beitragen wird, die Technologielücke zu überbrücken, bis lokal emissionsfreie Fahrzeuge allgemein verfügbar sind, und meint, dass dies die Entscheidungsträger im öffentlichen Auftragswesen eher irritieren wird. In der Folge kann es sein, dass Beschaffungen entweder erheblich aufgeschoben oder aber sogar beschleunigt werden, jedoch noch mit der alten Technik, was dann mögliche künftige Investitionen in neue emissionsfreie Technologien blockieren würde.

    5.5.

    Bei schweren Nutzfahrzeugen sind die Ungewissheiten noch größer. Es gibt derzeit keine Emissionsnormen, die in der Übergangszeit verwendet werden könnten, und lokal emissionsfreie Antriebe sind weniger ausgereift als bei Leichtfahrzeugen. In der ersten Phase der Übergangszeit wird Erdgas mit beigemischtem Biomethan akzeptiert, jedoch mit einem geringeren Gewichtungsfaktor, während es für die anschließende Phase gar keine Grenzwerte oder Definitionen gibt. Die Kommission will diese Grenzwerte nach ihrer Annahme mittels eines delegierten Rechtsakts erlassen, doch fehlen Angaben zu den Kriterien dafür, wie die neuen Emissionsgrenzwerte abzuleiten sind. Dies führt den EWSA zu dem Schluss, dass die Richtlinie in Bezug auf schwere Nutzfahrzeuge verfrüht ist, weswegen er empfiehlt, diesen Teil aus dem gegenwärtigen Vorschlag auszuklammern und in einem späteren Stadium zu behandeln.

    5.6.

    Der EWSA begrüßt den allgemeinen technologieneutralen Ansatz, der für neue Entwicklungen offen ist, die angesichts der laufenden und von der EU unterstützten intensiven FuE-Anstrengungen zu erwarten stehen. Der EWSA möchte jedoch festhalten, dass die Richtlinie diesem Ansatz nicht hundertprozentig folgt, weil zum Beispiel Flüssigkraftstoffe nicht-fossilen Ursprungs außer Acht gelassen werden.

    5.7.

    Die Förderung batteriebetriebener Elektrofahrzeuge wird derzeit in vielen Ländern der Welt zusammen mit einer zunehmenden Zahl von Automobilherstellern stark vorangetrieben. Eine beschleunigte Markteinführung von Elektrofahrzeugen hängt jedoch von zahlreichen Faktoren ab, die nur in begrenztem Maße von der Automobilindustrie beeinflussbar sind, wie Batteriekosten, Batterie-Recycling, Ladeinfrastruktur, Kraftstoffpreisen und der öffentlichen Beschaffung, die mit der erörterten Richtlinie gefördert werden soll.

    5.8.

    Neben batteriebetriebenen Elektrofahrzeugen bergen auch andere Antriebstechnologien ein großes Potenzial für saubere Mobilität. Zum Bedauern des EWSA wird dies in der Richtlinie nicht hinreichend berücksichtigt. So werden zum Beispiel an Kraftstoffe, die zu 100 % nicht-fossilen Ursprungs sind (wie der in Schweden und anderen Ländern weit verbreiteten Bio-Diesel HVO100), oder potenzielle künftige synthetische Kraftstoffe, die mit dem aufgrund des anhaltenden Ausbaus der fluktuierenden erneuerbaren Energieträger in zunehmendem Maße vorhandenen Stromüberschuss aus Abfall oder Kohlendioxid hergestellt werden, außer Acht gelassen.

    5.9.

    In Anbetracht der laufenden Entwicklungen im Bereich moderner Verkehrstechnologien empfiehlt der EWSA für die kommenden Jahre daher einen flexibleren Ansatz anstelle fester Emissionsgrenzwerte und Beschaffungsvorgaben. Zumindest sollte im Hinblick auf eine eventuelle spätere Anpassung eine Halbzeitbewertung der Mindestziele vorgesehen werden.

    6.   Klimaschutz oder Industriepolitik

    6.1.

    Es ist offenkundig, dass diese Richtlinie — trotz ihres Titels — nicht in erster Linie auf saubere Fahrzeuge, Klimaschutz und Luftreinhaltung abzielt, sondern die öffentliche Beschaffung und Industriepolitik im Blick hat, um bestimmte Fahrzeugklassen zu fördern, die auf den saubersten (nicht nur sauberen) beschaffbaren Technologien beruhen. Eine nähere Betrachtung der verschiedenen Arten „sauberer Fahrzeuge“ und alternativer Kraftstoffe im Sinne dieser Richtlinie offenbart diese Diskrepanz. Bestimmte Kraftstoffarten können zur Verbesserung der Luftqualität in Städten beitragen, sind aber nicht klimafreundlich, z. B. wenn der Strom oder Wasserstoff für Elektrofahrzeuge aus Kohlekraftwerken stammt. Umgekehrt sind emissionsarme Fahrzeuge, die mit Erdgas aus Biomethan betrieben werden, zwar klimafreundlich, können aber trotzdem zur lokalen Luftverschmutzung beitragen. In dem in der Richtlinie angedachten Zeithorizont bis 2030 werden Biokraftstoffe, die zu 100 % nicht-fossilen Ursprungs sind, auch wenn sie in dieser Richtlinie nicht erfasst sind, eine entscheidende Rolle bei der Erfüllung der Klimaschutzziele der EU spielen. Außerdem sagt der Ansatz der lokalen Emissionsfreiheit (d. h. keine Auspuffemissionen) überhaupt nichts über den CO2-Fußabdruck eines Fahrzeugs während seiner gesamten Lebensdauer aus.

    6.2.

    Der Hauptfokus der Richtlinie liegt auf der Industriepolitik durch Einsatz der öffentlichen Beschaffung sauberer Fahrzeuge als nachfrageseitigen Anreiz zur Stimulierung der Marktentwicklung, z. B. im Marktsegment Stadtbusse. Darüber hinaus kann die Beschaffung sauberer Fahrzeuge für den öffentlichen Fuhrpark laut Europäischer Kommission auch Einfluss auf den privaten Erwerb sauberer Leichtfahrzeuge haben, da mehr öffentliches Vertrauen in die Reife und Verlässlichkeit der Technik und vor allem eine bessere öffentliche Lade- und Betankungsinfrastruktur („Smart Charging“), die privaten Nutzern — insbesondere solchen, die selbst keine Garage haben — offensteht, die Verbraucher beeinflussen wird.

    6.3.

    Der EWSA hat jedoch erhebliche Bedenken hinsichtlich der Verhältnismäßigkeit dieses Ansatzes. Die vorgeschlagene Richtlinie, so wird behauptet, stehe im Einklang mit dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. Allerdings bleibt die zusätzliche finanzielle Belastung der öffentlich-rechtlichen Körperschaften völlig unberücksichtigt und wird der Vorschlag nicht mit anderen industriepolitischen Optionen verglichen. Daher ist es nicht evident, dass eine zusätzliche Belastung im Beschaffungswesen hauptsächlich von Städten und Gemeinden der effizienteste Weg sein soll, um Aktivitäten der Industrie und Marktentwicklungen anzustoßen. Starke Bedenken wurden von lokalen Nahverkehrsorganisationen sowie von Städte- und Gemeindevertretern erhoben. Die Haupteinwände dieser Interessenträger sind:

    erheblicher zusätzlicher Mittelbedarf für Investitionen, der weit über ihre Finanzkraft hinausgeht;

    viele Städte haben bereits viel für einen sauberen Verkehr getan, doch werden diese Anstrengungen in der Richtlinie völlig übergangen;

    moderne, die Abgasnorm Euro 6 einhaltende Dieselbusse werden, obwohl sie 2011 als neuer Standard eingeführt wurden (10) und eine kostengünstige Reduzierung der Emissionen öffentlicher Verkehrsmittel ermöglichen können, gar nicht berücksichtigt;

    Hybridfahrzeuge mit Plug-in-Technik werden nach 2025 nicht mehr akzeptiert;

    die Infrastruktur für das elektrische Aufladen von Bussen und Lastwagen ist gänzlich anders als die Ladetechnik für Leichtfahrzeuge wie z. B. Pkw, weswegen Synergien eher begrenzt sind;

    Ausnahmen müssen für Feuerwehr-, Polizei- und Ambulanzfahrzeuge gemacht werden;

    in einigen Gemeinden beschränkt sich die öffentliche Beschaffung auf eine eher geringe Zahl von Fahrzeugen (weniger als zehn), mit denen die Mindestziele kaum erreicht werden dürften;

    die vorgeschlagene Berichterstattung ist mit vertretbarem Verwaltungsaufwand nur durchführbar, wenn eine Kategorie „saubere Fahrzeuge“ in die amtlichen Kraftfahrzeugregister aufgenommen werden würde.

    6.4.

    Ein großer Teil des öffentlichen Beschaffungswesens entfällt auf lokale Verkehrsunternehmen, die im Besitz von Städten und Gemeinden sind, deren Finanzkraft recht begrenzt ist. Jede zusätzliche Investition in modernste Technik zu höheren Kosten (und mit höheren Risiken) kann zu einer spürbaren Belastung der Bürger durch höhere Fahrpreise, höhere kommunale Steuern oder gar eine Verringerung des ÖPNV-Angebots führen. Außerdem sollten die erheblichen Anstrengungen zur Luftreinhaltung, die bereits von Städten und Gemeinden — auch durch die Ausweitung der Nutzung öffentlicher Verkehrsmittel — unternommen wurden, anerkannt und nicht durch neue Beschaffungsvorschriften gehemmt werden, die Mindestziele für ganze Mitgliedstaaten verlangen, die aber auf der Ebene der lokalen Gebietskörperschaften mit ihrer großen Vielfalt an kleinen und großen öffentlich-rechtlichen Verkehrsgesellschaften schwer einzuhalten und zu kontrollieren sind.

    6.5.

    Da die Vergabe von Unteraufträgen ebenfalls in den Geltungsbereich des Kommissionsvorschlags fällt, sorgt sich der EWSA über die möglichen Folgen des Vorschlags für kleine und mittlere Unternehmen; so tragen nämlich viele kleine örtliche Busunternehmen zur Erbringung von Beförderungsleistungen in größeren städtischen Gebieten als Unterauftragnehmer kommunaler Verkehrsbetriebe bei; diese Unternehmen verfügen möglicherweise nicht über die Fahrzeuge, die von der Richtlinie verlangt werden, und kämen dann vielleicht nicht mehr als Unterauftragnehmer in Betracht.

    6.6.

    Der EWSA gelangt zu dem Schluss, dass das Haupthindernis für die Modernisierung des öffentlichen Verkehrs und die öffentliche Beschaffung sauberer Fahrzeuge die mangelnde finanzielle Unterstützung ist, und fordert die Kommission nachdrücklich auf, den gegenwärtigen Vorschlag mit einem Fokus auf der Finanzierung zu überdenken, insbesondere auch durch die Berücksichtigung der vorhandenen Finanzierungsinstrumente, wie den Fonds für strategische Investitionen (EFSI), die europäischen Struktur- und Investitionsfonds (ESIF) und die Fazilität „Connecting Europe“ (CEF), vor allem aber durch die richtige Prioritätensetzung im nächsten MFR. Bei der spezifischen finanziellen Unterstützung muss der Vielfalt der Länder, Städte und Regionen im Hinblick auf ihre Wirtschaftskraft und den Anteil der in städtischen Gebieten lebenden Bevölkerung Rechnung getragen werden, wobei das übergeordnete Ziel die Angleichung der Beschaffung sauberer Fahrzeuge in allen Mitgliedstaaten sein muss. Der EWSA gibt zu bedenken, dass nicht nur mehr saubere Fahrzeuge im öffentlichen Fuhrpark benötigt werden, sondern dass der öffentliche Verkehr auch sehr viel attraktiver gemacht werden muss (nicht nur über günstige Tarife, sondern auch durch Anschlussmöglichkeiten und Komfort), um die Bürger von seiner Nutzung zu überzeugen.

    Brüssel, den 19. April 2018

    Der Präsident des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses

    Luca JAHIER


    (1)  COM(2016) 501 final.

    (2)  ABl. C 173 vom 31.5.2017, S. 55.

    (3)  COM(2011) 144 final.

    (4)  ABl. C 246 vom 28.7.2017, S. 64.

    (5)  ABl. C 81 vom 2.3.2018, S. 195.

    (6)  COM(2017) 675 final.

    (7)  ABl. C 51 vom 17.2 2011, S. 37.

    (8)  ABl. C 424 vom 26.11 2014, S. 58.

    (9)  COM(2017) 653 final, Anhang 1.

    (10)  Verordnung (EU) Nr. 582/2011 der Kommission.


    Top