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Document 52016XX0525(01)

    Zusammenfassung der Vorläufigen Stellungnahme zum Abkommen zwischen den Vereinigten Staaten von Amerika und der Europäischen Union über den Schutz personenbezogener Daten bei deren Übermittlung und Verarbeitung zum Zwecke der Verhütung, Untersuchung, Aufdeckung und Verfolgung von Straftaten

    ABl. C 186 vom 25.5.2016, p. 4–6 (BG, ES, CS, DA, DE, ET, EL, EN, FR, HR, IT, LV, LT, HU, MT, NL, PL, PT, RO, SK, SL, FI, SV)

    25.5.2016   

    DE

    Amtsblatt der Europäischen Union

    C 186/4


    Zusammenfassung der Vorläufigen Stellungnahme zum Abkommen zwischen den Vereinigten Staaten von Amerika und der Europäischen Union über den Schutz personenbezogener Daten bei deren Übermittlung und Verarbeitung zum Zwecke der Verhütung, Untersuchung, Aufdeckung und Verfolgung von Straftaten

    [Der vollständige Text dieser Stellungnahme ist in englischer, französischer und deutscher Sprache auf der Internetpräsenz des EDSB unter www.edps.europa.eu erhältlich.]

    (2016/C 186/04)

    Diese Stellungnahme basiert auf der allgemeinen Verpflichtung, dass von der EU geschlossene internationale Vereinbarungen mit den Bestimmungen des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) übereinstimmen und die Grundrechte, die ein zentraler Grundsatz des Unionsrechts sind, wahren müssen. Die Bewertung erfolgt insbesondere mit Blick auf die Analyse der Übereinstimmung des Inhalts des Datenschutz-Rahmenabkommens mit den Artikeln 7, 8 und 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union sowie mit Artikel 16 AEUV über den Schutz personenbezogener Daten

    ZUSAMMENFASSUNG

    Die Untersuchung und Verfolgung von Straftaten ist ein legitimes politisches Ziel, und die internationale Zusammenarbeit einschließlich des Austauschs von Informationen ist heute wichtiger denn je. Bisher gibt es in der EU keinen verbindlichen einheitlichen Rahmen in diesem Bereich und daher keinen einheitlichen Schutz der Grundrechte und Grundfreiheiten des Einzelnen. Der EDSB weist bereits seit Langem darauf hin, dass die EU nachhaltige Abkommen über den Austausch personenbezogener Daten mit Drittländern zum Zwecke der Strafverfolgung braucht, die vollumfänglich mit den EU-Verträgen und der Charta der Grundrechte übereinstimmen.

    Daher begrüßen und unterstützen wir aktiv die Bemühungen der Europäischen Kommission für den Abschluss eines ersten „Datenschutz-Rahmenabkommens“ mit den Vereinigten Staaten. Dieses Abkommen über die internationale Strafverfolgung soll erstmalig den Datenschutz als Grundlage für den Informationsaustausch einrichten. Auch wenn es nicht möglich ist, die Terminologie und Definitionen des Unionsrechts in einer Vereinbarung mit einem Drittland vollständig zu replizieren, muss der Schutz des Einzelnen eindeutig und wirksam geregelt sein, um eine vollumfängliche Übereinstimmung mit dem Primärrecht der EU zu gewährleisten.

    Der Europäische Gerichtshof hat in den vergangenen Jahren die Grundsätze des Datenschutzes bestätigt, hierin eingeschlossen Gerechtigkeit, Richtigkeit und Relevanz von Daten, unabhängige Kontrolle und individuelle Rechte des Einzelnen. Diese Grundsätze sind für öffentliche Einrichtungen ebenso relevant wie für Privatunternehmen, unabhängig von formalen Angemessenheitsfeststellungen der EU im Hinblick auf Datenschutzgarantien von Drittländern. Angesichts der Sensibilität der für die Strafverfolgung erforderlichen Daten werden diese umso wichtiger.

    Mit dieser Stellungnahme sollen die EU-Organe in konstruktiver und objektiver Weise beraten werden, da die Kommission diese schwierige Aufgabe abschließt, die weitreichende Auswirkungen hat, nicht nur auf die Zusammenarbeit zwischen der EU und den Vereinigten Staaten in der Strafverfolgung, sondern auch auf zukünftige internationale Abkommen. Das „Datenschutz-Rahmenabkommen“ ist ein vom kürzlich angekündigten „EU-US-Datenschutzschild“ für die Übermittlung personenbezogener Daten im Geschäftsverkehr getrenntes Dokument, muss jedoch mit diesem zusammen betrachtet werden. Zur Analyse der Interaktion dieser beiden Instrumente und der Modernisierung des EU-Datenschutzrahmens sind gegebenenfalls weitere Betrachtungen erforderlich.

    Bevor das Abkommen dem Parlament zur Zustimmung vorgelegt wird, weisen wir die Parteien auf das Erfordernis hin, die Entwicklungen seit dem vergangenen September sorgfältig zu beleuchten, als sie ihre Absicht bekundeten, das Abkommen nach Verabschiedung des US-Gesetzes über den gerichtlichen Rechtsbehelf (Judicial Redress Act) zu schließen. Viele der bereits vorgesehenen Schutzmechanismen sind begrüßenswert, sollten jedoch verstärkt werden, auch im Lichte des Urteils Schrems von Oktober, mit dem das SAFE-Harbor-Abkommen gekippt wurde, und des politisches Abkommens über die Modernisierung des EU-Datenschutzrahmens über Datentransfer sowie die polizeiliche und justizielle Zusammenarbeit von Dezember.

    Der EDSB hat drei wesentliche Verbesserungen ermittelt, deren Umsetzung er für das Abkommen empfiehlt, um eine Übereinstimmung mit der Charta und Artikel 16 des Vertrags zu gewährleisten:

    Klarstellung, dass alle Schutzgarantien für alle natürlichen Personen gelten und nicht nur für EU-Bürger;

    Gewährleistung, dass die Bestimmungen zum gerichtlichen Rechtsbehelf im Sinne der Charta wirksam sind;

    Klarstellung, dass die massenhafte Übermittlung sensibler Daten unzulässig ist.

    Die Stellungnahme umfasst weitere Empfehlungen für eine Klarstellung der geplanten Sicherheitsgarantien im Rahmen begleitender Erläuterungen. Für weiteren Rat und Dialog zu diesem Thema stehen wir den Organen jederzeit zur Verfügung.

    I.   Kontext des paraphierten Abkommens

    1.

    Am 3. Dezember 2010 billigte der Rat die Aufnahme von Gesprächen zwischen der Europäischen Union (EU) und den Vereinigten Staaten von Amerika (USA) über ein Abkommen zum Schutz personenbezogener Daten bei der Übermittlung und Verarbeitung zum Zwecke der Verhütung, Aufdeckung, Untersuchung und Verfolgung von Straftaten einschließlich terroristischer Akte im Rahmen der justiziellen und polizeilichen Zusammenarbeit in Strafsachen (im Folgenden das „Abkommen“) (1).

    2.

    Die Verhandlungen zwischen der Kommission und den USA wurden am 29. März 2011 offiziell aufgenommen (2). Am 25. Juni 2014 kündigte der US-Generalstaatsanwalt die Einleitung eines Gesetzgebungsverfahrens an, um Unionsbürgern einen gerichtlichen Rechtsbehelf im Zusammenhang mit Persönlichkeitsrechten in den USA zu gewähren (3). Nach mehreren Verhandlungsrunden, die sich über vier Jahre erstreckten, wurde das Abkommen am 8. September 2015 paraphiert. Nach Aussage der Kommission sollen die Unterzeichnung und der formale Abschluss des Abkommens erst nach Verabschiedung des US Judicial Redress Act erfolgen (4).

    3.

    Das Europäische Parlament muss dem paraphierten Text des Abkommens zustimmen, der Rat muss ihn unterzeichnen. Solange dies nicht geschehen und das Abkommen nicht formal unterzeichnet ist, können die Verhandlungen zu einzelnen Punkten neu aufgenommen werden. In ebendiesem Kontext veröffentlicht der EDSB diese Stellungnahme auf der Grundlage des auf der Website der Kommission veröffentlichten Wortlauts des paraphierten Abkommens (5). Bei vorliegendem Dokument handelt es sich um eine vorläufige Stellungnahme, basierend auf einer ersten Analyse eines komplexen Rechtsdokuments und unbeschadet weiterer Empfehlungen, die auf der Grundlage weiterer verfügbarer Informationen ausgesprochen werden können, hierin eingeschlossen rechtliche Entwicklungen in den USA, wie beispielsweise die Verabschiedung des Judicial Redress Act. Der EDSB hat drei wesentliche Punkte ermittelt, die einer Verbesserung bedürfen, und unterstreicht zudem andere Aspekte, für die wichtige Klarstellungen empfohlen werden. Mit diesen Verbesserungen kann das Abkommen als mit dem Primärrecht der EU konform betrachtet werden.

    V.   Schlussfolgerungen

    53.

    Der EDSB begrüßt die Absicht, ein rechtsverbindliches Instrument zu verabschieden, mit dem ein hohes Schutzniveau für personenbezogene Daten sichergestellt werden soll, die zwischen der EU und den USA zum Zwecke der Verhütung, Aufdeckung, Untersuchung und Verfolgung von Straftaten, einschließlich terroristischer Akte, übermittelt werden.

    54.

    Die meisten wesentlichen Bestimmungen des Abkommens entsprechen vollumfänglich oder in Teilen den wesentlichen Garantien des Rechts auf den Schutz personenbezogener Daten in der EU (beispielsweise Rechte der betroffenen Person, unabhängige Kontrolle und Recht auf gerichtliche Überprüfung).

    55.

    Auch wenn das Abkommen aus technischer Sicht keine Angemessenheitsfeststellung darstellt, schafft es doch eine allgemeine Konformitätsvermutung für Übermittlungen auf der Grundlage einer im Einzelfall geltenden Rechtsgrundlage im Rahmen des Abkommens. Daher ist es von wesentlicher Bedeutung, sicherzustellen, dass diese „Vermutung“ durch alle erforderlichen Schutzmechanismen im Text des Abkommens untermauert wird, um eine Verletzung der Charta, insbesondere der Artikel 7, 8 und 47, zu vermeiden.

    56.

    Der EDSB hat drei wesentliche Verbesserungen ermittelt, deren Umsetzung er für das Abkommen empfiehlt, um eine Übereinstimmung mit der Charta und Artikel 16 AEUV zu gewährleisten:

    1)

    Klarstellung, dass alle Schutzgarantien für alle natürlichen Personen gelten und nicht nur für EU-Bürger;

    2)

    Gewährleistung, dass die Bestimmungen zum gerichtlichen Rechtsbehelf im Sinne der Charta wirksam sind;

    3)

    Klarstellung, dass die massenhafte Übermittlung sensibler Daten unzulässig ist.

    57.

    Darüber hinaus empfiehlt der EDSB zum Zwecke der Rechtssicherheit, die folgenden Verbesserungen oder Klarstellungen in den Text des Abkommens oder in begleitende Erläuterungen zum Abkommen oder in die Umsetzungsphase des Abkommens aufzunehmen, wie in dieser Stellungnahme ausgeführt:

    1)

    dass Artikel 5 Absatz 3 derart auszulegen ist, dass die Aufgabe der Kontrollstellen im Sinne von Artikel 8 Absatz 3 der Charta gewahrt bleibt;

    2)

    dass die im Einzelfall geltenden Rechtsgrundlagen für die Datenübermittlung (Artikel 5 Absatz 1) vollumfänglich mit den im Abkommen vorgesehenen Schutzmaßnahmen übereinstimmen müssen, und im Falle eines Konflikts zwischen der Rechtsgrundlage im Einzelfall und dem Abkommen Letzteres Vorrang hat;

    3)

    dass im Falle eines unzureichenden Schutzes von an die Bundesebene übermittelten Daten die relevanten Maßnahmen von Artikel 14 Absatz 2 bei Bedarf Maßnahmen hinsichtlich bereits weitergegebener Daten einschließen;

    4)

    dass die Definitionen der Begriffe „personenbezogene Informationen“ und „Verarbeitungsvorgang“ (Artikel 2) mit den etablierten Definitionen aus dem Unionsrecht in Einklang zu bringen sind. Bei einer nicht vollständigen Übereinstimmung dieser Definitionen wird eine Klarstellung in den begleitenden Erläuterungen zum Abkommen dahin gehend empfohlen, dass die Anwendung der beiden Begriffe im Wesentlichen nicht von ihrer Bedeutung gemäß Unionsrecht abweicht;

    5)

    dass eine als Hinweis dienende Liste der „besonderen Bedingungen“ für die massenhafte Übermittlung von Daten (Artikel 7 Absatz 3) in die begleitenden Erläuterungen aufgenommen werden könnte;

    6)

    dass die Parteien die Bestimmungen zur Meldung von Datenschutzverletzungen (Artikel 10) anzuwenden beabsichtigen, um einerseits Nichtmeldungen auf ein Minimum zu beschränken und andererseits übermäßig verzögerte Meldungen zu vermeiden;

    7)

    dass im Lichte der im Abkommen aufgeführten Zweckbeschränkung die Bestimmung zur Datenaufbewahrung von Artikel 12 Absatz 1 um den Zusatz „zu den spezifischen Zwecken, zu denen sie übermittelt wurden“ ergänzt wird;

    8)

    dass die Parteien des Abkommens mehr dafür tun werden, sicherzustellen, dass Beschränkungen der Ausübung des Zugangsrechts auf das limitiert werden, was unerlässlich ist, um die genannten öffentlichen Interessen zu wahren, und die Transparenzpflicht zu stärken;

    9)

    dass detaillierte begleitende Erläuterungen dem Abkommen beigefügt werden und insbesondere folgende Angaben enthalten (Artikel 21):

    die Kontrollstellen, die in dieser Sache zuständig sind, und der den Parteien zur Verfügung stehende Mechanismus, um sich gegenseitig über zukünftige Änderungen zu informieren;

    die ihnen tatsächlich zuerkannten Vollmachten;

    Name und Kontaktdaten der Kontaktperson, die bei der Ermittlung der zuständigen Kontrollstelle unterstützend tätig werden kann (siehe Artikel 22 Absatz 2).

    58.

    Abschließend möchte der EDSB auf das Erfordernis hinweisen, dass jede Auslegung, Anwendung und Umsetzung des Abkommens im Falle mangelnder Klarheit oder eines augenscheinlichen Konflikts von Bestimmungen derart erfolgen sollte, dass die Konformität mit den Verfassungsgrundsätzen der EU, insbesondere mit Artikel 16 AEUV und den Artikeln 7 und 8 der Charta, gewahrt wird, und dies unabhängig von den begrüßenswerten Verbesserungen, die sich aus den in dieser Stellungnahme enthaltenen Empfehlungen ableiten lassen.

    Geschehen zu Brüssel am 12. Februar 2016.

    Giovanni BUTTARELLI

    Europäischer Datenschutzbeauftragter


    (1)  Siehe MEMO 10/1661 der Europäischen Kommission, veröffentlicht am 3. Dezember 2010, abrufbar unter: http://europa.eu/rapid/press-release_IP-10-1661_de.htm

    (2)  Siehe MEMO 11/203 der Europäischen Kommission, veröffentlicht am 29. März 2011, abrufbar unter: http://europa.eu/rapid/press-release_MEMO-11-203_en.htm

    (3)  Siehe Pressemitteilung 14-668 des Generalstaatsanwalts der USA, veröffentlicht am 25. Juni 2014, abrufbar unter: http://www.justice.gov/opa/pr/attorney-general-holder-pledges-support-legislation-provide-eu-citizens-judicial-redress

    (4)  Siehe MEMO 15/5612 der Europäischen Kommission, veröffentlicht am 8. September 2015, abrufbar unter: http://europa.eu/rapid/press-release_MEMO-15-5612_en.htm

    (5)  Text abrufbar unter: http://ec.europa.eu/justice/data-protection/files/dp-umbrella-agreement_en.pdf


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