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Document 52013AE7466

    Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zu der „Mitteilung der Kommission — Jahreswachstumsbericht 2014“ COM(2013) 800 final

    ABl. C 214 vom 8.7.2014, p. 46–54 (BG, ES, CS, DA, DE, ET, EL, EN, FR, HR, IT, LV, LT, HU, MT, NL, PL, PT, RO, SK, SL, FI, SV)

    8.7.2014   

    DE

    Amtsblatt der Europäischen Union

    C 214/46


    Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zu der „Mitteilung der Kommission — Jahreswachstumsbericht 2014“

    COM(2013) 800 final

    2014/C 214/10

    Hauptberichterstatterin: Evelyne PICHENOT

    Die Europäische Kommission beschloss am 13. November 2013, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss gemäß Artikel 304 AEUV um Stellungnahme zu folgender Vorlage zu ersuchen:

    Mitteilung der Kommission „Jahreswachstumsbericht 2014“

    COM(2013) 800 final.

    Das Präsidium beauftragte den Lenkungsausschuss Europa 2020 am 18. November 2013 mit den Vorarbeiten zu diesem Thema.

    Angesichts der Dringlichkeit der Arbeiten beschloss der Ausschuss auf seiner 496. Plenartagung am 26./27. Februar 2014 (Sitzung vom 26. Februar), Evelyne PICHENOT zur Hauptberichterstatterin zu bestellen, und verabschiedete mit 187 gegen 2 Stimmen bei 11 Enthaltungen folgende Stellungnahme:

    1.   Schlussfolgerungen und Empfehlungen

    1.1   Stärkung des Europäischen Semesters und bessere Einbeziehung der Zivilgesellschaft

    1.1.1

    Der EWSA schlägt zur Verbesserung der eigenverantwortlichen Übernahme durch die Mitgliedstaaten und der demokratischen Legitimation — zentrale Aspekte des Europäischen Semesters — vor, die zivilgesellschaftlichen Akteure besser einzubinden, wobei er sich der Unterschiedlichkeit der nationalen Verfahren durchaus bewusst ist. Deshalb empfiehlt er:

    einen Leitfaden für die sozioökonomischen Akteure und die nationalen und regionalen Mandatsträger bezüglich der Instrumente des Europäischen Semesters zu erarbeiten;

    die Kontakte und Anhörungen der EU-Organe, insbesondere der Kommission, mit den nationalen Parlamenten auszubauen, die im Bereich des Haushalts und der Reformen die uneingeschränkte demokratische Legitimation behalten;

    die Debatte mit der Zivilgesellschaft über den Zeitplan für die Strukturreformen und den wechselseitigen Einfluss der gleichzeitig von den Mitgliedstaaten durchgeführten Maßnahmen fortzusetzen;

    alle Mitgliedstaaten stärker dazu anzuhalten, die Sozialpartner und die Beratungsgremien bei der Erarbeitung der Reformen auf der Grundlage der länderspezifischen Empfehlungen sowie bei der Aufstellung und Weiterverfolgung der Nationalen Reformprogramme (NRP) einzubeziehen;

    die Sozialpartner und die Zivilgesellschaft an der Bewertung der politischen Maßnahmen zu beteiligen, die jedweder Rationalisierung oder Modernisierung vorausgehen;

    dem Europäischen Rat weiterhin den integrierten Jahresbericht der nationalen WSR  (1) und vergleichbarer Einrichtungen zu übermitteln: diesbezüglich sollten die nationalen Beratungsgremien verstärkt dazu aufgefordert werden, an diesem integrierten Bericht mitzuwirken;

    vom Rat und der Kommission eine offizielle Antwort auf diese schriftlichen Beiträge der nationalen Zivilgesellschaften einzuholen, die die Ernsthaftigkeit dieser Konsultation belegt und sich in die Debatte über die länderspezifischen Empfehlungen einfügt;

    ein Verfahren zu konzipieren, um gewisse Qualitätsstandards bei der Mitwirkung der zivilgesellschaftlichen Organisationen und beim sozialen Dialog in den Mitgliedstaaten einzuhalten. Dabei sollte die vom Lenkungsausschuss für die Strategie Europa 2020 des EWSA für 2014 vorgesehene Untersuchung zugrunde gelegt werden.

    1.1.2

    Im Jahreswachstumsbericht (JWB) 2014 und den beiliegenden Anhängen (2) bringt die Kommission eine Wirtschafts- und Sozialpolitik der Europäischen Union zum Ausdruck, bei der der Akzent auf der Koordinierung zwischen den Maßnahmen auf europäischer und einzelstaatlicher Ebene liegt. Der Bericht, dem die gleichen Prioritäten wie in den vergangenen Jahren zugrunde liegen, eröffnet das Europäische Semester.

    Das bereits eingeführte Verfahren zur makroökonomischen und haushaltspolitischen Überwachung wird sich im Jahr 2014 weiterentwickeln. Es beruht auf Dokumenten, die der Logik konzertierter Haushaltsdisziplin, Überwachung und Sanktionierung entsprechen. Dieses Verfahren beruht auf einem Warnmechanismus zur Prävention makroökonomischer Ungleichgewichte, auf den nationalen Reformprogrammen (NRP) sowie den länderspezifischen Empfehlungen, die in Konsultation mit den einzelnen Mitgliedstaaten erarbeitet werden. Das Europäische Semester ist im Übrigen eng mit der Strategie Europa 2020 und ihren quantitativen Zielvorgaben verknüpft.

    1.1.3

    Die noch andauernde Finanz- und Wirtschaftskrise in Europa hat die Schwachpunkte im Steuerungssystem der Wirtschafts- und Währungsunion (WWU) offengelegt: diese Mängel müssen dringend beseitigt werden, um nicht den Euro selbst aufs Spiel zu setzen. Der EWSA anerkennt die Bedeutung der institutionellen Fortschritte im Bereich der wirtschaftspolitischen Steuerung, bekräftigt aber, dass die demokratische Legitimation und die eigenverantwortliche Übernahme auf nationaler Ebene unbedingt gewährleistet sein müssen. Die Stellungnahme des EWSA zum JWB 2014 fügt sich ein in die zuvor zum JWB erarbeiteten Stellungnahmen, die in der Zusammenfassung der Empfehlungen in Ziffer 2.1 unten aufgegriffen werden. Diese werden vervollständigt und aktualisiert und um einen Ausblick auf 2015 ergänzt. Diese Stellungnahme stützt sich auf die Schlussfolgerungen zahlreicher vorausgegangener Stellungnahmen.

    1.1.4

    Der Jahreswachstumsbericht 2014 (JWB) stellt die erste Phase dieses Verfahrens dar, das der Lenkungsausschuss Europa 2020 das gesamte Jahr über begleiten wird. Die nationalen Wirtschafts- und Sozialräte und vergleichbaren Einrichtungen werden bei der Umsetzung der Reformen und Maßnahmen auf nationaler Ebene mitwirken. Der Ausschuss begrüßt, dass der dreigliedrige Frühjahrs-Sozialgipfel eindeutig mit dem Verfahren des Europäischen Semesters verknüpft wird. Er fordert in Ergänzung, dass die Standpunkte der europäischen Sozialpartner als Anhang zu den Dokumenten des Europäischen Semesters veröffentlicht werden. Er schlägt außerdem vor, dass dem JWB ein Bericht über den Stand der Umsetzung der Strategie Europa 2020 beigefügt wird. Diese Analyse ist für die Vorbereitung der Halbzeitüberprüfung notwendig.

    1.1.5

    Der Ausschuss ist davon überzeugt, dass die Krise noch nicht überwunden ist und fordert die europäischen Institutionen und die Mitgliedstaaten auf, die Anstrengungen für eine nuancierte Haushaltskonsolidierung mit entschlossenen und nachhaltigen Aktionen für Wachstum, Beschäftigung und Wettbewerbsfähigkeit in der gesamten EU-28 zu kombinieren. Er fordert die nächste Kommission auf, ein anspruchsvolles Investitionsprogramm aufzulegen, bei dem KMU einen einfacheren Zugang zur Finanzierung haben. Die europäischen Struktur- und Investitionsfonds müssen die Verwirklichung der Ziele von Europa 2020 unterstützen und könnten eventuell für die in den länderspezifischen Empfehlungen aufgezeigten Reformen eingesetzt werden. Er fordert die Kommission außerdem auf, einen Fahrplan für die konkrete Umsetzung des Sozialinvestitionspakets vorzulegen.

    1.2   Eine kohärentere Steuerung für eine echte Wirtschafts- und Währungsunion

    1.2.1

    Der EWSA begrüßt den schrittweisen Übergang — im Anschluss an den Bericht „Auf dem Weg zu einer echten Wirtschafts- und Währungsunion“ (3)von einer „Koordinierung“ zur einer kohärenteren wirtschaftspolitischen Steuerung unter den Mitgliedstaaten mithilfe des Europäischen Semesters. Er stellt insbesondere fest, dass der JWB an die neuen Vorschriften für die Steuerung im Euroraum angepasst wurde. Dies betrifft vor allem die Übermittlung der Haushaltsentwürfe Mitte Oktober, damit die Kommission prüfen kann, ob die Mitgliedstaaten das Notwendige tun, um die auf europäischer Ebene gesteckten Ziele zu erreichen. Anschließend werden die Haushaltspläne auf nationaler Ebene fertiggestellt. Dieses Verfahren dürfte der demokratischen Legimitation der nationalen Parlamente voll und ganz gerecht werden, da es nur ihnen zusteht, den Haushalt zu ändern und zu verabschieden.

    1.2.2

    Der EWSA nimmt die auf der Tagung des Rates vom Dezember 2013 erzielte Übereinkunft über die künftigen gemeinsamen Vorschriften für die Überwachung und für die Abwicklung ausfallender Banken als einen Teilfortschritt zu Kenntnis. Er stellt fest, dass die ersten Grundlagen für ein Vorankommen der Arbeiten am Projekt Bankenunion gegeben sind, wenngleich noch kurzfristig zahlreiche Probleme gelöst werden müssen, insbesondere hinsichtlich der Sanierung des Finanzsektors und der Fristen für die Schaffung eines einheitlichen Abwicklungsmechanismus. Der Ausschuss ist zutiefst besorgt ob der Risiken einer unvollständigen Bankenunion und des Rückgriffs auf die zwischenstaatliche Methode (4).

    1.2.3

    Der EWSA bedauert, dass die Mittel für den mehrjährigen Finanzrahmen (MFR) 2014-2020 gekürzt wurden. Er begrüßt indes die Investitionskapazitäten von über 400 Mrd. EUR, die rasch über den Europäischen Struktur- und Investitionsfonds (ESIF) mobilisiert werden können für die Förderung von Wachstum und Beschäftigung auf nationaler und regionaler Ebene. ESIF trägt damit zum Erreichen der Ziele der Strategie Europa 2020 bei. Der Ausschuss begrüßt, dass die politische Entscheidung und die finanzielle Verpflichtung — die zusammen einen wichtigen Faktor für die Ankurbelung des Wachstums darstellen -, erstmals miteinander verknüpft werden.

    1.2.4

    Die Kommission versucht, in diesem JWB einen europäischen Rahmen zur Förderung des Wachstums in Europa aufzustellen, indem sie die wirtschaftspolitische Steuerung, den mehrjährigen Finanzrahmen und die Maßnahmen zur Vollendung der verschiedenen Bereiche des Binnenmarkts und der Handelspolitik miteinander verbindet. Der Ausschuss unterstützt den Aufruf der Kommission an die Mitgliedstaaten, diesen europäischen Rahmen bei der Festlegung ihrer nationalen Maßnahmen zu berücksichtigen. Er nimmt zur Kenntnis, dass Wachstum und Wettbewerbsfähigkeit nunmehr die wichtigsten Prioritäten des JWB sind. Der Begriff der Wettbewerbsfähigkeit sollte weit ausgelegt werden und nicht nur die Preiswettbewerbsfähigkeit, sondern auch die Qualität und Positionierung der Produkte und Dienstleistungen umfassen.

    1.2.5

    Um das europäische Modell des sozialen Zusammenhalts zu bewahren, wie im Bericht „Auf dem Weg zu einer echten Wirtschafts- und Währungsunion“ ebenfalls dargelegt wird, sowie im Einklang mit der horizontalen Sozialklausel des EUV fordert der EWSA den Europäischen Rat auf, eine Kraftanstrengung zu unternehmen und der WWU eine soziale Dimension zu verleihen. Dazu sollte das Scoreboard sozialer Indikatoren  (5) proaktiv in das Europäische Semester aufgenommen werden, mit dem gleichen Gewicht wie makroökonomische und haushaltsspezifische Indikatoren. Diese soziale Dimension muss dazu dienen, das Risiko sozialer Ungleichgewichte zu bannen, und muss durch Stabilisierungsmechanismen flankiert werden, insbesondere nach dem Modell der Jugendgarantie und der Strukturfonds, die u. a. für die Aus- oder Weiterbildung bestimmt sind.

    Der EWSA fordert ferner, bei all diesen Instrumenten dem Gleichstellungsaspekt der EU Rechnung zu tragen.

    1.2.6

    Die schwere Krise, in der sich Europa befindet, und die Maßnahmen zur Bekämpfung der Überschuldungsprobleme könnten dazu führen, dass viele Ziele der Strategie Europa 2020 nicht erreicht werden. Der EWSA fordert, im Frühjahr 2014 unverzüglich eine KMU-Initiative zu ergreifen. Er begrüßt das neue Mandat, das die EIB dem EIF mit Blick auf KMU und Kleinstkredite (4 Mrd. EUR) übertragen hat, sowie seine Stärkung durch eine Erhöhung seines Kapitals.

    1.2.7

    Der EWSA unterstreicht, dass die EU über sehr viele Vorteile in Bezug auf Infrastrukturen, Qualität der Dienstleistungen und den Binnenmarkt verfügt, um diese Krise überwinden zu können. Diese Vorteile müssen genutzt werden, um den ökologischen Wandel, die Innovation, den Kreditzugang der KMU und die Wettbewerbsfähigkeit aller Unternehmen im Hinblick auf ein nachhaltiges, ökologisches und inklusives Wachstum zu beschleunigen.

    1.3   Eine dynamische und nachhaltige Perspektive für die Überarbeitung der Strategie Europa 2020

    1.3.1

    Die vorliegende Stellungnahme, die auf die Schlussfolgerungen des Europäischen Rates vom März 2014 ausgerichtet ist, soll auch einen Beitrag zur Halbzeitüberprüfung der Strategie Europa 2020 leisten. Das wird eine wichtige Aufgabe der neuen Kommission sein, die ihre Geschäfte während des italienischen Ratsvorsitzes aufnehmen wird. Die Union muss den Bürgern zeigen, dass sie den politischen Willen besitzt und eine konkrete Vision verfolgt, um die Integration zu vertiefen und ein „besseres Europa“ zu erreichen, was in bestimmten Politikbereichen „mehr Europa“ bedeutet. Zur Vorbereitung der Halbzeitüberprüfung wird empfohlen, diese auf die Instrumente des Europäischen Semesters abzustimmen, um ein neues Gleichgewicht zwischen Verantwortlichkeit und Solidarität zu erlangen. Der Ausschuss empfiehlt, in das Europäische Semester ein Scoreboard ökologischer Indikatoren aufzunehmen.

    1.3.2

    Der Ausschuss begrüßt, dass im JWB 2014 die Mitgliedstaaten dazu angehalten werden, trotz gespannter Haushaltlage die Herausforderungen des 21. Jahrhunderts anzunehmen und Investitionen in langfristigere Ziele wie z. B. den Klimaschutz zu fördern. Die Ziele, Verfahren und Instrumente des Europäischen Semesters müssen auch weiterhin auf die Ökologisierung der bestehenden branchenspezifischen industriellen Verfahren sowie der gesamten Wirtschaft ausgerichtet werden, um die Krise mit einem nachhaltigeren Entwicklungsmodell zu überwinden. Die Kommission nennt im JWB unter ihren Prioritäten für Wachstum und Wettbewerbsfähigkeit die Förderung der Ressourceneffizienz durch Verbesserungen in den Bereichen Abfall- und Wasserwirtschaft, Recycling und Energieeffizienz.

    Bei dieser Überarbeitung sollten neue Themen und Verfahren als Hebel für nachhaltige Entwicklung aufgenommen werden, wie z. B. Kreislaufwirtschaft, partizipative und kooperative Wirtschaft, Ökodesign, Ökoeffizienz, Ökomobilität oder nachhaltige Gebäuderenovierung und Städteplanung.

    1.3.3

    Eine neue europäische Strategie muss von einer gemeinsamen Bewertung durch die europäischen Institutionen und die Mitgliedstaaten ausgehen und sich in den Rahmen der künftigen Nachhaltigkeitsziele der Vereinten Nationen für die Zeit nach 2015 einfügen. Die Europäische Union hat stark dazu beigetragen, den universellen Charakter dieser künftigen Nachhaltigkeitsziele zu bestimmen. Diese Überarbeitung wird auch dem Streben nach Kohärenz aller Politikbereiche Rechnung tragen, einem Grundsatz, der auf europäischer Ebene bei der Entwicklungspolitik angenommen wurde. Es ist wichtig, dass sich diese künftigen weltweiten Ziele in einer für Europa charakteristischen dynamischen und nachhaltigen Entwicklung widerspiegeln. Der Ausschuss empfiehlt diesbezüglich, bei der Halbzeitbewertung in enger Zusammenarbeit mit den Mitgliedstaaten den Nachhaltigkeitszielen vor dem Zeithorizont 2030 Rechnung zu tragen.

    1.3.4

    Der Ausschuss möchte zu diesem Prozess des Übergangs zu einer nachhaltigen Wirtschaft seinen Teil beitragen und er bleibt wachsam bezüglich der Notwendigkeit einer anspruchsvollen Klima- und Energiepolitik. Die Ergebnisse der Konferenz zum Thema „Eine neue globale Partnerschaft: Standpunkte der europäischen Zivilgesellschaft zum Rahmen für die Zeit nach 2015“ (6), die am 13./14. Februar 2014 stattfindet und bei der der EWSA eine wichtige Rolle spielt, sind zu berücksichtigen.

    2.   Kontinuität und Vertiefung — Jahreswachstumsbericht 2014

    2.1   Bezüglich Kontinuität werden in der vorliegenden Stellungnahme zum JWB 2014 die — durch die Beiträge der nationalen WSR oder ähnlicher Beratungsgremien vervollständigten — Bemerkungen der vorausgegangenen Stellungnahmen des Ausschusses zum Europäischen Semester aufgegriffen. Er ruft die folgenden Schlussfolgerungen in Erinnerung, die auch für 2014 stichhaltig sind:

    die rasche Realisierung eines fortlaufenden, aber komplexen Verfahrens zur verstärkten Koordinierung, des sog. Europäischen Semesters, in Antwort auf die schlimmste multidimensionale Krise in der Geschichte Europas, die die Unzulänglichkeiten einer unvollendeten WWU ans Licht gebracht hat;

    Ausrichtung des Wachstums auf die Ziele der Europa-2020-Strategie; insbesondere die Bedeutung von Bildung, Ausbildung und lebenslangem Lernen; aktiver Arbeitsmarktpolitik, Unternehmergeist und selbständiger Erwerbstätigkeit; Politik der sozialen Eingliederung; Energieeffizienz;

    der ökologische Wandel und der Übergang zu einem Modell für Nachhaltigkeit in Produktion und Verbrauch ist für die Überwindung der Krise unerlässlich;

    die Verschärfung der Kluft zwischen Mitgliedstaaten, Regionen und Gebieten, zwischen Zentrum und Peripherie; es sind unbedingt kohäsionspolitische Maßnahmen erforderlich, damit die EU wieder auf den Weg der Konvergenz zurückfindet;

    eine wirksame Durchsetzung der Reformen durch die EU-Organe und die Mitgliedstaaten ist erforderlich;

    Zunahme der öffentlichen Schulden aufgrund der Bankenkrise;

    eine differenzierte Haushaltskonsolidierung, die Raum für einen Wirtschaftsaufschwung lässt; die Maßnahmen zur Sanierung der öffentlichen Haushalte müssen langfristiger angelegt sein und auf ein intelligentes Austarieren zwischen Einnahmen und Ausgaben sowie zwischen Angebot und Nachfrage abzielen;

    parallel dazu die Dringlichkeit einer Initiative, um Wachstum, Beschäftigung und Wettbewerbsfähigkeit zu generieren; effektive Umsetzung der Reformen auf den Produkt-, Dienstleistungs- und Arbeitsmärkten, falls erforderlich; Investitionsförderung und Unterstützung für Solidarmaßnahmen; die Vollendung der Bankenunion;

    die gravierenden sozialen Auswirkungen der Maßnahmen zur Überwindung der Krise; Notwendigkeit, die soziale Gerechtigkeit und Fairness bei der Kosten-Nutzen-Analyse der Strukturreformen zu berücksichtigen; Notwendigkeit einer sozialen Folgenabschätzung dieser Reformen;

    die Respektierung der Tarifautonomie der Sozialpartner und kollektiver Vereinbarungen; enge Zusammenarbeit und Abstimmung mit den Sozialpartnern und der Zivilgesellschaft; Stärkung der demokratischen Legitimation des Europäischen Semesters; Ausbau des sozialen Dialogs insbesondere bei Reformen des Arbeitsmarktes.

    2.2   Geeignete Instrumente für den Wachstumsbericht

    2.2.1

    Der EWSA weist darauf hin, dass mithilfe des Europäischen Semesters ein schrittweiser Übergang von der Koordinierung hin zu einer für die Mitgliedstaaten in stärkerem Maße bindenden wirtschaftspolitischen Steuerung stattfindet. Dabei werden Ende 2013 die länderspezifischen Empfehlungen überprüft, was in die Vorschläge für Empfehlungen des bevorstehenden Frühjahrsgipfels 2014 und ihre Ausgestaltung in den NRP einfließen wird. Aufgrund der Verzahnung zwischen den verschiedenen zur Analyse beitragenden Instrumenten mit Blick auf eine verstärkte wirtschaftspolitische Koordinierung ist das Europäische Semester ein hochkomplizierter Mechanismus, der leider nur von sehr wenigen europäischen und nationalen Experten beherrscht wird.

    2.2.2

    Die Kommission hat im Herbst 2013 zum ersten Mal die einzelstaatlichen Haushaltsentwürfe der Länder des Euroraums geprüft, bevor diese von den nationalen Parlamenten erörtert und verabschiedet wurden. Die Kommission hat keine Überarbeitung der Haushaltsentwürfe der 13 betroffenen Länder des Euroraums verlangt, wodurch sich bislang Legitimationskonflikte vermeiden ließen. Laut dem Warnmechanismus-Bericht, in dem ungefähr zehn makroökonomische Indikatoren (7) bewertet werden, sollen dieses Jahr sechzehn Länder einer eingehenderen Überprüfung unterzogen werden, in der festgestellt werden soll, ob Ungleichgewichte bestehen und ob es sich dabei um übermäßige Ungleichgewichte handelt.

    2.2.3

    Nach Einschätzung der Kommission ist jetzt ein Wendepunkt erreicht: Es besteht Aussicht auf eine Gesamterholung (1,1 % für den Euroraum und 1,4 % für die EU-28), die folglich gestützt werden sollte. Der Ausschuss hält es für besorgniserregend, dass diese wenn auch noch schwache Erholung nicht in allen Mitgliedstaaten zu beobachten ist. Der Ausschuss sieht in diesem JWB jedoch insofern eine positive Entwicklung, als Wachstum und Wettbewerbsfähigkeit oberste Priorität zuerkannt wird. Der Ausschuss wird darauf achten, dass die 400 Mrd. EUR in Projekte fließen, die auf diese Priorität ausgerichtet sind. Er wird auch darauf achten, dass ein eventuelles künftiges Instrument für Konvergenz und Wettbewerbsfähigkeit den in Bedrängnis geratenen Mitgliedstaaten hilft, was die Geschwindigkeit und Qualität ihrer Reformen betrifft.

    2.3   Anhaltende Unsicherheiten?

    2.3.1

    Im JWB werden die noch zaghaften Anzeichen einer Erholung betont. Der Ausschuss ist über die von der Kommission im Dokument aufgezeigten Unwägbarkeiten besorgt, wie z. B. die Verbindung zwischen ausfallenden Banken und Staatsschulden oder den Rückgang der Nachfrage in den Schwellenländern, die Fragmentierung des Finanzsystems, die hohen Arbeitslosenquoten, die die Wachstumsaussichten trüben und das Wachstum behindern.

    2.3.2

    Der EWSA stellt fest, dass der allgemeine Tenor des JWB 2014 insgesamt optimistischer ist als die Prognosen des IWF und der OECD. Diese gehen von einer im Vergleich zur Ankündigung vom Mai 2013 langsameren Erholung der Weltwirtschaft aus, insbesondere aufgrund der eingetrübten Aussichten für die aufstrebenden Volkswirtschaften (8). In den vergangenen Jahren hat die Kommission häufig Optimismus an den Tag gelegt und eine wirtschaftliche Erholung angekündigt, die sich dann nicht eingestellt hat. Er fordert die kommende Kommission dazu auf, die Wirtschaftsprognosen zu überprüfen und ggf. den Kurs zu wechseln. Er betont jedenfalls, dass eine Stagnation oder eine zu langsame Erholung die Sozialschutzsysteme bedroht, insbesondere in den Ländern, in denen diese Systeme noch fragil sind.

    2.3.3

    Auf die Verschlechterung der Arbeitsmarktlage infolge der Krise folgt keine allmähliche Verbesserung proportional zur wirtschaftlichen Stabilisierung; im JWB wird als Grund lediglich der Zeitabstand zwischen der Erholung und der Verbesserung der Beschäftigungslage angeführt. Sollte dieser Zeitabstand bestehen bleiben, ergibt sich daraus die Gefahr einer strukturellen Langzeitarbeitslosigkeit. Die Erwerbsbeteiligung muss daher auf verschiedene Weise gefördert werden: Qualifikationen, lebenslanges Lernen, Beteiligung der Sozialpartner, aber auch öffentliche und private Investitionsprogramme zur Schaffung von Arbeitsplätzen.

    2.3.4

    Es wäre reichlich verfrüht, die Krise für beendet zu erklären. Es besteht u. a. das Risiko, dass eine über längere Zeit zu niedrige Inflationsrate (unter 1 %) in eine Deflation mündet, was katastrophale Folgen für die Erholungsaussichten haben kann. Die Geldpolitik der EZB ist in dieser Hinsicht von entscheidender Bedeutung. Was die anderen Risiken angeht, hebt der Ausschuss hervor, dass sich mehrere Banken als zu schwach erweisen könnten, um ihren Verpflichtungen nachzukommen. Der nächste Stresstest unter der Kontrolle der EZB ist ein wichtiger Indikator für die Solidität des Finanzsektors.

    2.3.5

    Im JWB wird eingeräumt, dass die Aussichten für die Unternehmen nicht rosig sind: in einigen Ländern sind die Wachstumsprognosen niedrig, und infolge des beschwerlichen Kreditzugangs geraten zahlreiche KMU in Schwierigkeiten und müssen Konkurs anmelden.

    2.3.6

    Der EWSA anerkennt, dass es aufgrund der wirtschaftlichen und sozialen Unterschiede schwierig ist, einheitliche und für die gesamte EU gültige Prioritäten festzulegen. Der Ausschuss empfiehlt konkrete Maßnahmen zur Gewährleistung des Dialogs zwischen der Kommission und den Zivilgesellschaften sowie zur Stärkung des sozialen Dialogs, um geeignete länderspezifische Empfehlungen zu erarbeiten.

    2.3.7

    Der EWSA ist weiterhin besorgt über die Probleme im Gefolge der Krise. Die potenziellen Risiken der Überprüfung der Qualität der Bankenaktiva und der Stresstests, die im Lauf des Jahres 2014 durchgeführt werden sollen, sind seiner Meinung nach alarmierend; eine glaubwürdige Aufsicht muss gewährleistet sein, aber die Bankenunion bietet hierfür keine unmittelbaren Lösungen.

    2.3.8

    Der EWSA begrüßt die Einigung über die Richtlinie über Einlagensicherungssysteme und über die Richtlinie über die Sanierung und Abwicklung von Banken. Die Verwirklichung der Bankenunion in den beiden Bereichen Beaufsichtigung und Abwicklung ist wichtig für den Aufschwung und die Wiederherstellung des Vertrauens. Der EWSA spricht sich daher für die rasche Einführung des einheitlichen Abwicklungsmechanismus als wichtiges Instrument für die Bewältigung künftiger Bankenkrisen aus. Der Ausschuss ist zutiefst enttäuscht darüber, dass sich der Rat auf seiner jüngsten Tagung nicht auf eine vollständige Bankenunion einigen konnte und sich stattdessen für ein zwischenstaatliches Verfahren entschieden hat.

    3.   Stabilisierung, aber durch Fragmentierung gekennzeichnete Lage

    3.1

    Im JWB wird anerkannt, dass Europas Handel mit der Welt für den Wohlstand der EU eine wichtige Rolle spielt. Die EU richtet ihre Erholung auf ein stärker exportinduziertes Wachstum durch Ausfuhren in die Schwellenländer aus, indem in bestimmten Ländern eine interne Abwertung praktiziert wird.

    Im Kontext eines lebhaften internationalen Wettbewerbs nimmt die EU trotz einer spürbaren Entwicklung der Handelsströme und Wertschöpfungsketten weiterhin eine herausragende Position im Welthandel ein. Sie bemüht sich außerdem um eine stärkere Öffnung bei den Investitionen. Als Reaktion auf die aktuelle Entwicklung führt die Union bilaterale Verhandlungen u. a. im Bereich Handel und Investitionen und nimmt die Durchführung bilateraler Abkommen in Angriff. Der Ausschuss wird weiterhin wachsam sein und den einschlägigen Regeln, Normen und Werten in sämtlichen Abkommen Geltung verschaffen, wobei erforderlichenfalls auf Schutzmaßnahmen oder Streitbeilegungsmaßnahmen im Rahmen der WTO zurückgegriffen wird; außerdem wird er sich an den Überwachungsmechanismen der Abkommen beteiligen.

    3.2

    Die in den ersten JWB eingeräumte Priorität für drakonische und allgemeine Sparmaßnahmen hat nun nuancierteren Zielsetzungen für die Haushaltskonsolidierung Platz gemacht. Der EWSA unterstützt den Aufruf an die Mitgliedstaaten, ihre Konsolidierungsprogramme besser auszurichten und ihrer Qualität, Zusammensetzung und Dosierung mehr Aufmerksamkeit zu schenken. Der EWSA nimmt zur Kenntnis, dass die Kommission den Einfluss der Haushaltspolitik auf das Wachstum, die Effizienz des öffentlichen Sektors und die soziale Gerechtigkeit ausdrücklich betont und umweltschädliche Subventionen beanstandet.

    3.3

    Wie bereits in seiner Stellungnahme zur sozialen Dimension der WWU betont, ist der EWSA darüber besorgt, dass die wirtschaftliche und soziale Lage durch große Unterschiede zwischen den Ländern bzw. Ländergruppen gekennzeichnet ist. Diese divergierende Entwicklung im Bereich der wirtschaftlichen Erholung und der sozialen Ungleichheiten unterminiert die Perspektive eines gemeinsamen Wohlstands der Mitgliedstaaten. Die EU muss ein wachsendes wirtschaftliches und soziales Auseinanderdriften nicht nur im Euroraum, sondern auch im Binnenmarkt verhindern. Der EWSA bekräftigt seine Forderung nach einer Rahmenrichtlinie zur Bekämpfung der Armut und zur Förderung der Eingliederung in den Arbeitsmarkt.

    3.4

    Die EU als Ganzes muss auch Reformen auf den Weg bringen, die ihr die Anpassung an die sich verändernden wirtschaftlichen Gegebenheiten erleichtern. Wie der EWSA bereits in seiner vorherigen Stellungnahme zum JWB 2013 unterstrichen hat, müssen die Kosten und der Nutzen dieser Strukturreformen gerecht auf alle Akteure (Arbeitnehmer, Haushalte/Verbraucher und Unternehmen) verteilt werden.

    3.5

    Der EWSA ist der Auffassung, dass sich die Prioritäten des JWB 2014 zu wenig auf die Strategie Europa 2020 und ihre quantitativen Ziele beziehen. Der EWSA bekundet nochmals seine Besorgnis über die mangelnden Fortschritte bei der Verwirklichung ihrer Ziele. Er ist verwundert, dass die Ursachen des mangelnden Fortschritts nicht untersucht werden, und erwartet mit Interesse die Halbzeitüberprüfung; er ist beunruhigt ob der Verschärfung der divergierenden Entwicklungen innerhalb der Europäischen Union in puncto Wirtschaftstätigkeit, Beschäftigung, Arbeitslosigkeit und prekäre Verhältnisse. Die Ziele der Strategie Europa 2020 rücken in bestimmten Bereichen immer mehr in die Ferne. Die Arbeitslosenquote scheint sich in der Europäischen Union auf 10,9 % einzupendeln (12,1 % im Euroraum) und erreicht damit eine seit der Errichtung der WWU noch nie da gewesene Höhe.

    3.6

    Obwohl die Institutionen seit 2011 mit Nachdruck auf eine Stärkung der sozialen Dimension der WWU dringen, waren die Ergebnisse des Europäischen Rates vom Dezember 2013, der dieses prioritäre Anliegen auf seine Tagesordnung gesetzt hatte, zum Bedauern des Ausschusses enttäuschend. Dabei muss jedoch daran erinnert werden, dass ihm mit dem Beschäftigungsbericht leistungsfähige Diagnoseinstrumente zur Verfügung standen. Er stellt fest, dass das Europäische Semester im Beschäftigungsbericht ein Scoreboard sozialer Indikatoren enthält, und empfiehlt, dieses in einen gemeinsamen Überwachungsrahmen zu integrieren, bei dem die wirtschaftliche und die soziale Dimension gleichberechtigt zum Tragen kommen. Die Ziele in Bezug auf Staatsschulden und Staatsdefizite müssen durch quantifizierbare beschäftigungs- und sozialpolitische Ziele flankiert werden. Sie müssen den vergleichbaren Anpassungs- und Solidaritätsmechanismen zur Korrektur sozialer Ungleichheiten und zur Förderung sozialer Investitionen entsprechen. Der EWSA weist schon seit langem auf den enormen Bedarf an Investitionen — u. a. auch sozialen Investitionen — zur Schaffung von Arbeitsplätzen, zur Verringerung der Armut und zur Bekämpfung von sozialer Ausgrenzung hin. Hierfür sind sowohl private als auch öffentliche Investitionen und gegebenenfalls auch Strukturreformen erforderlich.

    3.7

    Der EWSA unterstreicht ferner, dass die Strukturprobleme der Mitgliedstaaten an der Wurzel gepackt werden müssen. Strukturelle Wettbewerbsfähigkeit, Wirtschaftswachstum und eine starke soziale Dimension sind die Schlüsselfaktoren, um Europa aus der Krise zu führen. Das unlängst vorgeschlagene Scoreboard sozialer Indikatoren muss genutzt werden, um die kurz- und mittelfristigen Veränderungen in enger Zusammenarbeit und Abstimmung mit den Sozialpartnern zu verstärken.

    3.8

    In die neue wirtschaftspolitische Steuerung muss unbedingt die Geschlechterdimension einbezogen werden. Der Ausschuss ruft die EU-Institutionen und die Mitgliedstaaten dazu auf, bei den Reformen die Geschlechterdimension zu berücksichtigen, bei sämtlichen Instrumenten geschlechtsspezifische Daten zu definieren und die Auswirkungen der Ungleichheit zwischen Frauen und Männern auf das Wachstum insbesondere in den NRP und den länderspezifischen Empfehlungen zu präzisieren.

    3.9

    Da es an einer ausreichenden Koordinierung der einzelstaatlichen Politiken mangelt, können bestimmte Maßnahmen eines Mitgliedstaates negative Auswirkungen auf einen anderen Mitgliedstaat haben. Dies wird im JWB erwähnt, aber die mit der Mitteilung angestoßenen Überlegungen über die großen wirtschaftlichen Reformprojekte müssen vertieft werden, um zu einem kohärenten Zeitplan für die Strukturreformen zu gelangen. Unter diese Überlegungen fallen u. a. der steuerliche oder soziale Wettbewerb, der Energiemix oder die Migrationspolitik, die negative Auswirkungen auf andere Mitgliedstaaten haben können.

    3.10

    Die größte Herausforderung besteht jetzt darin, die wirtschaftliche Erholung in Gang zu halten, wozu insbesondere die großen wirtschaftlichen Reformen korrekt umgesetzt und die strukturelle Wettbewerbsfähigkeit gestärkt werden müssen; d. h. die Innovationsfähigkeit muss gefördert, die Qualität der Dienstleistungen und Produkte muss verbessert, Arbeitsorganisation und Management müssen überdacht und die Forschung und ihre Anwendungen müssen ausgebaut werden, wobei weiteren Faktoren der Preiswettbewerbsfähigkeit Rechnung zu tragen ist wie beispielsweise den Kosten des Produktivkapitals und den Arbeitskosten, aber auch dem als recht hoch eingestuften Wechselkurs für den Euro.

    4.   Langfristige Investitionen für nachhaltiges Wachstum

    4.1

    Der EWSA bedauert, dass den Investitionen und der Belebung der Binnennachfrage zu wenig Aufmerksamkeit geschenkt wird. Europa braucht Wachstum und Beschäftigung, und dafür ist ein neues europäisches Investitionsprogramm erforderlich. Der EWSA wiederholt seine Vorschläge für ein Investitionsprogramm zur Förderung von hochwertigen Arbeitsplätzen insbesondere für junge Menschen, nachhaltiger Entwicklung, innovativen Zukunftsprojekten, sowie zur Förderung von Bildung, Forschung, Infrastrukturen und Ökoeffizienz. Das Hauptkriterium für ein solches Programm muss die Schaffung von Arbeitsplätzen und die sich daraus ergebende Verringerung der Armut sein wie auch die Senkung der Belastungen für die öffentlichen Haushalte dank einer stärkeren Erwerbsbeteiligung.

    4.2

    Ein derartiges Investitionsprogramm muss die Bemühungen um die Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen und die Unterstützung des wirtschaftlichen Aufschwungs vervollständigen und verstärken. Ziel ist es, die Wirtschaftsleistung der EU im internationalen Vergleich zu stärken und ihr eine inklusive und ressourceneffiziente Zukunft in Wohlstand zu sichern. Solidarität und Fairness — sowohl in den einzelnen Ländern als auch europaweit — sind wesentliche Faktoren, um zu gewährleisten, dass die unternommenen Anstrengungen politisch und sozial akzeptabel und für alle von Nutzen sind.

    4.3

    Der EWSA nimmt befriedigt zur Kenntnis, dass die effiziente Nutzung der natürlichen Ressourcen und die Durchführung energiepolitischer Maßnahmen unter den Prioritäten des JWB 2014 zur Gewährleistung von Wachstum und Wettbewerbsfähigkeit aufgeführt werden. Nach Auffassung des Ausschusses ist eine inklusive grüne Wirtschaft die wichtigste Herausforderung der nächsten Jahre und kann den Weg aus der Krise bereiten. Die Maßnahmen zur Förderung von Wachstum und Beschäftigung müssen sich auf die ökologische Umstellung auf eine kohlenstoffemissionsarme und ressourceneffiziente Wirtschaft bis 2050 konzentrieren. Die EU muss diesen Prozess beschleunigen.

    4.4

    Da Haushaltskürzungen allein das Wachstum nicht befördern können, fordert der EWSA die Kommission auf, ihre Ideen weiterzuentwickeln, was die politischen Maßnahmen zur Förderung privatwirtschaftlicher Investitionen, des Kreditzugangs von KMU, zur Wiederankurbelung des Verbrauchs sowie die steuerlichen Strukturreformen angeht. Nationale Maßnahmen in diesen drei Bereichen — Investitionen, Verbrauch, Steuern — können nur in einem klar definierten, koordinierten sowie auf nachhaltige Entwicklung und gemeinsamen Wohlstand ausgerichteten europäischen Rahmen voll greifen.

    4.5

    Der EWSA spricht sich nochmals für Investitionen auf europäischer Ebene aus, insbesondere mithilfe der Emission von Anleihen durch die EIB oder den EIF, um Wachstum zu finanzieren, weltweite Sparüberschüsse anzuziehen, die Ausklammerung bestimmter struktureller Zukunftsinvestitionen aus dem nationalen Schuldenstand zu ermöglichen sowie der Industriepolitik mehr Aufmerksamkeit zu schenken.

    4.6

    Zur Wiederankurbelung der Binnennachfrage in Europa müssen die Erwerbsbeteiligung, die öffentlichen Arbeitsverwaltungen und die aktiven Arbeitsmarktmaßnahmen verbessert werden. Unter diesem Gesichtspunkt ist die Jugendgarantie trotz ihrer bescheidenen Mittelausstattung besonders zu begrüßen. Es ist jedoch auch notwendig, den Arbeitnehmern stabile Beschäftigungs- und Lohnperspektiven zu garantieren, ohne die das Vertrauen nicht wiederhergestellt und der Konsum nicht wiederbelebt werden können.

    4.7

    Für die Neubelebung des Binnenmarktes muss bei einer Modernisierung des Arbeitsvertragsrechts mit dem Ziel einer verstärkten Flexibilisierung des Arbeitsmarktes im Interesse der Gesamtausgewogenheit auch dem Aspekt der Arbeitsplatzsicherheit Rechnung getragen werden. Nach Schätzungen von Eurostat lag im Jahr 2011 der Anteil der erwerbstätigen Armen in der EU bereits bei 8,7 % (9), und mit der Wirtschaftskrise wird die Zahl prekärer Beschäftigungsverhältnisse weiter ansteigen.

    4.8

    Der Ruf der Kommission nach leistungsstärkeren Sozialschutzsystemen, um den sozialen Wandel unterstützend zu begleiten und Ungleichheiten und Armut langfristig abzubauen, ist als Forderung nach hochwertigen Diensten für die schutzbedürftigsten Bevölkerungsgruppen zu werten. Im Jahr 2012 war laut Eurostat (10) ein Viertel der EU-Bevölkerung von Armut und sozialer Ausgrenzung bedroht. Das sind fast 125 Mio. Menschen. Dass diese Zahl seit 2008 ständig steigt, ist nicht auf eine schlechte Verwaltung der Sozialschutzsysteme zurückzuführen, sondern auf die Wirtschaftskrise und eine Politik, bei der der Frage der Fairness und der sozialen Gerechtigkeit nicht genügend Aufmerksamkeit gewidmet wurde.

    4.9

    Unter diesem Gesichtspunkt weist der EWSA nachdrücklich darauf hin, dass die Kosten und der Nutzen der Strukturreformen gerecht auf alle Akteure verteilt werden müssen, was insbesondere bedeutet, dass schon jetzt über die Verteilung der Früchte der erhofften nachhaltigen Erholung nachgedacht werden muss. Der EWSA ersucht die Kommission nochmals, ihren Standpunkt in puncto Löhne, Inflation und Produktivität klarzustellen.

    5.   Verbesserte — aber noch begrenzte und unausgewogene — Steuerung

    5.1

    Nach Auffassung des EWSA müsste anlässlich der Bewertung der neuen wirtschaftspolitischen Steuerung auf EU-Ebene das Verfahren vereinfacht werden. Der Ausschuss hat bereits in verschiedenen Stellungnahmen unterstrichen, dass das Programm des Europäischen Semesters mit Instrumenten überfrachtet ist: Stabilitäts- und Wachstumspakt (SWP), Vertrag über Stabilität, Koordinierung und Steuerung (SKS-Vertrag), Sechserpack, Zweierpack usw. Der EWSA stellt fest, dass diese Entwicklung der — wenn auch komplexen — Steuerung die Märkte offenbar davon überzeugen konnte, dass sich die EU und die Mitgliedstaaten den Herausforderungen der WWU stellen wollen. Glaubwürdigkeit, Nachvollziehbarkeit und Legitimation müssen künftig zusammenspielen.

    5.2

    Beim JWB scheint der Schwerpunkt vor allem auf der eigenverantwortlichen Übernahme durch die Mitgliedstaaten und nur in unzureichendem Maße auf einer echten Beteiligung der Sozialpartner und der Zivilgesellschaft an der Festlegung der Leitlinien und der Umsetzung der Maßnahmen zu liegen. Die Glaubwürdigkeit und die soziale Akzeptanz der Reformen, Voraussetzung für ihre erfolgreiche Umsetzung, hängen von einer engen Zusammenarbeit und Abstimmung mit den Sozialpartnern ab.

    5.3

    Die Unionsbürger erwarten von der EU und ihren Mitgliedstaaten außerdem, dass mit dieser neuen Steuerung auch die anderen Herausforderungen bewältigt werden, denen sie sich gegenübersehen: Klimaschutz, Energiepolitik, Industriepolitik, Förderung einer umsichtigen und effizienten Ressourcennutzung usw. Diesbezüglich begrüßt der Ausschuss die Prioritäten der Kommission im Energiebereich.

    5.4

    Im Rahmen einer wirtschafts- und sozialpolitischen Steuerung mittels eines gemeinsamen Überwachungsverfahrens könnte ein Anreizinstrumentarium zur Unterstützung der nationalen Reformen mit Blick auf Konvergenz und Wettbewerbsfähigkeit geschaffen werden. Im JWB 2014 wird auf die rege Debatte über ein neues Instrument für Konvergenz und Wettbewerbsfähigkeit mit vertraglichen Vereinbarungen oder Pakten für Wettbewerbsfähigkeit verwiesen. Mit diesen sollen die Mitgliedstaaten zu Reformen verpflichtet werden, deren Durchführung finanziell unterstützt werden soll. Vorbehaltlich einer Präzisierung zur Finanzierungsweise (Mehrwert im Vergleich zu den bestehenden Strukturfonds, unterstützte Arten von Reformen, Mittelausstattung des Finanzinstruments, Finanzierungsquelle) und zur Ausrichtung der vertraglichen Vereinbarungen muss nach Auffassung des Ausschusses die Debatte offen und ohne Hast geführt werden. Der dem Instrument für Konvergenz und Wettbewerbsfähigkeit zugrunde liegende vertragliche Ansatz könnte auf nationaler Ebene einen gewissen Spielraum für eine bessere Einbindung der Zivilgesellschaften bieten. Darüber hinaus erscheint er als ein Mittelweg zwischen freiwilliger Koordinierung und zwingend vorgeschriebenem Vorgehen in denjenigen Bereichen, in denen die EU derzeit über begrenzte Befugnisse verfügt. Die Mitgliedstaaten werden sich auf der Ratstagung im Oktober 2014 erneut damit befassen.

    5.5

    Der EWSA befürchtet, dass die Verlagerung von der Besteuerung des Faktors Arbeit hin zur Besteuerung des Verbrauchs im derzeitigen Kontext zur Schwächung der Binnennachfrage beitragen könnte. Mit Sorge sieht er auch die Gefahr eines Lohnwettbewerbs nach unten zwischen die Mitgliedstaaten, wodurch die Nachfrage noch stärker sinken würde.

    5.6

    In Bezug auf die Ökosteuern nimmt der EWSA mit Interesse zur Kenntnis, dass die Kommission prioritär über eine Verlagerung der Steuerlast vom Faktor Arbeit auf andere Bemessungsgrundlagen nachdenkt, u. a. solche im Zusammenhang mit Umweltbelastungen. Es müssen geeignete Maßnahmen ergriffen werden, um die Ökosteuern in den Mitgliedstaaten zu reformieren. Denn dadurch kann zur Haushaltssanierung und gleichzeitig zur Senkung des Verbrauchs an natürlichen Ressourcen und importierten fossilen Brennstoffen beigetragen werden. Auf Wachstum und Beschäftigung würde sich dies weniger negativ auswirken als indirekte Steuern.

    5.7

    Hinsichtlich der Besteuerung von Eigentum beschränkt sich der JWB darauf, sie als Alternative zur Besteuerung des Faktors Arbeit anzuführen; der Ausschuss ersucht die Kommission, ihre Vorstellungen klarer zu entwickeln und wesentliche Aspekte in den nächsten JWB aufzunehmen.

    Brüssel, den 26. Februar 2014

    Der Präsident des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses

    Henri MALOSSE


    (1)  Siehe http://www.eesc.europa.eu/ceslink/?i=ceslink.fr.home.

    (2)  Jahreswachstumsbericht COM(2013) 800 und Anhänge.

    (3)  Van Rompuy, „Auf dem Weg zu einer echten Wirtschafts- und Währungsunion“ — Brüssel, 12. Oktober 2012 — Europäischer Rat.

    (4)  Schlussfolgerungen des Europäischen Rates, Dezember 2013.

    (5)  Fünf Indikatoren: Arbeitslosenquote, Jugendliche, die sich weder in Arbeit noch Ausbildung befinden, Armutsrisiko der Bevölkerung im erwerbsfähigen Alter, Ungleichheiten, verfügbares Realeinkommen der Haushalte.

    (6)  Eine neue globale Partnerschaft: Standpunkte der europäischen Zivilgesellschaft zum Rahmen für die Zeit nach 2015.

    (7)  Indikatoren des Scoreboards für die Vermeidung und Korrektur makroökonomischer Ungleichgewichte: Leistungsbilanzsaldo, Netto-Auslandsvermögensstatus, realer effektiver Wechselkurs, Exportmarktanteile, nominale Lohnstückkosten, deflationierte Wohnimmobilienpreise, Kreditstrom des privaten Sektors, Arbeitslosenquote — Dreijahresdurchschnitt, Schulden des privaten Sektors, gesamtstaatlicher Schuldenstand, Verbindlichkeiten des Finanzsektors insgesamt.

    (8)  OECD, Economic outlook, analysis and forecasts. Euro Area — Economic forecast summary (OECD-Wirtschaftsausblick, November 2013) http://www.oecd.org/eco/outlook/euroareaeconomicforecastsummary.htm.

    (9)  http://www.europarl.europa.eu/RegData/bibliotheque/briefing/2013/130424/LDM_BRI(2013)130424_REV1_FR.pdf.

    (10)  http://epp.eurostat.ec.europa.eu/cache/ITY_PUBLIC/3-05122013-AP/DE/3-05122013-AP-DE.PDF.


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